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auf behagliches Wohnen eingerichtet gewesen, und doch entfielen auch bei ihm von 365 Tagen im Jahr wenig stens 320 auf die Familie. Wir möchten uns sein bescheidenes Heim ansehen. Außen wäre es so einfach bürgerlich wie nur möglich, und als er sich hier „etablirt" habe, sei nur hier und da angebaut worden, was nöthig gewesen, aber im Innern habe er sein Heim ohne Prunk, aber behaglich eingerichtet, und er habe hier die schönsten Jahre seines Lebens zugebracht, bis ihm seine Frau nach Gottes Rathschluß genommen worden sei. Entgegen der Meldung, die Stellung Deutsch lands zu dem japanisch-chinesischen Friedensver- trage werde im Reichstage zum Gegenstand einer Inter pellation gemacht werden, theil die „Lib. Corr." aus zu verlässiger Quelle mit, daß diese Absicht aufgegeben sei oder garnicht bestanden habe. Zu dem Schicksal der Umsturzvorlage, schreibt die „Köln. Volksztg.", das Hauptorgan des Centrums, daß das Centrum bei der Vorlage nur für den Com missionsbeschluß stimmen werde. Wollten die Conserva- tiven und Reichsparteiler die Vorlage nicht nach den Wünschen des Centrums annehmen, so werde die ganze Vorlage scheitern. Das Centrum werde unter keinen Umständen zulassen, daß man die „bürgerlichen Para graphen" in der Form zu Stande bringe, wie es die Selbstsucht der Mittelparteiler wünscht und die Schwäche der Conservativen neuerdings ermöglichen möchte. Dem Bundesrath ist am Freitag der Entwurf eines Gesetzes betr. die Feststellung eines Nachtrags zum Reichs haushaltsetat für 1895/96 (zur Deckung der Kosten für die Eröffnungsfeierlichkeiten des Nordostseekanals) zugegangen. Eine außerordentliche Generalversammlung des Ber liner Bierbrauergesellenvereins, die von 300 Per sonen besucht war, hat beschlossen, daß die Mitglieder dieses Vereins, welche die überwiegende Mehrheit der in den vereinigten Brauereien beschäftigten Brauergesellen bilden, ebensowenig wie im Vorjahr eine Freigabe des 1. Mai beanspruchen. Sie erblicken in dieser Forderung keinen Vortheil für die Arbeiter, fondern eine Heraus forderung der Arbeitgeber und protestiren gegen den Beschluß einer unlegitimirten Versammlung, die den Brauereiarbeitern gegen ihren Willen die Maifeier c.uf- zwingen will. Die Gesetzentwürfe, die dem Reichstage bereits zur Beschlußfassung unterbreitet sind, werden demnächst noch um einen, der die weitesten Kreise interessirt, vermehrt werden; um einen Gesetzentwurf, betr. Abänderung des Reichsinvalidengesetzes. Schon vor längerer Zeit verlautete, daß es in der Absicht liege, aus dem Reichs invalidenfonds Gelder zur Verfügung zu stellen behufs Bewilligung von Pensionszuschüssen für Personen der Armee und Marine, die infolge einer im Kriege 1870/71 erlittenen Verwundung verhindert waren, an den weiteren Unternehmungen des Feldzuges theilzunehmen und da durch ein zweites bei der Pensionirung zuzurechnendes Kriegsjahr zu verdienen, und ferner behufs Gewährung von Unterstützungen an ehemalige Untoffiziere und Mann schaften, die an dem Feldzuge 1870/71 oder an Feld zügen von deutschen Staaten vor 1870 betheiligt waren und sich wegen dauernder Erwerbsunfähigkeir in Noth lage befinden. Es soll nun vorgeschlagen werden, aus dem Reichsinvalidenfonds in den Grenzen der Zinfen des für die Sicherstellung seiner gesetzlichen Verwendungszwecke entbehrlichen Bestandes die für die obigen Zwecke er forderlichen Mittel bereit zu stellen. Der Betrag der Pensionszuschüsse soll für 1895/96 auf etwa 100,000 Mk. und der Betrag für die Unterstützungen an die Er werbsunfähigen auf 1,800,000 Mk. veranschlagt sein. Die letztgedachten Unterstützungen sollen jährlich 120 Mk. betragen, monatlich im Voraus bezahlt werden und einer Beschlagnahme nicht unterliegen. Ein