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SWsche Nolkszeitung Erscheint DienSta-, Donnerstag und Sonnabend abend« mit dem Latum de« folgenden Tage«. Berugspret» r Vierteljährlich t Mt. 25» Pfg. (ohneBestellgeld). Post-Bestellnummer 6595, i». bei außerdeutschen Postanslalten laut Zeitunga-Preisliste. Kinzelnurnnrer 10 Unabhängiges Organ für Wahrheit, Areiyeit und Hlecht. ^eüskNon unü 8e§ch8Nrrieiie» vrercken. pillnitrer Strarre sz. L«rnfpr«ch»er AmtMr. >»««. Inserate »Verden die l>gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pfg» berechnet, bei mindestens 3maliger Wieder ivlung Rabatt. Bestellungen hierfür nehme» an: Keschästsstelle ZKssnlher Klraße 43, sowie die Buchdruckerei von Albtn Nache, Ziegelstraße 18. Rr. 54 Freitag, den 5. Dezember 1902. I. Jahrgang. Staatsstreich oder Revolution? „Am Bombend des Staatsstreichs" oder so ähnlich tiber- schreiben die Zeitungen, »velche die Sache der ObstrnktivnS- partcien in, Reichstage vertreten, ihre Leitartikel nnd Porla- mentSrückblicke. Dagegen überschreibt die „Krenzzcitnng" ihre Betrachtungen über das gleiche Thema mit den bezeichnenden Worten „Verfrühte NcvolutionSversuche". Ganz ähnlich hat ja auch am Montag der Abg. v. Kröcher den Gedanke» aus- gesührt, das; der gegeinvärtige Augenblick eine bedenkliche Ähn lichkeit niit den Vorabenden großer Revolutionen hat. Nach dem das parlamentarische MehrheilSprmzip. in seiner abso luten Geltung selbst die Frucht der Revolution, über ein Jahrhundert säst uubcanständet die zivilisierten Staaten be herrscht hat, wenden sich bemerkenswerter Weise heule die re volutionären Bestrebungen gerade gegen das Mehrheitsprinzip, gegen die Grundlage deü Parlamentarismus. Eine Partei, die daö formale Recht ihrer Bestrebungen selbst nur darauf gründet, daß sie in absehbarer Zeit die Mehrheit des Volkes hinter sich haben werde, eine Partei, die auf diese Hoff nungen das Recht gründet, die ganze bisherige Gesellschafts ordnung umzustürzen. hat cs nicht abwarten sännen, bis wirklich ihre Agitation ihr die Mehrheit im Volke gesichert habe. Obwohl nur die Minderheit in, Volke und erst recht eine kleine Minderheit in der Volksvertretung, beansprucht sie, daß der ganze Reichstag mitsamt dem BnndeSrat ihrem Veto sich beuge. ,hr zu Liebe auf den Zolltarif verzichte. Daü ist der Umsturz des M c hr he i tsp r i n z l PS. der Umst » rz a l l e r pa r l a in c n ta r i s che n Ordnung. Die Führer der Sozialdemokratie haben die Geduld ver- loren, sic könne» es nicht abwarten, bis die allgemeinen Wahlen in allerdings noch nebelhafter Ferne ihr einmal die Mehrheit im Reichstage sichern. Dazu kommt der von der sozial demokratischen Partei und Presse systematisch genährte Größen wahn, der sie dazu verführt, ihre jetzige, doch zahlenmäßig noch untergeordnete Bedeutung in, Reichstage zn überschätzen. Ungeduld und Übermut haben sie dazu verleitet, den Versuch zu machen, dein deutschen Reichstag nnd damit der großen Mehrheit des deutschen Volkes ihren Willen anfzuzwiugen. Sollte ihnen dieser Versuch gelingen, so müßte dies ohne Frage die ernstesten Folgen nach sich ziehen. Die Ungeduld der Sozialdemokratie, den gesellschaftlichen Umsturz, den sic erstrebt, herbeizuführen, würde nach einem solchen Erfolge erst recht sich keine Zügel mehr anlegcn lassen. Der Übermut würde in den» Maße steigen und sie zn neuen Taten er mutigen, je mehr ihr keckes Auftreten infolge der Schwäche ihrer Gegner und namentlich der Regierungen dazu führt, sie als die Herren der