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kräftig fortzusetzen und einen neuen Aufruf an die Wählerschaft zu richten. Bei dem Rechenschaftsbericht der Reichenberger Han delskammer erklärte der Großindustrielle, Herrenhausmit glied Baron Leitenberger, die Deutschen könnten mit ziemlicher Ruhe der Entwickelung der Dinge in Oesterreich entgegensetzen. Von den neuen Ministern sei besonders Badenyi, wenngleich kein Deutscher, doch von echt öster reichischem Geist beseelt. Den extremen und radikalen Bestrebungen werde man im neuen Ministerium energisch entgegentreten. Graf Badenyi wird bei seiner ministeri ellen Thätigkeit das Hauptgewicht auf die Durchführung der Wahlreform legen. M -nkrsntz. Den französischen Manövern pflegt sich eine große Truppenschau anzuschließen, dieselbe fand bei der Stadt Mirecourt statt. Mit dem Präsidenten waren alle Würdenträger in dem Orte versammelt, um der großen Heerschau beizuwohnen, welche diesmal durch die An wesenheit des russischen Generals Dragomirow und des russischen Ministers des Auswärtigen Fürsten Lobanow einen ganz besonderen Anstrich erhielt. Bei einem an läßlich der Truppenschau veranstalteten Bankett hielt der Präsident der Republik, Faure, eine bemerkenswerthe Rede, in der er unter Anderem aussührte, daß es ihn mit großer Genngthuung erfüllte, daß seine erste Reise als Präsident nach dem Osten Frankreichs zur Zeit der so eben beendeten interessanten Manöver erfolgt. Dieser Umstand ermögliche es ihm, der lothringischen Bevölkerung den Dank des Landes für die den französischen Truppen bereitete Aufnahme auszudrücken. Nirgends besser als in Lothringen findet der Patriotismus seinen höchsten Ausdruck, wo der Kultus einer in der Erbschaft gemein samer Leiden und gemeinsamen Ruhmes bestehenden Ver gangenheit sich verbündet auf der Beständigkeit der Be geisterung und der Hingabe an die nationalen Geschicke. Daß nationale Gefühl sei überall rege im Lande, am Fuße der Berge aber, die Frankreichs Grenzen bilden, gewinnt das Bild des Vaterlandes unvergleichliche Klar heit und Glanz. Der Präsident leerte sein Glas auf das französische Vaterland. Der russische General Dragomirow hielt bei sämmtlichen ihm zu Ehren ver anstalteten Diners wiederholt Reden, die vor Rührigkeit überflossen und bei denen er unter Thränen der bewun derungswürdigen Manöverleistungen der französischen Soldaten gedachte und auf die Kriegskameradschaft der französischen und russischen Armee trank. Außer Dragomirow und Lobanow weilt zur Zeit auch Finanzminister Witte in Frankreich. Da darf man den Franzosen ihren Freudenrausch schon gönnen. Italien. Die deutschen Turner erhielten bei der Preisver- theilung einen Lorbeerkranz für allgemeines gutes Tur nen, eine silberne Medaille für Riegenturnen und den Ehrenpreis der Stadt Como in Gestalt eines Säbels. Die Vorfeiern zu dem italienischen Nationalfest sind allesammt ohne Zwischenfälle glänzend verlaufen; die Theilnahme des Königlichen Hauses an den festlichen Veranstaltungen in Rom wurde überall mit Enthusias- Feuilleton. Die Fehde des Besiegten. Original-Roman von Reinhold Ortmann. lFortsetzung.) Stehling hatte nicht mehr als einundzwanzig Stunden gebraucht, um eben diese Umstände in Erfahrung zu brin gen und seine Bemühungen fortan ausschließlich auf die sen einzigen denkbaren Gegenstand zu concentriren. Er bewarb sich um die Freundschaft des arglosen Reschke, lud ihn gelegentlich zu einem Gläschen Wein in die be scheidene Schänke, welche in der Nähe der Fabrik errich tet worden war und wußte auf diese Weise alles in Er fahrung zu bringen, was im Hause der Frau Wieden burg geschah. Getreulich berichtete er es seinem Herrn, und dieser ließ es oft gerade bei solchen