Volltext Seite (XML)
Nr. 58. Dienstag den L«. Mürz LV«>8. 7. Jahrgang. WHe NolksMung LLMZMMMM j Almdhiiigiges Tagkdlatt für Wahrheit, Recht o. Freiheit >j WMMZZZMM all >^-i<Ll<L0 garantiert rein. leiestt lösest, f>funl! 35 ?fonnikje. köchle,' ktäßrwert. säerÜng 3 stoek8troß, Vreden. Vertcag<58te!!?a in aüen Stadtteilen. Die Sonntagsruhe im HandeLsgewelbe. Berlin, Sen 8. Mär/, 1V08. Der „Reichsanzeiger" l«rt einen Gesetzentivurf pubti- zicrt, dcw sich mit der Sonntagsruhe iin.Handelsgewerbe be saht. Er geht auf eil«! sehr erbeblickte Ausdehnung der Sonntagsruhe hinaus, stellt als Ziel die allgemeine Sonn tagsruhe auf und will nur drei Stunden Verkaufszeit zu lasten, trenn die Ortsbehörde es beschließt. Bisher bestan den füns Stunden Verkaufszeit und die sogenannten freien Sonntage vor den höchsten Festtagen nsw. Nun ist durch Bekanntgabe dieses Entwurfes in den Kreisen der Kaiis la u de eine grosp? Beunruhigung entstanden. Ter Reichstag wird bereits mit Zuschriften überschwemmt und in den scllürfsten Ausdrucken tvendet man sich gegen den Entwurf. Da sind einige Worte der Beruhigung am Platze. Zunächst muß klargestellt tverden, daß der Entwurf dem Restystage noch nicht zngegangen ist, daß man noch gar nicht weiß, tvie der dem Reichstage zngehende anssel-en wird; da her kann eil«' einzelne Fraktion zu demselben auch noch gar nicht Stellung nehmen. Es ist ein grosser Unterschied ztm- s-ix'n Entwürfen, die der Lesfentlic.steit zur Begutachtung übergeben tverden, und solclx-n, die dem ReiclMage zugehen, die letzteren sel-en oft gaiyz anders aus. Die Negierung hat den Entwurf publiziert, damit die beteiligten Kreise sich äußern und fetzt ist für die .(wusle,ite, die gewerblicheil Ver eine und die .Handels- und .Handwerkskammern der Zeit punkt gekommen, wo sie klipp und klar Stellung nehmen können. Sie sollen in Resolutionen an die einzelstaatlichen Negierungen und an den Bundesrat ihrem Willen Ansdruck verleihen: dann wird der Entwurf in erheblicl>er Weise nm- gearbeitet werden können. Das ist ja gerade der Zweck der Publikation und daher erscheint uns die Aufregung etwas verfrüht. In der Frage der Sonntagsrul-e sind zwei große (Ne- sichtspunkte zu berücksichtigen, einmal das religiöse Moment und dann die Wahrung der berechtigten Interessen der Be teiligten. Was das religiöse Moment betrifft, so ist es ganz klar, daß jeder Christ auf tunlichste Einschränkung der Sonntagsarbeit hillwirken muß. „Tu sollst den Sonntag heiligen!" Das gilt für Stadt und Land und für das Jahr 1908 ebenso, wie für seine Vorgänger und seine Nachfolger. Die Sonntagsrnlst' aber ist die Voraussetzung der Sonn tagsheiligung, wenn freilich die Ruhe auch manchmal zu ganz anderem mißbraucht wird. Aber wer die Nnl>e nicht l>at, kann die Heiligung nur schwer erfüllen. Die Geschichte aller Völker und aller Zeiten sagt uns ferner, daß die Sonntagsarbeit keinen Segen bringt: sie ist ein Sam meln in ein Faß ohne Boden. Diese Grundsätze müssen stur zu allen Sitzen hochhalteil. Aber freilich hat uns Christus auch sehr deutlich gelehrt, daß er von einer geistlosen und niechanrschen Durchführung der Sonntagsruhe nichts wissen Null, daß er Sonntagsarbeit gestattet, wo sie zur Notwendig keit wird oder zur größeren Ehre Gottes geschieht, und die Kirche hat diesen Standpunkt stets vertreten. Besteht nun eine Notlvendigkeit für die Sonntagsar- beit im .tzandelsgewerbe? Im allgemeinen kann man Nieder Ja noch Nein sageil. Man muß unterscheiden und fragen: wer kommt in Betracht? Die Antwort ist: der selbständige Kaufmann, der unselbständige Handlungsge hilfe und der Käufer. Allen dreien muß Rechnung getra gen werden. Abiolnt kein Bedürfnis nach der Sonntags- arbeit lxit der .Handlungsgehilfe: er