Aufstand soll in unserem Schutzgebiete Klein popo unter den Eingeborenen ausgebrochen sein. Die Station Misahöhe soll überfallen worden sein, die Schwarzen sollen arg gehaust, auch den Vorsteher getödtet haben. Aus Kamerun wurde drahtlich ein Kriegsschiff erbeten. Ueber die Ermordung des deutschen Reisenden R o ck- stroh in Marokko liegen jetzt folgende Einzelheiten vor: Rockstroh hatte am 3. April Saffi verlassen, um nach Mazagan sich zu begeben. Seine Reisebegleitung bestand aus einem eingeborenen Diener auf einem Reitesel und zwei oder drei Beduinen, den Eigenthümern oder Treibern der von ihm zur Beförderung seiner Waarenmuster ge- mietheten Lastkameele. R. selbst war zu Pferde. Die Kameeltreiber überredeten ihn zunächst, von der großen, allgemein begangenen Karawanenstraße, die fast in ihrer ganzen Länge das Secgestade entlang zieht, abzuweichen und einen mehr im Binnenlande führenden Weg einzu schlagen. Die erste Nacht wurde in dem Duar (kleinen Zeltdorf) Ch'doura, eine gute Tagereise von Sassi ent fernt, zugebracht. Am nächsten Morgen beim Aufbruch verpackten die Kameelreiter R.'s Karabiner mit der übrigen Ladung in einem der Reisesäcke, wobei sie er klärten, jetzt komme man durch das Gebiet ihrer eigenen Kabyle, da sei die Waffe nicht von Nöthen. Es war ein verhängnißvoller Fehler, den Rockstroh da beging, indem er sich von der Flinte trennte. Die marokkanischen Beduinen sind nämlich ein unglaublich feiges Gesindel, und selbst in großer Ueberzahl greifen sie kaum je einen bewaffneten Europäer an. Nur wenn sie Einem meuch lings beikommen können oder ihn wehrlos finden, sind sie zu fürchten. Bald nach dem Aufbruch der kleinen Karawane erschien eine Anzahl Beduinen, es heißt, un gefähr ein Dutzend, zum Theil mit Winchester-Karabinern bewaffnet, und stellten R.'s Leute, indem sie behaupteten, daß eins der Kameele ihnen gestohlen wäre. R., etwas abseits reitend, hielt den Streit um das Kamee! für baare Münze, ritt hinzu, um denselben zu schlichten, er hielt aber sofort zwei Säbelhiebe über den Kopf, ferner zwei Dolchstiche in die Lenden. Als er vom Pferde sank, wurde noch mit Knüppeln auf ihn eingehauen. Er wäre unzweifelhaft sofort getödtet worden, wenn nicht die Leute aus einem naheliegenden Duar, Uled-beni-fu, zu seiner Rettung herbeigeeilt wären. Sie brachten ihn nach ihrem Duar und pflegten ihn. Die Leute benach richtigten den Kaid (Gouverneur) des Districts von dem Vorfälle, der sogleich zwei Soldaten absandte mit dem Befehle, den Verwundeten nach Saffi zurückzubringen. Der Transport hatte 24 Stunden gedauert. R.'s maurischer Diener, der sich während des Ueberfalles aus dem Staube gemacht hatte, fand sich später wieder ein. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die ganze Schand- that eine von den Kameelmiethern mit ihren Spießgesellen vorher abgekartete Sache war. In Sachen der geplanten Protestpetition des Ber liner Magistrats gegen die Umsturzvorlage wird folgen des bekannt. Der Oberpräsident von Achenbach w'.es den Oberbürgermeister Zelle telegraphisch an, auf Grund des Z 15 des Zuständigkeitsgesetzes den am Donnerstag ge faßten Beschluß der Stadtverordneten, eine Petition gegen die Umsturzvorlage an den Reichstag gelangen zu lasten, aus den ihm kund gegebenen Gründen sofort zu bean standen, und daß dies geschehen nach Potsdam telegra phisch anzuzeigen. Der Stadtverordneten-Vorsteher Or. Langerhans ist vom Oberpräsidenten gleichfalls telegra phisch angewiesen worden, bei 300 Mark Geldstrafe die Absendung der gestern von der Stadtverordneten-Ver- sammlung beschlossenen Petition gegen die Umsturzvorlage an den Reichstag zu unterlassen. Die Absendung war indessen bereits erfolgt. Die bisherigen Ergebnisse der Reichstagsersatz- wahl in Weimar lassen erkennen, daß