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ins Innere hinein auch in diesem Gebiete zu sichern. Von der benachbarten deutschen Togo-Colonie wurde näm lich im Hinterland ein flotter Geschäfts-Verkehr unter halten, auf welchen man in London erst aufmerksam und hinterher recht neidisch geworden ist. Natürlich können wir die Engländer nicht hindern, zu machen, was sie wollen, das Aschanti-Land steht schon seit zwanzig Jahren unter britischem Protectorat, wohl aber haben wir auf zumerken, daß unsere rechtmäßige Handelsfreiheit nicht angelastet wird. Leute der Rücksichtnahme sind die Eng länder nie, wohl aber eines weiten Gewissens. In gutunterrichteten Kreisen spricht man in bestimm ter Form davon, daß der Präsident des Reichsversiche rungsamts Or. Bödiker nach Ablauf seines jetzigen Ur laubs wohl auf seinen Posten zurückkehren werde, aber nur für kurze Zeit, um dann in eine gleichwerthige hohe Stellung einzurücken, die nicht dem Reichsamt des In nern untersteht. Als Nachfolger gilt der vortragende Nath im Reichsamt des Innern v. Wödtke. Mit der Vereinfachung der Arbeiter-Versiche- rungsgesetze beschäftigte sich soeben der geschäftsführende Ausschuß des Verbandes deutscher Berufsgenossenschaften. Er war der Ansicht, daß die Genossenschaften keine Ver anlassung haben, eine Veränderung ihres Bestandes bezw. ihrer Organisation zu wünschen. Sollte dagegen im all gemeinen Interesse eine Vereinfachung und Zusammen legung der Arbeiterversicherung nothwendig erscheinen, so seien die Berufsgenossenschasten berufen und befähigt, an der Durchführung der hieraus erwachsenden Aufgaben mitzuwirken. Reichscommissar Or. Peters soll zur Disposition ge stellt worden sein. Thatsächlich befindet sich Peters schon seit längerer Zeit in dem Zustande der „Disponibilität", d. h. ohne amtliche Beschäftigung. Ob er jetzt auch mit dm sonst eintrctenden Folgen für den Betrag des Ein kommens „zur Disposition gestellt" worden, ist nicht er sichtlich. »erreich Mzgaxn. In Budapest ist ein großer Setzerausstand aus- gebrochen, welcher alle Zeitungsdruckereien in Mitleiden schaft gezogen hat. Die Blätter haben daher in stark reducirtem Umfang erscheinen müssen. Kaiser Franz Joseph stattete am Dienstag seiner jüngsten Tochter, der Erzherzogin Franz Salvator, in Wels einen Besuch ab und kehrte abends nach Wien retour. Aus Süd-Ungarn werden wieder einmal ländliche Unruhen gemeldet. Die Ursache ist diesmal in den dort noch sehr gedrückten Lohnverhältnissen zu suchen. UrKNkrercv. Admiral Gervais ist vor eine Untersuchungscommission, bestehend aus drei Admiralen, verwiesen. Spricht diese ihn aber frei, was ziemlich sicher, so bricht das dem Minister Lockroy den Hals. Daß bei dem letzten Börsenkrach in Paris ganz kolossale Summen verloren wurden, ist bekannt; wie groß diese Verluste aber gewesen sein müssen, erhellt am besten daraus, daß ein einziger Speculant Elie L6on, zugleich türkischer Generalconsul, zwanzig Millionen ver ¬ loren haben soll. Freilich soll er trotzdem sich halten können. Gugkand. Die zunehmende Häufigkeit der Arbeiterstreiks in Eng land hat nachgerade auch ein engeres Zusammengehen der Arbeitgeber herbeigeführt, das sich selbst in solchen Fällen geltend macht, in welchen ein Theil der Arbeit geber angriffsweise auftritt. So haben die Werftbesitzer am Clyde den Ausstand der Schiffsarbeiter in Belfast (Irland) bekanntlich ihrerseits mit einer Arbeitersperre beantwortet, obgleich sie mit ihren Arbeitern sich in gar keinem Lohnzwist befanden, und jetzt haben sich diesem Vorgehen auch die