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Bei den stattgehabten schriftlichen Prüfungen ist trotz aller Vorsicht das Abschreiben recht stark betrieben und sechzehn junge Leute sind abgefaßt. Die Ober-Militär- Prüfungs-Commission hat nun angesichts der gezeigten Unredlichkeit entschieden, daß alle Kadetten das Examen noch einmal zu machen haben, auch diejenigen, welche auf Grund ihrer guten schriftlichen Leistungen von der mündlichen Prüfung dispensirt wurden. Der Kaiser hat die Entscheidung bestätigt. Im Auftrage des Kaisers ist der Hofmarschall Frhr. von und zu Egloffstein in Petersburg eingetroffen, um das kaiserliche Hochzeitsgeschenk für das russische Kaiserpaar zu überbringen. Ein Theil dieser Hochzeits gabe wurde bekanntlich durch den Prinzen Heinrich von Preußen in Petersburg bereits überreicht, während der andere Theil erst jetzt fertiggestellt werden konnte. Die Hochzeitsgabe besteht in einem kostbaren Tafelservice, an gefertigt in der Berliner kgl. Porzellan-Manufactur, und zwar nach den Modellen und der Form, in welchen Friedrich der Große das Service für das Neue Palais hat anfertigen lassen. Es ist dies die sog. Reliefzierrath- form, welche reichen Reliefschmuck mit Rokoko-Ornamenten und Blumengezweig zeigt und mit Blumenmalerei und prächtiger Vergoldung versehen ist. Das Service ist zum Schmuck einer Tafel für etwa 30 Personen bestimmt und weist u. A. herrliche Aussätze und Kandelaber auf, die zur Decoration der Tafel beitragen. Dem Reichstag wird ein von weitaus dem größten Theile der Mitglieder der ConservativLN, der Freiconser- vativen, des Centrums und der Nationalliberalen unter stützter Antrag der Abgg. Graf Mirbach, v. Kardorff, Or. Lieber, I)r. Friedberg zugehen: „Der Reichstag wolle beschließen, an die verbündeten Regierungen das Ersuchen zu richten, dieselben wollen baldthunlichst Einladungen zu einer Münzconferenz ergehen lassen behufs inter nationaler Regelung der Währungsfrage." Im preußischen Abgeordnetenhaus folgte am Sonnabend die Berathung der Einnahmen aus dem Güterverkehr. Es kam hierbei zu einer sehr umfang reichen Erörterung der sogen. Staffeltarife, welche zu ver schiedener Beurtheilung Anlaß gaben. Eine Petition schlesischer landwirthschaftlicher Vereine auf Einführung gleichmäßiger niedriger Frachtsätze für lebendes Vieh und auf Wiedereinführung der Staffeltarife wurde der Staats regierung zur Erwägung überwiesen. Alsdann wurde die Weiterberathung des Eisenbahnetats bis Montag vertagt. Oefterreich-Ungaru. Kaiser Franz Joseph ist am Sonntag früh nach Cap Martin bei Monte Carlo abgereist, um dort einige Winterwochen zu verbringen. Vorher hatte der Monarch in Wien noch längere Conferenzen mit dem österreichi schen und ungarischen Ministerpräsidenten gehabt. Krankretrh. Von dem nach New-Jork überfälligen Dampfer „Gas cogne" fehlen noch immer nähere Mittheilungen. Sach- verständigen-Kreise halten aber noch an der Hoffnung fest, dem Schiffe sei nur ein Unglück an der Welle oder am Steuer zugestoßen und sein Lauf dadurch verlangsamt. In den Armeecorps-Commandos in Frankreich ist ein größerer Wechsel eingetreten. Das Interessan teste daraus für uns ist, daß General Jamont, der bis her an der deutschen Grenze commandirte, zum Armee inspector ernannt worden ist. Sein Nachfolger ist der General Hervki. Belgien. Im Anarchistenprozeß zu Lüttich, in welchem bekanntlich auch eine Anzahl Deutsche angeklagt waren, ist jetzt das Urtheil gesprochen, und zwar ist es recht streng ausgefallen. Die Strafen lauteten von 6 Mo naten Gefängniß bis zu zehn Jahren Zwangsarbeit. Einer der zu zehn Jahren Zwangsarbeit Verurtheilten gerieth in solche