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Sächsische Volkszeitung : 03.11.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192911031
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19291103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19291103
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Druckfehler auf S. 3: Datum und Nummer falsch.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-11
- Tag 1929-11-03
-
Monat
1929-11
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.11.1929
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- , p'vÜ'F-' ...:..>-- >?W >. . . L-.b-»'. 7 ^ l> , V " tp >-..<,7'> -L'-.H^.. '. sam« Schluchten üverbrückt, man rettet noch heute mit ihr Schiff, brüchige, indem man ihnen mit der Rakete da» Rettungsfeil tziniibrrsendet. Während Professor Oberth — ein stiller Gelehrter der Naturwissenschaften — noch an seinen theoretischen Kerechnun- gen arbeclele, gingen dann mct einmal L-pet, San der uns Valier daran, das Prinzip des Rückschlages oder Rückstoßes praktisch zu erproben, indem sie einen Wagen mit Raketen aus rüsteten und durch deren Explosion den Wagen antrieben. Ihre Erfolge und Mißerfolge aus der Avus und der Eisenbahnlinie sind noch in Erinnerung. Und der jüngste Versuch, sich mit Hilfe der Rakete in die Luft zu erheben, war auch nicht geeig net, den Glauben an das Prinzip zu bestärken. Immerhin aber sind hier erste Schritte zur Losung getan. Man kann sich heute jedenfalls nicht vorstellen, daß die unternehmungsfreudigen Forscher ihr Werk vor der Vollendung abbrechen. Professor Oberth ging in neuerer Zeit dazu über, seine Raketen mit neuen Explosionsstoffen zu füllen.. Seine Berech nungen hatten ihm gezeigt, daß das Pulver nicht die gewünschte Rlickstoßkraft besitzt, die er benötigt, um die erforderlichen Ge schwindigkeiten zu erzielen. Durch Versuche erkannte er, daß flüssige Vrennstofjß, etwa Benzin, Spiritus oder durch Kälte verflüssigter Wasserstoff, die mit Sauerstoff vermischt werden, eine größere Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase* erreichen. Mit der größeren Geschwindigkeit der ausströmenden Gase stei« gert sich aber auch die Geschwindigkeit der Rakete selbst. Noch ein anderer Vorteil ergibt sich daraus: Die Rakete braucht nur einen Bruchteil ihres Eigengewichtes an Brennstoffen, während die Pulverrakete ein Vielfaches ihres Gewichtes an reiner La dung benötigte, um die gleiche Geschwindigkeit zu erzielen. Vorntoü in ^Veltenraunr Anfang dieser Woche wird in Berlin der Fritz-Lang- Film der Ufa „Frau im Mond" uraufgeführt. Dieses Werk behandelt nach einem Roman von Thea von Harbou das Problem der Raumschiffahrt. Und da <7. den Herstellern nicht darauf ankam, eine amüsante Phantasterei im Stile des Jules Verne zu bieten, so verpflichteten sie sich den ersten Sack>- kenner auf dem Gebiete der Raketenfahrt, Professor Hermann Oberth, der ihnen die Mondrakete, in der die Fahrt zum Mond angetreten wird, nach seinen wissenschaftlichen Ausarbeitungen genau konstruierte. Wie weit damit eine künstlerische Leistung* erzielt wurde, wird die Uraufführung beweisen. Einen prak tischen Wert sehen wir jedoch heute schon. Und zwar darin, daß dem Forscher hier zum ersten Male Gelegenheit geboten wurde, an die praktische Arbeit heranzugehen. Er selbst erzählt, daß er sich bereits seit seiner frühen Jugend — zuerst spielerisch, dann forschend — mit dem Problem der Rakete beschäftigte. Und da es ihm an Kapitalien fehlte, mußte er sich darauf be schränken, rein theoretisch die Dinge zu erarbeiten, „Vielleicht war das gut so", sagt er selbst, „ich war so gleichsam gezwungen, dem Problem mit exakten Berechnungen nachzugehen, während sich bisher niemand die Mühe gegeben hatte, bis in die letzten Einzelheiten alle Gesetze durchzudcnken." Es geht nicht in erster Linie um den Weltraumflug. Pro fessor Oberth wird sich zunächst damit begnügen, eine von ihm konstruierte