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Hause zurückgehalten war, wurde durch den Unterstaats sekretär Meinecke vertreten. Die übrigen Minister waren sämmtlich erschienen, ferner auch Schatzsekretär von Po- sadowsky. Um Ablehnung der Tabakfabrikatsteuer bittet der Vorstand des Vereins deutscher Tabakfabrikanten und -Händler in einer dem Reichstage überreichten Petition, welche von 74,366 ausschließlich im Tabakgewerbe be schäftigten Personen unterzeichnet ist. Zur Hebung der Noth der Landwirthschaft schlagen die „Hamb. Nachr." vor — die Civilliste und die Be amtengehalte zum Theil in eine Roggenrente umzu wandeln. Der „Hannov. Cour." erfährt, der Gouverneur von Deutsch-Ostasrika, Freiherr v. Schele, habe in Berlin erklärt, unter der Colonialabtheilung respective ihrem Director nicht weiter dienen zu wollen. Zu dem Ordnungsruf, welchen der mecklenburgische Bundesrathsbevollmächtigtev. Oertzen imReichstage erhielt, bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg": Diese Qualifikation sei zweifellos formell zutreffend und ein anderes als die ses rein äußerliche Criterium kann ja der Präsident des Reichstages im Allgemeinen nicht zur Anwendung bringen. Nach der fachlichen Seite aber muß doch betont werden, daß die gegen den correcten parlamentarischen Umgangs ton verstoßenden Wendungen des Herrn v. Oertzen die adäquate Antwort, keinesfalls mehr, aus die Ausfälle des Abg. Richter waren, die als grobe Ungebührlichkeiten ge kennzeichnet werden müssen. Herr Richter erging fich in skurrilen und dazu sachlich abgeschmackten Bemerkungen über zwei Bundesstaaten, das Königreich Sachsen und Mecklenburg-Strelitz, aus Anlaß einiger Vorgänge des Jahres 1849. In einigen Punkten aber sicher kann es nicht Wunder nehmen, wenn ein mit derartigen höh nischen Ausfällen an seine persönliche Adresse, wie an die Adresse des von ihm vertretenen Landes überschütte ter Bundesrathsbevollmächtigter in dem Gefühl, ohne Schutz gegen diese Beleidigungen dazustehen, zur Selbst hilfe greift. Das preußische Abgeordnetenhaus genehmigte am Donnerstag den Rest des Etats des Ministeriums des Innern und berieth dann noch kleine Vorlagen. Zu einer längeren Erörterung führte nur eine Bemerkung des Ministers von Köller, worin sich derselbe gegen die Aufführung des Hauptmann'schen Schauspieles „Die We ber" aussprach, welches aus einem Einzelfall vom Ber liner Oberverwaltungsgericht freigegeben, aber neuerdings von einigen Polizeibehörden wieder verboten ist. Der Minister erhoffte jetzt eine andere Entscheidung und stieß darüber mit dem Abg. Rickert zusammen. Weiter sprach der Minister noch über unwahre Sensationsnachrichten in der Presse. Freitag: Kultus-Etat. L^LAsrreirh-UngKvn. Im österreichischen Reichsrath gab es lange Erörterun gen über den Nationalitätenhader. Die Minister erklärten, daß sie aufrichtig bestrebt seien, Ruhe und Frie den im Lande zu sichern; sie müßten dabei aber auch die Unterstützung aller Nationalitäten haben. Ein Straßenskandal wird aus Prag gemeldet, wo ein Haufe junger Leute (Czechen) mit allerlei Wurfge ¬ schossen nach den Fenstern der Adelsrefsource schleuderte, in welchem gerade eine Gesellschaft versammelt war. Eine Thürklinke flog in ein Zimmer, in welchem sich der Statthalter von Böhmen mit mehreren Herren befand. Die Leiche des Feldmarschalls Erzherzogs Albrecht wird Sonntag Abend von Arco in Wien eintreffen. Am Dienstag ist dann die Beisetzung. Rußland. Nach einer Drahtmeldung der „Agence Havas" aus Petersburg haben an der dortigen Universität ernste Ruhestörungen stattgefunden, bei denen es zu einem Zusammenstöße zwischen der Polizei und den Studiren- den