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Zur BerzichlerMung Eoolidges. Washington Post bringt eine Zusammenstellung von Aeußerungen führender amerikanischer Blätter zu Coolidges Erklärung, die allgemein als ebenso uner wartet, wie unklar bezeichnet wird. Die demokra tischen Zeitungen, darunter New York World und Baltimore Sun sind bemüht, den Präsidenten sestzu- nageln, und erklären, an dem Wort des Präsidenten dürfe nicht gedeutelt werden. Seine Achtung vor der amerikanischen Tradition, die gegen eine dritte Amts periode ist, sei hoch anzuerkennen und verschaffe ihm einen guten Abgang. Es sei selbstverständlich, daß er seinen Entschluß nicht ändern werde. In den republikanischen Kreisen herrscht nach der Associated Preß große Unsicherheit, was die Partei nun tun solle. Man erkennt die Bedenken gegen eine dritte Amtsperiode an, die seit Washington bei allen Präsidentschaftswahlen Geltung gehabt haben, aber man hat sich noch nicht entschieden, ob man diesen Bedenken trotzen oder einen anderen Kandidaten auf stellen soll. Nach dem „Washington Star" kommen als aus sichtsreiche Kandidaten nur Hoover und Dawes in Frage. Hoover hat sich durch seine vorzügliche Arbeit bei der MississippiüberschwemmungStimmen in denSüd- staaten gewonnen, aber er ist gegen das McNary-Farm- gesetz und überhaupt kein eingefleischter Republikaner, wurde er doch 1920 ernstlich für Wilsons Kabinett in Aussicht genommen. Er ist ferner bekannt als Anhän ger der Wilsonschen Auffassung über die Ratifizie rung des Versailler Vertrages, die 1920 eine Niederlage erlitt. Es ist daher zweifelhaft, ob die republikanische Partei diesen Außenseiter aufstellen wird. Dagegen ist Vizepräsident Dawes sowohl in Finanzkreisen wie in Farmcrkreisen beliebt und gilt daher zur Zeit als aussichtsreichster Kandidat, falls man auf Coolidge verzichtet. Gegen diesen Verzicht wurden in Wallstreet Wetten von 5:7 abgeschlossen. Der Washingtoner Korrespondent der „Times" sagt, der Wortlaut der Erklärung Coolidges werde die Oeffentlichkeit wochenlang beschäftigen. Die Frage, was er gemeint habe, komme tatsächlich daraus hinaus, ob er ein einfacher offener Mann oder ein geschickter Dialektiker sei. Außer Frage stehe, daß Coolidges Erklärung die Sache eines Mannes, nämlich des Han delssekretärs Hoover, wenigstens für den Augenblick gestärkt habe. — Daily News spricht in einem Leit artikel die Vermutung aus, Präsident Coolidges Schritt sei in erster Linie durch den Mißerfolg in Genf und in zweiter Linie durch allgemeine Amtsmüdigkeit ver ursacht worden. Die Pariser Presse beschränkt sich im großen und ganzen daraus, die aus Washington bezw. London kommenden Meldungen über die Aufnahme der An kündigung des Präsidenten Coolidge, bei den kommen den Wahlen nicht zu kandidieren, abzudrucken. Die Blätter, die Stellung nehmen, vertreten vorwiegend die Auffassung, daß man noch nicht übersehen könne, ob es mit dieser Ankündigung ernst gemeint sei. Das „Journal" schreibt, man müsse unbedingt fest stellen, daß der Entschluß Coolidges mit dem Verlauf der Genfer Secabrüstungskonferenz zusammenhänge, die einen offen zu Tage tretenden Gegensatz zwischen den Vereinigten Staaten und England erkennen ließen. Es sei ein amerikanischer Jmverialtsmus zu Tage ge- Auf Irrwegsu Noman von M. Schall. (Fortsetzung.) s18 Die Gläser stießen aneinander mit Hellem Klang, — da zersprang Egberts Glas und der duftende Wein floß zur Erde nieder. „Wäre ich abergläubig," lächelte Arvin, „würde ich sagen: ein böses Omen!" Ulrich lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln, der frohe Schimmer war vollständig gewichen, der vorhin sein Angesicht förmlich durchleuchtet. Stumm saßen sich die Beiden dann eine Weile gcgen- üHtzr, es wollte kein richtiges Gespräch mehr in Gang kommen. Arvins Worte von vorhin hatten seltsam an Ulrichs Herz gepocht. Er wußte sich nicht frei von Schuld, er hatte in den acht Monaten seiner Ehe für sein junges Weib weder ein Liebeswort, noch einen zärtlichen Blick gehabt; war ihr vielleicht schon die Erkenntnis gekommen, daß nur die Pflicht und das Mitleid sie zu der Seinen gemacht? Der Diener kam und meldete, es sei angerichtet. Die Freunde traten in den Speisesaal, die Tafel war geschmackvoll und festlich gedeckt, jedoch Ulrich merkte mit Befremden, daß nur zwei Bestecke aufgelegt waren. „Die gnädige Frau ist unwohl und läßt sich für heute entschuldigen," sagte der Diener auf des Herrn fragenden Blick. Rita unwohl? Was hatte das zu bedeuten? Ulrich empfand das Fernbleiben seiner Frau mit großem Mißbe hagen. Sie hatten