Rakete in. bisher unerreichte Höhen hinaufzutreiben. In allernächster Zeit wird er eine mit Flüssigkeiten angetricbene Rakete von der Oie bei Greifswald in den Weltraum hinein senden. Das „Geschoß" ist zehn Meter hoch. Seine Spitze ent hält mehrere ganz feine Meßinstrumente, die die meteoro logischen Verhältnisse und die erreichte Höhe registrieren sollen. Man hofft, daß die Rakete eine Höhe von 60 bis 70 Kilometer erreicht. Die bisher erreichte höchste Höhe mit unbemannten Ballons betrug etwa die Hälfte. Die Genehmigung zu dem Experiment wurde bereits erteilt. Im Kopf der Rakete befindet sich ein Fallschirm, der die Apparate in ihrer Hülle heil wieder zur Erde herunterbringt. Die ganze Welt sieht mit Spannung dem Versuch entgegen. Von dem Erfolg hängt es ab, ob die Weltraumschiffahrt in den nächsten Jahren voranschreiten wird. Oie k^roirerunx äer 8ternen>ve1t Professor Oberth gibt die Versicherung, daß man nicht eher daran gehen werde, eine Rakete zu bemannen, bis durch not wendige Versuche die Garantie für die Sicherheit der Fahrt gegeben sei. Nichts destoweniger nennt er heute schon den Ter min, wann man voraussichtlich die erste Raumfahrt antreten werde. Zehn, höchstens zwanzig Jahre dauere es noch, bis alle Fragen ins kleinste gelöst seien. » Die Weltraumrakete beruht auf der Erkenntnis, daß die Rückstoßkraft der Rakete auch im luftleeren Raum wirkt. Ein wandfreie Versuche haben diese Tatsache bestätigt, und damit er gab sich die prinzipielle Möglichkeit eines Weltraumfluges von selbst. Eine Berechnung ergab dann, daß man aus der Zone der Anziehungskraft unserer Erde herauskommen kann, wenn es gelingt, mit einem Fahrzeug in steilaussteigender Fahrt richtung eine Geschwindigkeit von 11,2 Kilometer in einer Se kunde zu erreichen. Professor Oberth hat erkannt, daß auch die mit Flüssigkeiten gefüllte Rakete eine solche Geschwindigkeit nicht ohne weiteres erreichen kann. Trotzdem löste er das Problem theoretisch. Er schachtelt mehrere Raketen ineinander, so daß immer eine die andere ablüst. Dadurch erreicht er es, daß bei der Explosion der zweiten Rakete das Fahrzeug bereits eine enorme Anfangsgeschwindigkeit hat. Sie vermag nun diese Ge schwindigkeit ungeheuer zu steigern, und eine dritte Rakete, die nach dem Abbrennen der zweiten automatisch explodiert, würde dann — wcil sie mit außerordentlich hoher Geschwindigkeit an- ,sängt — wohl vie erforderliche Endgeschwindigkeit von 11,2 Kilo, Metern in der Sekunde erreichen, was ungefähr einer Stunden geschwindigkeit von 10 000 Kilometern entspricht. Die bisher er reichte höchste Geschwindigkeit für Flugzeuge in der Waage rechten betrug um üöO Kilometer pro Stunde. Aus diesem Ver hältnis erhält man ungefähr eine Vorstellung von der enormen Geschwindigkeit, die eine Weltraumrakete erreichen müßte. Wenn das Fahrzeug nun aus der Anziehungskraft der Erd« hcrausgetretcn ist, so kann inan den Explosionsvorgang abstellen, da die Rakete dann, wenn sie der Schwerkraft der Erde nicht mehr unterliegt, aus eigener Kraft mit unverminderter Schnel ligkeit die eingeschlagene Richtung fortläuft. Sie ist dann gleich sam zu einem selbständigen Wcltkörper geworden, und es hängt nun davon ab, durch den Cteuerungsmcchanismus die Richtung festzuhalten, die man cinzuschlagen wünscht. Tritt der Körper dann in die AichkeHmgskraft des Mondes ein, so mutz durch «in» Bremsvorrichtung dafür Sorge getragen werden, daß er nicht an der Mondoberflüch« zerschellt. Professor Oberth will zur Bremsung wieder die Rückstoßkraft der Rakete nutzen, indem er sie umkehrt, und durch die rückstoßenden Gase einer neuen Explo sion der Anziehungskraft des Mondes entgegenwlrkt. Durch eine genaue Regulierung des Explosionsvorganges müßte es möglich sein — so sagt der Konstrukteur — das Fahrzeug unbeschädigt auf die Mondobersläche niederzusetzen. Oorl äer klensel»? Wie verhält sich aber nun der menschliche Orgnismus bei einer solchen