Nachrichten, welche Stehling kaum mittheilungswürdig erschienen waren, nicht an klingenden Beweisen seiner Anerkennung fehlen. Der Ehrenrath des Rennclubs aber mußte, nachdem der Vermittelungsversuch von Seiten Schmichow's so schroff zurückgewiesen worden war, endlich zu einer Ent scheidung gelangen, und die Art dieser Entscheidung konnte nicht zweifelhaft sein. In einer General-Versammlung des Clubs wurde der Hauptmann a. D. Heinrich von Schmichow aus Antrag des Vorstandes wegen einer Hand lung, welche sich als gröbliche Verletzung der Standes- ehre darstellte, in aller Form ausgestoßen — und damit war er gesellschaftlich geächtet. Eigentliche Freunde hatte er sich niemals erworben, sich dagegen durch sein hoch fahrendes, rücksichtsloses Wesen manchen Gegner geschaf fen, und so war es denn nur natürlich, daß sich schnell geschäftige Zwischenträger fanden, welche den Skandal in die Oeffentlichkeit zerrten. Die Zeitungen brachten ziem lich deutliche und durchsichtige Anspielungen, und Gras Mohrenberg sandte dem moralisch Verurtheilten ein kur zes, in kühlstem Tone gehaltenes Billet, in welchem er als ein höflicher Mann der Ueberzeugung Ausdruck gab, daß Herr von Schmichow nur einem höchst beklagens- werthen Mißverständniß zum Opfer gefallen sei, welches mus ausgenommen. Alle Häuser der ewigen Stadt prangen in Flaggenschmuck. Die Anhänger des Papstes und seiner weltlichen Machtbefugniß verhalten sich still und würdevoll. England. In England will man ein praktisches Altersver sicherungsgesetz einführen, da das gegenwärtige Armen gesetz unzulänglich ist, eine Aenderung desselben aber mit zu großen Schwierigkeiten verknüpft sein würde. Die Armenpflege, welche gegenwärtig sehr darniederlegt, braucht durchgreifende Reformen. Wenn die Eltern etwas Selbständiges und Brauchbares in der Altersversicherung zu Stande bringen sollten, so würde das natürlich auch in Deutschland sehr interessiren. Spanierr. Woher die Spanier bei den notorischen Mißerfolgen auf Cuba noch immer den Muth nehmen, neue Geld aufwendungen für die dortige Expedition zu machen, ist nachgerade unerfindlich. Die Insurgenten haben nämlich neuerdings wieder einen ganz bedeutenden Erfolg zu verzeichnen, der darin besteht, daß sie den für den Frucht export wichtigen Hafen an der Nordküste der Insel ein nahmen. Der Widerstand, den die Spanier, welche die Stadt besetzt hielten, leisteten, war nur gering. Fünf tausend Insurgenten plünderten und brandschatzten die Hafenstadt und schlugen dann in ihrer Nähe ein festes Lager auf. Von der nahe gelegenen Seefestung Ozibara konnte, trotz der numerisch sehr starken Garnison, der bedrängten Stadt kein Entsatz geschickt werden, da die Rebellen sich in einer Stellung befanden, von welcher aus sie beiden Plätzen geführlich werden konnten. Den Bericht von diesem empfindlichen Schlage haben die Spanier natürlich geheim gehalten und erst Prioatmel- dungen brachten die Kunde von der Eroberung der wichtigen Hafenstadt. AUL- StM ^Waldenburg, 20. September. Das gestern darge botene vierte und letzte diesjährige Abonnement-Concert des Herrn Musikdirector Heinrich im Saale des Müller- schen Gasthauses zu Kertzsch hatte sich eines vollen Hau ses zu erfreuen. Die Ausführung des Programms, das aus lauter sehr werthvollen Nummern bestand, war eine sehr gelungene. Besonders sprachen an die klassische Ou vertüre z. Op. „Der Edelknecht" von Kreutzer, die schön arrangirte Fantasie aus „Faust" von Gounod (Stasny), die reizende Ouvertüre von Adam. Die Abschieds-Sin fonie von Haydn zeichnete sich durch ihren prächtigen Presto-Satz, sowie einen originellen Coup im Adagio aus, der viel Lächeln hervorzauberte. Die Streichquintette sprachen ebenfalls sehr