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Die Kammer in Rom verhandelte über die bekannte Documentenunterschlagung durch den früheren Pre mierminister Giolitti. Eine Commission soll die Sache eingehend untersuchen. Die italienische Deputirtenkammer verhandelte am Sonn abend über die Neusorderung von 12 Millionen, welche in Folge der bekannten Ereignisse in Abessynien erhoben wird. Die volle Summe ward genehmigt. England. Dem englischen Kronprinzen, dem Prinzen von Wa les, waren auf einer Jagd ein paar Pulverkörner ins Auge geflogen, wovon viel Aufhebens gemacht wurde, indessen sehr unnöthig, denn der Prinz ist schon wieder völlig hergestellt. Die Herzogin von Jork, die dereinstige Königin von England, hat ihrem Gatten einen zweiten Sohn geschenkt. Spanien. Die in Madrid ausgebrochene Ministerkrisis ist be endet, nur der Arbeitsminister Bosch, der Bürgermeister von Madrid früher war, und der Justizminister Romero Robledo traten zurück. Dem Ersteren ist vorgeworfen, daß auch unter seiner Amtirung die Madrider Stadt verwaltung, die sich in letzter Zeit als eine geradezu liederliche erwiesen hat, viel zu wünschen übrig ließ, und er wird von diesem schweren Vorwurf sich reinigen müssen. Die immer schlechter werdenden Meldungen aus Cuba brechen dem bisherigen Oberbefehlshaber daselbst Mar schall Martinez Campos, der trotz seiner großen Machtmittel noch gar nichts Wirksames hat erreichen kön nen, das Genick. Er wird abberufen, und als sein Nach folger General Primo di Rivera bezeichnet. Hätte man sich längst zu diesem Schritte entschlossen, so wäre viel Geld und viel Blut gespart. Türkei. In Konstantinopel soll es nach den Versicherungen der türkischen Regierung völlig ruhig sein, ein vorgekom mener Straßentumult wird auf ein Mißverständniß zurückgeführt. Daß den Herren Türken selbst aber nicht so ganz geheuer zu Muthe ist, beweist die Thatsache, daß starke Militärpatrouillen fortwährend die Straßen durch ziehen. Nach Kreta, wo es zu erneuten blutigen Zu sammenstößen zwischen Christen und Muhamedanern ge kommen ist, sind Truppenverstärkungen abgesandt. Aus Trapezunt schreibt man: An sicheren Nachrich ten liegt vor, daß im Innern das Elend unter der ländlichen Bevölkerung sehr groß ist. Der Win ter hat sich mit der Raschheit, wie er dem armenischen Hochlande eigenthümlich ist, eingestellt; die Ernte und das Vieh sind den Kurden in die Hände gefallen, Tau sende von Familien ihrer Ernährer beraubt, Wittwen und Waisen irren auf den Straßen und in den Wäl dern umher, wo sie dem Hungertode anheimfallen. Kurz vor Siwas sind so mehrere Hunderte Frauen und Kin der umgekommen. Die Kurden sind noch lange nicht zur Ruhe gebracht, und hier und dort mag von armenischer Seite ein Verzweiflungsanschlag geplant und seine Aus führung versucht werden. In Erzerum ist es am 28. November zu neuen Unruhen gekommen, denen 12 Arme nier zum Opfer fielen. Im Bezirk Prizrend in Altserbien ist unter den Ar nauten, den irregulären türkischen Truppen, ein Aufstand ausgebrochen. Die Christen sind im hohen Maße besorgt. Bulgarien. In Bulgarien sind die politischen Kämpfe aufs Neue in sehr erbitterter Weise ausgebrochen. Die An hänger des ermordeten Premierministers Stambulow, die von der heutigen Regierung nach Möglichkeit drang- salirt wurden, rüsten sich jetzt zu einem großen Gegen angriff. Sie beschuldigen das Ministerium jetzt offen der Mitwisserschaft bei dem Morde des ersten bulgarischen Staatsmannes und wollen für ihre Behauptungen neues Beweismaterial gefunden haben. Aus dem MuldenthaLe. ^Waldenburg, 16. December. Die Weihnachts- päckereien sollten nicht erst in den Abendstunden, sondern schon Vormittags bei der Post aufgegeben werden. Ebenso