Schiffsbaumeister zuerst im Nordwesten Englands, in Cumberland, und dann auch diejenigen des Nordostens, Northumberlands, angeschlossen. In beiden Jndustriebezirken wird von der Vereinigung der Arbeit geber wahrscheinlich ebenfalls die Arbeitssperre verfügt werden, und zwar vom Ende der laufenden Woche an. Türkei. Unverändertes Plündern und Menschenmorden! Das ist das neuste Bulletin aus den aufständischen türkischen Gebieten, denn trotz aller schöngefärbten Nach richten sind die türkischen Truppen bei Weitem nicht stark genug zur energischen Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung. In Konstantinopel ist's still, die zur Reclame für die europäische Diplomatie in die Welt hinausposaunte Flottendemonstration findet nicht statt, und der Sultan bekommt Zeit für Reformen und andere schöne Dinge — auf dem Papier! Zeit gewonnen, Alles gewonnen, so heißt's ja auch für ihn. Angeblich foll der deutsche Kaiser der entschiedenste Gegner der Flottendemonstration gewesen sein. Das ist Gewäsch! Deutschland ist in dieser Sache viel zu wenig interessirt, um nach irgend einer Richtung hin die Führung zu übernehmen. Es wird eben in allen Fällen, in welchen die europäische Diplomatie nichts ausrichtet, von Deutsch lands Neidern des Kaisers Person vorgeschoben. Daran soll es dann liegen, daß Wilhelm H. etwas will oder nicht will. Das Factum ist vorläufig, daß die Flotten demonstration vertagt worden ist. Asien. Eine sehr sonderbare Nachricht bringt das russische Blatt „Nowoje Wremja" in einem Telegramm aus Wladiwostok. Darnach habe sich Japan in die heute geschaffenen Verhältnisse vollkommen gefügt und auf die Ausübung einer continentalen Politik verzichtet. Japan habe es vorgczogen, sich in Verfolgung seiner Interessen auf die Inseln zu beschränken und sein Haupt augenmerk auf Formosa zu richten. Die Regierung be absichtige, sich mit Rußland zu versöhnen und erkenne an, daß Rußland ein Recht habe, Korea und die Mandschurei unter seinen politischen und wirthschaftlichen Einfluß zu stellen. Das ist wahrscheinlich ein frommer Wunsch, denn so leicht vergißt man es Jemandem nicht, der eine gut besetzte Tafel Einem vor den Augen um wirft. Und in dem Verhältniß befanden sich Rußland und Japan. Amerika. Auf der Insel Cuba sind die Spanier allem Anschein nach von einer Unterdrückung des Aufstandes weiter als je entfernt, denn mit dem früher ge meldeten großen Siege in der Schlacht bei Taguasco scheint es auch nichts zu sein. Die Aufständischen sagen nicht gerade, daß sie ihre Gegner vernichtend geschlagen haben, schreiben diesen aber einen viermal größeren Ver lust zu, als sich selber. Aus dem MuldSRttzaLe. "Waldenburg, 27. November. Bei der gestern unter der Leitung des Herrn Amtshauptmann Ebmeier in Glauchau abgehaltcnen Wahl zur Bezirks-Versammlung wurden für die ausscheidendcn elf Mitglieder der Be zirks Versammlung, von denen auch drei gestorben sind, wieder-, bezw. neugewählt: die Herren Stadtrath Lorentz, Kaufmann Emil Lossow, Stadtrath Grüner, Färberei besitzer Lindner in Glauchau, die Herren Rentier Oehmig, Fabrikbesitzer Focke, Kaufmann Langlotz, Kaufmann Wagner in Meerane, Fabrikbesitzer Säuberlich in Hohenstein, Fabrikbesitzer Alfred Leonhardt in Waldenburg und Vor werkspachter Sonntag in Grumbach. Als Wahlgehilfen amtirten die Herren Stadtrath Rueff aus Glauchau und Verwaltungsdirector k)i'. Lamprecht aus Waldenburg. Die Wahlbetheiligung war erfreulicherweise außergewöhn lich groß, denn es waren 85 Wähler zur Stelle. *— Unterläßt der Arbeitgeber das Einkleben der er