an, das anmuthige, träumerische „Intermezzo russe" muhte wiederholt werden. Lied und Chor aus dem „Fliegenden Holländer" hätten etwas mehr Messing haben können. „Reveil du Lion", das be kannte Bravourstück für Piano, verfehlte nicht auch in dieser Orchestrirung vollen Eindruck hervorzubringen; man muß sich hierbei die einzelnen Scenen der Dämmerung, des Sonnenaufgangs, das Leuchten der Sonnenstrahlen über die graue Wüste hin, das Erwachen, Gähnen und aber doch mit einer Wendung des Bedauerns schloß, daß der Graf und seine Tochter nunmehr aus jeglichen Ver kehr mit demselben verzichten müßten. Diesem ersten Schlage waren rasch nacheinander viele Andere gefolgt. Die lange zurückgehaltene Erbitterung gegen den Urheber so peinlicher Vorkommnisse, welche dem ganzen Rennclub für geraume Zeit die Ungnade des regierenden Herrn zugezogen hatten, machte sich jetzt, wo man keine Rück sicht mehr zu nehmen hatte, in der mannigfachsten und für Schmichow unerfreulichsten Weise Luft. Seine Stan- desgenoffen ignorirten ihn vollständig; seine Besuche wur den nicht angenommen, seine Grüße auf der Straße blie ben unerwidert, — ja, es fehlte nicht an noch weit deut licheren Ausdrücken der Geringschätzung und Verachtung. Man wünschte offenbar seine schleunige Entfernung aus der Stadt, und wenn man auch kein Mittel besaß, ihn dazu zu zwingen, so war doch vorauszusehen, daß er einen Zustand wie den gegenwärtigen, auf die Dauer nicht würde ertragen können. Auch Schmichow selbst erkannte das bald genug, und da er vollständig unabhängig war, hätte er seinen Wohn sitz ohne Weiteres aufgeben können. Aber noch gab es etwas, das ihn an die kleine Residenz fesselte — näm lich der Wunsch nach Rache. Er fragte nicht darnach, ob das Schicksal, welches ihm zu Theil geworden war, ein wohlverdientes gewesen sei; er wiederholte sich nur immer und immer wieder, daß er ein Mittel finden müsse, sich für den Schimpf, den man ihm täglich, ja stündlich anthat, zu rächen. Er war immer ein guter Pistolenschütze gewesen; aber er schien Plötzlich von dem Ehrgeiz besessen zu sein, es zur Meisterschaft in diesem Sport zu bringen, denn wäh rend des ganzen Tages übte er sich in dem Garten hin ter seinem Hause darin, mit einem Revolver nach der Scheibe zu schießen, so daß er sich zuletzt wirklich rüh men konnte, auf eine Entfernung von zwanzig Schritten mit Sicherheit das Aß in einer Karte zu treffen. Der Zweck dieser Uebungen sollte nur zu bald klar werden; denn plötzlich sandte Herr von Schmichow sämmtlichen Brüllen des Löwen vor den Sinnen vorüberziehen lassen. Ein prachtvoller Salonwalzer von O. Metra bildete den Schluß. Die Musiker thaten überall ihr Schuldig keit; auch diese Ausführung zeugte von vielem Fleiß des Dirigenten, von feinem Verständniß in der Wahl und Einübung. Anerkennenswerth war die Haltung des Publikums, das den Vorträgen der Kapelle mit großer Aufmerksamkeit folgte. Ein animirter Ball beschloß die sen ausgezeichneten Concertabend. *— Als Ergebniß der überaus warmen Witterung der letzten Wochen wurde uns heute ein Zweig mit Apfelblüthen übersandt, welcher von einem Baume in der Nähe des Bahnhofes stammt. Die 118. Ziehungsliste der kgl. Landrentenbank, Termin Michaelis 1895, ist erschienen und kann dieselbe in unserer Expedition eingesehen werden. — Am 16. d. feierte die altehrwürdige Fürstenschule in Grimma ihr 345. Stiftungsfest. Früh halb 9 Uhr fand Festgottesdienst statt, bei welchem der Religions lehrer der Anstalt Prof. !)r. Clemen die Predigt hielt. Elf Uhr begann der Festactus, welcher freie Vorträge von Schülern der Oberklassen in lateinischer, französischer und deutscher Sprache zu Gehör brachte. Daran schloß sich die Verkündigung der Namen der