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8öeb8i8vb« Vol^srvUoog ^skirgang 1928 daumenliuclie o6vr Aüaxenlcüclle? Jeder erinnert sich wohl aus seiner Schulzeit des oft gehörten Sprüchleins, wonach wir nicht leben, um zu essen, sondern allein zu dem Zwecke essen, um zu leben. Später sind wir an dieser Schulweisheit irre geworden. Denn tausendfältige Selbstbeobachtung sowie Erfahrung an ande ren hat uns gelehrt, daß das Essen in gewöhnlicher Lebens lage und unter alltäglichen Umständen keineswegs aus schließlich dazu dient, unsere«. Hunger zu stillen und unserem Körper durch die Nahrung neue Spannkraft zuzuführen, sondern wir verlangen vielmehr vor allem, daß unsere Kost wohlschmeckend sei und uns Genuß bereitet. Speisen, die uns nicht Zusagen, verschmähen wir oft genug, mögen sie auch noch so nahrhaft sein. Wir stellen an die Kochkunst zwei Anforderungen: einmal nämlich soll st« unsere Ge- schmacksbedürfnisse befriedigen, außerdem aber soll sie die natürlichen Nahrungsmittel so verändern und zubereiten, daß sie leicht verdaulich werden. Cie hat also die schwer lösliche Aufgabe. z«vei Herren zu dienen, nämlich dem Gaumen und dein Magen. Je mehr die Kochkunst im Laufe der Kulturentwicklung sich verfeinerte, je mehr Nahrungsmittel. Nährstoffe und Gewürze aus den fernsten Ländern der Erde ihr zugäng lich wurden, desto vielseitiger und abwechslungsreicher wurde sie, und um so mehr lernte sie. von Eeschmacksreizen der mannigfachen Art Gebrauch zu machen. Sie stellte sich vorzugsweise in den Dienst des Gaumens. In verständ licher Abwehraktion gegen diese Entwicklung wurde vielfach die Forderung erhoben, di« Küche müsse ..naturgemäß" wer den und auf ihre Künsteleien verzichten, sie solle nicht so wohl zur immer wieder erneuten Appetitreizung dienen, sondern sie solle den Magenbedürfnissen und damit der Ee- samternährung des Körpers Rechnung tragen. Zu diesem Zweck verlangten die „Lebensreformer", daß zur Schonung der Magenschleimhaut all« scharfen Reizmittel, besonders jedes llebermaß von Kochsalz, Ingwer, Pfeffer, Essig, Zwie bel und ähnlichem, aus der Küche verbannt würden, und es sollten die Speisen durch den Koch- und Backprozeß nur soweit verändert werden, als zu ihrer Verdaulichkeit er forderlich sei. Diese Forderungen standen in Uebereinstimmung mit den Ergebnissen der fortschreitenden Ernährungswissen schaft. Denn sie ließ uns keinen Zweifel darüber, daß wir unser Brot durch Verschmähung des Roggens und durch viel zu weitgehende Aussiebung der Eetreidemehle entwerten, daß wir das Fleisch und die Gemüse durch zu langes Kochen in reichlichem Wasser auslaugen und ihnen unschätzbare Be standteile, nämlich die Minensalze und Vitamine, entziehen und daß überhaupt unsere moderne Küche zu sehr auf den Gaumen eingestellt sei und daß daher ihre hochverfeinerten, aber zu weichlichen Erzeugnisse dazu beitragen, unsere Kau- wcrkc zu verschlechtern und unsere Verdanungsorgane zu schwächen und zu erschlaffen. Zu diesen Anklagen gegen das übliche Kochverfahren hat sich neuerdings noch eine andere hinzugestellt, welche aus einer wichtigen Entdeckung des Professors Dr. Friedberger hervorgeht. Dieser verdienst volle Hygieniker und Jmmnnitätsforscher vom Kaiser-Wil- Helm-Jnstitut in Dahlem hat nämlich durch zahlreiche Tier versuche nachgewiesen, daß alle Speisen ihre volle Nähr kraft nur im rohen Zustande besitzen und daß sie diese durch den Kochprozeß, je ausgiebiger er vor sich geht, um so mehr einbüßen. Jedes noch so gute und nahrhafte Esten behält durch zu langes Erhitzen oder durch mehrmals wiederholtes Aufwärmen nur ein Fünftel oder ein Sechstel seines Nähr wertes. Friedbergcr ist durch seine Versuche dazu geführt wor den, einen neuen Begriff in der Ernährungsphysiologie anf- zustellen, nämlich den sogenannten Anschlagswert. Er ver