sollte man die Freimarken selbst aufkleben. Zei tungen sollten nicht vom 19. bis 24. December bei den Postanstalten bestellt werden. Das Geld halte man ab gezählt bereit. * — Bei der am 2. d. vorgenommenen Volkszählung ergab sich in unserer Stadt nach vorläufiger Zusammen stellung eine Einwohnerzahl von 2806 Seelen, 118 weniger als 1890; die Zahl der männlichen Einwohner betrug 1398, die der weiblichen 1408, die Zahl der Haushaltungen 691. * — Für den Schloßbezirk Waldenburg ist der Rent amtsverwalter Moritz Sigismund Josef Letz in Walden burg als Standesbeamter und der Kassirer Ferdinand Bernhard Ahnert daselbst als stellvertretender Standes beamter bestellt und in Pflicht genommen worden. * — Der Concurs über das Vermögen des verstorbenen Gutsbesitzers Ernst Theodor Fischer in Niederwinkel ist durch Schlußvertheilung beenvet und daher seitens des hiesigen kgl. Amtsgerichts aufgehoben worden. * — Callenberg hatte am 2. d. 1751 Einwohner (848 männlich, 903 weiblich) in 410 Haushaltungen, 75 Personen mehr als 1890. * — Die Gemeinde Altwaldenburg hatte nach der Zählung vom 2. d. 916 Einwohner (416 männlich, 500 weiblich) in 258 Haushaltungen; seit 1890 ist die Einwohnerzahl um 47 Personen zurückgegangen. * — In Langenchursdorf ist die Zahl der Bewohner von 1890 im Jahre 1890 auf 1875 im Jahre 1895 zurückgegangen, davon 889 männlichen und 986 weib lichen Geschlechts. * — Ziegelheim hatte am 2. d. 633 Bewohner (295 m., 338 w.) gegen 518 im Jahre 1890, Uhlmanns- dorf 284 (131 m., 153 w.) gegen 236 im Jahre 1890, Wickersdorf 86 gegen 74, Oberwiera 558 gegen 538, Oberwinkel 150 gegen 162, Oertelshain 54 gegen 52, Reichenbach 804 gegen 854, Niederwinkel 387 gegen 359, Niederarnsdorf 88 gegen 94, Neukirchen 95 gegen 95, Kleinchursdorf 188 gegen 183, Kertzsch 154 gegen 159, Grumbach 486 gegen 477, Gähsnitz 91 gegen 94, Franken 165 gegen 166, Falken 870 gegen 866, Ebers bach 133 gegen 146, Dürrenuhlsdorf 193 gegen 192. * — Bei der Ausgabe der neuen Jagdkarten für das Jahr 1896 ist eine Neuerung dahin getroffen worden, daß die Jagdkarten aus dauerhafterem Material, sog. Stosfkarton, hergestellt wurden und auf der Rückseite die geltenden Bestimmungen über die Schonzeit der ver schiedenen Wildgattungcn in Kalenderform aufgedruckt enthalten. * — Nach einer Generaloerordnung des Königl. Mi nisteriums des Innern erachtet dasselbe für angemessen, daß die Schüler der höheren Lehranstalten und der Volks schulen des Landes am 18. Januar 1896, als dem 25- jährigen Gedenktage der Proclamation des Deutschen Reiches, aus die hohe Bedeutung des Ereignisses hinge wiesen werden, welches an diesem Tage sich vollzogen hat. Wegen der Form, in der dieses zu geschehen hat, wird von einer allgemeinen Anordnung abgesehen. Bei einer besonderen Schulfeier wird der Ausfall des Unter richts an diesem Tage genehmigt. * — Am 22. December (Sonntag) sowie am 1. Weih nachtsfeiertag (25. December) erfolgt die Packetbestellung im Orte wie an Werktagen, am 2. Weihnachtsfeiertag (26. December) wie an Sonntagen. In gleicher Weise werden am 22. und 25. December die Dienststunden sür den Verkehr mit dem Publikum hinsichtlich der Ausgabe von Packeten wie an Werktagen abgehalten. Am 22. December findet die Annahme von Packeten jeder Art ebenfalls wie an Werktagen statt. Die Landbestellung ruht am ersten Weihnachtsfeiertag. Am 2. Feiertage sowie am 22. December wird die Landbestellung wie an Werktagen ausgesührt. — Der Gerichtsvollzieher Eichfeld in Glauchau ist, wie die „Deutsche Wacht" meldet, seit Montag Abend verschwunden. Bücher und Kasse sind in Ordnung. Man sagt, daß ein unverdienter Tadel ihn zu dem Schlitte veranlaßt haben soll. Bedauerlich wäre es, wenn ein Mann, der 