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8-iIag- zu Nr. 117 WMM Ngehlatt lind MMtMM AllMtt Mittwoch, den 21. M-i 1930 England und Paneuropa. Aur die Möglichkeit der Zusammenarbeit. Anläßlich ihrer zur Zeit in Berlin tagenden internationalen Konferenz veranstaltete die Paneuropa- Union in der Singakademie eine Kundgebung, die für einen europäischen Staatenbund Propaganda machen sollte, aber auch manche Kritik an der Paneuropa bewegung brachte. So meinte Reichsinnenminister Dr. Wirth in seiner Begrüßungsansprache, das Reich der Ideen sei allerdings nicht ohne weiteres in Ein klang zu bringen mit der politischen Welt. Im übrigen erklärte der Minister, die große Mehrheit des deut schen Volkes wünsche den Frieden und einen gemein samen Aufbau Europas. Doch müsse Deutschland bei der Zusammenarbeit mit den anderen Ländern volle Gleichberechtigung und den Platz fordern, der ihm im Konzert der Völker zustehe. Wirth gedachte, während sich die Anwesenden von den Plätzen erhoben, der Frie densarbeit des verstorbenen Reichsaußenminister Dr. Stresemann, den er einen großen Europa-Menschen und einen treuen Deutschen nannte. Der Präsident der Paneuropa-Union, Graf Cou- denhove-Kalergi, wies auf die Europa-Denk schrift Briands hin, mit dem Europa an einem Wende punkt seiner Geschichte stehe. Die Idee der Paneuropa- Bewegung beginne sich zu verwirklichen. i Von besonderem Interesse war die Erklärung des früheren englischen Kolonialministers Amery, der die Stellung des britischen Weltreiches zur Paneuropa- Bewegung darlegte. Mit großer Bestimmtheit führte er aus, cs liege weder im Interesse des britischen Weltreiches noch Paneuropas, wenn das britische Welt reich einen Teil von Paneuropa bilden würde. Aus der anderen Seite würde aber die Möglichkeit der Zu sammenarbeit in de» großen Weltfragen zwischen dem britischen Weltreich und Paneuropa um so stärker ge- Seben sein, wenn die internen europäischen Fragen durch engen europäischen Zusammenschluß erledigt iverden. Der ehemalige südslawische Minister Nintschitsch behandelte das Problem „Völkerbund und Paneuropa". Paneuropa werde dem Völkerbund von Nutzen sein, sie würden sich gegenseitig ergänzen. Thomas Mann sprach über das Thema „Europa als Kulturgemein schaft". ' Am Montag fand eine zweite Paneuropa-Kunv- gebung statt, auf der u. a. der ehemalige französische Rrtschaftsminister Loucheur sprach. Siskontennäßigung auf 4,5 v. S. Dr. Luther begründet die Herabsetzung. . Der Ankündigung entsprechend, wurde in der Atzung des Zentralausschusses der Reichsbank am Mon- Mg beschlossen, den Diskontsatz um V- v. H. auf 4V, H. und den Lombardsatz gleichzeitig um V, b. H. auf b'/, v. H. mit Wirkung ab Dienstag zu ermäßigen. >. H. habe die . Er stehe, wie dem Standpunkt, daß die der- LPrivatdiskontsatzes wie auch des Jeichsbanksatzes der tatsächlichen Lage des deutschen Geldmarktes nicht entsprächen. . Reichsbankpräsident Luther, der zum erstenmal ?er Zentralausschußsitzung vorsaß, führte zur Begrün ung der Diskontermäßigung aus, die Geldverflüs- igung an den internationalen Märkten sei in den Men Tagen noch stärker geworden, infolgedessen habe Me Reichsbank die Fühlung mit dem Privatmarkt '>nmer mehr verloren. Die Goldzuflüsse seien allerdings "Ur gering gewesen und die Devisensätze hätten sich auch M wenig verändert. Auf der anderen Seite seien aber Wechselbestände stark zurückgegangen. Die Reichs- ?unk hoffe mit der Diskontermäßigung der Wirt schaft einen gewissen Antrieb geben zu können. Zu einer Diskontermäßigung auf 4 v. " 5fichsbank sich nicht entschließen können, rin Vorgänger, auf Mg« Höhe des P Privatdiskoutsatz auf S»/« b. H. ermäßigt. - An der Berliner Montagsbörse wurde der Satz Mr Privatdiskonten um V« auf 3V, v. H. herabgesetzt. Spanne zwischen dem Reichsbanksatz und dem Pri- Mdiskout betrügt also jetzt V- v. H. Deutscher Reichstag. — Berlin, 19. Mai 1930. . Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung deS Haushalts des ReichsverkehrsmiuistcriumS. i Aba. Dr. Klön ne (Deutschnat. Arb.-Gem.) nannte Verkehrshaushalt das Arbeitsbeschaffungsprogramm der ^chsregierung. Streichungen müsse man hier be- .-Uders vorsichtig sein, weil dadurch die Arbeitsmöglich- ?Uen vermindert und die Erwerbslosigkeit gesteigert wer- ysu. Ais dringend notwendig bezeichnete der Redner den Mbau des Dortmund—Ems-Kanals. Eine Tarifer- ^°hung bei der Reichsbahn werde einen VerkehrSrück- x,Ug zur Folge haben. Der Reichsbahn könne allein urch einen Abbau der Beförderungssteuer geholfen werden. Aeichsverlehrsminister v. Gnerard darauf hin, daß der Haushalt des Reichsverkehrs» so» steriums höchstens zwei Prozent der Gesamtaufwendun» k.",.für das deutsche Verkehrswesen umfaßt. Für di« ^ichiedenen Verkehrsmittel müßten möglichst gleiche Be- »"kiungen geschaffen werden. Das von der Reichsbahn im Ek?, "enzkampf mit dem Kraftwagenverkehr angewandt« der Kampftarife sei nicht unbedenklich. Im Luft» düi.» " könne die Verkehrssicherheit gefördert werden durch »ernde Verbesserung der Motoren. ^i, Ltzter dem Rückgang de» Verkehrs leide am schwersten .'^bahn, die mit so großen Reparationslasten be» ^**t kei. Di« Finanzlage der Reichsbahn sei unter diesen Umstanden besorgniserregend. Zu der beantragten Erhöhung der Personcntarife in mäßige« Grenzen habe sich die Reichsregierung ihre Stellungnahme ausdrücklich Vor behalte«. Die dauernde Beibehaltung der BcförderungS- steuer in ihrem bisherigen Umfang werde kaum möglich sein, wenn die Reichsbahn lebensfähig bleiben soll. Auf dem Gebiet der Wasserstraßen beschränke man sich im wesentlichen auf die Fortführung der begonnenen Bauten. Die Arbeiten zur Oderregulierung seien angesichts der Notlage des Ostens besonders dringlich. Die Fertig stellung des Königsberger Seekanals sei noch in oiesem Etatsjahr zu erwarten. Abg. Schumann-Frankfurt (Soz.) bedauerte den Konkurrenzkampf der Reichsbahn gegen den Kraftver kehr, der vielfach wirtschaftsschädigende Formen annehme, Abg. Hartmann (Dntl.) wie» darauf hin, daß weite Gebiete des Ostens nicht über die für di« wirtschaftliche Entwickeluna notwendigen Verkehrseinrichtungen verfügen. Die Abwanderung aus diesen Gebieten nehme daher immer mehr zu. Die Beförderungssteuer sei zu beseitigen. Abg. Groß (Ztr.) wandte sich gegen Verfügungen der Reichsbahngesellschaft, durch die in die wohlerworbenen Rechte der Beamten eingegriffen werde. Abg. Dr. Wieland (Dem.) trat für eine Umwand lung des Verkehrsministeriums in ein Ministerium für öffentliche Arbeiten ein. Abg. Mollath (Wirtschp.) erklärte, die Reichsbahn könne auf verschiedene» Gebieten mehr sparen. So habe bei einer Besichtigungsreise durch Schlesien ein Eisenbahn präsident einen eigenen Schlafwagen für sich gehabt und, während die Abgeordneten zu Fuß gingen, seinen Kraft wagen telephonisch kommen lassen. Nächste Sitzung Dienstag: Weiterberatung, Abstimmun gen und zweite Lesung des Reichswehretats. „Graf Zeppelin" aus guter Fahrt. Ueber Südfraukrcich und Mittelmeer nach Gibraltar. — Spazierfahrt an der nordafrikanischen Küste. — Die Zwischenlandung in Sevilla. Die Fahrt auf der ersten Etappe Friedrichs hafen-Sevilla ging Programmäßig vonstatten. Bald nach dem Start mußte das Luftschiff allerdings mehreren Gewittern ausweichen