Fahrt im 10 000 Kilometertempo? Die Tatsache, daß die Schwerkraft der Erde während der Fahrt im Welten- rnum vollkommen aufgehoben ist und daß die Schwerkraft des Mondes nur etwa ein Sechstel der der Erde beträgt, bietet dem Mediziner und vor allem dem Psychologen ganz neue Probleme. Soweit die Funktionen des menschlichen Organismus direkt auf den Gesehen der Erdschwere beruhen, müssen sie natürlich künst- lich erhalten werden. Ein Beispiel nur: Unser Gefühl verlangt unbedingt di« aufrechte oder wagerechte Körperhaltung. Mit dem Kopf nach unten können wir nicht keben. Nun gibt es ab«, im Weltenraum keine Senkrechte. Man würde dort schwclm und der Organismus verträgt dies« Haltung nicht. Präses Oberth hat auch diesen Umstand erwogen. Nach seinen Au» sagen gibt es ein Gift, das bewirkt, daß der Mensch gefühlt«, wird gegen die Gleichgewichtsempsindung. Er erzählte, das er es selbst einmal ausprobiert und sich von der Richtigkeit durch persönlich« Experimente überzeugt hat. Im übrigen wird di, Kabine genau wie ein Unterseebootsraum eingerichtet sein Ein, Fahrt zum Mond soll nach Berechnungen etwa 06 Stunde» dauern. Der Ausstieg vom Mond wird in der gleichen Weise er> folgen wie von der Erde. Die Rakete ist so konstruiert, daß si, Brennstoff sowohl für den zweimaligen Aufstieg als auch sü, zweimalige Bremsung enthält. Das ganze Problem ist heute aus der Sphäre des Phantasti schen in die der Realität herabgeholt worden. Dieses Verdienst gebührt Professor Oberth. auch dann noch, wenn sich nicht alle seine Pläne verwirklichen lassen. Er ist ein nüchterner Rechner, der mit einer überraschenden Einsühlungskraft alle Schwierigkeüen seines Werkes erkennt und mit unheimlicher Zähigkeit Sein um Stein aus dem Wege räumt. llosek l.auuua. Hat Ks6iods8te1n nvek 8imi? Trotzdem der Rundfunk zahlenmäßig immer größere Kreise erfaßt, ist die Zahl derjenigen, die sich ihr Empfangsgerät selbst bauen, im Rückgang begriffen. Viele Funkbastler haben diese Tätigkeit nur unter dem Gesichtspunkt niedrigerer Erstehungs-' kosten ausgeübt; sie konnten sich einen Empfänger sehr viel billiger selbst Herstellen, als er im Laden zu kaufen war. Da nun die Industrie zu immer größeren Massenauflagen über- gcgangen ist, konnten die Verkaufspreise stark ermäßigt werden, so daß es heute nicht mehr möglich ist, beispielsweise einen O-Röhrcn-Ortsempfänger für den gleichen Betrag selbst zu basteln, für den dieser Empfänger von der Industrie geliefert wird. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Frage, ob vas Basteln heute überhaupt »och einen Sinn hat, durchaus berech tigt, und nicht nur das große Publikum, das ja schließlich wissen möchte, ob es basteln oder fertig kaufen soll, nicht nur die Basllervereine, deren Mitgliederzahlen nicht im Wachsen be griffen sind, sind an dieser Frage interessiert, sondern in glei cher Weise ist es der Radiohandel, und auch die Radioindustrie. Wenn man das Gebiet reinsachlich betrachtet, Mg man feststellen, daß das oft gehörte Schlagwort „Das Basteln hat seinen Sinn verloren — kaufe den Empfänger besser und bil liger im Laden!" durchaus unberechtigt ist. Gewiß hat es keinen Sinn, einen einfachen 3-Röhren-Empfäng«r, den man für ein geringes Geld in vorbildlicher und leistungsfähiger Ausfüh rung erhält, selbst herzustellen, denn der selbftgebaute Empfän ger würde mindestens das Doppelte kosten, und der Bastler hat hier auch nicht groß die Möglichkeit, dem industriellen Empfän ger gegenüber Verbesserungen anzubringcn. Der Selbstbau von Empsangsgcrätcn mit mehr als drei Röhren ist dagegen auch in finanzieller Hinsicht lohnend, ganz davon abgesehen, daß der Bastler bet solchen Geräten seine eigenen Wünsche und Ideen ganz anders berücksichtigen kann, als es die industriellen Empfänger ermöglichen. Das eigentliche Betätigungsfeld des Bastlers liegt aber bei den Apparaten mit fünf, sechs und mehr Röhren. Die Industrie bringt zwar solche