40 Jahre lang dem Staate treu gedient, in solcher Weise seinem Leben ein Ziel gesetzt hätte. — Die Kosten für die projectirte neue Muldenbrücke in Zwickau sind auf nahezu eine halbe Million Mark veranschlagt worden. Mit dem Bau soll nächstes Jahr begonnen werden. Aus VtM SaMöUlEde.. — Die Stadtverordneten in Dresden beschlossen, den Rath zu ersuchen, Bestimmungen dahin zu treffen, daß sämmtliche Handel- oder Gewerbetreibende in Dres den, gleichviel ob deren Firmen im Handelsregister ein getragen sind oder nicht, verpflichtet sein sollen, ihre vollständigen Vor- und Zunamen in deutlich leserlicher Schrift an ihre Geschäftslocale anzubringen, so daß der wirkliche Inhaber bezw. die wirkliche Inhaberin des Ge schäfts ohne Weiteres daraus zu erkennen ist. Ferner beschloß das Collegium, den Rath zu ersuchen, baldmög lichst mit der versuchsweisen Errichtung einer Koch- und Haushaltungsschule für aus der Schule entlassene Mäd chen vorzugehen. — Eine jüngere Frauensperson in Dresden kam in den Verdacht, einem Herrn einen Hundertmarkschein ge stohlen zu haben. Da sie entschieden leugnete, so würde sie wohl nicht zu überführen gewesen sein, wenn man den Schein nicht bei ihr vorgefunden hätte. Sie hatte ihn auf ihrem Kopfe im Haar versteckt. Die Person ist verhaftet worden. — Ihren Tod durch Erstickung fanden am Donners tag Nachmittag in Chemnitz zwei Knaben, Brüder von 3 und 4 Jahren, in der an der Jakobstraße gelegenen elterlichen Wohnung. Diese Kinder mochten in Abwesen heit der Mutter mit Streichhölzchen gespielt und dabei an der Wand hängende Kleidungsstücke in Brand gesteckt haben. Als die Frau zurückkehrte, fand sie die Stube mit Rauch angefüllt und ihre beiden Kinder hinter dem Sofa versteckt todt vor. Auf das Geschrei der Frau eilte die Hauswirthin herbei, welche die glimmenden Kleider beseitigte und das Feuer löschte. Alle Wieder belebungsversuche an den Kindern erwiesen sich als aus sichtslos. — Unangenehme Nachwehen vom 15. mitteldeutschen Bvndesschießen, das während des letzten Sommers in Chemnitz abgehalten wurde, empfanden dieser Tage zwei dortige Arbeiter. Sie hatten während jener Festtage „huschen", also ohne Eintrittsgeld zu bezahlen, den Fest platz besuchen wollen und wurden desbalb wegen Be trugs und gemeinschaftlich ausgeübten Haussriedenbruchs vom Chemnitzer Landgericht der eine zu zwei Monaten, der andere zu drei Wochen Gefängnißstrafe verurtheilt. — Auf Dominium Krischa bei Zittau ist der Sohn des Maurers Kreusch aus Pachenau, welcher daselbst in Diensten steht, in die Dampf-Dreschmaschine gekommen, wobei ihm ein Bein bis zum Knie weggerissen wurde. Der Verunglückte ist im Krankenhause zu Reichenbach gestorben. — Auf dem Bahnhofe Frankenstein bei Freiberg wurde am Freitag Vormittag gegen 10 Uhr von dem Reichenbach-Dresdner Personenzug eine Frau beim Ueber- schreiten des Gleises erfaßt und tödlich überfahren — Ein entsetzlicher Unglücksfall ereignete sich am 11. d. M. früh in Ortclsdorf bei Frankenberg. Als die in einem dortigen Gute bedienstete 18jährige Magd Martha Hedwig Müller mit einer brennenden Petro leumlampe die Treppe herabging, glitt sie plötzlich aus und stürzte herab. Durch den Luftzug schlug die Flamme der Lampe, ohne daß letztere explodirte, aus dem Cylin- der heraus und ergriff das leichte Gewand des Mäd chens, welches binnen wenigen Augenblicken am Ober körper in vollen Flammen stand. Das unglückliche Mädchen trug so schwere Brandwunden an der Brust und den Armen davon, ehe es gelang, die Flammen zu ersticken, daß man für sein Leben fürchtet. — Nach vorläufiger Zusammenstellung hat in Hais nichen cie Volkszählung am 2. December 8050 orts anwesende Personen ergeben. Im Jahre 1890 wurden 8259 