Situation erscheinen zn lassen. Man wende uns nicht ein, daß ja nicht nur die wilde Sozialdemokratie Obstruktion mache, sondern auch die zahme „Freisinnige Vereinigung". Auch bei dem kleinen Gernegroß, diesem „Fcindchen" der ReichStagSmehrheit, wie Herr v. Kröcher mit boshaftem Humor sich ausdrücklc, sind Ungeduld nnd Übermut oder Größenwahn die Triebfedern ihres Handelns. Sie schmeicheln sich mit der Hoffnung, nicht etwa die Mehr heit des Volkes für ihre Sache zn gewinnen, sondern mit der Hoffnung, den Stufen deö Thrones nicht mehr ferne zu sein. Die Vorliebe des Kaisers für die Marine, für überseeische Politik und überseeischen Handel hat ihn persönlich mit ein flußreichen Herren, die der „Freisinnigen Vereinigung" cin- gchören, bekannt gemacht. Die Herren Barth, Brömel, Pach- »icke re. können es aber nicht abwarten, bis die politische Entwickelung oder die persönliche Anschauungsweise deö Kaisers so weit gediehen sind, daß ihnen die reifen Früchte des kaiser lichen Vertrauens in den Schoß fallen. Sie »vollen daher der Entwickelung nachhelfen, indem sie das Bollwerk der Schntzzollpolltik. welches der Zolltarif immerhin noch darstcllt, niederreißcn und die Bahn frei machen für eine Ära des Freihandels. So sind sie. die um Kaisergunst buhlen, an die Seite des schärfsten Antipoden des Kaisertums, au die Seite der Sozialdemokratie gedrängt worden. Leider hat diese böse Nachbarschaft auch auf sie schon stark revolutionär abgefärbt, sodaß der Kaiser, wenn er ihr gegenwärtiges Ver halten mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt, doch wohl Be denken tragen könnte, in den Herren Barth und Genossen seine künftigen Minister zu erblicken. Drohend schreibt das Organ dieses Parteichcnö, das „Berliner Tageblatt": „Ein Volk, das mündig geworden ist, läßt sich nicht von einer Handvoll unternehmender Junker nnd Junkergenvfsen tyrannisieren. Daü würden auch die Kröcher und Genossen erfahren, wenn sie es auf eine Probe ankvniincn ließen". Wenn die Sache nicht so ernst wäre, könnte cs uns Spaß machen, die Herren Mvssc und Levysvhn njw. einmal Ernst mit ihren Drohungen machen zu sehen. Wir fürchten allerdings, daß »vir doch um diesen Genuß kommen würden. Die tapferen Makkabäer des „Berliner Tageblatts" werden sich schon beizeiten hinter die breiten Rücken der Proletarier zurückziehen. Übrigens stimmt der Satz besser, »venu man statt „Junker und Jnnkcrgenossen" cinsctzt: „Inden und Jndengcnvssen". Wie den» auch sei, die Sachlage ist ernst genug und vielleicht »och ernster, als »vir sagen dürfen. Trotz der scharfen Worte, »velche der Kaiser in Essen gegen die Sozialdemo kratie gesprochen hat. glaubt die „Freisinnige Vereinigung" sowohl auf die persönlichen Neigungen deö Kaisers als »vie auf die Wahlhilfe der Sozialdemokratie ihre Politik anfbanen zn dürfen, sodaß sic gleichsam das Bindeglied zwischen den» „anfgeklürten Despotismus" und der sozialen Demvkratie dar stellen würde. Der Gedanke ist kühn, aber es fehlt ihm nicht an einigen tatsächlichen Unterlagen. Doch er ist freilich so kühn, daß er trotz alledem scheitern muß. Aber auch nur der Versuch, ihn auszuführen, würde Zustände heransbc- schwörc», welche entweder den Absolutismus oder die Revvlntion, vielleicht auch nacheinander beides, be deuten würden. Daü Ende wäre jedenfalls ein Ende mit Schrecken. Möchten die leitenden Männer in» Reiche diese Dinge recht eindringlich beherzigen und nicht verfehlen, ihre Auffassung auch dort zur Geltung zn bringen, wo. »vie die Dinge im Deutschen Reiche sich nun einmal entwickelt haben, die Entscheidung fallen »vird! Aus dem Reichstage. 