voraussichtlich eine Stichwahl zwischen Baudert (Soz.) und Reichmuth (cons.) stattzufinden hat. Ersterer erhielt rund 5600 Stimmen, Letzterer 4500. Weiter erhielten Baumbach (frs.) 4400 und Kulemann (ntl.) 2300 Stimmen. Im Reichstage haben die Antisemiten folgende In terpellation eingebracht: „Welche Maßregeln gedenken die verbündeten Regierungen zu ergreifen, um die Aus beutung, von welcher das gesammte deutsche Volk durch die künstliche Preistreiberei des Petroleums be troffen ist, zu beseitigen?" Der Reichstag wird, wie in der Reichsregierung nicht fernstehenden Kreisen in Berlin verlautet, sich kurz vor Pfingsten vertagen, voraussichtlich ohne die Um sturzvorlage verabschiedet zu haben. Soweit sich bisher übersehen läßt, wird der preußische Landtag seine Session nicht so schnell beenden können. Man nimmt an, daß nach einer dreiwöchigen Unterbrechung das Abgeordneten haus etwa am 25. Juni wieder zusammentreten wird, um dann den Bericht der Stempelsteuercommission ent gegenzunehmen ; die Regierung besteht darauf, daß die Ta rifvorlage noch in dieser Session erledigt wird. Zugleich dürfte nach den Ferien dem Hause noch eine Vorlage zu gehen betr. eine Verschärfung des Vereinsgesetzes. Be stätigt sich das, so wird einer Tagung des Landtages bis spät in den Juni hinein entgegengesehen. Im badischen Landwirthschaftsrath hat sich der Mini ster Eisenlohr bezüglich des Antrages Kanitz dahin aus gesprochen, daß die Regierung die Interessen der Allge meinheit und nicht die einzelner Berufsstände zu wahren habe. Statt zu klagen, oder die Abschaffung der Gold währung zu verlangen, sollten die Landwirthe Absatz genossenschaften bilden. Leider seien die dahin gehenden Bestrebungen der badischen Negierung erfolglos gewesen. Der Präsident des Reichstags Frhr. v. Buol beab sichtigt nach Berliner Blättern die zweite Lesung der Umsturzvorlage am 1. Mai auf die Tagesordnung zu setzen. Vorläufig widerstrebe die socialdemokratische Fraction (wegen der „Maifeier") der Verwirklichung dieser Absicht. Der Reichskanzler hat Erhebungen anstellen lasten in Sachen des ermordeten Kaufmanns Rockstroh über die Entschädigungsansprüche der Leipziger Firma und der Mutter Rockstroh's. Die Entschädigungsansprüche sollen sehr bedeutend sein. In der Buchhandlung des „Vorwärts" in Berlin sind soeben 15,000 Exemplare der illustrirten Maifestzei tung wegen des darin enthaltenen Aufrufs an die Arbeiter confiscirt worden. Beamte der Criminal- polizei ließen durch Droschken den ganzen Vorrath, wel chen sie fanden, fortschaffen. Auch in Leipzig und vielen anderen größeren Städten Deutschlands ist die genannte Zeitung beschlagnahmt worden. In Leipzig verfiel der gesammte dorthin gesandte Posten, eine ganze Wagen ladung, der Beschlagnahme. Das Bismarckdenkmal-Comitö war am 26. d. Vormittag unUr dem Vorsitz des Herrn v. Levetzow im Reichstagsgebäude in Berlin zusammengetreten, um die weiteren Einzelheiten der Errichtung des Denkmals zu erörtern. Zunächst wurde zur Vervollständigung der Preisrichterjury geschritten. Dann wurden die Be dingungen für die beabsichtigte Ausstellung der einge gangenen Entwürfe aufgestellt. Diese soll am 1. Juni im Ausstellungsgebäude stattfinden. Am 15. soll die Jury das Urtheil über die einzelnen Entwürfe fällen. In der Centrumsfraction des Reichstages hat die gegensätzliche Stimmung gegen die Umsturzvor lage soweit Oberhand gewonnen, daß bereits 50 Mit glieder, also die Hälfte, entschlossen sein sollen, den Ge danken an das Zustandekommen irgendwelcher Form von Umsturzvorlage von sich abzuweisen. Der Bericht der Umsturzcommission ist am Freitag bereits offiziell er schienen. Der Bundesrath des deutschen Reiches hat in seiner jüngsten Sitzung den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873 