Aufregung, daß er wie ein Wahnsinni ger auf die bewachenden Gendarmen loszuschlagen be gann und von diesen gefesselt werden mußte. England. An der englischen Küste sind, wie im Parlament mit- getheilt wurde, von Dccember bis Mitte Januar 586 Schifbrüchige ertrunken. Die gerüchtweise Meldung von einer bevorstehenden Verlobung des Kronprinzen von Italien mit der Prin zessin Maud von England wird für unbegründet erklärt. Ruhland. Der frühere bulgarische Kapitän Benderew, der bei der Entführung des Fürsten Alexander Battenberg seiner zeit die Hauptrolle spielte, ist jetzt zum russischen Ritt meister ernannt. Wer noch nicht gewußt hat, wie Czar Nicolaus über Bulgarien denkt, der weiß es nun. In Orel, Charkow, Kiew und Odessa sind mehrere Personen unter dem Verdachte verhaftet, daß sie Droh briefe an den Czaren und dessen Familie geschrieben haben. Asien. Der Kaiser von China soll die Absicht gehabt haben, abzudanken, sich hinterher aber anders besonnen haben. Was die Kämpfe bei Weihaiwei betrifft, so find die Chinesen nun dort völlig verdrängt, man muß aber zu geben, daß sich ihre Marinetruppen recht gut geschlagen haben. Haben auch die Japaner mehrere chinesische Schiffe in den Grund gebohrt, so haben doch auch die Chinesen zwei japanische Torpedodivisionen und ein gro ßes Kriegsschiff fast total vernichtet. Die allgemeine Annahme geht dahin, daß von Seiten der interessirten Großmächte nichts geschehen wird, bis Peking von den Japanern genommen ist, dann werden auch Ruffen und Engländer ihren Vortheil wahrnehmen. Der Krieg hat doch Japan dermaßen angestrengt, daß es nicht wagen kann, sich noch mit einer Großmacht zu verfeinden. Polynesien Zwei Amerikaner und ein Engländer sind wegen Theil- nahme an der Revolution auf Hawaii zu Gunstender abgesetzten Königin Liliukalani zum Tode verurtheilt. Zu einer Vollsührung der Exekution wird es natürlich nicht kommen. Die britischen Kriegsschiffe und die ameri kanischen, welche in den dortigen Gewässern kreuzen, werden das Aergste schon verhindern. Aus dem MuldsnLhale. ^Waldenburg, 11. Februar. Der für Sonnabend Abend 6 Uhr anberaumten gemeinschaftlichen Sitzung der städtischen Collegien wohnten bis auf 2 entschuldigte sämmtliche Mitglieder bei. Nachdem die Herren, die bei der letzten gemeinschaftlichen Sitzung deputirt worden waren, sich über die Einrichtung und Brauchbarkeit elek trischer Centralen anderer Städte zu informiren, über ihre Erfahrungen eingehend berichtet hatten, wurde ein stimmig beschlossen, die Errichtung einer solchen Centrale im Princip für Rechnung der Stadt zu genehmigen, vorausgesetzt, daß die Betheiligung von Seiten der Ein wohnerschaft eine genügende wird, daß das Ministerium die Entnahme von Licht für das hiesige Lehrerseminar genehmigt und daß die einzuholenden Sachverständigen- Gutachten eine Rentabilität in Aussicht stellen. Ein weiterer Punkt der Tagesordnung, betr. das Ortsstatut über die Pensionirung der Hebammen, konnte der vorge schrittenen Zeit wegen nicht zur Verhandlung kommen. *— Der Winter zeigt sich dieses Jahr von seiner ungemüthlichsten Seite. Vergangene Nacht siel die Temperatur wieder auf 21 Grad Celsius unter Null. Die Mulde ist streckenweise gänzlich zugefroren. Die strenge Kälte hält nunmehr seit dem 22. Januar bis heute fast ununterbrochen an, eine Erscheinung, die glück licherweise zu den Seltenheiten gehört. Der heurige Winter hat bisher Aehnlichkeit mit dem Winter von 1845, also vor 50 Jahren. Damals trat starker Frost und Schnellfall in den letzten Tagen des Jahres 1844 ein und hielt ununterbrochen bis zum 3. Ostcrfeiertag im April an. Hoffentlich ist der Winter diesmal gnädiger. — Die