228. Sitzung am 2. Dezember 1902. Im Reicbsinqe >vu»de am Dienstag bei stark besetztem Hause — fast 300 Äbgeoidnetk waren anwesend, darunter etwa 100 vom Zentrum — und überfüllten Tribünen ein eibitterter Kampf zwiichen der großen Mehrheit und den Ol'struktivnS- Parteien auSgetämpft. „Der Reden sind genug gewechselt, nun laßt uns Taten sehen!" »var die Lvlung dieser Dauersitzung, die eine Unmasse von namentlichen Abstimmungen brachte, da die Linke immer neue Schwierigkeiten machte. Tivtzd m gelang eS, die endlose G-scläfisordnuiigSdebatle über die Zuläisigkeit deS Antrags Kardoiss und auch eine neue G.sctiäfisvrdnungs- debalte zu schließe». Die Minderheit scheint die Taktik zu ver folgen, immer neue G> sckiäslsorvnungSdrbalten anzuregen. I den- fallS zeigte sich die Mehrheit entichlvsse», den Kampf durbzu» kämpfe», und sie haue auch insofern Eifolg, als der Antrag Kardoiss sowohl in der bisherigen, »vie in einer redaktionell neuen Fassung für zulässig erklärt wurde. Das Stimmen« Verhältnis — eilva 200 gegen 45» Stimmen — bewies, daß nur eine ganzuntergrordneteMinderheit sich erdrelstet eine gewaltige Mehrheit zu tyrannisiere». Im weiteren Verlaus der Schung kam rS zu Auseinander setzungen zwischen dem V>z> Präsident Büsing und den Sozial- demvkiaien. Erst duich das Dazivischeiilrele» deS Zeiitrumeabg. Spahn, »vtlcher den Sozialdemokraten nachzugeben empfahl, kam eS zu einer Verständiguug. Gemäß dem Antrag Spahn und v. Tiedrmaiili wurde die Frage der Geschäfisordnungs- kvmmissivii zuqewiesen. Der freisinnig und demokratisch gesinnte Abg. Richter hielt am 29. Nov. >n> Reichsiage eine Rede, »velche eine V rurteilung der roten Obstruktion enthält; »vir zitieren folgende Sätze daraus: Sv gehe es nicht mehr weiter! Dieser ObstrukiionSsport sei eine Schande für daS Parlament, dem anzugrhören für einen Vorkämpfer des PillameiiiariSmuS keine Ehre mehr sein würde, wenn die Untertanen Singers fvrtsahreii, daS Fundament deS Parlamentarismus zu untergrabe». Er billige zwar den Antrag Kardoiss nicht, sonder» halte ihn für geschäfisordnunpSwidrig. Es sei aber erklärlich, wenn die Geduld der Mehrheitsparteie erschöpft sei, sodaß sie zu diesem Mittel ihre Zuflucht nehmen müßten. Die Sozialdemokraten fühlten offenbar die Wucht der Schläge, den» sie hockte» da »vie begossene Pudel, während die übrigen Parteien mit ihrem Beifall nicht kargten. Die Rede Richters »var sicherlich ein Ereignis, daS in seiner Bedeutung auch durch die neuerlichen Ansen,düngen B.belS oder durch die wüsten Ausfälle der anderen Sozialdemokiaten nicht abgeschwächt »verden konnte. 229. Sitzung an, 3. Dezember 1902. Am Mittwoch ging eS ruhig zu. Die Sitzung wurde ledig lich durch eine Anzahl R-feraie und die von der Linken hieran geknüpften „GeschäsiSoidiiuiigSdebatten" und -Anträge, die durch weg durch Übergang zur Tagesordnung beseitigt wurden, auS- gefüllt. Da 35 Referate zu erstatten sind, so kann daS Spiel für morgen und übermorgen »och auSreichen, wen» die M>hr- Gin Opfer. Erzählung von Friedrich Meister. (»3. gorgrtzun«.) tiNlichdriilt Verbvlkii.) Als Wintcrsheini diese Worte vernahm, wurde er ernst genug, so ernst, daß die junge Frau über die Veränderung seiner Züge erschrak. „Habe ich dich verletzt, Paul?" fragte sie ängstlich. „Bist du mir böse?" „Nein, Kind, nein," cntgegnetcr er düster, „aber du bringst mich in Verlegenheit, denn dies ist tatsächlich ctwas, worin ich