über die Gründung und Verwaltung des Reichsinvalidenfonds, sowie den Entwurf einer anderweitigen Klasseneintheilung der Mili tärbeamten des Reichsheeres und der Marine den zu ständigen Ausschüssen überwiesen. Der Antrag, betr. den zollfreien Einlaß der vom internationalen landwirth- fchaftlichen Maschinenmarit in Wien zurückgelangenden Güter, wurde angenommen. Dem preußischen Abgeordnetenhause ist ein Gesetzent wurf, betr. die Bewilligung von Staatsmitteln zur Ver besserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staatsbeamten zugegangen. Der Ent wurf sieht zu diesem Zwecke zunächst einen Betrag von 5 Mill. Mk. vor. Es soll durch Erbauung staatlicher Miethshüuser und durch Gewährung von Bauprämien und Darlehen den in Staatsbetrieben beschäftigten Ar beitern und niederen Beamten die Beschaffung geeigneter Wohnungen zu angemessenen Preisen an denjenigen Orten erleichtert werden, an welchen die Bauthätigkeit das Wohnungsbedürfniß seither nicht befriedigt. Eine Be vorzugung der Wohnungsinhaber auf Kosten der Allge meinheit ist nicht beabsichtigt, da die Miethspreise so be messen werden sollen, daß die dem Staate erwachsenden Selbstkosten entsprechende Deckung finden. Serbien. Exkönig Milan wird die von der Skupschtina zu ge nehmigende Apanage, vom Tage der Thronentsagung ab gerechnet, erhalten, so daß er sofort 4,800,000 Francs als sechsjährigen Rückstand erhält. Königin Natalie ver- versprach, auch ihren Antheil aus der Apanage Milan zu schenken, falls er Serbien verlaste. Die Nachricht bedarf keines Commentars. König Alexander eröffnete die Skupschtina mit einer Thronrede, in der er hervorhob, daß er sich genöthigt sah, um Ruhe und Ordnung im Lande herzustellen, die Verfassung vom Jahre 1888 aufzuheben und jene des Jahres 1869 zu erneuern. Um das Ansehen Serbiens zu heben, erklärte der junge König, habe er die Reisen zum Sultan, zum Kaiser von Oesterreich und zum deut schen Kaiser unternommen. Kaiser Wilhelm sprach den Wunsch nach guten Verhältnissen mit Serbien aus. Des gleichen erwähnte der König seinen Peiersburger und Pariser Besuch und schloß mit dem Wunsche betreffs baldiger Ordnung der serbischen Finanzen. Asien. Mehrere hervorragende chinesische Generale erklären sich entschieden für Fortsetzung des Krieges, sie beurtheilen Li-Hung-Tschangs Friedensvertrag auf das abfälligste. Die Haltung Deutschlands zum Friedensvertrag verursacht in Tokio die größte Bestürzung, man hofft, daß die Interpellation im deutschen Reichstage, — die aber bekanntlich gar nicht stattfinden wird, — genügen werde, die herrschenden Mißverständnisse zu beseitigen. Zur ostasiatischen Frage wird weiter gemeldet, daß Spanien, welches seine Positionen auf den Philippinen durch die von Japan beanspruchte Machterweiterung be droht glaubt, die Bestrebungen Rußlands, Deutschland» und Frankreichs unterstützen wird. Italien, Oesterreich und Amerika werden sich diesen Bestrebungen, soweit bis jetzt feststeht, nicht anschließen. Aus dem Mulveuthale. "Waldenburg, 27. April. In heutiger Mittags stunde trat hier ein schwaches Gewitter mit kurzem hef tigem Platzregen auf, unter dessen Einfluß die Erschlie ßung der Kirschblüthe nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte. * — An der Berliner Productenbörse ist in letzter Zeit eine erhebliche Steigerung der Getreidepreise einge treten. Am 26. d. stieg z. B. der Weizen Lieferungs qualität von 145 auf 148 Mk., Roggen per Mai von 126 auf 129 und Hafer per Mai von 121 auf 124 Mk. * -— Dieses Jahr werden besonders viel Maikäfer dem jungen Laub zu Leibe gehen. Wie verschiedentlich ge meldet wird, zeigen sich die Maikäfer bereits jetzt in großen Massen. * — In Altstadtwaldenburg hat sich vor Kurzem ein patriotischer Ortsverein gebildet, welcher den Zweck ver-