kam. Es wurden zahlreiche Verhaftungen vorge nommen und die Ruhe später wiederhergestellt. Ggypte-?. Aus Kairo melden englische Journale, der Khedive sei wieder völlig unter französischen Einfluß ge- rathen, während die Bevölkerung der großen egyptischen Städte von wahrhaft fanatischem Hasse gegen die Engländer beseelt sei. Namentlich sei das in Alexan drien der Fall, wo die jüngsten Angriffe auf Christen die Zustände vor den blutigen Ereignissen von 1882 ins Gedächtniß zurückriefen. Die Behörden sind dabei, um fassende Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Man weiß nun nicht, ob sich die Dinge in der That so verhalten, oder ob nur die Engländer so darstellen, um wieder ein un beschränktes Militär-Regiment am Nil Herstellen zu kön nen. Daß die Egypter die Engländer nicht leiden können, ist sehr erklärlich. Die Briten haben ja rechtlich gar nichts am Nil zu suchen. Asien. Die Chinesen haben die Japaner bei Kumotscheng in der Mandschurei angegriffen, sind aber von den japanischen Truppen ohne sonderliche Mühe zurück ge worfen. Die chinesischen Generale, welche Port Arthur verloren, sind zum Tode verurtheilt. Wie es heißt, planen die Japaner einen Handstreich gegen Peking. Aus HEM MuwEttzaLs. ^Waldenburg, 22. Februar. Herr Carl Alexander Elßner, bisher Hilfslehrer am hiesigen Fürstlich Schön- burgischen Lehrerseminar, ist zum ständigen Seminarlehrer an derselben Anstalt vom kgl. sächsischen Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts ernannt worden. *— Im Gasthof Remse fand gestern Donnerstag Abend ein von den 4 in Remse bestehenden Vereinen veranstalteter Maskenball statt, der sich eines außer ordentlich zahlreichen Besuches zu erfreuen hatte. Schlitten fuhren in den gestrigen Abendstunden in großer Anzahl durch unsere Stadt in der Richtung nach Remse zu. Der rührige Wirth hatte, wie wir hören, Alles aufge wandt, um fein Etablissement in decorativer Beziehung aufs Prachtvollste Herrichten zu lassen. *— Der Muldenfluß (Zwickauer Mulde) wird seit Jahren, namentlich oberhalb Zwickaus, durch Einführung mechanischer und chemischer Stoffe seitens der Groß industrie erheblich verunreinigt, so daß zur Zeit selbst bei der strengsten Kälte eine totale Eisdecke auf der Mulde sich nicht mehr bilden kann und alles organische Leben in derselben mehr und mehr abstirbt. Auch die Zuführung warmer Abfallwässer aus den Fabriken trägt hierzu bei. Es wird deshalb jetzt von vielen Seiten gefordert, daß von Staatswegen der Muldenverunreini gung eine größere Aufmerksamkeit zugewendet werde. *— Die beste Zeit des Baumschnittes ist jetzt ge kommen, nämlich die Zeit vor Eintritt des Saftes in den Stamm, weil dann, wenn derselbe zu steigen beginnt, durch die frische Schnittfläche zu viel des „Pflanzen blutes" verloren geht. Der echte Baumvater, der so glücklich ist, solche fruchttragende Kinder sein eigen nennen zu können, beginnt in fürsorgender Weise bei gelinden Tagen schon jetzt damit. *— Rudolf Falb läßt sich am Schluffe seines neuesten Wetterberichts folgendermaßen hören: Es steht nun wieder Zunahme der Kälte bei fortdauernder Temperatur bevor. Selbst der kritische Termin vom 24. (l!. Ord nung), der für kurze Zeit wärmeres Wetter bringen dürfte, wird wahrscheinlich die Trockenheit kaum merklich unterbrechen. Erst in den letzten Tagen und um den 3. oder 4. März sind Schneefälle zu erwarten, worauf dann Thauwetter eintritt. — Die städtischen Kollegien in Glauchau haben am 20. d. beschlossen, dem Fürsten Bismarck das Ehren bürgerrecht der Stadt Glauchau zu verleihen. In der selben Sitzung theilte Herr Bürgermeister Brink mit, daß kürzlich einige Herren in begeisterter