forderlichen Marken in die Ouittungskarte für die Jn- validitäts- und Altersversicherung eines bei ihm beschäf tigten Arbeiters, obwohl er die vom Arbeiter zu leisten den Antheilsbeträge abgezogen hat, so kann er nach einem Urtheil des Reichsgerichts deshalb nicht wegen Unter schlagung bestraft werden; sein Verhalten berechtigt nur den Vorstand der Versicherungsanstalt zur Festsetzung einer Ordnungsstrafe. *— Seit dem Eintritt der kalten Jahreszeit ist es nöthig, die Besitzer von Hundegeschirren auf die Noth wendigkeit aufmerksam zu machen, für die Hunde Decken u. s. w. als Unterlagen zu besorgen, wenn die Thiere vor den Wagen im Freien längere Zeit zu liegen haben. Thierfreunde sollten darauf achten, daß den Hunden dieser Schutz gewährt wird. Auch die Hundehütten sollten möglichst einer Revision und Ausbesserung unterzogen werden. — Ein mächtiges Feuer ging am Freitag Abend kurz vor '/»7 Uhr in Grimma auf. Zwischen „Terrasse" und Bahnhofsstraße standen in wenigen Minuten vier einen Scheunenhof bildende, zum Theil noch mit Stroh dächern versehene Scheunen über und über in Flammen und wurden vollständig vernichtet. Die schnell anrückende Feuerwehr konnte wenig ausrichten und mußte ihre Thätigkcit auf die Rettung des sogenannten Wasscrhäus- chens und eines an die Scheunen angrenzenden Schuppen- und Wohngebäudes beschränken. Mitverbrannt sind ganz bedeutende Quantitäten Stroh, Heu und Getreide, sowie landwirthschaftliche Geräthschaften. Der Brand kann nur angelegt sein. Zwei verdächtige Individuen wurden verhaftet. Aus dem Gachse-rlEds. — Die 2. Kammer beschäftigte sich am Dienstag mit der Interpellation der Abgg. Huste u. Gen., die dics- Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) Die Thür ward etwas weiter geöffnet und die freund liche Stimme klang liebenswürdig dringlicher: „Nein, Sie dürfen uns nicht enttäuschen, müssen sich schon über uns zwei einsame Frauen erbarmen; wir brauchen heut einen Menschen, der sich mit uns freut." Freut! — Ja — da war er auch jetzt gerade der rechte Mensch dazu! „Nicht wahr, Sie kommen recht bald. Denn ich hoffe doch, daß Sie nur ein wenig arbeitsmüde und nicht etwa ernstlich unwohl sind?" Freundschaftliche Bcsorg- niß klang aus der Frage. Freuen mit den Fröhlichen — sich selbst vergessen — ja, er wollte es versuchen. „Schenken Sie mir noch eine Viertelstunde Zeit, meine liebe Frau Assessor, dann bin ich bei Ihnen," sagte er. „Also bis nachher," sagte fröhlich die Dame, ihm zu nickend. Den müden, wehen Zug in seinem bleichen Gesicht sah sie in der Dunkelheit nicht. Eine Viertelstunde später klopfte Rhode an die Woh nung der vcrwittwetcn Assessorin Hellbach, seiner Zim- mervcrmiethcrin. Zwei Damen erhoben sich bei seinem Eintritt, eine etwa fechzigjährige Frau mit etwas lei dendem Gesicht, von wahrhaft erquickend liebenswürdigem Ausdruck, und ein Mädchen in der Mitte oder gegen das Ende der Zwanzig. Sie hatte im ersten Augen blick nichts an sich, was die Aufmerksamkeit sonderlich fesselte, feine, angenehme Züge zwar, doch ohne frappi- renden Ausdruck, vornehmlich, obgleich keineswegs schon etwas WelkeS, Altjüngferliches auf ihnen lag, fehlte es ihnen doch an eigentlicher Frische, an dem kräftigen, dascinSfrohcn Stempel der Jugend. Aber sie hatte der Mutter sanftes, scelcnvollcs Lächeln, und ihre stillen, anmuthigen Bewegungen hatten etwas unendlich Wohl- thuendes. Beide Frauen mit ihrem feinen, geräuschlosen Wesen paßten wundersam in den Rahmen des Zimmers, das mit seinen altmodischen, sorDiltig erhaltenen Möbeln, den etwas verblichenen