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gebracht habe, sowie die Nothwendigkeit von neuen Steuern im Reiche. Für die bedrängte Landwirthschaft wolle seine Partei eintreten. Redner verlangt zum Schluß die Wie derherstellung der katholischen Abtheilung im Cultus- ministerium. Ministerpräsident Fürst Hohenlohe nimmt das Wort, um zu constatiren, daß im Ministerium volle Uebereinstimmung herrsche. Auf die Gerüchte von Mi nisterwechseln sei nichts zu geben, Leute, die sich für Staatsmänner hielten, pflegten Derartiges durch Journa listen zur Erreichung von Sonderinteressen verbreiten zu lassen. Er kenne aus eigener Erfahrung folche Sachen. Dem Vaterlande werde der beste Dienst erwiesen, wenn man solche Gerüchte ganz unbeachtet lasse. Abg. von Schalscha (Ctr.) hebt den Nothstand der Landwirthschaft hervor und klagt über die Nachtheile des russischen Han delsvertrages. Der Landwirthschaft könne heute nur noch die Annahme des Antrages Kanitz betr. den Handel mit fremdem Getreide helfen. Abg. Rickert (freis.) dankt dem Fürsten Hohenlohe für seine Mittheilungen, bekämpft die kirchlichen Forderungen des Centrums und bestreitet, daß sich schon die praktischen Ergebnisse des russischen Handels vertrages übersehen ließen. Redner fragt, wie sich die Regierung zum Anträge Kanitz stelle und erklärt neue Reichssteuern für unnöthig. Eine Aufbesserung der Lehrer gehälter will Redner bewilligen. Finanzminister Miquel antwortet, der Antrag Kanitz gehöre vor den Reichstag, dort werde die Reichsregicrung Antwort stehen. Neue Einnahmequellen im Reiche seien unvermeidlich. Ueber die Convertirung der vierprocentigen Staatspapiere ist, wie Redner mittheilt, etwas Definitives noch nicht be schlossen. Nachdem noch Abg. von Erffa eingehend die Nothlage der Landwirthschaft besprochen und den Antrag Kanitz als einziges Hilfsmittel bezeichnet hatte, wird die weitere Debatte bis zum Mittwoch vertagt. Oefterreich-Ungarn. Ein sehr ernster Conflict ist zwischen Oesterreich- Ungarn und Bulgarien wegen der auf ausländische Waaren erhobenen Accise, die im Widerspruch mit den bestehenden Handelsverträgen steht, ausgebrochen, der dem bulgarischen Ministerium Stoilow wohl dar Dasein kosten dürfte. Da die Accisefrage auch den deutschen Handelsstand in hervorragendem Maße interessirt, ist es gut, daß Oesterreich-Ungarn es unternimmt, mit Bulgarien ein kräftiges deutsches Wort zu reden. Frankreich. Langsam geht's vorwärts mit der Bildung des neuen Ministeriums und auch noch gar nicht recht sicher. Der Abg. Bourgeois, welcher zum Premierminister ausersehen ist, hat einmal die Flinte bereits in's Korn werfen wollen und versucht sein Heil nun zum zweiten Male auf Bitten des Präsidenten Faure, der keinen an deren Mann hat ergattern können. Welche Tollheiten in Paris in Umlauf gesetzt werden, dafür spricht die Nachricht, Casimir-Perier wolle sich von seiner Gattin scheiden lassen, und das sei auch der Hauptgrund der Abdankung gewesen. Perier habe eine Liebschaft mit Mad. Bourdeau, einer schönen Creolin, und sei dadurch völlig entnervt. Der neue Präsident behält das ganze Personal des Elyseepalastes. Die Firma des Faure'schen Geschäftes in Havre lautet jetzt Bergerault L Cremer. Bergerault ist der erste Angestellte des Hauses, Cremer ein Vetter Faure's. Italien. In Mailand wurden am Dienstag in früher Mor genstundewiederum zwei Bombenanschläge verübt. Nahe dem Zellengefängniß platzte unter heftiger Entladung eine Bombe, ohne aber Schaden anzurichtcn. Die Polizei nimmt an, die Anarchisten hätten ihrem in den letzten Tagen