Prämien- und Stipendiumempfänger seitens des Rectors. Ueber 20 Schüler konnten ausgezeichnet werden. Abends fand ein Schulball statt. ÄNs dem GUchsenlande. — Der Fleischverbrauch in Sachsen hat sich in den letzten 40 Jahren durchschnittlich von 7,3 auf 13,8 kg; beim Rindfleische und 7,6 auf 21,8 kA beim Schweine fleisch erhöht. Der Gesammtverbrauch an Rindfleisch stieg in der angegebenen Zeit von 14,808,100 auf 51,068,300 kA, beim Schweinefleisch von 15,491,700 auf 80,630,000 Icx. — Die großen Kassenbeflände bei den verschiedenen vogtländischen Sparkassen haben in letzter Zeit die Spar kassenverwaltungen veranlaßt, den ohnehin schon niedrigen Zinsfuß noch weiter herabzusetzen. Wie vor einigen Tagen die Sparkasse zu Treuen, so hat auch jetzt der Stadtgemeinderath zu Mylau beschlossen, vom 1. Januar 1896 ab den Zinsfuß für Spareinlagen auf 3 Proc. und für ausgeliehene Hypotheken-Kapitalien auf 4 Proc. herabzusetzen. Da allerdings nicht alle vogtländischen Sparkassen eine so niedrige Verzinsung ihrer Einlagen eintreten lassen werden, so ist die Annahme nicht un wahrscheinlich, daß viele Einleger ihre Kapitalien den jenigen Sparkassen übergeben werden, welche noch einen höheren Zinsfuß gewähren. — Der Colonialwaarenhändler Carl Gustav Max Behrend in Dresden, Inhaber der Firma Carl Berck müller, mischte unter das von ihm als „garantirt reiner gemahlener Zimmt" seilgebotene Pulver seit langer Zeit Zusätze von 5 bis 14 Procent Rohrzucker. Dies stellt sich als Nahrungsmittelfälschung dar, da ein derartiges Surrogat nicht üblich ist und den berechtigten Erwar tungen des Känfers nicht entspricht. Dies wurde von 3 vereideten Sachverständigen bezeugt. Herr Oberamts- Vorstandsmitgliedern des Renn-Clubs Herausforderungen auf Pistolen und drohte, daß er im Falle einer Ableh nung Jeden von ihnen auf offener Straße so lange in- sultiren würde, bis man sich bereit erklärt habe, ihm Ge- nugthung mit den Waffen zu geben. Aber seine Drohung schüchterte Niemanden ein. Seine Forderung wurde überall mit der nämlichen schimpflichen Motivirung abgelehnt: er sei nicht mehr satisfactions- fähig, und gegen seine Insulten werde man sich mit der Reitpeitsche zu vertheidigen oder, wenn es sein müsse, durch die Polizei zu schützen wissen. Als er es darauf hin eines Tages dennoch wagen wollte, den Grafen Schwendy in der gröblichsten Weise zu provociren, sollte er zu seinem Schaden erfahren, daß er bei einem solchen Vorgehen nothwendig den Kürzeren ziehen müsse; denn am folgenden Tage erschien der Polizeidirector selbst in seiner Wohnung, um ihm mit dienstlicher Entschiedenheit die Mittheilung za machen, daß die Behörden angewiesen seien, bei der geringsten Wiederholung solcher unliebsa men Scenen mit aller Schonungslosigkeit wegen Gefähr dung des öffentlichen Friedens gegen ihn vorzugehen, und daß er darnach sein Verhalten einrichten möge. Schließlich fügte er noch — gleichsam aus persönlichem Wohlwollen — hinzu, Schmichow thäte bei der gegen ihn herrschenden Stimmung unzweifelhaft am Besten, der Stadt schleunigst den Rücken zu kehren. „Ich bedarf dazu Ihres Rathes nicht!" fuhr Schmi chow ingrimmig auf: „Ich weiß ja längst, daß sich alle diese Feiglinge verschworen haben, mich von hier zu ver treiben, und ich werde ihnen den Triumph gönnen, ihren Zweck erreicht zu haben. Aber sie mögen nicht zu früh darüber jubeln! Ein Schmichow vergißt niemals, was er Denen schuldig ist, die ihn beschimpft haben; und wenn sie einen ritterlichen Zweikampf, bei dem die Chan cen wenigstens gleich waren, verschmähten, — nun, desto schlimmer für sie! — Im Uebrigen, Herr Polizeidirec tor, habe ich die Ehre, mich Ihnen mit allem schuldigen Respect zu empfehlen!" (Fortsetzung folgt.)