Stimmung beschlossen haben, einen Fonds zur Errichtung eines Bismarck- Denkmals in Glauchau zu gründen. Zu diesem Zwecke seien bereits 1700 Mk. in der städtischen Sparkaffe an gelegt morden. — Die König!. Kreishauptmannschaft Zwickau hat ein von der österreichischen Negierung erlassenes Verbot der Einfuhr von Rindern aus dem Zwickauer und dem Leipziger Regierungsbezirke nach Oesterreich bekannt ge geben. — Der Berg- und Schloßherr von Arnim auf Pla nitz bei Zwickau hat über 200 Hectoliter Kohlen für die dortigen Armen gespendet. Die Vertheilung erfolgte an über 100 Parteien. Die Bergleute der Arnim'schen Werke erhalten von jeher die Kohlen zu bedeutend ermä ßigten Preisen, die Bergarbeiters-Wittwen dieser Werke erhalten aber die Kohlen unentgeltlich geliefert. Aus YSW Sachsenimrde. — Die Zuschüsse Sachsens zu den Matrikularbeiträgen md seit dem Jahre 1882 in rapider Weise gestiegen. Jiner uns vorliegenden Zusammenstellung zufolge betrugen dieselben 1882,83 127,178 Mk., 1884/85 3,145,000 Mk., 1886/87 1,871,000 Mk., 1888/89 10,884,000 Mk. und 1890/91 11,230,000 Mk. In den beiden letzten Jahren stiegen die Beiträge noch um ein Beträcht liches, nur liegen offizielle Zahlen noch nicht vor. — Die Stelle des Herrn Amtshauptmann v. Schlieben in Zittau, welcher vom 1. April ab zum vortragenden Nath im Königl. Ministerium des Innern mit dem Titel und Rang als Geheimer Regierungsrath ernannt worden ist, ist vom gleichen Zeitpunkte ab Herrn Regie rungsrath v. Beschwitz an der Königl. Kreishauptmann- chaft Bautzen übertragen worden. — Vor längerer Zeit richtete die Handelskammer zu Feuilleton. Die Grubenarbeiter. Socialer Roman aus der Gegenwart von A. Linde«. (Fortsetzung.) „Großmutter, erzähl' noch mal die Geschichte vom Berggeist und dem Königstöchterlein," bat auch Wilhel.n. „Was, Du alter Junge, bist ja schon so groß wie Dein Vater und willst auch noch Märchenflücklein hören?" sagte die alte Frau verwundert. Dann aber begann sie gleich mit flüsternder Stimme, um den Vater nicht zu stören: „Es war einmal ein mächtiger König, der halt' ein groß' Schloß, das stand auf einem hohen Berge, und er halt' auch ein einzig Töchterlein, die war so licht wie der Tag und so schön wie die Rosen im Gar ten. Tief unten im Berge aber wohnte der Berggeist, der stieg herauf in der Nacht und sah das Königstöchter lein, wie es schlief in den seidenen Kiffen; und er sah sie am Johannistag, wie sie im Garten saß unter dem Rosenstrauch " Die Erzählung der Alten wurde durch den Wiedereintritt der Mutter unterbrochen. „Da sitzt die Anna und läßt sich Kindergeschichten er zählen und mich allein arbeiten in der Küche," sagte sie vorwurfsvoll, „andere Mädchen, die so alt sind, wie Du, kön nen schon alles thun im Haus', denk mal an Bahners Grete!" Anna stand beschämt auf und deckte eilig den Tisch. Ihre Bewegungen waren anmuthig, ihre Gestalt fein und zierlich, ihr liebliches Gesichtchen, jetzt mit dem Roth der Scham übergossen, schön und ungewöhnlich. Dunkel braunes Haar fiel in zwei langen, dicken Zöpfen über den Rücken herab und bildete einen angenehmen Gegen satz zu dem schönen, tiefen Blau der Augen, die oft so träumerisch und gedankenvoll in die Ferne blicken konnten. Sie war nicht die rechte Tochter Wellbachs. Vor Jahren war ein fremder Steiger hierhergekommen mit seiner Frau und einem kleinen Mädchen. Er hatte auf dem Fichtenberg, einer wildfelsigen, tannenbewachsenen Höhe, die, sich hinter Wellbachs Hause erhebend, das Thal seitwärts begrenzte, zu schürfen angefangen, weil er be hauptete, hier, wo vor alten Zeiten gearbeitet worden sei, müßten sich noch reiche Erzlager finden. Der Fichten berg gehöre