Volltext Seite (XML)
Willen zur Selbstbehauptung und zur Gastlichkeit wieder erheben Geheimrat v. Lietsch', Leiter de» Staatrautschusse» deutscher Verbände, sprach über die erzieherisch« Wirkung der Schuldsrage, vr. Gerlich, Hauptschriftleiter der „»ürchener N N ", über Staatszweck und Staat«form. La» Treiben im Reichttag sei rin Raufen um den Futtertroz. Die Arbeiter würden noch einsehen lernen, daß sie von ihren Führern um soziale Gedanken betrogen wurden, al« sie den Birmarckschen Staat zerschlugen. Vielleicht komme einmal ein Größerer, der uns den Weg de« Heil« sühre. In einer amtlichen Mitteilung vom Freitag früh war fest- gestellt worden, daß bei der Anwesenheit de« Srneralfeld- »arschall« ».Hindenburg in König«brrg eine Reihe »an Veranstaltungen geplant wären, „die infolge der engen 8er- knüp'urg der Veranstalter mit politischen Vrreimn und der Gestattung der politischen Versammlungen in König-berg nach dem Urteil der hierfür maßgebenden Stellen de« Reiche« und Preußen« al« politische Veranstaltungen bezeichnet »er den wüßten." Wie hierzu au« Kreisen der Deutschen Balk» Partei mitgeteilt wird, find die beiden volktparleilichen Minister Or. Bölitz und vr. v. Richter in voller Uebereinstimwung mit der preußischen Landtagtfraktion der Ansicht, daß di« in der Verlautbarung gegebene Begründung nicht «»«reich», um die Veranstaltungen in Königsberg zu politischen zu stempeln. La« preußische Staat«winisterium habe einen solchen Beschluß auch nicht gefaßt. , Da» deutsch-polnische Abkommen über Oberschlesien gewährt den Kirchen, Kirchengemeinden uud geistlichen Orden im polnischen und im deutschen Gebietsteil Freiheit und Selbständigkeit, in»besondere auch i« Gebrauch der Sprache und gibt ihnen da« Richt, auch über die Staaltgrenzen hlnau» rein kirchliche Beziehungen zum Zweck gemeinsamen Handeln« zu unterhalten. Am 1b. Juni find wiedtr bO Millionen Soldmark an die Reparation«komwisston zu zahlen. E« ist bereit« Vorsorge getroffen, daß dieser Betrag rechtzeitig zur Stelle ist. Mit dieser Summe find bi« jetzt im Laufe diese« Jahre« 866 Millionen Goldmark, abgesührt worden. Weitere Zahlungen haben bekanntlich am 1k Juli, August, Sep- trwber und Oktober mit jt KO Mill., sowie am 1b November und Dezember mit je 60 Mill. Mk. zu erfolgen, wenn nicht inzwischen die schwebenden Verhandlungen ein« anderweitige Regelung Kiefer geradezu unerschwinglichen Summen bringen sollten. Rach Pariser Meldungen beabsichtigt Poincark, die Kon trolle über die deutsche Luftfahrt neu zu orgomsierrn. DI« gegenwärtige Orgauisation genüge in keiner Weise, in folgkdefsen werde er von den Alliierten die Zustimmung für «ine weit schärfere Ueberwachung de» deutfchen Flugwesen« »erlangen. Besprechungen, die letzter Tage im Reichrrrnährungrmini- strriu» über dir Selretdeuwlage mit den Vertretern der Landwirtschaft stattfanden, find, wie die „Disch. Tage«ztg" meldet, ohne ein greifbare« Resultat zu bringen, verlausen. Die Vertreter der Landwirtschaft bestritten energisch, daß von einer ihrer Spihenorganisationen die von der „Freiheit" wiedergegebenen Richtlinien zur Bekämpfung de« Umlagrver- fahren« herau«gegeben worden seien. Sie erklärten, daß die Getreideernte au«reichend sei, um dir Ernährung der Be völkerung ficherzuöellen und daß die Kontrolle ihrer eigenen Organisationen genüge, «« Mißstände bei der Preitregu lirrnng zu v«rmeiden. Di« Landwirtschaft könne der Brot Verbilligung durch N«-gabe von Brotkarten an Minderbe mittelte dann zustiwmen, wenn die Regierung in der Lage sei, ftstzupellen, wer al« wirklich bedürftig für d«n Bezug von Brotkarten in Frage ko»««. Rach dem Wiederzusawwentritt de« Reichrtag« will die Regierung wegen der Wahl de« Reich-Präsidenten mit den politischen Parteien Fühlung nehmen. Der Kr»i«tag de« Kreise« Düren nah« einmütig eine Gut schließung an, in der allen 8o«lösung«bestrebungen der schärfste Kampf angesagt wird. Wiederum haben zwei alte badische Zeitungen nunmehr ihr Erscheinen