Pastellbildern an der Wand, der Epheulaube in der Fensternische und dem ArbeitS- tischchen davor, den zierlichen Spielereien von Meißner Porzellan auf der Servante, denen man es ansah, daß sie nicht beim Antiquar gekauft, sondern von Großmut ter und Urgroßmutter ererbt waren und endlich dem leisen Lavendelduft, der wie ein zarter Hauch über dem Raume lag, ein Stückchen der alten Zeit zurückzauberte, wo die Menschen noch langsamer lebten wie heut zu Tage, da das Gestern schon der weiten Vergangenheit angehört und das Vorgestern im Meere der Vergessen heit liegt, wo man vielleicht ein wenig steifer, nicht ganz so fix und fertig geistreich wie in der Gegenwart, wo man wohl zuweilen ein Bischen närrisch, ein Bischen weltunklug, ein Bischen überschwänglich schien, aber wo man das noch wirklich war, was man schien und wo vornehmlich Eines noch zu Festigkeit und Ehren bestand: die Treue — Treue gegen das Urberkommcne und gegen sich selbst. Mit freundlichem Händedruck hatten Mutter und Toch ter den Doctor bewillkommnet und zum Niedcrsetzen an den gedeckten Tisch gebeten. Derselbe trug ein festtäglich Aussehen. Ein prächtiger Rosenstock in der Mitte, zwei hübsche Sträuße zu beiden Seiten, neben der Lampe noch zwei brennende Kerzen auf blitzenden Mcssingleuch- tern von alter, gediegener Arbeit, auf geblümten Por- zellanplattcn mit durchbrochenem Rand zierlich garnirte, kalte Speisen, ein wenig Obst, etwas Salat, ein Teller mit kleinen, sclbstgebackenen Kuchen und endlich eine Terrine, der des Waldmeisters aromatische Düfte ent stiegen. Fragend, verwundert blickte Rhode die Assessorin an, er wußte ja, wie peinlich dieselbe mit jedem Groschen Haus zu halten genöthigt war. „Feiern Sie ein Fest heute, verehrte Frau?" Frau Hellbach lächelte nur und blickte ihre Tochter an. „Ja," sagte dieselbe mit glückstrahlendem Ausdruck, „wir feiern ein Fest heute, ein doppeltes sogar, und Sie dürfen mir zwiefach gratuliren, Herr Doctor: zu meinem Geburtstag und zu meiner definitiven Ernennung als festangestellte, städtische Lehrerin mit vierzehnhundert Mark AnfangSgehalt. Vierzehnhundcrt Mark, Hcrr^Doc- tor!" rief sic mit einem Anflug von Uebcrmuth, der sie reizend kleidete und über ihr blasses Gesicht einen rosigen Schimmer zog „haben Sic cincn vollen Begriff, wa» das bedeutet? Mütterchens Pension noch dazu gerech net, sind wir reiche Leute Hinfort. Sie muß auch gleich diesen Sommer noch auf vier Wochen nach Karlsbad, daS liebe, gute Muttchen." Sie beugte sich nach dem Sofa, auf dem die Mutter saß, und küßte zärtlich deren Hand, wobei verstohlen eine Thränc auf dieselbe fiel. Innig streichelte die Mutter der Tochter schmale» Gesicht. Ein unbeschreibliche» Gefühl preßte den Doctor die Kehle zusammen. Hier weinte das Glück Freudenthränen, weil nach unendlichen Mühsalen, nach unsäglichen Ent behrungen ihnen endlich geworden war, daß die Sorge um da» Allcrnothwendigste von ihnen gewichen war, daß ihnen das Heute nicht länger ein beständige» Bangen und Zagen vor dem Morgen war. Und eine Andere, ihr dünkte das Dasein unerträglich, wenn nur ein Atom weniger des schimmernden, verschwenderischen Luxus sie umgeben sollte. Langsam hob er sein gefülltes GlaS empor. „Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen Glück, Fräulein Emma. Und das Beste, was ich Ihnen nur wünschen kann: möge Ihnen durch alle Zeit Ihre Zufriedenheit, Ihres Herzen» stilles Genügen erhalten bleiben." Seine Stimme klang so seltsam gepreßt und da» Glas in seiner Hand zitterte, da er mit ihr anstieß. (Fortsetzung folgt.)