deinem Wunsche nicht entsprechen kann. Vergiß doch nicht — selbst wenn es mir gelänge, Lubau zurückzubringcn, so könnte ich ihn doch nimiiiermehr veranlassen, deiner Cousine sein Herz zu schenken. Du weißt am besten, daß seine Liebe einer ganz anderen gehörte, und auch sic weiß daS. Ich bedauere sie von Herren, und auch ihn beklage ich aufrichtig: allein ich »vciß wahr haftig nicht, »vie ich ihnen Helsen sollte." „Ich sehe die Unmöglichkeit sehr wohl ein, und ich wollte auch, daß ich garnicht davon aiigcfangcn hätte — aber sic leidet wirklich zum Herzzerbrechcn, und nur um so stärker, »veil sie's verbergen will. Sie würde leichter tragen, wenn sie sich mitteilcn wollte; aber selbst gegen mich kommt kein Wort über ihre Lippen." „Recht so," sagte er hastig; dann aber besann er sich und suhr fort: „Als Dank für deine Teilnahme hätte sie dir immerhin ofscnbaren können, »vaS meinerseits für sic sowohl, »vie für ihn geschehen ist." „Du hättest schon etwas für sie getan? Bester Paul, wie erfreust du mich dadurch! Sic hat sich also an dich gewendet?" „Das gerade nicht. Aber ich erinnerte mich deiner Worte und ermöglichte ihr, mit ihm zu korrespondieren." „Dann hast du ja gewußt, wo er sich aushält I" ries sie erstaunt. „Ja, er schrieb mir," sagte er, während seine Augen ihren Blick vermieden. Sie schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn innig an sich. „Du wußtest die ganze Zeit, »vo er »var, und hast doch lieber den schweren Verlust ertragen, als ihn verraten! Du Guter, du Edler!" > Er duldete die Umarmung, ohne dieselbe zu erwidern. „Ich sagte dir ja damals schon, daß ich Lubau für unschuldig halte," bemerkte er kalt. „Im Übrigen aber, liebe Luise, wirst du dir bei einigem Nachdenken wohl sagen können, daß rS mir angenehmer wäre, wenn sein Name zwischen unS so »venig wie möglich genannt wiirde." „Verzeih' mir," antwvrtctc sic leise. „Ich werde nie wieder vo» ihm sprechen. Traurig ist'S aber doch, daß er nicht zurück- kommcn kann, trotzdem du von seiner Schuldlosigkeit überzeugt bist. Dann würden beide glücklich sein — »vie »vir." Fortan vermied sie es sorgfältig, LubauS Namen in ihres Gatten Gegenwart zu erwähnen, obgleich ihr der Wunsch desselben unerklärlich warj hatte er »ich doch so edelmütig einem Nebenbuhler gegenüber crwiese», der sogar versucht hatte, ihn zu verleumden. Andererseits »var ihr nie in de» Sinn gekommen, ihm LubauS Andeutungen, die sie so energisch zurückgewiese», zu erzähle», und an diesem Entschluß hielt sic auch für die Folge fest. Wintcrsheini aber hatte die Wahrheit geredet. Er »var Annas Wünschen »ach Kräften entgcgengekominen. Er halte von Lubau die Erlaubnis cingrholt, ihr dessen Adresse nenne» zu dürfen und demselben zugleich des Mädchens felsenfesten Glauben an seine Unschuld und ihren Vorsatz, nach Möglichkeit für die Wiederher stellung seines guten NamenS zu wirken, »nitgeteilt. Er »var aber noch »veiler gegangen, indem er ihm cröfsncte, daß Anna zweifellos mit innigster und opferwilligster Liebe an ihm hänge, und daß eS vorausichtlich keine Schwierigkeiten haben »verde, sic zur Aus wanderung nach Südamerika zu bewege». Die nächste transatlantische Post brachte ein Schreiben LubauS an Anna. „WintcrshcimS Nachrichten über Dich und Deinen Glauben an meine Ehrenhaftigkeit," hieß eS darin, „sind mir ein wahrer Hcrzcnstrvst gcwefcn, nnd wenn ich wüßte, daß auch Luise Deine Überzeugung »eilt, dann würde ich mich hier ganz glücklich fühlen. Nunmehr sollst Du auch erfahren, in welcher Weise