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'Mage M Schönburger Tageblatt. Nr. 176. Sonntag, den 30. IM " 1922. Dresdner Brief. D»n F. A. Nsche-Dnsdin. »rM-, 28. Juli 1922. Bum»! Da stand ich wie die Kuh »ar de» neuen Tar. Und rieb «ir die Stirn. Na, da» wird eine Beule I Ein« nette Art, solche verkehrshindernde Stulen mitten auf die Bürgersteige zu setzen. Plakatsäulen nennt man die Dinger. Früher sagte man auch Litsaßsäulen, ohne daß sie mit einem Fasse etwa» zu tun hatten. Etwa hundert Stück solcher Plakatsäulen sind in Dresden ne« aufgestellt worden, als» gibt e» tatsächlich noch Straßen, wo keine stehen. Aber wo sie stehen, da stehen sie auch gleich ganz kurze Strecken von einander. Und eben an den verkehrsreichsten Stellen. Na, der Mensch, besonder» der Sroßstadtmensch gewöhnt sich an alle», so auch an die Plakatsäulen. Aber verkehr»hindernd sind sie doch. Und bringen den Benutzern dieser Reklame- gelegenheit eigentlich wenig Nutzen. Die Passanten stauen sich höchsten» davor, wenn eine hohe Belohnung für die Au»findigmachung eine» Mörder« bebeed/edraundsoweiter dar an angekündigt wird. Die übrigen Plakate bleiben meisten» doch unbeachtet. Höchsten», daß ein paar Straßenjungen Haschen» darum spielen oder Liebespaare ihren Stelldichein- Platz näher bestimmen können. An der Plakatsäule so und so! Oder nächtlicherweile ein Schmierstnke sich daran ver ewigt, zum Zeichen, daß ein Narr dagewesen ist. Doch Stadt und Staat glauben ja, fich mit ihren Rellamemitteln au» der Patsche reißen zu können. Und dennoch: solche Reklame ist meist doch für die Katz, ist hinausgeworsene» Geld. Denn nur wenige beachten die Reklame an den Litfaßsäulen, äh, wollte sagen Plakatsäulen, an der Straßenbahn oder an den Postwagen und an Briefkästen. Gehn Sie z. B. in Anlagen spazieren und treffen auf so ein Betonfaß — die neuen Plakatsäulen find da» tatsächlich! — so sollen Sie gezwungen sein, zu begreifen, daß eine Zigarette besser ist al» die andre, daß man da und dort schneidig tanzt, daß diese oder jene Seif» oder Schuhwichse vorteilhafter ist al« die andre. O arme Seele, wie will man Dich „beeindrucken". Doch, Dre» den ist ja Kunststadt! Die Plakatsäulen find heute in Massen genehmigt. Vor Jahren dagegen verbot man Sarrasani, einem Einheimischen, seine bunten Reklamebilder anzukleben und au«zuhängen. So ändern fich die Zeiten und die Ansichten.... Eine fast uralte Einrichtung find di, Pfandgeschäste, von denen wir bereit« in frühen Chroniken lesen können. Reu zeitlich ist nur die gesetzlich« Regelung de« Pfandleihwesen», die fich notwendig machte, um den Mißständen auf diese« Grbiet ,u begegnen, um die wirtschaftlich Schwachen vor weiterer Ausbeutung und Uebervorteilung zu schützen. Darum haben auch di« größeren Kommunalverwaltungen schon seit Jahren ihr Augenmerk auf diese« Gebiet de« sozialen Leben« richten wüfltn. Ilm den Schichten der Bevölkerung, die au« Wirt- schastlicher Not ihr Gut versetzen müssen, den Kredit zu an ständigen Bedingungen zu gewähren und sie vor einer Ver schleuderung ihrer letzten Habseligkeiten zu schützen, wurden die öffentlichen Pfandleihinstitute errichtet. Auch die Stadt Dresden b,fitzt zwei öffentliche Leihhäuser, ein» im alten Mat,rni Hospital und da» andre im Neustädter Rathau». Seit jüngster Zeit ist man bestrebt, diese beiden Stellen ir gend», zu vereinigen, besonder» u» die Räume de» Neu städter Rathaus«, für andre Zweck« nutzbar zu machen und deicht auch vi, armen Neustädter von de» Odor zu be- »iLL "rn sogar ihren Rathau»turm auf dem Leihhaus. Ein Leihhausgast nicht gerade im besten Geruch, trotzdem e« ganz menschlich ist und sehr leicht jedermann passieren kann, di« Hilf, de» L«iha«t» «inmal in Anspruch zu nehmen- Daher füllt auch der erst« »eg zu« Leihamt nicht immer leicht, «brr «r wird doch im»rr wieder began gen von vielen Lausenden, wenn die Rot an sie herantritt und kein« andere Hilf» «ehr übrig bleibt. Da« Leihamt ist der letzte *u»»eg für viele, allzuviel», der Rettungsanker, nach dem die Schiffbrüchigen i« Sturm de« Leben» greifen, aber auch Mittel für leichtsinnige Gemüter, die nicht Not und Verzweistung, sondern dir Freude a« Genießen nnd Geldau«geb,n „versetzen" läßt. Und der ist kein Sohn irgend einer alma water ge wesen, dessen Uhr nicht wenigsten» einmal „aus der Leine" gehangen hat. Wo ist der Student, der nicht einmal irgend etwa» auf dem Leihamt „studirren" ließ? Dar Leihhau» hilft allen, die zu ihm kommen, dem einen au» der Not, dem anderen au» der Verlegenheit. Da» ist auch seine ursprüng. liche Bestimmung. Daher nennt man sie auch in Frankreich mvnt cle piötä und in Italien Uon» pietati«. Mildtätige AnstaltenI E» wird viel gespottet darüber, aber seht euch nur einmal di« Mienrn derer an, die verstohlen, heimlich, schüchtern, in der Angst, von irgend jemand gesthen zu wer den, die Trepp» zu« Leihhau» emporsteigrn. Klopfenden Herzen» zu« erst«« Mal, dann aber schon leichter. Ganze Lebensgeschichten »der wenigsten» deren Schluß könnte man da studieren. Da die Dame von Welt, di« ihren Brillant ring versetzt und dafür 1000 Mk. erhält. Mi« lange wird da» bei ihr reichen? Und wa» dann? Dort ein Eeschtftr- «ann. Ein Wechsel »c ist gefällig. Eine Partie Maren muß aushelfr«. Da rin fiellung»loser Kaufmann, der Miete braucht. Die golden« Uhr muß dran glauben. In der Hoffnung auf bessere Tage. Dort ein verhärmte» Weib. Di» Kinder haben Hunger. Ein Paket Wäsche gibt sie dafür hin, um vorläufig die Mäulchen zu stillen. Die Fälle de» Leichtsinn» wollen »ir lieber übergehen. Jedenfall», man wag denken wie man »ill, derartige Einrichtung«« find not- wrndig. Da» »gibt fich schon au» ihr» zuwrilen außer- ordentlich hohrn Frequenz. Wenn auch «in richt «rheblichrr Teil de» Darlehnsnehmer die verpfändeten Gegenstände nicht »jeder «inlöst und diese der Versteigerung anheimfallen läßt, so werden doch in den meisten Fällen die gewährten Darlehen wieder zurückgezahlt. Eine Eigentümlichkeit ist e», da» meist grade solche Gegenstände verpfändet »erden, wie Kleid», Wäsche, Betten, un entbehrliche Möbel und andre Sachen, besonder» auch viel Trauringe, vor denen selbst die Allgewalt de» Gerichl»voll zirher» ein End» macht Natürlich ist, da» uu'erlirgt kein«« Zweifel, die Jnspruchnahme der Leihhäuser von jeweiligen Stand der wirtschaftlichen Konjunktur abhängig. Auf den Dre»dn» Leihhäusern herrscht seit den letzten Wochen ein furchtbarer Audrang. L» leicht eben bei dieser Teuerung nirgend« »ehr. Lie Not zwingt viele zum Gange nach de« Leihhau«. - Kaum halten wir vor kurzem die verhältnismäßige Billig keit de« Gase« in Dresden Hervorgrhoben, da k»w»t der Nat und setzt den Gaspreis auf 6,50 Mk. und den Wasser preis auf 4 Mk. für 1 Kubikmeter ab 1. August fest. Ba ist e« eigentlich kein Wunder, wenn auch die Bierpreise empor- schnellten. Aber merkwürdig ist« doch, noch find die großen Lokale trotzdem gut b sucht. Eucken Sie nur in die altbe kannte „Btrenschänke" hinein, wohl überhaupt da« idealste Bierlokal i» alldeutschen Stil« in Dresden, »der bei „Alt EaSmeyer»', bei „Wobser!", i» „Bienenkorb" oder im „Schloß!«!!»" usw. Urberall voll! Schauen Eie in die Kaffee«, bei „Rumpelmeyer" w» ein »erschtedenartige« Sprachengewirr sondergleichen herrscht und man die modern sten Kleidec mit zu» Teil exzentrische« Einschlag bewundern kann, «asi Zrntral, Rtichlkaff», Cast Altmark, Lass Held, und wie sie alle heißen, diese modernen Kesselhäuser. Aeberau« traulich sitzt fich« in dem kleinen aber seinen kafL Wünsche, Marienstr. 