eingestellt, die „Pforzheimer Neuesten Nach richten" und die »Badische Lande-zeitung". Die Verhandlung«» zwischen Hamburg und Preußen über da« Groß Hamburger Problem werden am 19. Juni im Hamburger Rathau« weitergesührt. Die Insel Helgoland ist jetzt au« de« Verbände de« festländischen Kreise« Suderdilhmarschen heraurgelöst und dem Regierungrprtfidenten in Schlerwig direkt unterstellt. Oesterreich. Der österreichische Nationalrat nahm nach längerer Debatte die Kreditermächtigungövorlage an, durch die der Mini ster ermächtigt wird, zur Deckung de« Defizit« 220 Milliar den Kronen im Kreditwege zu beschaffen. Der Grobdeutsche Plesfing erklärte: Für Oesterreich gibt e« nur zwei Wege, um au« der jetzigen Lage heiau«zuk»mm«n, die Kredite »der den Anschluß an ein größere« W rtschafttgrbiet. Wenn die Mächte sich nicht entschließen, un«-in allernächster Zeit mit Krediten zu helfe», wird sich da« vielleicht von selbst voll ziehen, wa« fie nicht wünschen: ein wider Erwarten rascher Anschluß an da» Deutsche Reich Ungar«. Nach den endgültigen Wahlergebnissen wurden bei den Budapester Wahlen 1» Sozialdemokraten, 7 Linksdemo kroten, K Mitglieder der regierung-freundlichen Wolff Partei, 8 Mitglieder der Andrafsy Partei, 1 Christlich Sozialer und ein Regierungrparteiler gewählt yrankreich. Der zuständige Ausschuß d«r Kammer hat dcn Wahl zwang i« Prinzip angenommrn. Die nächste, am 28 Juni au»zugtbende Anleihe de» Tredit Rational wird 8200 Millionen Franken betrogen. Aäcktt-N Bei der Abstimmung in der itali«nischen Kammer, in der da« Vertrauensvotum mit 20» gegen 67 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen wurde, stimmten die Sozialisten und Kommunisten gegen die Regierung, trotzdem, wi« der „Sorriere della Sera" schreibt, di» Sozialisten die Der Verwalter. Rowan von Rudolf Elcho. 18) (Fortsetzung.) „Richte nicht über deinen Vater, Ewald, er ist un glücklich." — Albertine lehnte sich an den erregten Satten, strich ihm über die gefaltete Stirn und flüsterte ihm ins Ohr: „Du mußt ihn retten, sonst fallen auch wir der Schande anheim. Dr. Ruhl, der Besitzer von Burgholm, darf nicht den eigenen Vater ins Ge fängnis abführen lassen. Gib ihm das Geld, ich flehe Lich darum anI" Ewald stöhnte und schüttelte Albertine von sich ab. Eine Weile noch stürmte er im Zimmer auf und nieder, dann blieb er vor seinem Vater stehen und sagte mit klagender Stimme: „Du hast mich in einen furchtbaren Gewissensstreit geworfen und noch bin ich außerstande, einen festen Entschluß zu fassen. Viel leicht finde ich heute nacht einen Ausweg aus dieser entsetzlichen Lage. Vorläufig hast du als mein Gast Anspruch auf ein Nachtlager und Erquickung, Komm, ich gebe dir anständige Kleider und ein Rasiermesser. Bereite unterdessen das Abendbrot, liebe Frau!" — In dieser Nacht schlief der Rektor nicht und als er am Morgen seinem Vater gegenübertrat, war er er schreckend bleich. „Trotzdem mein Gewißen mich mahnt, es nicht zu tun, will ich dir helfen. — O, danke mir nicht", wehrte er ab, als der Alte ihn gerührt um armen wollte. „Um meiner Schwäche willen fühle ich mich in diesem Augenblick weit schuldiger als du. Das schwere Opfer bringe ich weder für dich noch für mich, sondern für deine und meine schuldlose Familie." Mit schwerem Herzen ging er zum Rentamt und erhob die geforderte Summe, die der Rentmeister ihm sofort mit großer Höflichkeit aushändigte. Als der Flüchtling das Haus verlaffen hatte, setzte sich der Rektor an seinen Schreibtisch und nahm einen Bogen Papier zur Hand. „An wen willst du schreiben?" fragte Albertine, die durch ein inbrünstiges „Gott sei gelobt und be dankt!" dem Gefühl der Entlastung Ausdruck ge geben hatte. „An meine Schulbehörde." „Was hast du ihr denn mitzuteilen?" „Daß ich mein Amt niederlege." Albertine sah ihn eine Weile überrascht und be- ftrgt an, dann erhob fie in stolzer Bewegung den xopf und sagte: „Ganz recht! Du stehst jetzt so hoch, lieber Ewald, daß du es einem andern überlassen kannst, sich mit den Schulbuben herumzuärgern." Er schaute sie ernst an und entgegnete: „Mem Beweggrund ist ein anderer, liebe Albertine: Ich fühle mich unwürdig, diese Schulbuben über Sittlichkeit, Reck t und Religion zu belehren; weil ich aufgehört habe, der Schule ein Vorbild in allem Guten zu sein, darum muß ich beiseite treten." 