ich an jener Betrugsaffäre beteiligt »var: ich entdeckte sie und auch den Schnldigen, beschloß aber. auS gewissen Gründen zu schweige», wenn ich auch selber darüber in Verdacht geraten sollte. Welcher Art diese Gründe waren, darfst selbst Du nicht wisse»; daß es aber gewichtige sind, magst Du daraus erkennen, daß ich heute ein Flüchtling und ein Ehrloser bin in den Augen aller, die mich als Eduard Lubau gekannt haben. Jetzt führe ich den Namen Richard Hammer, und hier in Rio gelte ich als ei» vom Glück überaus begünstigter Mann, da alle meine geschäftliche» Unter nehmungen in der Tat bis jetzt über Erwarten erfolgreich gewesen sind. Dadurch aber »vird nicht ersetzt, »vaS ich verloren habe. Schreibe mir recht bald und viel; innig erfreut würde ich sein, von Dir zu vernehmen, daß Luise glücklich ist." Die Liebe zu Luise also war in ihm noch nicht erstorben. Wenn Anna in ihrem Herzen eine andere Hoffnung gehegt, so »var dieselbe durch diesen Brief zunichte gemacht. Aber sie hatte ja niemals daran gedacht, ihn für sich selber zu gewinne». Sie liebte ihn, und niemals »vürve sie ihre Neigung einem anderen Manne zuwkiiden können, selbst wenn er stürbe oder heiratete; ebenso aber glaubte sie auch, daß er sein Herz von Luisen aus keine andere zu übertragen vermöchte. Weil sie ihn aber siebte, lag ihr alles daran, seinen Ruf vor der Welt wieder hergrstellt zu wissen. In ihrer Antwort beschwor sie ihn, zurückznloinmcn nnd sich zu rechtfertigen. Er lehnte dies fest ab. auS Gründen, die er für sich behalten müsse. Nur unter einer Bedingung würde er hei»,kehren — wenn Luise unglücklich würde und Beistand notig hätte. Er bat Anna, ihn wegen seiner Schwäche nicht zu verachten, sondern ihm fleißig »veiler zu schreiben, da ihre Briefe ihm etwas von dem heimatliche» Sviiiienschei» in seine Verbannung brächten. Ehe Anna diese Korreipondenz begonnen, hatte sic die Ursache gemutmaßt, die Eduard in die Fremde getrieben; jetzt wußte sie dieselbe ganz genau. Sie Vermvchtc seine Gründe nicht zu billigen; eS widerstrebte ihr aber, ihn mit dieser ihrer Meinung in jedem Briefe a»sS Nene zu verstimmen, und so schrieb sie ihm fortan iinnier nur so freundlich und lichtvoll als möglich. Sic schilderte ihm, auf seine Bitten, Luises Leben in all seinen angenehmen Einzelheiten; sie beschrieb ihm das Gedeihen und Treibe» der kleine» Lulu, die sie als daS fröhlichste und liebreichste Kind darstell>c, daö das Licht dieser argen Welt erblickt hatte. Gar bald hatte Eduard Lubau sich daran gewöhnt, diese Briese als die wichtigste» und interessantesten von allen zu be trachten, »velche die Post ihm brachte. Während er sic las, »var eS ihm, als höre er Annas Stimme, als sehe er vor sich ihr ruhiges, reizvolles Antlitz und ihre klaren, schönen Auge», die ihn oft so ernst »ind so sympalhtsch angeblickt hatten. Mit jeder Post sendete er ihr einen genaue» Bericht über sein Leben, seine Arbeit, sein Denken und Empfinden, und jeder von Hamburg eintresscnde Damp»er brachte ihm Annas bis ins kleinste gehende Antwort. Tic Botschaften aus der Heimat wurde» ihm unentbehrlich: sic verliehen ihm neue Schwungkrnft, sie stärkten ihm Herz und Geist und bewahrten ihn vor Bitterkeit, die sich so oft seines HcrzrnS bemächtigt, das eine schwere Enttäuschung erfahren hatte. Der wohltuende, heilsame Einfluß, den Anna aus diese Weise auch aus der Ferne aus ihn ausübte, fand bei ihm bald ein volles Verständnis und erfüllte ihn mit innigem Dank gegen die treue Freundin. (Fortsetzung solgt.)