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jährigen Eisenbahnunfälle betr. Abg. Huste (cons.) be gründete die Interpellation mit dem Hinweis darauf, daß das Renommee unseres Eisenbahnwesens zumal nach Außen durch die rasch hintereinander vorgekommenen Unfälle bei Oederan, Flöha, Coswig, Zwota, Hainichen- Roßwein und zwischen Bautzen und Löbau erheblich be einträchtigt worden sei. Er müsse erwähnen, daß die König!. Eisenbahndirection nicht in der Lage gewesen sei, die genügenden Berichte bei dem Unfall m Oederan an die Oeffentlichkeit zu bringen, wie dies die Presse in ausgiebigster Weise that. Die Kgl. Generaldirection hätte müssen sofort richtige Auskunft geben können und es wäre ihr dann nicht passirt, daß sie ihren Bericht corrigire'n mußte. Unglücksfälle auf der Eisenbahn durch Leichtsinn, Pflichtvergessenheit und Böswilligkeit von Seiten der Bahnbediensteten seien nie ausgeschlossen und es könne dafür keine Garantie gegeben werden, daß sich dies jemals ändern werde. Die Beunruhigung sei aber im ganzen Lande eine derartige gewesen, daß man sich zu der Interpellation gezwungen sehe, um damit der Köniz!. Staatsregierung Gelegenheit zu geben, den in folge der Unfälle der Generaldirection gemachten Vor würfen zu begegnen. Er trage allerdings Bedenken, dem Beispiel des Abg. Geyer zu folgen und einzelne Klaffen der Angestellten zu belasten, cs werde aber vielfach die Ursache darin gesucht, daß die Ueberwachung des Dienstes, die Controle der Sichcrheitsmaßregeln und deS Materials nicht streng genug seien, vielleicht auch bei Besetzung der Dienststellen nicht peinlich genug verfahren werde. Red ner ist der Ansicht, daß die Kritik über das Eisenbahn wesen aus dem öffentlichen Leben für dieses nur förder lich sein kann, deshalb glaube er auch, daß nicht nur die Interpellation, sondern auch alle anderen Anregungen von der Staatsregierung in geeigneter Weise berücksich tigt würden. Herr Staatsminister v. Watzdorf antwor tete sehr eingehend auf die an die Regierung gerichteten beiden Fragen. Das allgemeine Vertrauen, welches die Generaldirection unserer StaatSbahnen immer genossen hätte, habe durch die entsetzliche Katastrophe von Oederan einem gewissen Mißtrauen Platz gemacht, welches auch in der Presse zum Theil in recht herber Kritik zum Ausdruck kam. Die Staatsregierung ergreife daher gern die Gelegenheit, durch Klarstellung einiger Fälle zur Be ruhigung des Landes beizutragen und zu versichern, daß die Staatsbahnverwaltung das bisherige Vertrauen auch heute noch im vollsten Maße verdiene und der Beamten- stand von oben bis unten hinsichtlich seiner Intelligenz, seiner Pflichttreue und seines aufopfernden Fleißes von keinem anderen Beamtenstande übertroffen werde. Wenn auch die Regierung von dem derzeitigen Stande der ge richtlichen Untersuchung über die Oederaner Katastrophe nicht unterrichtet sei, so haben doch die Vorerörterungen ergeben, daß der Blockwärter Wolf durch gewaltsame Einwirkung auf den Signalapparat zu seiner Bequem lichkeit das Signal „Frei" herbeigesührt habe, ehe die . Strecke von einem vorhergegangenen Güterzuge verlassen worden war, sodaß der Militärzug in denselben hinein fuhr. Dieser Blockwärter Wolf sei an diesem Tage erst nachmittags 1 Uhr in den Dienst gegangen, so daß von einer Uebermüdung nicht die Rede sein könne. Es läge keine Veranlassung vor, an den vorhandenen Einrichtungen Aenderungen vorzunehmen, da unser System der fortlaufenden elektrischen Ent blockung das vollkommenste sei, welches nur existire. Vor einigen Tagen noch sei ihm ein Artikel einer sächsischen Zeitung in die Hände gefallen, wel cher eine von der bayerischen Staatsbahnvcrwaltung jetzt vorgenommene Veränderung in dem Signalsystem zur Nachahmung empfiehlt und mit den Worten schließt: „Das schreckliche Unglück bei Olbernhau (soll heißen: Oederan) wäre nicht vorgefallcn, wenn eS dem Strecken wärter unmöglich gewesen wäre, dem