Empfänger eben falls heraus, sie sind doch aber so teuer, daß sie nur für kleine Kreise in Frage kommen. In erster Linie ist hier auf die Neutrodyne- und Superheterodyneschaltungen zrl verweisen. Gerade an Superhetempfängern befinden sich nur zwei oder drei ,aus dem Markt, die sehr teuer sind. Der Bastler kann sich ein solches Gerät, dessen Leistungsfähigkeit gegenüber dem indu striellen noch gesteigert werden kann, für den halben Preis Her stellen, wenn nicht noch billiger. Und er Tann, da er nicht wie die Industrie auf einfachste Bedienung sehen muß, den Apparat empfindlicher und leistungsfähiger bauen. Man kann heutz. überall beobachten, daß sich di« Bastler von den einfacheren Apparaten abwenden und sehr hochwenige und kompliziert« Schaltungen benützen, die in den Indusuie- empfängern nur selten zur Anwcndug kommen. Diese «-Hal tungen stellen allerdings erhebliche Anforderungen an denjeai- gen, der nach ihnen einen Empfänger bauen möchte. Der Pest- ler von heute ist ein hochqualifizierter Techniker, der in du Materie oft besser Bescheid weiß, als mancher angebliche ßah- mann. Man findet diese Tatsache häufig im Radiohandel be stätigt. Die Bastler, von denen "hier gesprochen wird, tonzen- trieren sich im Einkauf auf einige wenige große Geschäfte, dü für sie besondere Abteilungen einrichten, in denen man ihren Wünschen entgegenkommt, und in denen vor allem Techniker vorhanden sind, die in der radiotechnischen Ausbildung sehr weit fortgeschritten sind. Denn der übliche Händler, der in der Hauptsache fertige Apparate verkauft, ist dem Bastler in seinen schaltungstechnischen Kenntnissen erheblich unterlegen. Tis Bastler von heute sind nämlich ausgesprochene Spezinli-ren; unter ihnen sind Superhet-, Neutrodyne- und Kurzweiten- Spezialisten, solche die die Schirmgitterröhrcn zu höchster Leistungsfähigkeit bringen, und andere, die ihre Ausgabe darin erkannten, aus dem O-Röhren-Empfünger durch besondere Spulenkombinationen möglichst viel h e r a u s z u h ol sn. Dem Bastler haben sich jetzt mehrere neue Gebiete erösinet, die die Vastlerbewegung schon sehr befruchtet haben und dis voraussichtlich weiter günstig auf die Ausbreitung,des Bairler- gedankens einwirken werden, die N e tza n s ch t u ß t ech nik, der Bildfunk und das Fernsehen. Heute werden in der Hauptsache Netzanschlußgerät« und komplette Lichtnetzempsäager gebaut. Vielfach kommt hier auch ein wirtschaftliches Moment hinzu, denn dem Bastler ist es möglich, seinen bisherigen Empfänger beizubehalten und ihn durch Umbau bzw. Anbau ln einen Netzempfänger umzuwandeln. Dadurch kommt die Umfül lung auf Netzbetrieb verhältismäßig billig zu stehen. Ander« Bastler beschäftigen sich mit dem Selbstbau von Bildempsäagenr, Das Fernsehen besitzt aber vor allem anderen einen sehr großen Reiz, und viele Bastler sind heute Labei, sich Empsangsappara- turen für die Fernsehsendungen selbst zu bauen. Hier gibl es zahlreiche Probleme zu lösen, und der Bastler kann sich hier in ähnlicher Weise richtunggebend für die Industrie betätigen, wie es seinerzeit auf dem Empfängergebiet gewesen ist. Also: Es wird noch viel und ernsthaft gebastelt. Doch ilt das Funkbasteln heute keine Massenbewegung, wie im Anfang, wo man die Zugehörigkeit zu einem Funkverein nur einging. um die Audionversuchserlaubnis zu erhalten, sondern es ist eine ausgesprochene Qualttätsbewegung, in der sich Wissenschaftler, Techniker und letzten Endes Fanatiker zu-am- menfinden. L. 8. kexfegnung suk 6em kskn8teiA Von Peter Hauer. Im Schalterraum schlängelten sich hintereinandcrgcreihtc Menschen zu den Fahrkartenausgaben. Einige reckten, bald rechts, bald links, den Kopf über ihre Vordermänner hinweg, wechselten nervös ihre Fußstellung, zückten die Taschenuhr und suchten auf jede nur erdenkliche Weise ihre Unruhe und Eile zu bekunden. Aber die den Platz vor ihnen behaupteten, stellten sich dickfellig und taub. Sie hatte» Zeit. Was lag