verhafteten Kameraden ein Zeichen geben wollen. Ferner wurde auf dem Fenstergesimse eines herrschaftlichen Hauses in der Via Bigli eine Bombe gefunden, die aber rechtzeitig entfernt werden konnte, ohne daß eine Explo sion erfolgte. Es wird bestätigt, daß die allgemeinen Wahlen am 28. April, die Stichwahlen am 5. Mai stattfinden. Rußland. Aus Warschau werden Aufsehen erregende Verhaf tungen gemeldet: In der Nacht zum Sonntag sind mehrere katholische Geistliche verhaftet, welche nach der Citadelle gebracht wurden. Der Erzbischof von Warschau soll wegen des Zwischenfalles feine Würde niederlegen wollen. Asien Es scheint sich zu bestätigen, daß England den sieg reichen Japanern in den Arm fallen will. Die Londoner Regierung hatte ursprünglich verlangt, die Japaner sollten den Vertragshafen Shangai nicht angrei fen, und dieser ist auch respectirt; jetzt wird diese For derung auch auf Tschifu ausgedehnt, welches in bedenk licher Nähe von Wei-hai-wei liegt und eine starke euro päische Handelscolonie besitzt. Das britische ostasiatische Geschwader unter dem Admiral Freemantle ist dorthin abgegangen. Ob es für die Japaner möglich sein wird, Tschifu zur Seite liegen zu lassen, wenn-sich,die Chinesen daselbst festsetzen, steht dahin. Amerika. Der Streik der Straßenbahnangestellten in New-Jork hat nun zu regelrechten Straßenkämpfen geführt. Die aufgebotene Miliz hat wiederholt schürf gcscuert, um den Ansturm der Streikenden und der für die Letzteren Partei nehmenden Volksmenge abzuwebren, uns zuletzt Kanonen zum Schutz der bedrohten DepoiS ansgefahren. Diese Vorkommmsse zeigen, daß man drüben auch nicht entfernt alle beiden Augen zudrückt, wenn es zu einem Tumult kommt, sondern die schärfsten Blaßnahmen ergreift. Die Zustände in der Nordamerikanischen Union sind nicht etwa gemüthlicher, sondern im Gegentheil viel bedenklicher, als bei uns. Wer lernen will, wie es in der Welt zu- geht, der kann drüben tüchtig etwas profitiren. Ans dem MuLdsnthaLe. *Waldeubttrg, 23. Januar. Wie bereits erwähnt, wird im hiesigen Gewerbeverein der Geheimsecretär a. D. und frühere Gesandtfchaftsbeamte in Konstantinopel Herr Brünecke aus Halle nächsten Dienstag einen Vor trag über den Nordostsee-Canal halten. Wir ma chen auf diesen jedenfalls hochinteressanten Vortrag mit dem Bemerken aufmerksam, daß derselbe, wie wir hören, durch Karten und Pläne erläutert wer den wird. Der genannte Verein gedenkt übrigens sein diesjähriges Stiftungsfest am 5. Februar abzuhaltcn, diesmal im Rathhaussaale. *— Die kgl. Amtshauptmannschaft Glauchau bringt zur öffentlichen Kenntniß, daß vom Reichskanzleramte der Betrag der im Jahre 1895 für die Naturalverpflegung bei Ein quartierungen zu gewährenden Vergütung für Mann und Tag a) bei voller Tageskost auf 80 Pf. mrt Brod und 65 Pf. ohne Brod, b) bei Mittagskost auf 40 resp. 35 Pf., c) bei Abendkost auf 25 resp. 20 Pf. und <1) bei Morgenkost auf 15 resp. 10 Pf. festgesetzt worden ist. *— Gefälschte Zinsscheine der 3procentigen Reichs anleihe sind, wie mitgetheilt, in letzter Woche mehrfach angehalten worden; Diejenigen, welche die Falsificate von fremden Personen angenommen haben, erleiden natürlich Verluste, da die Reichsschuldenverwaltung keinen Ersatz leistet. Es ist daher nur anzurathen, Zinsscheine, die ursprünglich gar nicht als Zahlungsmittel geschaffen wur den, gar nicht oder nur von ganz bekannten Persönlich keiten in Zahlung zu nehmen. *— Nach einer neuerlichen Verordnung des königlichen Ministeriums des Innern sind die vielfach üblichen Fahr radklappschilder, bei denen Name und Stand