5, da« sich in seiner neuen, nicht übermodernen Ausstattung doch al« ein großstädtische« Kassee repräsentiert. Kehren Sie in den Lokalen ein, wo e» singt und klingt Freundt eine« drastisch-derben, aber auch witzig seinen Humor« gehen immer wieder zu de« »egen seiner Arwüchfigkeit geradezu berühmten Joseph Link» in der einzigartigen Bauern schänke, wo besonder« ein „Einsteigen in die Katakomben" nicht genug zu empfehlen ist. In den „WittelSbachern", wo fich« bei einem Gläschen Gersten- »der Rebensaft und bei guter Musik sehr wohl sein läßt, in der „Oberbayrischen Gebirgsschänke" (Hotel Stadt Wien-Kaiserhos), wo noch immer die lustigen Spatzen jodeln und musizieren oder in dem präch tigen Garten «it Aussicht auf di« Elb« da« Publikum besten« unterhalten. Hier ist überhaupt ein ideale« Plätzchen zum Ausruhen nach «inem Besuche der Sehenswürdigkeiten Dre» den». E» gibt noch viele Fremde, die nach ihren Wande rungen und Geschäst»erledigungen nicht recht wissen, wo sie fich nach „getaner Arbeit" bei Speise und Trank laben und zugleich auch beste Unterhaltung finden. Da »ollen »ir auch an ditser Stelle helfen und können nach den gemachten Er fahrungen die bereit» genannten Stätten nur empfehlen, unter denen besonder» die „Btrenschänke", „Wittelsbocher" und der „Schl»ßl«ller" sowie „Wobsers" einen sehr guten Rus haben, wozu fich n»ch da» „Etadtwaldschlößchen" mit seinen hübsch«« Gartenverandrn mit Au»sicht auf d«n stet» belebten Postplatz grsellt, und, eigentlich nicht zuletzt, da» „Fischhaut" mit seiner trefflichen Fischkost und anderen Speisen. Lin gute» Familienpublikum und eine frohe Jugend kommen hier bei vorzüglicher Mufikunterhaltung, besonder» auch, da jetzt dort „Mucki" ein Allerwelt»- und Universal künstler, wieder «ingekehrt ist, immer aus ihre Rechnung. Und wer einmal im „Fischhaut" bei Artur Müller bar und „Mucki", der zu den besten Stimmungtwachern gezählt werden darf gehört hat, der geht wieder dahin. Richt weit davon, im beliebten „Bürgerkafino" hat «an in den Monat«« Juni und Juli wahre Lachsalven erleben können, die der Komiker Reimer« mit seiner Gesellschaft hier entfesselte. Ab 1. August gibt« da wieder ein treffliche« und reichhaltige» Spezialittten-Programm, in dessen Zusammenstellung der Bürgerkafinowirt Sachse »it feinem Geschmack etwa» besondrer lo» hat. Da» Bürgerkafino steht heute auf einer Höhe der Dre»dner Unterhaltungslokale wie noch nie. Auch da» Viktoriatheater öffnet am 1. August wieder seine Psorten mit einem internationalen Spezialitäten- Programm, während da» Zentraltheater noch immer mit tollen Schwänken aufwartrt. Dort hat der „Mustergatte" da» „Börsenfieber" abgelöst. Die Staatstheater, Oper und Schau spiel, find noch geschloffen. Früher hieß er immer, in Dre»den, dem „Srm«rldorf" sei nicht, io,. Schaut euch nur um, da könnt ihr schon etwa» erleben. An der Elbe schönem Strand, im unvergleich lichen Elbssorenz, kann man fich heute nicht mehr langweilen und besonder» im Zentrum find die Lokal« immer gut b« sucht. Man unternehm« nur einmal einen Streiftug, wenn «an nicht grade valutakrank ist, und gehe auf Entdeckungen au», wozu ja »re»d«n noch vi«l Gelegenheit bietet. Wir wollten hirr nur einig« Fingerzeige geben. Zur Sozialisterungsfrsge. Wir find geneigt, un» über die Stimmung in sozialistischen Kreisen einem gewissen Optimismu» hinzugeben, wenn wir gelegentlich versöhnliche Stimmen au» diesem Lager vern«h«en. Die sog. bürgerlichen Kreise lassen fich durch solche Seuße- rungen nur zu leicht verleiten, di« Hände in den Schoß z« legen und die mühsame Arbeit der Aufklärung wenigen Idea listen zu überlassen. Gerade die jetzige Zeit gestattet in keiner Weise fich opti mistischen Stimmungen hinzugeben. Trotzdem dürfen wir un» freuen, w«nn in der „Ameise" vom 7. Juli, dem BerbandS- organ der Porzellan- und verwandten Arbriter und Arbeite rinnen Deutschland», in