strebt den „toten" Sonntag an, er will wie der Arbeiter und Beamte seinen vollen freien Sonntag haben, und jedermann wird das be greiflich finden. Wie steht es mit dem selbständigen Kaufmann? Die Notwendigkeit der Sonntagsarbeit besteht für ihn nicht: er kann ohire diese anskommen. Wohl geben wir die Nützlich keit der Sonntagsarbeit für ihn zu. Aber es ist eine große Uebertreibnng, wenn man sagt, daß der Kleinkanfmann ohne Sonntagsarbeit nicht mehr eristieren könne, daß er zu Grunde gehe, tvenn am Sonntage alle Läden geschlossen werden. Ein Mittelstand, der nur noch durch Sonntags- arboit sich holten könnte, wäre nicht wert, daß er noch wei ter existiere. Freilich sagen mit Recht viele Kanslente, daß die Erhöhung der Sonntagsarbeit nur das Hausieren und Detailreisen befördern würde: das stimmt, benxnst aber nur, daß man die Sonntagsarbeit nicht für sich allein be trachten darf, sondern daß man auch andere Bestimmungen des Gesetzes berücksichtigen muß und daß mit jeder tx'rmehr- ten Sonntagsruhe eine Verschärfung der Bestimmungen gegen das Wandergewerbe Hand in .Hand zu geben lxrt. Wir sagen also, daß eine absolute Nvtstvndigkeit znr Sonn tagsarbeit auch für den selbständigen Kaufmann nicht be steht: cs kommt alles auf die sonstige Gestaltung der Ge setze an. Also bleibt daS Interesse des Käufers übrig und dieses ist für den .Handel überhaupt entscheidend, daher auch für die ^ Creme :: laiiri-Pulver frei von 5slol, 5sliez/l ärrgi. reßAchicßrn Sonntagsarbeit. Nun wollen wir hier nicht der tyewohn- heit vieler Käufer das Wort reden, sondern nur dem tat- sächliäx'n Interesse. Geht man aber diesem näl-er nach, so findet inan eure ungeheure Verschiedenheit der berechtigten Ansprück)e. Nehmen wir eine Großstadt mit 190 000 Ein wohnern, so ist jedermann klar, daß man hier die Woche über reichlich Gelegenheit hat, alle seine Bedürfnisse zu decken. Ta kann man ruhig znr vollen Sonntagsruhe über geben und am Ende wird hierfür alles dankbar sein. An ders liegt es in einer Mittelstadt niit vielleicht bis zu 20 000 EinNwhnern herunter. Da kommen cntsck>eidende Wünsck)e in Betracht. Da will die nächste Umgebung am Sonntag in die Stadt gel-en und dort einkansen. Man braucht also geöffnete Läden. Aber es dürste genügen, für drei Stunden offen zu lialten und spätestens um 1 Uhr zu schließen. Bei kleinen Orten und Städten aber muß man es bei den bestehenden Dorsclwisten lassen. Tie Leute am Orte und namentlich die Käufer vom Lande müssen am Sonntage Gelegenlieit haben, ihre Bedürfnisse zu befriedi gen: sie können nicht am Werktage in die Stadt fahren. Wo vollends fvirzellierte Dörfer und lveite Höfe sind, da geht s gar nicht ohne eine Sonntagsarbeit an. Darin wird uns jeder znstimmen müssen. Es ergibt sich somit ans dieser iZerücksichtignng der tatsächlickx'i, Verhältnisse folgendes: I. Die Ausdehnung der Sonntagsruhe ist prinzipiell anznstreben und zwar ans religiösen, sozialen und kulturellen Zlvecken: 2. man kann nicht schablonisieren, weil die Verhältnisse zu sehr verschie den sind, man muß freie Gruppen bilden. Wir legen uns aber gar nicht auf die Zahlen fest, die wir nannten; wir wollten nur zeigen, wie n«m arbeiten kann. 3. Diese Glie derung in drei Gruppen stellt einen gerechten Ausgleich dar. -1. Mit der erhöhten Sonntagsrnlie muß man auch an eine Revision der Vorschriften über das Wandergewerbe gehen. Wir nehmen an. daß auf dieser Grundlage alle Käns- lente und Käufer, die ans dem Boden des Zentrnms stehen, sich znsaminensinden könnten, daß das die ausreichende (Gerechtigkeit darstellt, die wir immer vertreten lmben. Wir wünschen nur, daß die Interessenten sich jetzt recht eingehend mit dem Entwürfe und mit unseren Vorschlägen befassen, damit später