und im Jahre 1885 8053 Personen gezählt. — Der beim Gemeindeamt zu Cvsiitz angestellte Ex pedient L. hat sich am Dienstag Vormittag '/-H Uhr von der Brücke aus in die Elbe gestürzt nnd wurde als Leiche unweit des Schiffbauplatzes ans Land gebracht. Der Unglückliche hatte sich in letzter Zeit der Unter schlagung von amtlichen Gelben schuldig gemacht und ward von seinen Vorgesetzten Dienstag Vormittag zur Rede gesetzt. Hierbei ist er entwichen und konnte auch durch nacheilende Personen nicht an seinem Vorhaben gehindert werden. Zu bedauern sind seine Eltern, seine Familie und seine sonstigen Angehörigen, die sich alle des besten Ansehens und Rufes erfreuen. Er hinterläßt Frau und 3 Kinder. Die Höhe der unterschlagenen Gelder ist noch nicht festgestellt. Altenburg, 15. December. Unser Landesvater liegt fleißig den heilgymnastischen Uebungen ob, welche er in Baden-Baden begonnen und in Leipzig sortsetzt. Zu diesem Zwecke fährt er mehrmals in der Woche dorthin und besucht das Or. Ramthorsche Institut, um durch die turnerischen Uebungen Linderung se ner rheumatischen Schmerzen zu erzielen. — Die Stelle des Bürgermeisters unserer Stadt ist nunmehr zur Wiederbesetzung ausge schrieben worden. Der Anfangsgehalt beträgt 4500 Mark. — Der hiesige Kanarienzüchterverein „Kanaria" hat gestern seine 15. allgemeine Ausstellung von Kanarien vögeln im „Goldenen Hirsch" begonnen. Zu derselben fanden sich namentlich heute viele Besucher ein, und auch die Loose gingen gut ab. Die Ausstellung dauert drei Tage. — Sofern die Berathungen zum Etat sich morgen erledigen lassen, soll die nächste öffentliche Landtags-Sitzung Dienstag stattfinden. Man hofft möglichst alle Vorlagen berathen zu können, und wird dazu an jedem Tage zweimal Berathungen anberaumen. Am Freitag waren die Abgeordneten bei dem Staatsminister zur Tafel ge laden; abends wohnten sie einem Concert im Männer gesangverein bei. — In Pölzig (S.-A.) wurde der Hofmeister Kurz verhaftet, weil er stark verdächtig ist, den in der Nacht zum Montag stattgefundenen Brand des dortigen Ritter gutes angelegt zu haben. Bekanntlich fanden bei diesem Feuer der Arbeiter Leixenring, sowie 15 fette Schweine den Tod. Deutscher Reichstug. 8. Sitzung vom 14. December. 1'/r Uhr. Am Bundesrathstische: von Bötticher und Commissare. Eingegangen sind: das Margarine-Gesetz und die Justiznovelle. Die erste Berathung des Gesetz entwurfes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbe werbes wird fortgesetzt. Abg. Vielhaben (Antisemit): Das vorliegende Gesetz interessirt meine Partei, weil sie eine Vertreterin des Mittel standes ist, ganz besonders. In der Beurtheilung des Ge setzes stehe ich dem Standpunkte des Abg. Singer nicht fern. Auch ich meine, daß die Signatur der heutigen Zeit eine schrankenlose Gewinnsucht ist. Wenn der Staat dieser freien Lauf läßt, weshalb giebt er dann nicht schrankenlose Freiheit auf dem Gebiete des Unterrichtswesens, wo dieselbe fegens reich wirken würde. Auf dem Gebiete des Erwerbslebens bedarf es der Ordnung, heute gilt Jeder, der einen wirtlp schaftlichen Mord begeht, trotzdem nach wie vor als solider Geschäftsmann. Wer Waare zu jedem Preise losschlägt, um Andere zu ruiniren, geht straflos davon. Ich will dies Ge setz nicht, gleich Singer, ein Klassengesetz nennen, aber es wahrt nicht die Interessen der Gesammtbevölkcrung. Ich halte das Gesetz für nahezu unschädlich, die Zustände worden bleiben, wie sie waren. Die, welche das Gesetz treffen soll, werden andere, unlautere Mittel und Wege finden. Bon Einzelheiten will ich nur den 8 9 erwähnen; mit dein Prin- cip desselben bin ich durchaus einverstanden, aber nicht mu der Fassung, welche für die Angestellten nachtheilig ist. Für