Begründung einer höheren Mädchenschule in Glauchau ist nunmehr erfolgt. Nach vorläufiger Fest stellung ist auf etwa 40 Schülerinnen zu rechnen; die Kosten belaufen sich auf ungefähr 6000 Mark pro Jahr. Für die ersten Bedürfnisse der Schule, Anschaffungen und Einrichtungen, ist bereits ein Grundfonds von 4000 Mark vorhanden. — Die Firma Boeßncck L Co. in Glauchau beab sichtigt in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine große Stückfärberei zu errichten, in der besonder« die von hier aus ungefärbt dorthin versandten Kleider stoffe gefärbt und appretirt werden können. Da die un gefärbten Stoffe weit weniger Zoll zu bezahlen haben als die nadelfertigen, so ziehen es die meisten nord- amerikanischen Kunden vor, die Stoffe roh aus Deutsch land zu beziehen und sie drüben färben zu lasten. Es ist darum wünschenswerth, daß für gute Färbereien und Appreturanstalten in den Vereinigten Staaten gesorgt wird. — In der Landes-Strafanstalt Zwickau zählte man am 1. Octobcr v. I. 873 Personen, am 31. Decembrr 928. In sämmtlichen Landes-Straf- und CorrectionS- anstalten Sachsens betrug die Zahl der Gefangenen am 31. December 4582. — Die königliche Kreishauptmannschaft Zwickau hat auch dieses Jahr einige Freistellen in dem Augustusstiftr zu Bad Elster an würdige und bedürftige Personen zu vergeben. Den bis zum 15. März d. I. bei dieser Be hörde einzureichenden Gesuchen sind beizufügen: 1., rin von einem legitimirten Arzt ausgestelltes Krankheitszeug- niß und 2., ein obrigkeitliches Würdigkeits- und Bedürf- Feuilleton. Brandkäthe. AuS den Papieren eines Dorfschulmeisters. Von A. Liuden. (Fortsetzung.) „Noch am selben Tag macht' ich mich auf nach Norden kirch, weil ich mir dachte, daß Ihre Mutter oder Sie jetzt in der Lage sein würden, mir so viel Geld zu be schaffen, als ich brauchte, um mir im Auslande eine neue Existenz zu gründen." Höhnisch hielt er einen Augenblick an, trank, und suhr lachend fort: „Gegen Abend kam ich an, ging durch die Hinterge bäude auf bekanntem Wege in den Hof und ließ durch die kleine Magd, die mich in der Dämmerung nicht kannte, Ihre Mutter Herausrufen. Mein Anblick ver ursachte ihr nicht gerade besondere Freude, wie Sie sich ja wohl denken können. Sie sagte auch jetzt wieder, sie habe jetzt keine Zeit, mit mir zu reden, auch sei es zu gefährlich, ich solle mich verborgen halten auf dem Frucht speicher in der kleinen Kammer, in der auch ein Bett stand, weil manchmal der Ladeknecht dort schlief; darin könne ich übernachten und später, wenn alle beim Fest auf der Mühle wären, könnten wir ungestört unsere Sache verhandeln. Mir leuchtete das ein und ich ging, wohin sie mich gewiesen. Wohl hatte ich gesehen, wie blaß und eigen die Frau aussah und wie der Blick ihrer Augen für mich etwas Unsicheres und Unheimliches hatte, aber ich dachte, es sei die Furcht, daß ihr Thun durch mich entdeckt werde." Hermanns Blicke hingen immer entsetzter an des Red ners Munde. Der aber weidete sich an der Angst seines Opfers und erzählte umständlich weiter: „Schon ziemlich spät am Abend war's und noch immer hörte ich nichts von ihr, da wollte ich hinabsteigen, um zu sehen, ob die Frau jetzt allein zu Hause sei; aber die Treppenthür war fest verschlossen, es war nicht mög lich, nach unten zu gelangen. Endlich, des Wartens müde, klopfte und pochte ich so laut, daß es drinnen im Hause gehört werden mußte. Da vernahm ich nach einiger Zeit von außen ein leises Rufen, ich machte das kleine Fenster auf, welches in den Garten hinausgeht, in der Nähe des Fußweges drüben. Unten stand Ihre Mutter, sie sagte, sie habe mit Absicht, wie jeden Abend so auch heute, die Thür zum