steht darunter das Gewicht, um welches die Versuchstiere zunehmen und welches daher zeigt, in welchem Grade bei ihnen das Futter „anschlägt". Durch eine nach Menge und Zusammensetzung ganz gleiche Kost wurde der höchste An- schlagswert erzielt, wenn sic an die Tiere roh verfüttert wurden, und dieser Wert nahm ganz entsprechend dein Er- hitzungvgrade der Speisen ab. Die naheliegende Vermutung, der mit dem Erhitzen verbundene Vitaminverlust der Kost sei an der Verschlech terung des Anschlagswertes schuld, hat sich nicht bestätigt; denn dieser konnte durch reichlichen Zusatz von Vitaminen u>, Nahrung nicht erhöht werden. Die Verdaulichkeit der Speisen und der Uebertritt ihrer Nährstoffe ins Blut wer den durch das Kochen nicht erschwert, sondern im Gegenteil beschleunigt, also können auch diese beiden Faktoren nicht beschuldigt werden, wenn die Speisen, je weicher sie gekocht werden, um so weniger anschlugen. Wir müssen vielmehr annehmen, daß Fleisch, Milch. Eier, Fett, Hülse,«fruchte, kurz, alle tierischen und pflanzlichen Nahrungsmittel, noch unerforschte Stoffe enthalten, die für das Wachstum und die Geivichtszunahme unseres Körpers entscheidend sind und die in ihrer Wirksamkeit durch allzulanges Kochen der Spei sen beeinträchtigt werden. Es ist daher einseitig und ge radezu unrichtig, den Nährwert der Speisen allein nach ihrem Gehalt an Kalorien oder Wärmeeinheiten zu be urteilen, und wir müssen uns bewußt bleiben, daß wir ihn durch das Kochen der Nahrung beträchtlich vermindern. Was lehren uns nun die Laboratoriumsversuche Fried bergers an Tieren für das praktische Leben? Vor allem zeigen sic uns, daß übermäßig lange gekochte oder, wie Friedberger sagt, „übergare" Speisen unserer Ernährung viel weniger zugute kommen als rohe oder nur mäßig ge lochte Kost. Heranwachsenden Kindern sollte daher solches Esten, welches sehr lange über dem Feuer gestanden hat oder wiederholt anfgewärmt wurde, nicht vorgesetzt werden. Hingegen ist für Entfettungskuren übergare Kost sehr brauchbar. Rohe Kost und nur bis »um Earwerden gekochte, aber Von Lanitätsrst vr. Lerzsinann, üerlin nicht übergare Nahrung, ist nicht bloß von erhöhtem Nähr und Anschlagswert, sondern sie kräftigt auch unseren Darm durch Anregung und Hebung seiner Muskeln. Aus der Tatsache, daß eine Nahrung, je weniger sie durch den Kochprpzeß denaturiert ist, um so wertvoller ist, und daher unseren Organismus mit um so geringeren Mengen leistungsfähig zu erhalten vermag muß man die Folgerung ziehen, daß sich durch eine vernünftige Kochweise riesige Werte für die Polkswirtschaft ersparen lasten Mit Recht sagt in dieser Beziehung Professor Friedberger: „Der Bedarf unseres Volkes an Nahrung bei rund »>«» Millionen Köpfen beträgt pro Jahr 50 Billionen Kalorien, gleich zwei Milliarden Kilogramm Eiweiß, gleich 3>tt« Millionen Kilogramm Stickstoff. Gelänge es. diese Mengen bloß durch die Zubereitung so bedeutend herabzudrücken, wie es die Tierversuche lehren, so würden wir dadurch tatsächlich in unserer Ernährung mit einem Bruchteil des jetzige» Be darfs auskommen und vom Ausland ganz unabh nig'g s n. Vor dem Kriege haben wir bereits für rund 27.', Mi ua'.Mn Mark Nahrungs- und Eenußmittel aus dem Ausland be zogen." Oer organisierte Oar s^alt Die Rationalisierung, die in unserem gesamten Wirtschafts leben unter der Notwendigkeit, Vorsprünge, die andere Länder während des Krieges errungen, so schnell wie möglich einzu holen, und unter dein Zwang der durch die Friedensbedingun gen uns auserlegten Verpflichtungen sehr bald nach Kriegs ende einsetzte, machte auch vor der Einzelwirtschaft, dem Haus halt, nicht Halt. Man sprach und schrieb allerdings mehr über diese „Rationalisierung des Haushalts", als sie sich in praktische Wirklichkeit umsetzte. Sie war auch nichts durchaus Neues, hatte vielmehr