und hatte zeitweise Mit starken Gegen- und Seitenwinden zu kämpfen. Später hatte „Graf Zeppelin" einen gleichmäßigen ruhigen Nachtflug durch das Rhonetal und legte in den ersten acht Stunden 700 Kilometer mit einer Durch schnittsgeschwindigkeit von 91 Kilometer zurück. Um 1 Uhr nachts hatte das Luftschiff die französische Küste westlich der Rhonemündung erreicht und nahm Kurs über das Mittelländische Meer in der Richtung der Balearen. Kurz nach 5 Uhr befand sich das Luftschiff über Mallorca. Der Kurs richtete sich jetzt aus die spanische Ostküste. Gegen 7 Uhr wurde Cartagena erreicht, und nun ging es nicht quer über Spanien direkt nach Sevilla, sondern die Küste und die Ge birgskette der Sierra Nevada entlang über Malaga nach Gibraltar, das gegen Mittag erreicht wurde. Von hier aus führte eine Spazierfahrt zur afrikanischen Küste hinüber nach Tanger und dann nordwärts über Cadiz nach Sevilla, wo umfangreiche Vorberei tungen zu einem festlich«« Empfang Vorbereitet waren. Die Stadt war in ein Meer von Flaggen gehüllt. Das Luftschiff wurde am Ankermast festgemacht und sofort mit der Nachfüllung von GaS begonnen und neuer Betriebsstoff ausgenommen. Des gleichen wurde noch Post an Bord aufgegeben, die ein deutsches Sonderflugzeug aus Berlin herangebracht hatte. Da sechs Fahrgäste, namentlich Spanier, in Sevilla ausstiegen und drei zustiegen, so macht das Luftschiff die Transozeanreise nach Brasilien mit 62 Personen an Bord. Das Luftschiff ist für den Flug wieder mit 2,3 Millionen Mark versichert. Die Ver sicherungssumme für die Schiffsbesatznng lautet aus 1,5 Millionen Mark. Dazu kommen die je nach der Reisedauer und Selbsteinschätzung verschiedenen, zum Teil sehr hohen Versicherungssummen für die Fluggäste. Die Strecke Sevilla—Pernambuco ist die interessanteste und wird auch für die Besatzung die anstrengendste werden, da das Luftschiff auf dieser Strecke zum ersten Male die Zone der Passatwinde er reicht. Der Seemannsbrauch der Aequatortaufe wird auch im Luftschiff nicht unbeachtet bleiben. Die Erforschung dieser Gebiete ist in bezug auf den beab sichtigten späteren Postdienst Deutschland—Südamerika von größter Wichtigkeit. Für die Landung in Per nambuco ist alles bereits vorbereitet durch Marine baurat a. D. Boesch vom Luftschiffbau Friedrichshafen. Wenn das Wetter günstig ist, wird zuerst in Rio de Janeiro gelandet werden. In Pernambuco wird der Aufenthalt länger sein, um Gas und Betriebsstoff nachzufüllen. Dann erfolgt eine Landung in Ha vanna mit Rundfahrt nach Florida. In Lakehurst wird wieder gelandet und längerer Aufenthalt genom men. Die Rückfahrt nach Friedrichshafen erfolgt über Sevilla. * Gute Wettcraussichten. Der „Graf Zeppelin" hat nach Ueberwindung einer Gewitterzone am Montag gutes Wetter gehabt, das bis zur Landung in Sevilla anhielt. Auch auf der Fahrt über den Ozean wird voraussichtlich die Witterung günstig sein, ja, man rechnet sogar damit, daß nordöstliche Wmde nicht unerheblich zur Steige rung der Fahrtgeschwindigkeit beitragen werden. Zeppelin in Sevilla glatt gelandet. Begeisterter Empfang. — Glatte Landung. - Sevilla, 19. Mal. Das Luftschiff „Graf Zeppelin", das am Sonn tagnachmittag in Friedrichshafen zu seiner große» Aequatorfahrt über Spanien nach Südamerika ausge- gestiegen ist, ist am Montagabend 1S,V5 Uhr in Se villa glatt gelandet und am Ankermast festgelegt wor den. Auf dem Flugplatz hatte sich eine riesige Men schenmenge angcsammclt, die dem Luftschiff zujubelte, als es vor der Landung längere Zeit über der Stadt kreuzte, und auch später bei der Landung. Morgen vor mittag erfolgt der Start zum