dem Aussatz „Zur SozialisterungS- frage" von P. M. dies« Schicksal»frage de» deutschen Volke» so sachlich behandelt wird. P. M. warnt nicht allein vor dem Experimentieren, son dern wird auch der Tätigkeit de» Unternehmer» gerecht. Die Frage „können wir überragende Persönlichkeiten entbehren »der find wir in der Lage, au» den Kreisen der Arbeiterschaft gleichwertige Köpf« zu finden?" wird beantwortet: Gewiß haben wir Leute zur Verfügung, e» fragt fich nur, würden diese auch im rntsrrniesten in der Zahl zu haben sein, wie wir sie brauchen? Was un« in dem ganzen Aufsatz al« da» Wichtigste er scheint, ist, daß gerade ein Punkt berührt und erörtert wird, der bisher leider vi«l zu wenig Beachtung fand. Der Ver fasser gibt nämlich zu, daß die Arbeiterschaft, um unsere größten Betriebsleiter und Wirtschaftsführer zu ersetzen, noch joiel zu lernen hat und sagt dann: „Eine vollständige mora lische Umstellung nach der Richtung muß erfolgen, daß der au» den arbeitenden Schichten hervorgegangene Führer von jung auf schon erzogen werden muß, daß er e» als selbstverständlich betrachtet, seine Kenntnisse und Fähigkeiten in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, hier wird endlich einmal gesagt — wenn auch mit anderen Worten — daß e» fich bei der 8ozialifierung»frage letzten Ende» doch um die Entscheidung der Frage handelt, ob durch die Erziehung der Egoismus gänzlich zurückgedrängt werden kann oder nicht. Heute wird gehandelt, al» ob unser Volk nur au» Idealisten zusammengesetzt sei. Unsere heutigen Sozialisten bessern nicht, sondern experimentieren, solange sie nicht den Menschen schassen, der sür die neue Wirtschaftsordnung, die sie erstreben, die Dorau»setzung ist. Wie aber die Sozialdemokratie, die den Sozialismus als WirtschastSfor« für die einzige Rettung anfieht, die notwendige Erziehungsarbeit leistet, zeigen ihre Zeitungen und Versamm lungen. Sachlich« Nuseinandtrsttzungen über wirtschaftliche Fragen finden »ir höchst selten. Die Hauptaufgabe wird da rin gesehen, den Gedanken de» Klaffrnkawpfe» schon von Jugend an großzuziehen und damit wird jede» sachlich« Denken ertötet. Zur Durchführung de» Soziali»«uS wäre daher eine Abkehr von der marxistischen Klaffenkampflehr« eine Grundforderung. E» ist natürlich leichter, fich Gefolgschaft durch Berhetzung zu sichern, al» durch Verkündung der reinen Wahrheit. Und doch muß, wie auch der Verfasser de» Aufsätze» ausführt, unserer Arbeiterschaft die lautere Wahrheit gesagt werden, ,b e» nun angenehm in die vhren klingt oder nicht. Nur zu wahr ist e», daß die Massen, denen dir Theoretiker der Sozialisierung ihre Gedanken nahebringen sollen, darunter bestenfalls die Verschiebung der Machtverhältniffe zu ihren Gunsten verstehen. Wir möchten wünschen, daß der Aussatz »eitest« Berbrei- tung und Brachtnng fände. / M«» -e« M«lde«tale. "Waldenburg, 29. Juli. Wie au- dem amtlichen Telle der heutigen Nummer ersichtlich ist, wird vom 31. Juli bis 2. August wegen Massenschüttung die Dorfstraße in Schwaben gesperrt. *— Die Reichswehr stellt zum 1. Oktober wieder Frei willige ein. Die Soldaten, die fich auf 12 Dienpjahre ver- -siichten müssen, sollen nur äußerst gesunde und kräftige Leute ein. Neben dem militärischen Dienst erhalten dir Freiwilligen auch eine gründliche Ausbildung in allen Sportzweigen, wie Leichtathletik, Fußball, Turnen und Schwimmen. Jeder kann nach Maßgabe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zum Offizier befördert werden. Di, Soldaten find in da» Reichrsbeamlen- besoldungSgesetz einbegriffen. Da» Mindesteinkommen al» Mann beträgt zur Zeit etwa 30,000 Mk., al» Unteroffizier 35—40,000 Mk. jährlich. Die Bekleidung ist frei. Für Unterkunft und Verpflegung werden von der wanatltchen Besoldung verh»ltni»mäßig geringe Abzüge gemacht. Wäh-