ihren Ansang schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts genommen, als die immer stärker einsetzcnde In dustrialisierung es angebracht erscheinen ließ, für die bis dahin im Hause hergestellten Produkte den rationelleren industriellen Weg zu beschreiten. Sie setzte sich fort, als mit der Zuleitung von Wasser. Gas und elektrischem Strom in die Wohnungen, vor allem in die Küchen, eine außerordentliche Vereinfachung und Erleichterung der hauswirtschastlichcn Arbeit Platz griff. Daß die Zeitersparnis, die sich dadurch für die im Hause ar beitenden Frauen gewinnen ließ, sich nicht in stärkerer Weise bemerkbar machte, lag daran, daß die ineisten Nutznießerinncn dieser Neuerungen die ersparte Zeit mit Nichtigkeiten ver trödelten, da andere Pflichten wie häusliche nicht von ihnen beansprucht wurden. Dies wurde erst mit Beginn des Krieges anders, als man aller Frauenhände zunächst zur Linderung der vielfachen Nöte, dann zum Ersatz der fehlenden Männcrarbeit bedurfte Und es setzte sich nach Kriegsende nur weiter fort, denn nun zwang die wirtschaftliche Not Hunderttausend,.', der Hausarbeit neben der Berufstätigkeit gerecht zu werden Sic würden sich alle gerne der vielen schönen und praktischen Dinge bedienen, die zum Zweck der Haushaltsrationalisicrung in den letzten Jahren aus den Markt kamen. Aber den meisten fehlte das Geld zu deren Anschaffung und sie können iin günstigen Fall nur ganz allmählich den einen oder anderen arbeiterleichternden Apparat erwerben, und ans diese Weise nur in sehr langsamem Tempo der Rationalisierung ihres Haushalts und damit der Ge winnung von Zeit dienen. Zu diesem Zweck gibt es auch noch ein anderes Mittel, und ohne dessen Anwendung vermögen auch die allcrprakrischsten Arbeitsvorrrichtungen nur wenig Nutzen zu stiften. Es ist das, was immer nur von wenig Hausfrauen geübt wurde: Disposi tion und Organisation. Co lange sich der Pslichtenbereich der Frauen innerhalb des Hauses erschöpfte, Hilfskräfte für wenig Geld zu haben waren, konnte der Organisationsinangel ge legentlich wohl die häusliche Gemütlichkeit beeinträchtigen, blieb jedoch iinmer von geringer Bedeutung. Ja. manche Frauen sahen es als besonderen Beweis ihres Haussraucn- sleißes an und verstanden es, dies auch die Männer glaube» zu machen, daß sie vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihres häuslichen Herumwirtschaftens kein Ende fanden, was in Wahrheit nur die Folge des Mangels an Organisationsgabe war. Im Ausland hat man das Talent zum Organisieren den Deutschen stets als eines ihrer hervorragendsten angerechnct. Geschah dies mit Recht, so scheint es sich vorwiegend im männ lichen Geschlecht fortgeerbt zu haben, denn die Haushalts führung läßt häufig nichts davon erkennen. Die Bedenken, die bei der Anssprache über die Schaffung eines Hausgehilfcn- gesehes immer wieder geltend gemacht werden, daß die hans- wirtschaftliche Arbeit sich nicht mit der in gewerblichen Be trieben vergleichen laste und daher so elastische Bestimmungen verlange, wie sie sich in den Rahmen eines Gesetzes kaum einzu fügen vermögen, sie verlangt auch einen besonders elastischen, sich jeder Gegebenheit rasch und leicht anschmiegendcn Geist von der Ausüberin oder Leiterin dieser Arbeit. In Haushaltungen, in denen eine oder mehrere Hilfen ge halten werden, bedarf es einer besonders wohldurchdachten Or ganisation von seiten der Hausfrau, damit sich alles leicht und reibungslos vollziehe, die täglich miederkehrende Arbeit zu ihrer Zeit getan werde und auch die notwendigen Conderarbeiten ohne Hetzerei vor sich gehen. Hat die Hausfrau geschulte Hilfe» zur Verfügung, so wird sie ihnen im Rahmen des von ihr auf gestellten Arbeitsplans eine gewisse Freiheit in der Einteilung der ihnen obliegenden Aufgaben zugestehen. Für die intelli gente Hausgehilfin