Weiterflug nach Süd amerika. Sie Mier fordern Schutz. Tagung der sächsische« Mietervereine. Aus allen Teilen des Sachsenlandes fanden sich die Delegierten der sächsischen Mieterverrine zum 10. ordentlichen Verbandstag in Riesa ein. Im Mittelpunkt der öffentlichen Tagung standen zwei wohnungspolitische Vorträge, nach denen drei Ent schließungen angenommen wurden. In der ersten richtet die sächsische Mieterschaft an die sächsische Regierung die dringende Bitte, sich, für Beibehaltung und einen den heutigen wirtschaft lichen und sozialen Verhältnissen angepaßten Ausbau des Mieterschutzes einzusetzen, dazu für Sachsen die leider immer noch bestehende, ungerechte Lockerungsforderung wieder aufzuheben, andererseits weiter bei der Reichsregie rung für ein Wohnwirtschaftsgesetz auf der Grund- läge des vom Bund Deutscher Mietervereine e. B. vorgelegten Gesetzentwurfes einzutreten und sich gegen die Mieter- und wirtschaftsfeindlichen Anträge, die zur Zeit dem Reichstag noch vorliegen, zu wenden. Die zweite Entschließung wendet sich gegen die Neubaumietenpolitik Und bezeichnet es als ein dringendes Gebot der Zeit, vor allem in den Städten und Jndustriebezirken dem jeweiligen Bedarf entsprechend in genügender An zahl gesunde und räumlich ausreichende Familien wohnungen — keine Kleinstwohnungen — zu Miet- preisen bis zu höchstens 400 bis 500 Reichsmark zu errichten. Die dritte Entschließung verlangt die Aufbietung aller Kräfte, Um auch in diesem Jahr wieder ein Wohnungsbau programm zur Durchführung zu bringen, das gegen» über den Leistungen der beiden letzten Jahre nicht wesentlich zurückbleibt. Als Tagungsort des nächsten Verbandstages wurde Leipzig gewählt. Zum Entwurf einer Reichsstädteordnung Von Dr. h. e. Leutheusser, M. d. R. Der. Wunsch, das deutsche Städterecht einheitlich zu gestalten, ist nicht neu. Seit fast 10 Jahren wurde dieser Gedanke im Schoß« des Deutschen Städtetages erwogen. Aber auch In Reichstagskreise« ist die Notwendigkeit der einheitlichen Regelung des Städterechts seit langem anerkannt worden, weil in dieser Regelung ein beson ders bedeutsamer Schritt im Sinne einer künftigen Reichsreform gesehen werden konnte; deshalb ist wiederholt auch im Reichstage das Verlangen nach einer Reichsstädteordnung erhoben worden. Der Vorstand des Städtetages hat bekanntlich auf Grund mehr jähriger Prüfung und Beratung in einem besonderen zu diesem Zwecke eingesetzten Ausschüsse unter Berücksichtigung der Erfahrun gen, die naturgemäß auch aus dem Gebiete des Städterechts in den Jahren des Wiederaufbaues des Reiches gesammelt worden sind, einen besonderen Entwurf bearbeitet und nach Billigung des Städtetages den Parteien des Reichstages vorgelegt. Die Fraktion der DVP. hat zusammen mit der demokratischen Fraktion diesen Entwurf ausgenommen und als Jnitiativ-Antrag dem Reichstage zugeleitet. Es war klar und auch den Antragstellern nicht verwunderlich, daß eine starke Kritik an manchen von dem Städtetag erhobenen Forderungen einsetzen würde. Diese Bedenken waren auch bei den Antragstellern mehr oder weniger vorhanden. Wenn sich trotzdem die Antragsteller jetzt zu der unveränderten Einbringung des Ent wurfes entschlossen, so geschah dies in dem Gedanken, eine Grund lage für die weitere Beratung zu schaffen, sich aber selbstverständ lich für alle Einzelheiten die eigene Stellungnahme vorzubehalten. Auch der Deutsche Städtetag selbst ist sich bei Vorlage seines Ent wurfes wohl klar gewesen, daß nun nicht mit seiner parlamenta rischen Bestätigung in allen Punkten zu rechnen sein würde. Auch im Städtetag haben sich bei der Beratung des Entwurfes in man-