ein gutes Gesetz, das einen Fortschritt dar stellt, zu stände kommen kann. Politische Nrnidschon. Dresden, den ft. Mn c Iftftk. — Der Kaiser ist am Sonntag ans dem Kreuzer 'perlt», begleitet von der Deutschland, narb Helgoland abgeceist. Die Ankunft erfolgte abends um 7'^ Uar. — Der Brief des Kaisers an Twccdmouth. Es t)at nicht den Anschein, als ob man deutscherseits zunächst beab sichtigt, den Brief des Kaisers an Lord Tweedinonth im Wortlaute bekanntzugeben. Es wird jedoch bestätigt, daß er, wie auch bereits die „Köln. Zeitg." zu melden wußte, im wesentlichen nur eine Richtigstellung einiger in der eng- lisckxm Presse über die deutschen Flottenrnstnngen verbrei teten unrichtigen Angaben enthält und durchaus nicht ge- eignet war. auf die Entschließungen Englands bezüglich seiner eigenen Flottenrüstnngen irgendwie einzuwirken. — lieber den Brief Kaiser Wilhelms will die „Daily Mail" folgendes erfahren haben: Die Veranlassung dazu lxibe Lord Asliers Brief an die Gründer der Imperial Maritim Leagne geboten, in welchem dieser erklärt, in Deutschland würde jedermann, der Kaiser an der Spitze, den Sturz Sir John Fistters willkommen heißen. Der .Kaiser habe, hierdurch verlebt, einen persönlichen Brief an den ihm bekannten Lord Tuvedmontb gerichtet. Mehrere hol«' öffentliche Be amte kstttcn schon die Ehre geliabt, Briefe von Kaiser Wil- lehm zu erlxilten, doch diese behielten sie für sich, Dr»'d- inonth leider nicht. Er zeigte ilm verschiedenen Führern beider Parteien und hohen Persönlichkeiten der Gesellickxift. Schließlich sollen auch Tennen davon Kenntnis erhalten haben, worauf es mit dem Geheimnis vorbei ivar. — Eine Awzabl Unterhansmikglieder tiaben bereits die Absicht formell angemeldet, am Montag Asgnitb im Unterhanse anfznwrdern, die Korrespondenz zwilchen Kvi'er Wilhelm und Lord Tll>eedmonth vorznlegen. — Der allgemeine Ein druck der Anslandpresse ist der, daß die AngelegenIleit von der „Times" stark übertrieben worden ist, nin das liberale Kabinett und die dentschenglisck«'» Beziehungen zu schädi- ^ gen. daß aber andererseits auch ein Ixrrinloser Brief an den Minister eine unvorsichtige Handlung bedeutet. Der König von Württemberg bat dem Dichter Adolf l'Arronge (Berlins das Großkrenz des Ordens der württembergischen Krone verliehe». Der koloniale ErfiilnznngSetat, der dem Reichstag am Dienstag vorliegen wird, enthält, wie v«-rIa>lKt, bei einer Reihe kleinerer Forderungen für Südwestasrika eine Ersparnis von 2'/, Millionen Mark geg n den Etatsvor anschlag dieses Schutzgebietes. Ferner sind die ersten Rate» für die kolonialen Eisenbannen in diesen Etat emoest e!l Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde die Be ratung des Eisenbahnetats fortgesetzt. Der konservative Antrag von Korn, der die Beseitigung der Mißstände aus dem Kohlenmarkte forderte, gab den nationallibcralen Ab- geordneten Veranlassung, für die Kohlensyndikate emzu- treten, während der Zentrnmsabgeordnete Hagen in inar- kanten Worten darauf hinwies, daß das Ausland dem In- lande durch niedrigere Kohlenpreise nicht bevorzugt werden dürfe. Der nationalliberale Abgeordnete Dr. Heydtveiler schloß sich aber den Ausführungen seiner Vorredner und Parteifreunde Doltz und Hirsch nicht an. Der Antrag ging an die Bildgetkoinniission, im Laufe der lveiteren Debatte brachten die Abgeordneten bei den einzelnen Titeln durch- gel-end Einzeltminsclx! vor. Am Schlüsse der Sitzung teilte der Präsident von Kröcher mit, daß die Negierung die In- terpellation über die Beamtcnbesoldnngsfrage am Mittwoch beantworten wird. Am Montag wird der Eisenbahnetat weiter beraten. — Der Minister des Innern v. Brettreich hielt am 7. d. M. bei der Beiprechnng seines Etats in der vaycri- scheu