6. Kapitel. Kaum hatte Ruhl sein Entlassungsgesuch e!t»gerelcht, so ging er mit Feuereifer an die Verwirklichung seiner philanthropi chen Absichten. Er sah in der seinem Vater geleisteten Hilfe eine moralische Entgleisung schlimmer Art und sein Gewissen drängte ihn, die Schuld durch rasche Lösung der ihm übertragenen Aufgaben zu milderu. Er unterbreitete Tante Berth, mit der er im Briefwechsel stand, seine Vorschläge und bat sich ihrenz Rat und ihre Zustimmung aus. Ruhl wollte bei Beginn des Frühlings die in kläg lichem Zustand befindlichen Katen der seßhaften Land arbeiter verbessern. Die e lagen zwischen dem Hof — so wurden die Wirtschaftsgebäude von Burgholm be nannt — und dem Städtchen Burgstall. Ferner gedachte er auf einem schmalen, an der Ost seite des Parkes gelegenen Streifen Heideland ein Unter kunftshaus für die während des Sommers gemieteten Hilfsarbeiter und jene Vagabunden zu entrichten, die j geneigt waren, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Durch dies Arbeiterheim hoffte er viele „Stromer", die „auf der Walze" dem Müßiggang und Laster anheim- gesallen waren, einer arbeitsamen und nutzbringenden > Lebensweise zuzuführen. Von der Ueberzeugung ge-' s leitet, daß das Streben jedes tüchtigen Menschen darauf s ausgehe, sich materielle Unabhängigkeit zu erwerben und daß dieser Wunsch um so brennender werde, je mehr § die Intelligenz und Bildung der Persönlichkeit wachse, wollte er versuchsweise einige Hektar Land parzellieren und dis Stücke gegen einen ganz gering bemessenen Zins jenen Ehepaaren überlassen, die sich durch Fleiß und gesittetes Bettagen »auszeichneten. Ferner gedachte er den Schulen in Burgstall einen weit höheren Zuschuß zu leisten, als dies bisher geschehen. Endlich wollte er mit aller Energie dahin wirken, daß das Kohlenberg werk, dessen Kuxe sich zur Hälfte in seiner Hand be fanden, mit einem Heim für die Witwen und Waisen verunglückter Bergleute und einer Jnvalidenkasse ver sehen würde. Tante Berth stimmte diesen Absichten freudig zu, fügte aber die Bemerkung bei, ihr Stiefbruder Westhof, den sie um sein Gutachten gebeten habe, warne davor, die Ausführung all dieser schönen Projekte gleichzeitig in Angriff zu nehmen. Es genüge, wenn er den Häuslern vorläufig menschenwürdigere Wohnungen schaffe; die da bei gewonnenen Erfahrungen seien für die weiteren auswärtige Politik de Facta- billige«, und der sozsaldemvkra- tisch« Abgeordnete Modigliani ausdrücklich seine Genehmigung zu dem Abkommen «ft Jugoslawien und der italienischen Politik gegenüber Rußland gegeben habe. Die Sozialisten hätte» nur deshalb gegen die Regierung gestimmt, «eil die Fa-zisten und Nationalisten sich für die Regierung au«ge- sprachen hatten, und man mit Recht-Parteien nicht g«meinsa«e Sache machen wollte. ««-land. Die Entscheidung de- vankierausschuffe« wird in London al- ein sehr ernste- Breigni- angesehen. Man befürchtet, daß die Lage Deutschland« nun sofort wieder akut wird, da e« fraglich sei, ob D«utschl«nd sein« Zahlung«« während der nächsten Monate werde mache» können. Der Au«schuß soll die Anleihe von folgend«» Bedingungen abhängig «achen: Halbierung de» ganzen Betrage«, Revision de« B»rzug«»ch- te« der Anleihegeber auf deutsche Sicherheiten, Uebrrweisung der Hälft« d«r Anleihe an Deutschland, völlige« Moratorium für Deutschland, völlige Finanzsreiheit für Deutschland. Frank reich macht die Zustimmung von der Streichung seiner Schul den an England und Amerika abhängig, und England ver zichtet aus jeden Anteil an den reduzierten Reparationen. Rußland. Nach brieflichen Morkauer Mitteilungen wird in Rußland «in« gute Ernte