Militärzug die Strecke freizugeben, solange sie vom Güterzuge besetzt war." Dieses System, welche- jetzt erst in Bayern auf der Linie München-Starnberg eingeführt wird, bestehe in Sachsen schon seit 20 Jahren. Man könne dagegen allerdings nicht viel ausrichten, daß Beamte nicht von dem guten Willen beseelt sind, das ihnen Vorgeschriebenc zu thun, und gegen ihre Instruction handeln. Künstig- hin werde man bei Anstellung des Blockpersonaler auf eine tadellose moralische Befähigung halten und die Personalacten der jetzt Angestellten daraufhin eingehend prüfen müssen. Bis jetzt habe man eben angenommen, daß ein Blockwärter niemals eine Gefährdung eines Eisenbahnzuges verursachen könne, weil er über die maschinellen Einrichtungen nicht Herr sei und im schlimm sten Falle höchstens sein Signal auf „Halt" stellen könne, wodurch ein Unglück ausgeschlossen sei. Der Blockwärter- dicnst gelte für bequem und leicht, weil der Wärter ruhig in feiner Wohnung bleiben könne, bis das Glocken signal ihn ruft und er, sobald der Zug vorüber ist und die Signale erledigt sind, wieder in seine Wohnung zurückgehen kann. Deshalb habe man sehr häufig halb invalide Leute zu diesem Dienst genommen, und es sei bedauerlich, daß das jetzt anders werden müsse. Es sei eine merkwürdige Thatsache, daß nach einem großen Eisenbahnunfalle bald wieder ein anderer oder auch mehrere folgen. Bei dem zwei Tage nach der Oederaner Katastrophe vor dem Bahnhof Flöha vorgekommencn Un fall sei wesentlich die Beunruhigung der Beamten und die Aufregung des Publikums schuld gewesen, denn für gewöhnlich werde Niemand bei Ertönen des Nothsignals sofort aus dem Wagen springen. Bei einem anderen Unfall in Flöha sei eine Nabe an einem Wagen ent zweigegangen, bei Coswig habe jedenfalls ein Feder bruch die Schuld getragen, und der Unfall bei Leipzig, wo ein Gesellschaftswagen überfahren wurde, sei auf einer preußischen Strecke erfolgt. Von 1885—94 habe auf den sächsischen Staatsbahnen kein einziger Reisender sein Leben eingebüßt, nur 16 oder 17 Verletzungen seien vorgekommen. Das Jahr 1895 mache nun hierein eine traurige Ausnahme. Er hoffe aber, daß es ein Aus nahmejahr bleiben werde. In den Verhältnissen sei ab solut kein Grund zu erkennen, der eine gegentheilige An nahme begründen könne. Darauf wurde in die Be sprechung der Interpellation eingetreten, an welcher sich eine größere Anzahl Abgeordneter betheiligte. Nächste Sitzung Mittwoch Vormittag 11 Uhr. — Das erste Verzeichniß der bei der Beschwerde- und Petitionsdeputation der 2. Kammer eingegangenen Be schwerden bez. Petitionen ist erschienen. Es umfaßt 66 Nummern. — Ein erfreuliches Zeichen ist es, daß in diesem Wintersemester die Zahl der immatrikulirten Studiren- den an der Universität in Leipzig wieder über 3000 gestiegen ist. Im Winter 1894/95 betrug die Zahl der Immatrikulirten nur 2985. — Für die vom deutschen Patriotenbunde zur Er richtung eines Völkerschlacht-Denkmals bei Leipzig aus geschriebene Vorconcurrenz waren 33 Projecte ewgegan- gen. Den ersten Preis von 2000 Mk. erhielt Architekt Karl Doflein-Berlin, den zweiten Preis im Betrage von 1800 Mk. Architekt R. Schaebe-Charlottenburg und den dritten Preis von 1200 Mk. Architekt Ludwig Engel und Bildhauer Wenk. — Seit einigen Tagen ist der Vereinsdiener B. in Crimmitschau nach Unterschlagung von mehreren Hun dert Mark flüchtig geworden. Die steckbriefliche Verfol gung desselben ist eingeleitet. — Während des Läutens zu einer Trauung fiel in Großschirma vor einigen Wochen der Klöppel der großen Glocke der dortigen Kirche herab. Die Wucht des Klöppels war so groß, daß er zwei Fußböden durch schlug 'und erst im dritten Dielenboden stecken blieb. Die Läuter kamen mit dem Schreck davon. Am 13. November wurden dieselben gelegentlich eines Begräbnißläutens aber mals in nicht geringen Schrecken versetzt, als plötzlich auch die mittlere Glocke ihren Klöppel herauswarf. — Eine interessante