Fruchtspeicher verschlossen der Knechte wegen und damit nicht jemand zufällig her aufkomme und mich finden könne. Auch wären im Hof noch Leute vom Gesinde um eine kranke Kuh beschäftigt, deshalb sei sie auch jetzt durch den Garten gegangen, um mit mir zu reden. Sie fragte mich dann, wie viel Geld ich verlange, und als ich die Summe nannte, ver sprach sie mir, dieselbe am andern Tag zu beschaffen, so lange soll ich mich hier oben verborgen halten, etwas zu essen werde sie mir schon herauf besorgen. Dann ging sie; mir gefiel das Ganze nicht recht, aber was wollt' ich machen. Wieder dauerte es eine Zeit lang, es war mir so sonderbar zu Muthe, und es wurde mir ganz unheimlich dort oben. Ich ging zum Fenster, um zu sehen, ob ich hinaussteigen könne, aber die Höhe war zu beträchtlich; da erblickte ich auf dem Fußweg eine Frauen gestalt, die regungslos stand, und wie es schien, zu mir herauf sah. Ich glaubte, es sei Frau Reinberg gewesen, und rief ihr zu, sie solle aufmachen; ich sei es müde, hier oben zu warten. Zugleich entdeckte ich, daß ich mich geirrt, denn nun sah ich Frau Reinberg unten an der Mauer durch den Garten schlüpfen, während jene andere noch auf dem Wege stand. Plötzlich drangen dichte Rauchwolken in den Raum, ein seltsames Knattern und Knistern wurde laut, und ein Heller Flammenschein zuckte am Fenster vorüber. Da auf einmal ward mir alles klar, Ihre Mutter hatte das Feuer angelegt; sie hatte den Rath befolgt, den ich ihr selbst gegeben, als sie mir früher vor meinem Fortgehen entgegen hielt, daß sie kein.Geld besitze. Ich sagte ihr damals: „So schaffen Sie welches, stecken Sie die Bude drüben in Brand, die Gebäude und ihr Inhalt an Frucht sind zu doppeltem Werth versichert. Das, was die Feuerversicherung dafür zahlen muß, hilft Ihnen und mir aus allen Nöthen, und kein Mensch wird irgend einen Verdacht gegen Sie hegen." Damals hatte sie entrüstet meinen Vorschlag von sich gewiesen, jetzt machte sie Gebrauch davon, um zugleich sich meiner zu entledigen. Sie mochte gedacht haben, ich würde das Feuer nicht eher bemerken, als bis es für mich zu spät sei. Und das Entkommen war in der That schwer. Die Thür war fest verschlossen. Ich über legte, ob ich nicht das im Hof oder im Stall beschäftigte Gesinde zu meiner Befreiung herbeirufen sollte; in diesem Fall aber würde man mich erkennen und alles war dann für mich verloren. Die Gefahr wuchs mit jeder Minute, ich hörte, wie draußen alles in Aufruhr gerieth, wie dir Leute zum Löschen herbeieilten; mir blieb keine Wahl. Dicker wurde der Dampf und heißer, zündender der Flammenschein. So zog ich den einzigen, wenn auch ge fährlichen Rettungsweg, der sich mir bot, dem sicheren Feuertode vor, schwang mich aus dem Fenster und ver suchte, an dem Obstspalier zur Erde zu klettern. E« ging bester, als ich erwartet hatte. Wohl stieß ich mich am Mauerwerk, daß ich blutete. Am Arm und in der Seite verletzt, fühlte ich starke Schmerzen, doch durfte ich an sie jetzt nicht denken, so verbiß ich sie denn und überlegte, wie ich ungesehen fortkommen könne. Zornig, daß ich nun unverrichteter Sache wieder zurückkehren müsse, schlich ich hinweg, ohne zu wissen, wohin ich meine Schritte lenken sollte. Als ich an dem Sallertschen Haus vorbei kam, sah ich die Thür offen stehen; da blitzte mir's durch den Kopf: Der Alte ist nicht da, oder doch ganz allein, geh' hinauf und nimm dir von ihm so viel Geld, als du brauchst. Was die Reinberg dir nicht geben wollte und dir doch zukommt, nimm' dir von Sallert. So ging ich hinauf; in Sallert« Schlafzimmer stand sein Pult, ich wußte, daß er darin stets eine Summe Geldes aufbewahrte." (Fortsetzung folgt.)