erwartet. Reiche Niederschläge wechselten mit sonnigen Tagen. Die Preise für Mehl und Brot find bereit« etwa« gejavrn. Rach Remermeldungen befindet sich Lenin auf dem Weg« der Besserung. N«ch anderen Nachrichten soll er gestorben sein. -in«la«d. Zwischen Finnland und Rußland ist ein Vertrag abge schlossen wordfn, der beiden Staaten die bestehenden Grenzen zusichert. Ukraine. Wie da« sowjetukrainische Außenhandel« Kommissariat «it- teilt, ist mit einer Gruppe größerer deutscher Banken ein Abkommen unterzeichnet worden, wonach diese Banken der Sowjet Ukraine einen Kredit von 100 Millionen Reichsmark gewähren und eine landwirtschaftliche Konzession i« Odcfsaer Gouvernement auf 200,000 DeßjUiuk» erwerbt». Die deutschen Konzessionäre sollen ihre Arbeit bereit« begoimen habe« Serbien. Anläßlich der Königshochzejt in Belgrad haben die Leiter der drei Staaten der Kleinen Entente, Ministerptäsident Bra- tianu und Außenminister Duc<», s«r Rumänien, Minister präsident Pasitsch und AußenministerNintschitsch sür Tüd- slavien und Ministerpräsident und Außenminister vr. Benesch für di« Tschechoslowakei ein« Begegnung gehabt, in der wie der einmal festgestellt wurde, daß in allen schwebenden An gelegenheiten der Außenpolitik vollständige« Einvernehmen be steht. Man beschloß auch ein gemeinsame« Borgehrn auf der Haager Konferenz. Unternehmungen auszunijtzen. Für das Arbeiterheim könne vorläufig auf dem Hof Raum geschafft, oder ein leichter Anbau an das vom Verwalter bewohnte Herren haus errichtet werden. Westhof meinte, selbst mit dem Bau der Häuslerwohnungen möge Rubl schrittweise vorgehen, denn es sei erstaunlich, wie rasch eine Million „verpulvert" werde, wenn einer, der nicht Müller sei, mehr Mühlen in Betrieb setze, als er überwachen könne. Ruhl hatte bei der Begegnung mit Westhof den Eindruck gewonnen, als mißtraue dieser seinen Fähig keiten und mißbillige die testamentarischen Bestimmungen des Grafen, darum schlug er dessen Mahnung in den Wind, Dabei ist Mißgunst im Spiel, sagte er sich. So selbstlos wie Tante Berth sind nur wenige Menschen. Als ibm einige Tage später Martin von Westhof aus Stettin Grundrisse, Abbildungen und Kostenan schläge jener Arbeiterwohnungen einsandte, welche eng lische Architekten in den Fabrikdörfern Sunlight und Bournville ausgeführt haben, rief er mutig: „Na, also I Da haben wir ja geeignete Vorbilder! Jetzt fordere ich von deutschen Baumeistern Kostenanschläge ein, dann erfahren wir klipp und klar, was dafür aufzuwenden ist. Ebenso verhält sich die Sache beim Arbeiterheim und dem Bergmannsheim." Ruhls Entlassungsgesuch wurde angenommen und Ende November meldete der neue Rektor seine Ankunft an. Ruhl fah ein, daß er sich nunmehr eine andere Wohnung suchen müsse. Er scheute vor dem Gedanken zurück, ins leerstehende Schloß überzusiedeln, seine Frau aber geriet in völlige Verzweiflung, als er ihr vorschtug, auf dem „Hof" einige leerstehende Zimmer des Herren hauses zu beziehen, die der Gutsverwalter, ein kinder loser Witwer, doch nicht benutze. Hinter dem Rücken ihres Gatten schrieb Albertine an Tante Berth und bat fie um ihr Urteil in dieser Streitfrage, wobei sie darzu legen suchte, daß ihr Mann in seinem übertriebenen Entsagungseifer seit Uebernahme der Erbschaft seiner Familie größere Entbehrungen auferlege, als sie im Rektorhause jemals erduldet hätte. Die gutherzige Tante Berth antwortete ihr umgehend mit einigen tröstlichen Zeilen und legte ein an Dr. Ruhl selbst gerichtetes Schreiben bei, worin sie ihn dringend bat, im Schlosse Wohnung zu nehmen und so viel von den Einkünften für seiner Familie Unterhalt zu verwenden, als man zu einer behaglichen Lebensführung bedürfe. Die zart sinnige Frau hatte dem Brief eine so liebenswürdige Fassung gegeben, daß Albertine überzeugt wurde, sie erfülle eine heilige Verpflichtung gegen die Manen der abgeschiedenen Grafen, wenn sie im Schlosse residiere und ihr Leben ganz nach gräflichem Muster einrichte. (Fortsetzung.folgt.)