des Rad fahrers mittelst eines beweglichen Deckels verdeckt werden kann, als mit verschlossenem Deckel versehene und also zulässige Schilder im Sinne von H 1 der Verordnung vom 23. November 1893, den Verkehr mit Fahrrädern auf öffentlichen Wegen betreffend, anzusehen. *— Die Ziehung der 2. Elaste der 127. königlich sächsischen Landeslotterie findet am 4. und 5 Februar 1895 statt. Die Erneuerung der Loose ist nach Z 5 der dem Plane zu dieser Lotterie angefügten allgemeinen Bestimmungen vor Ablauf des 26. Januar zu bewirken. Ans dem Sachsenkmde — Wie bereits erwähnt, gedenkt Se. Majestät der König Sonnabend, den 26. ds. M. nach Berlin zu reisen, um Se. Majestät den Kaiser zu dessen Geburtstag per sönlich zu beglückwünschen. Die Abreise erfolgt vor mittags 10 Uhr 48 Minuten. — Bei dem Ordensfeste in Berlin haben aus Sachsen Orden erhalten: den Rothen Adler-Orden 2. Classe mit Eichenlaub die Reichsgerichtsräthe in Leipzig Rüger und v. Reich; den Rothen Adler-Orden 3. Classe mit der Schleife die Reichsgerichtsräthe Bär, Rehbein, Turnau; den Rothen Adler-Orden 4. Classe Postrath Engelke in Dresden, die Postdirectoren Wartmann-Crimmitschau, Meyer-Mittweida, Muth-Riesa, die Reichsgerichtsräthe Brückner, Zimmerle und Ege; den Kronen-Orden 2. Cl. Oberpostdircctor Halle in Dresden, den Kronen-Orven 4. Cl. Posthalter Hegemann in Chemnitz. — Wie man von zuverlässiger Seite erfährt, wird der Chef des sächsischen Gcncralstabes, von Hausen, zur Wahrnehmung der Stellung eines Generalquartiermeisters nach Berlin commandirt werden. Es bedarf wohl kaum der Hinzufügung, daß damit dem ganzen 12. Armeecorps eine hohe Ehre erwiesen wird. — In Chemnitz kam es am Montag Vormittag in eiuer Gießerei in der Nordvorstadt zu einem schweren Feuilleton. Brandkäthe. Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters. Von A. Linden. (Fortsetzung.) Für Johann war's stets ein Freudentag, wenn ich kam, und wenn ich seine leuchtenden Augen sah, nahm ich mir jedesmal vor, meinen Besuch bald zu wiederholen ungeachtet des Geredes der Leute, die schon allerlei Be merkungen und Vermuthungen zischelten über den neuen Schulmeister und die Brandkäthe. Eines Sonntags nachmittags, als ich, nachdem ich meinen Organistendienst in der Kirche versehen, behaglich in der wohlgeheizten Stube einsam bei meiner Taffe Kaffee saß, klopfte es kräftig an die Thür, und auf mein „Herein!" erschien Peter Bordmanns stämmige Gestalt. „Guten Tag, Herr Schulmeister!" rief er, sich den Schnee von der Pelzmütze klopfend und mir derb die Hand schüttelnd. „Haben's gemüthlich warm hier drinnen, s'ist aber auch ein schönes Winterwetter draußen." „Ja, es hat tüchtig geschneit," entgegnete ich, indem ich ihm meinen Korbsessel bot. Er schob ihn zum Ofen und setzte sich hinein, daß der leichte Stuhl bedenk lich krachte. „Na, gut ist's für die Saat, daß das bißchen Schnee liegt," meinte er dann, sich behaglich zurücklehnend und die Beine gegen den Ofen ausstreckend, „wenn's nur meiner Alten und mir nicht immer drei Tage vorher in den Gliedern süß'! Ja, ja, Herr Lehrer, wir wer den alle Tage älter und 's will gar nicht so recht mehr geh'n." „Aber an Ihrem Sohne haben Sie doch in Allem eine tüchtige Hilfe," sagte ich. Er nickte zustimmend. „Hm, ja, fleißig und brav ist der Junge, das muß man ihm lassen, wenn er nur nicht den eigensinnigen Kopf hätt' und seinem Vater mehr gehorsam wär." „Ah, Sie meinen wegen der Schwiegertochter?" „Grad' das mein ich, und wie er will, so will ich nicht; gegen die Marie hab' ich nichts, aber als Frau auf unserem Hof können