ihnen daran, wenn andere ihren Zug versäumten?! Der aber zeigte sich rücksichtsvoller wie die Menschen und wartete, bis die letzten die Untersührungstreppe Heraushetzenden in seinen Abteilen geborgen waren. Mit etlichen kurz aufein anderfolgenden Rauchauswürfen stieß er dann aus der Halle und entschwand rasch in einer Kurve. Niemand auf dem Bahnsteig sah ihm nach. Er trug wohl nur Menschen davon, denen der Abschied eine alltägliche und darum überlebte Sache geworden war. Auf einer unbesetzten Bank, an der ich vorüber mußte, ließ sich ein junges Paar nieder. Als sie ihre Koffer vor sich hin stellten, sah man, daß es mit einer Geste der Erleichterung ge schah. Beide hatten schwer getragen. Ihre Blicke gingen starr geradeaus, durch Menschen und Dinge wie durch Glas. Mit einem nicht zu verleugnenden Aus druck der Wehmut. Er sprach in langen hastigen Sätzen. Sie setzte nur ab und zu einzelne Worte dazwischen, knappe Zustim mungen, wie es schien. Auch dabei sahen sie einander kaum an, um nicht mit ihren umflorten Augen einander das Herz noch schwerer zu machen. Es war die bevorstehende Trennung, die auf ihnen lastete. Alle Beobachtungen ließen erkennen, daß der Mann reiste. Daß er eine große längere Reise unternahm. Die schlanke blonde Frau würde bald allein sein. Ihre schmalen ruhlosen Finger drückten sich einen Schlüssel, den sie mit einem weißen Tüchelchen in Händen hielt, ins zarte Fleisch. Sie hätte sich lächelnd ver wunden mögen, um in einem äußeren Schmerz das Weh ihrer Seele zy. ersticken. Nach einer Weile würde der Schlüssel ins Türschloß klirren und die.Leere der Wohnung sie überfallen wie eine Gefangene die Stille einer Zelle. Aufgeschreckt erhoben sich beide. Der D-Zug donnerte ein. Knirschend und schrillend warfen sich die Bremsen auf di« Räder. Türen schlugen auf und Menschen entquollen den Wagen. Zei tungen. warme Würstchen. Zigarren, Zigaretten. Vier boten öor> überflitzende Verkäufer den Weiterreifendcn an. die teils mit, teils ohne Reisemütze breit in den - heruntergclassencn Eang- senstern räkelten. Türen klappten zu. Zugführer und Schaffner mahnten znm Einstcigen. Die junge Frau half hastig ihrem Manne die Kaffer auf die Plattform schaffen. Er schleppte sie weiter in den Wagengang und stürzte zurück. Zu spät! Die Tür war c». Die Maschine hatte schon angezogcn. lieber ein offenes Fein,er griffen sich ihre Hände zu einem letzten innigen Druck. Sie lies einige Schritte mit. Dann stand sie allein und winkte mit matter Gebärde Sie hörte und sah nichts, als den weißen Punkt aus schwarzem Feld, die beide immer kleiner wurden. Den verwehenden Gruß ihres Mannes . . . Ein elektrischer Gepäckwagen, dessen Führer auf der vorder sten Kante stand und rief, mußte einen Bogen um sie rollen Li» Vahnbeamter. der ihr den entfallenen Schlüssel aufgehoben hatte, mußte sie leise aus den Arm tippen. Da erst zuckte sie zusammen und sah. wo sie war. Errötend dankte sie dem Aufmerksamen und schritt die Unterfüliruagsi, M hinab, so unsicher, als tappe sie ins Bodenlose. Kongreß für Acsihetik. — Der 1. Kongreß für Aestheti! »od allgemeine Kunstwissenschaft soll Anfang Oktober 1860 in Him burg stattfinden. Im Mittelpunkt der Tagung wird das Problem der Gestaltung von Raum und Zeit in der Kmiit stehen, das in je drei Vorträgen in seiner allgemeinen philoso phischen Problematik, im Hinblick auf die bildende Kunst, a»s Dichtung und Musik und in seiner Bedeutung für die Kunst dcs Kindes, der Primitiven und der Geisteskranken behandelt wer den soll. Genannt werden bereits Vortrüge Lassirers über mythischen, ästhetischen und theoretischen Raum und Görlands über die Modi der Zeit als stilbildende Faktoren. Prosesser G. Anschuß wird Bildmaterial zu seinen synästhetifchen For schungen aussiellen und Pros. A. Marburg i» der Kulturwissen- schaftlichen Bibliothek Marburg über das „Transitorische" sprechen.
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