bedeutet es schon eine Erleichterung, wenn sie nicht gezwungen ist, ihre Arbeit Tag um Tag in genau der gleichen Reihenfolge auszufiihren, und sie wird für eine ihr zu gestandene Selbständigkeit dankbar sein. Dir vermehrte Frei zeit. di« man den Hausangestellten gegen früher zubilligt, braucht keine Störung der häuslichen Ordnung im Gefolge zu habe», «enn richtige Organisation dem Rechnung trägt. Un erträglich muß es für eine Haushaltshilse sein die >en Umfang ihrer Arbeit kennt und sich für deren richtige uns rechtzeitige Ausführung verantwortlich sllhlr von dieser Arbeit oft um nichtiger Ursachen willen, abgerusen zu werde» Wenn das für die Arbeit des Tages Notwendige am Vorabend noch nicht im Haus ist. und Wege, oft mehrfache und entfernte, notwendig macht, so beweist dies einen Mangel an Organisation, die der Haushaltsleiterin zum Vorwurf zu machen ist Der Küchen zettel sollte stets mehrere Tage im voraus iestgelegt, Sonder- arbeiten aus die einzelnen Tage verteilt werden, damit Un vorhergesehenes nicht zur Ursache eines Haushaltschaos wird, die Hausfrau aufgeregt und die Hilfe unwillig macht Die Frau, der keine Hilfe bei der Hausarbeit zur Ver fügung steht, die über dies vielleicht noch Bcrusspflichten zu erfüllen hat. mag es oft recht schwer haben: es kann jedoch kein Fremder die von ihr getroffene Organisation hindernd durch kreuzen Ihre Familienangehörigen. Mann sowohl wie Kin der. werde» sich gerne dem wohlgeordneten und wohlgeleitetcn Haushalt einfügen, fühlen sie doch die Wohnlichkeit und Wohligkeit, die von der sestgelcgtcn und festgehaltenen Ordnung ausgehl Im gut organisierten Hauswesen wird man auch die Kinder. Knaben ebenso wie Mädchen, zu den ihren Kräften entsprechenden Arbeiten im Haushalt heranziehen Man gibt ihnen damit das Bewußtsein nutzbringenden Tuns, das alle Kinder beglückt, spornt ihr Ehr- und Pflichtgefühl an und läßt sie Wichtigkeit und Bedeutung der Hausarbeit erkennen. Ge rade dies letzte ist in der Erziehung der Knaben ein wichtiger Faktor, denn der Knabe, der seiner Mutter bei den häuslichen Verrichtungen zur Hand ging, wird als Mann nicht daran denken. Frauenarbeit gering zu schätzen Er darf freilich nicht sehe», daß das Bersorgungeumachen. für sehr viele Frauen eine der liebsten Beschäftigungen, einen große» Teil der mütter lichen Zeit beansprucht. Bei richtiger Organisation wird man seinen Bedarf stets für mehrere Tage einkausen und die ge wonnene Zeit lieber zu einem richtigen Spaziergang, zur Be schäftigung mit seinen Kindern oder zum Lesen eines guten Buches benutzen Denn das ist der größte Segen des organi sierten Haushalts, daß er den Tag der Hausfrau um Stunden verlängert, ihr die Möglichkeit gibt, sich nicht nur mancher lange vernachlässigten Lieblingsbeschäftigung wieder hinzu- gebcn, sondern auch mit Ruhe und Sammlung die erforderlichen Arbeiten zu bedenken und dabei zu immer besseren Methoden zu ihrer Erleichterung zu kommen llerl«vijr Keiler dleudui xor. unsere brauen Was man in fünf Worten sagen kann, dazu soll mau nicht zehn gebrauchen! ck Wer eine Arbeit ohne Not unterbricht, wird sie selten gut vollende»! Was Kinder nicht zu hören brauche», sollen sich Erlvachsene nicht in ihrer Gegenwart erzählen! Wen» man sich verabschiedet hat. soll man auch gehen — zwischen Tür und Angel wird nichts Wichtiges mehr geredet. Man braucht nicht alles zu sagen, was man weiß: aber man soll alles wissen, was man sagt! Wer «inen Dienstboten hält, muß sich erst selbst in Zucht zu halten verstehen! Wer viel von sich selbst verlangt, weiß, was er anderen zumuten darf. Wer zufrieden ist. verbreitet Zufriedenheit. Wer am Monatsanfang ans Monatsende denkt, mnd mit seinem Wirtschaftsgelde reichet«. Verschmähte Zeit ist verlorene Zeit! Sver an rechter Stelle spart, kann an rechter Stelle anch ausgebr»! 8>n»«tn.