Abgeordnetenkammer eine große programmatische Rede, in der er unter wiederholtem stürmischen B.isall des Zentrnms betonte, das Hanpiintelesse der bayerischen Regierung gelte nach wie vor der Landwirtschaft als dem Haupterwerbszweig in Bayern. Er erwähnte nntse anderem, die bayerische Regierung werde die Ausführung des ß l3 des Zolltarifgesetzes, das für l9l() die Auf hebung des städtischen Oktroi fordert, so lange wie möglia, htnauszögern. Die bayerische Regierung sei überzeug*, daß diese Maßregel nicht die erwartete Herabsetzung der Lebensmittelpreise bringen werde. — Ein direkter Ostseekanal? Wir haben den Kaiser- Wilhelinskanal, der 170 Millionen Mark kostete und nun mit einem Anfwande von 225 Millionen Mark verbreitert Nxmden soll. Daneben macht der alte Kapitän a. D. Selen- tin energische Agitation für einen ztveiten Kanal; er ver wirft die Verbreiterung des bestehenden Kanals und will mit den 225 Millionen Mark einen zweiten, sehr breiten Kanal bauen und nun will Dänemark auch einen Kanal erstellen; dort will man jetzt den Limsjord zu einer neuen Wasserver- bindnng zwischen Ost- und Nordsee ansbanen, außerdem beschäftigen sich znr Zeit größere Kreise in der Nordmark mit der Frage eines neuen Nordostseekanals, der lediglich der .Handelsschissahrt dienen soll. Man geht von der An sicht ans, daß der Kaiser Wilhelm-Kanal nach seinem Er weiterungsbau immer in erster Linie den militärischen Zwecken zu dienen hat, und daß der Kanal aus diesem Grunde nicht der Handelsschiffahrt gerecht tverden könne. Vertreter der Städte Schleswig, Eckernförde, Husum und Flensburg haben beschlossen, an das Reicbsamt des Innern sowie an sämtliche Mitglieder des Reichtsages die Bitte zu richten, die ansgearbeiteten neuen Projekte durch eine Son- derkomiiiission prüfen zu lassen. Diese neuen Kanalprosekte beziehen sich ans folgende Linien: Flensburg—List. Eckern förde—Husum und Eckernförde—Nordermlicht. Auch der Tntsch-Nantisckx' Verbandstag. der am 20. März in Berlin tagen wird, wird sich mit dieser .Kanalfrage zu beschäftigen lxrben. Es darf als ausgeschlossen gelten, daß das Reich die Mittel für einen iveiteren Zlanal znr Verfügung stellt: ein Bedürfnis nach einem solckxni besteht nicht. — Die Anstösnng des Kolonialrats ist den bisbeiige» Mitgliedern dieser Körperschaft mitgeteilt worden. In seinem vom 2. d. M. datierten Schreiben dankt Staatssekretär Dernhnrg dem Kolonialrate für die Bereitwilligkeit, w't der er seine Sacbknnde und seine Kräfte im Interesse der deutschen Kolonien der Regierung zur Verfügung gestellt habe. Dis Verdienste, die stch der Kolonialrat während der langen Zeit seines Bestehens, namentlich aber in den Anfangsjahren der deutschen Kolonialpolitik »m die Erschließung der Schutzgebiete, um die Ordnung ihrer Rechtsverhältnisse und um ihre wntschaftliche Entwicklung, wie auch um die Ausbreitung des kolonialen Gedankens in der Heiinat erworben habe, würden von der Regierung vollauf anerkannt. Die Regierung hoffe darum, die Arbeits- kräfte und die Kenntnisse der Mitglieder des Kolonialrats mich weiterhin im Rahmen der neu zu schaffenden kleinen Sachverständigenkommission stir die koloniale Sache nutzbar zu »rachen. Die Kolonialratsmitglieder werden deing'mäß um eine Erklärung ihrer Bereitwilligkeit eines Eintritts in die Sachverständigenkommission ersticht. Entschiildigliiigcn wcgcn der Verzögerung der lnrltsausdcssrruiig erixrlten nun die B-amlen twn der Block- presse in nbeireickx'in Maße; die Führung übernimmt die „Freis. ,'k'itg.' atvr nickst mit sehr viel Glück. Das Blait anerkennt die 'chlc'ckste Finanzlage, auch meint es zu den Vertröstungen im prenßisckx'» Abgeordnetenlxrilse: .Qre TenernngHziilal«',! lause» auch hockt in die Millionen und