Spritzenprobe fand vor einigen Tagen in Bautzen statt, woselbst eine für die Berufs- Feuerwehr zu Bremen bestimmte Dampf-Feuerspritze er baut worden ist. Die Dampsspritze ist dreicylindrig und hat eine Leistung von 4000 Liter pro Minute. Bei voller Leistung entwickelt die Spritze 60 effect. Pferdestärken. Der Kessel ist ein stehender Röhrenkessel. In der Probe wurde mit 5 Schläuchen (die Spritze kann 9 Schläuche zu gleicher Zeit mit Wasser versorgen) mit je 28 Millimeter Mundstückweite gespritzt und da bei Strahlhöhen von ca. 60 Metern uns Strahlweiten von ca. 70 Meter erreicht. Vermischtes. Wie inserirt mau am besten i« der Weih nachtszeit? Die Beantwortung der Frage ist weniger leicht, als man glauben mag. Freilich in technischer Beziehung ist die Antwort weniger schwer, die Buch druckerkunst hat in geschmackvoller Ausstattung, in ele gantem Arrangement von Zeitungs-Annoncen viel ge leistet, es wird in anderen Ländern in diesem Punkte bei Weitem nicht so viel geleistet, wie gerade bei uns. Aber die äußere Form eines Inserates ist noch nicht für den Erfolg unbedingt maßgebend, es kommt doch auch auf den Inhalt an, daß der in seiner Abfassung „ein schlägt." In der „guten alten Zeit", wo auch die Zei tungsleser über viel Zeit verfügten, wo man weniger nervös war und mehr Sitzfleisch hatte, wurden die Zei tungsinserate von A bis Z genau durchstudwt, und hinterher daran noch eine gemüthliche Aussprache ge knüpft. Darum konnte man auch bei der Abfassung des Inserates die „Leine etwas lang laufen" lassen. Heute erscheinen in einem Inserat, welches das Publikum zum Kaufen animiren soll, allgemeine Wendungen und gar zu viele Worte wenig praktisch; heute will man gleich sehen, was es an Neuheiten giebt oder was man für sein Geld erhält. Das ist die Hauptsache, alles Andere findet sich schon, oder aber ist selbstverständlich. Man sieht's ja gerade bei Wcihnachtsküufern so ost: Jemand zerbricht sich den Kopf, was er denn nun eigentlich be schaffen soll; man schlägt ihm dieses und jenes Geschäft vor, Kopsschüttcln oder Achselzucken. Sagt man ihm aber, das oder jenes Stück nimmst Du, kommt man so fort zum Ziel. Das Publikum will es in seiner Un geduld bequem gemacht haben, es will — ein drastischer Ausdruck werde nicht verübelt — mit der Nase darauf gestoßen fein. Specialität soll auch in der Zeitungs- Annonce, die zum Ankauf animirt, vorwalten. Nicht zu viel mit einem Male empfohlen, aber was da em pfohlen wird, fcharf in seinem Vortheilhaften, seiner Neu heit oder Preiswürdigkeit gezeichnet. Dann fällt's oft dem verehrungswürdigen Publikum wie Schuppen von den Augen, es will den „Versuch" wagen. Damit ist das Lpiel gewonnen. Eine Sache von großer Wichtig keit ist es, nicht zu spät mit den Weihnachts-Annoncen zu beginnen. Je früher die Campagne eingeleitet wird, um so eher können auch merkantilische Siege erfochten werden. Wenn man sagt, das Publikum lasse seine Ein käufe doch bis in die letzten zwei Wochen vor dem Feste, so stimmt das nicht mehr. Man kauft schon früher, wenn man nur weiß, was man kaufen soll. Und in der Suche nach den Weihnachtsgeschenken ist eine praktische Annonce der Leitstern, welchem am Ende auch gefolgt wird. Allerlei. Auf Havannah haben dieRebellen einen Eisenbahnzug zwischen Santo Spiritus und Tunus durch Dynamitbomben in die Luft zu sprengen versucht. Die Lokomotive wurde zertrümmert. Marschall Martinez Cam pos hat einem Berichterstatter mitgetheilt, daß er von der Ankunft der Verstärkungen eine entscheidende Wen dung erwarte. Er soll sich nur nicht — „schneiden"! — Ueber die Ermordung der Königin von Korea wer den jetzt schaurige Einzelheiten bekannt. Es heißt, daß die Königin bei den Haaren aufgehängt wurde und sich den furchtbarsten Schändlichkeiten aussetzen lassen mußte. Der Armen wurden Hände und Füße gebunden, dann tauchte man sie in Oel und verbrannte sie. Das Feuer wurde so lange brennen gelassen, bis der