nicht zu der Steinhagenschen Concession. Auch das Volk erzählte sich, daß dort reiche Schätze ver borgen lägen, sie seien aber gebannt und böse Geister der Tiefe bewachen sie. — Der Fremde kehrte sich daran nicht. Ein kleines Kapital, welches er von den Eltern seiner Frau geerbt, gestattete ihm eine Zeit lang, sich mehrere Arbeiter zu Hilfe zu nehmen. Bald aber war er hierzu außer stände; nun mußte er allein weiter ar beiten; und er that es in der festen Zuversicht, endlich das Erz zu finden und hier für sich eine Concession zu eignem Bergbetriebe zu bekommen. War er erst so weit, dann konnte es ihm nicht mehr an Mitteln dazu fehlen. Da traf ihn das Unglück, seine Frau durch den Tod zu verlieren und nicht lange nachher fand man ihn selbst verschüttet und todt in seinem Schürfgraben. Frau Wellbach, die nach dem Tode der Frau das kleine Mädchen zu sich genommen hatte, sah das ver waiste Kind nun als ihr eigenes an, und das um so lieber, als sie selbst kein Töchterchen besaß. Sie hatte Annchen so gern, als ob es wirklich ihr rechtes Kind ge wesen wäre, und auch die Kleine hing an den Pflege eltern und an Wilhelm mit großer Zärtlichkeit. Das einfache Abendbrot stand auf dem Tische; kräftig und würzig dampften die mit Speck und Zwiebeln ge bratenen Kartoffeln. Dazu genoß man Kaffee mit Ziegen milch und schwarzes Brot. Die Mutter hatte noch eine stärkende Suppe für den Vater bereitet; dieser war jetzt aus seinem Halbschlummer erwacht und sah nun viel kräftiger aus als vorhin. Nachdem er das Tischge bet gesprochen, berichtete er während des Essens von dem Unfall, der den Hauer Gebhard betroffen. Daran an knüpfend, erzählte dann Wilhelm, wie der Bahners auf der Brücke gestanden und geflucht, und was er für Reden gegen die andern geführt habe. „Der sollt' doch nun endlich mal still sein," sagte Wellbach. „Es war ja wohl hart für ihn, als der Herr ihm den schönen Posten nahm, den er bei dem alten Herrn Nandenberg hatte, aber er hat ihm doch nachher so viel Guts gethan und ihm so lang geholfen, wie's nur ging." „Ja, Vater," bemerkte Wilhelm, „der Heinrich hat mir's erzählt, der Herr Steinhagen hat ihm auch ein groß'Unrecht gethan. Der Bahners war so gut gelitten bei dem alten Randenberg, und der hat ihn noch mal wollen zum Verwalter machen. Als aber der alte Herr aus dem Wagen gefallen und todtgeblieben ist, da hat der Bahners gesagt, der Herr Steinhagen wär's am End' schuld und als der das gehört hat, da hat er den Bahners fortgeschickt und beim Gericht verklagt, dann hat der sitzen müssen, darum, daß er seine Meinung sagte. Nach her hat der Herr Steinhagen dem Randenberg seine Frau geheiratet und so viel Geld gekriegt, daß er die Grube so groß machen konnte. Da ist er auf den Bah ners wieder gut geworden und chat ihm helfen wollen, aber der . . ." „Sei nur still, Wilhelm, das verstehst Du nicht," unterbrach ihn der Vater. „Bahners sein Unglück war's, daß er sich ans Trinken gab, aus Aerger darüber, daß er damals hat sitzen müssen. Nun raisonnirt er immer über den Herrn, und der hat's doch nachher so gut ge meint mit ihm. Jetzt kann der Herr Steinhagen sich's aber nicht gefallen lassen, daß der Bahners ihm die Leute fortwährend aufwiegelt und abspenstig machen will mit seinen wilden Reden. Das ist hier nicht angebracht, anderswo mag's ja schlimmer sein, und die Leute haben wohl recht, wenn sie nicht still sind dazu. So lang wir aber unsern guten Herrn behalten, der sich immer freut, wenn er uns einen schönen Verdienst zukommen lassen kann, und in allem für uns sorgt, daß uns nichts mangelt, sind wir zufrieden und wollen nichts wissen von Streit und Aufruhr." ^Fortsetzung folgt.)