wir doch keine nehmen, die auf dem Webstuhl gesessen hat, um sich ihr täglich Brod zu verdienen." „Ich meine aber, das ist doch keine Schande; ehrliche Arbeit schändet niemals!" „Ach, das versteht Ihr nicht, Herr Schulmeister!" unterbrach der Alte mich kurz. Dann saß er eine Weile schweigend da, räusperte sich mehrmals und schien irgend etwas auf dem Herzen zu haben, mit dem herauszu rücken er sich doch nicht so recht entschließen konnte. Er sah mich eine Weile scharf an, dann begann er: „Herr Lehrer, ich wollt' Ihnen was sagen, d'rum bin ich her gekommen, hab schon immer d'ran gedacht, wie ich's wohl so ein bißchen schicklich einkleiden könnt', aber ich kann nicht viel Umschweife machen, unsereins fährt am liebsten grab' aus. Also ich mein', es schickt sich doch nicht für Euch, wenn Ihr die Brandkäth' zur Lehrers frau in Nordenkirch machen wollt." Ich fühlte, wie ich roth wurde. „Aber wie kommen Sie denn dazu, anzunehmen, daß ich das thun will?" fragte ich stockend. „Na, das erzählen sich doch die Kinder auf der Straß', daß Ihr immer nach dem Ginsterberg geht und die Dirn besucht. Da hab' ich zu meiner Frau gesagt: „Der Schulmeister ist sonst ein vernünftiger Mann, ich werd' hingehen und es ihm sagen; 's kann ja auch sein, daß er sich nichts Arges dabei gedacht hat, man muß aber doch sorgen, daß man nicht in der Leute Mund kommt." „O, an das, was die Leute reden, kehr' ich mich nicht," entgegnete ich lachend. „Ja, das hat der Hermann Reinberg auch gesagt und nachher hat er's doch anders bedacht und ist weggeblieben von der Käth'; dem hatten sie ja dasselbe Gered' gemacht. Jetzt ist er vernünftig geworden und hat eingesehen, daß die Toni aus der Thalmühle besser zu ihm paßt." „Die Toni?" fragte ich verwundert. „Wie meinen Sie das?" „Ja wissen's denn noch nicht, daß die Beiden mit einander eins geworden sind? Am zweiten Christtag soll der Verspruch gefeiert werden." Die Nachricht überraschte mich gar zu sehr, ich konnte ihr keinen Glauben schenken. So wie ich Hermann Rein berg kannte, schien es mir unmöglich, daß er, der prächtige junge Mensch, Wohlgefallen finden konnte an diesem Mädchen, das reich und auch wohl fleißig und arbeitsam, doch geistig beschränkt, mit Stolz herabsah auf die anderen, die ihr an Reichthum nicht gleichstanden. „Das ist nicht möglich! Ich kenne den Hermann zu genau und weiß wohl, daß er sich niemals in die Toni verlieben könnte," rief ich ordentlich empört. „Das ist nur ein dummes Geschwätz von den Leuten." „Dummes Geschwätz! Mit so was halt' ich mich nicht auf!" entgegnete Peter Bordmann beleidigt. „Wenn ich's aber sag, so könnt Jhr's glauben!" Ich schüttelte den Kopf. „Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Bordmann; ich kann mir aber nicht denken, daß der Hermann die Toni lieben könnte." „Lieben? Davon ist auch keine Red'. Das steht bloß immer in den Geschichtenbüchern, wo zwei sich erst kriegen, wenn sie vorher allerleiMalhcur und Molesten durchzumachen haben! Die vornehmen Leut', die Stadtfräulein uitd die Stadtherren, die mögen's auch wohl thun, aber wir Bauersleut' haben keine Zeit dazu. Die Frau Reinberg hat's ja schon immer haben wollen mit der Toni, der Hermann ist nun diese Woch' in der Mühl gewesen und hat angefragt, die Toni und ihr Vater haben ja gesagt, und Christfest ist der Verspruch," berichtete Bordmann ruhig und seiner Sache gewiß. „Aber ich begreife nicht wie der Hermann das thun konnte, da muß doch etwas Besonderes zu Grunde liegen, daß er diesen Entschluß fassen konnte," bemerkte ich noch immer staunend. (Fortsetzung folgt.)