Körper buch stäblich zu Asche zerfallen war. Dreißig Diener wurden ebenfalls hingerichtet, ferner 15 hohe Damen. — Hin gerichtet worden ist in Guben der Raubmördel Raendel aus Grabow. — Eine Patronenfabrik ist in Palma in Spanien in die Luft gepflogen. Gegen 70 Personen sind getödtet, zu zwei Dritteln Frauen. Alle sind schreck lich verstümmelt. Ein entlassener Arbeiter soll die Explo sion verursacht haben. — Für 1 Million Ein-Pfen- nigstücke sollen wieder neu ausgeprägt werden. — Der Abg. Ahlwardt hat sich am 26. d. auf dem Bremer Lloyddampfer „Spree" nach New-Jork eingeschifft. — Im Mülheimer Krawallprozeß wurden zwei Angeklagte zu zwei bezw. 3 Monate Gefängniß verurtheilt, drei zu 1, 2 und 3 Wochen Gefängniß; zwei zu 1 Woche, drei zu 3 bis 5 Tage Haft. Drei erhielten einen Verweis und 15 kamen frei. — Ein orkanartiger Sturm hat in Triest gewüthet. Der Aufenthalt in den Straßen war mit Lebensgefahr verbunden, gegen 30 Personen wurden niedergeworfen nnd erlitten theilweis schwere Verletzun gen. Kein Schiff konnte den Hasen verlaffen. Auch in Venedig tobt ein heftiges Unwetter; Schornsteine, Ziegel, Fensterscheiben wurden vom Winde herabgeschleudert, die Dampfschiffe mußten die Abreise verschieben. Ferner herrscht an der britischen Küste ein starker Nordoststurm. Der Postverkehr wurde eingestellt. Man befürchtet den Untergang von Fischerbooten. — Zwölf Dragoner dran gen im Dorfe Bleich bei Olmütz (Oesterreich) in ein Wirthshaus ein, weil ein betrunkener Kamerad dort hin ausgeworfen wurde, zerschlugen mit blanker Waffe die ganze Einrichtung und verwundeten viele Personen lebens gefährlich. — Arge Mißstände herrschen in der social- demokratischen Buchdruckerei von Maurer und Dimmick in Berlin und sollen heute in einer öffentlichen social- demokratischen Versammlung besprochen werden. In die ser Druckerei, welche nach dem großen Buchdruckerstreik den Neunstundentag mit höherer Entlohnung beibehalten hatte, ist den Buchdruckern die Mütheüung gemacht wor den, daß vom 1. December ab die zehnstündige Arbeits zeit und eine Entlohnung nach dem niedrigen, jetzt gang baren Tarif eingesührt werde. In Arbeiterkrelsen wird behauptet, daß bei Maurer und Dimmick fast alle Sonn tage gearbeitet wird. Ein Controlleur fand am Bußtag sämmtliche Maschinen in vollem Betriebe. Als er mit einem Schutzmann zurückkehrte, war das Personal ver schwunden und nur die Eigenthümer da. Telegramme. Berlin, 27. Nov. Zu>er Meldung der „BolkSztg.", daß gestern bei Korrespondenten soeialvemokratischrr auswärtiger Blätter Haussuchungen stattgefunde« baden, schreibt der „Bo wärtS": „NuS ist davon Nichts bekannt, und wir glauben daher, daß die Nachricht falsch ist." — Dir „Natiosalztg." deinen, «irt die Nachricht, daß »er Präsident »es ReichSoer- stchernngSamtee, Ur. Bödiker, demnächst in ein« an dere gleichwrrtyige hohe Stellung «inrückeu und durch de» vortraaeuven Ra,y v. Woesrk« ersetz« werden solle. Berlin, 27. Nov. Bon bestunterrichteter Seit« wird mitgetheilt, »atz die Nachricht, eS seien hohe und ein flußreich« Personen tyätig, nm vom Hosprediger Ltötk.r d e Folget« der gegen denselben »ingeieiteten Lisciplinaruutersuchung avznweuden, ersuude« sei. — Lfficiö» wird die Meldung, datz zwischen EtaatS- secretär v. Bötiicher «ns Minister Berlepsch in der Frag« der R-orgauilation deS Handwerks Differen zen auögebrochk« seiet-, als ersuuven erklärt. ES wird hinzugesügt, datz sie beiden Minister sich in der Lache in völliger Nebereinstimmung vefiude» und die Vorarbeiten zur Reorganisation »eS Handwerks, spee Errichtung der Handwerkskammern, eine« be- frirdigendcn Verlaus nehmen. Prag, 27. Nov. Im Streit der Handschuhmacher Haden sämmiliche Fabrikanten beschlossen, alle rirbei» ter zu entlasten uns die Betriebe «inzustelle«. Budapest, 2/. Nov. Ler zum 8esandteu in Athen ernannte bisherige T-neralconsul Asfin-Dey begiebt sich vor. hier aus aus Beseh! seiner Regierung zuerst