sonst stets Beide allein gespeist, und Rita hatte ihn mit zartester Aufmerksamkeit bedient, ihm die Speisen vorgelegt und auf hundert Kleinigkeiten sorglich acht gegeben, die eben nur das Auge der liebenden Frau herausfindet. Er hatte sich alles gefallen lassen, als einfach selbstver ständlich; cs war ihm nie in den Sinn gekommen, diese Kleinen Aufmerksamkeiten dankbar zu bemerken. Jetzt war er verwöhnt und ungeschickt über die Maßen; nun sollte der Diener dasllr einlretcn, der konnte ihm natürlich nichts recht machen, — Ulrich wurde einigemale grob und unge duldig, — es war ein höchst unerquickliches Mal. Auch Egbert war verstimmt. Warum erschien die Haus- trsten, der einer Sparpolitik nicht günstig sei. 'Man verstehe, daß Coolidge unter diesen Umstanden in der Geschichte als der Staatschef gelten solle, der den Vereinigten Staaten die höchste Blüte geschaffen habe. Der „Quotidien" fragt: Hat Coolidge einen Mei nungsumschwung zu seinen Gunsten Hervorrufen und die Volkstümlichkeit wieder gewinnen wollen, die seine Politik gegenüber Nicaragua und in anderen Ange legenheiten etwas erschüttert hatte? Im übrigen darf man nicht außer acht lassen, daß noch Monate vergehest, bis die Wähler entscheiden. — . Vor einer Einigung in Pans? Havas über die deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen. Havas veröffentlicht über den Stand der deutsch- französischen Handelsvertragsverhandlungen folgende Auslassung: Beide Delegationen führen ihre Bespre chungen aktiv fort. Obwohl die Auffassungen sich ge nähert haben, scheint es unseren Informationen nach, daß noch ziemlich bedeutende Meinungsverschiedenhei ten bestehen. Die französischen Delegierten sollen noch keine Genugtuung betreffend Leinen- und Seidenwaren erhalten haben. Die deutschen Vertreter andererseits versuchen noch, ihren Standpunkt betreffend die elek trische und mechanische Industrie durchzudrücken. ES bestätigt sich jedoch nach den von m»S eingeholte« Aus künften, daß die Verhandlungen Ende dieser Woche zu einem Ergebnis führen dürfte«. Wird Handelsminister Bokanowski in der Lage sein, seinen Ministerkollegen im Verlauf des nächsten Ministerrats, der kommenden Sonnabend zusammen treten soll, den Wortlaut des gegenwärtig in Be ratung befindlichen Handelsabkommens zu unterbrei ten? Das würde man noch nicht bejahen können. Nichtsdestoweniger dürfte dann keine Zweideutigkeit mehr über den Abschluß der Verhandlungen bestehen. Ferngespräch Berlin—Buenos Aires. Kurzwellen über 12000 Kilometer. Der Versuch, von Berlin in direkten vadio-tele- phonischen Verkehr mit Buenos Arres zu treten, ist Mittwoch abend vom Vox-Haus unternommen worden und glänzend gelungen. Mit Hilfe des Kurzwellen senders und der sonstigen technischen Einrichtungen der Transradio-Gesellschaft ist die 12 000 Kilometer be tragende Entfernung überbrückt worden und die sämt lichen elf Redner, die nach Buenos Aires sprachen, sind, wie die nach wenigen Minuten eingehenden draht losen Telegramme meldeten, ausgezeichnet verstanden worden. Als erster sprach namens des Reichspostministe- riums Staatssekretär Dr. Feyerabend, der u. a. aus führte: „Mein Gruß gilt nicht nur Ihnen, die meine Worte hören, er gilt auch Ihrem schönen und reichen Lande, in dem unsere deutschen Landsleute stets so gastliche Aufnahme gefunden haben und wo sie sich stets wohl fühlen. Ich bitte Sie, insbesondere Ihrer hohen Regierung und der uns befreundeten argentini schen Post- und Telegraphenverwaltung unsere aufrich- tiaen Grüße und unsere besten Wünsche für eine baldige Eröffnung eines regelmäßigen Fernsprechverkehrs zwi schen Berlin und Buenos Aires zu übermitteln." Als zweiter sprach der argentinische Legationsrat Edsardo Racedo im Namen des Gesandten seine hohe Be friedigung und herzliche Freude aus über die erstaun lichen technischen Fortschritte, die dieser unmittelbare Verkehr zwischen den beiden befreundeten Ländern er möglichen. Sodann sprach der Reichsrundfunkkommis sar, Staatssekretär a. D. Dr. Bredow. Die Grüße des Auswärtigen Amts übermittelte der stellvertretende Reichspressechef, Geheimrat Dr. von Baligand. Es folgten Vertreter des W. T. B. und der übrigen Nach richtenagenturen. Zu Beginn der Veranstaltung hatte Staatssekretär Sautter namens des Reichspostministeriums die Gäste, insbesondere die argentinischen Herren, aufs herzlichste begrüßt und den Wunsch ausgesprochen, daß das neue Verkehrsmittel der Annäherung der Völker dienen werde. Bei dem sich anschließenden Imbiß wurde die Absendung eines Begrüßungstelegramms an Reichspostminister Dr. Schätzel beschlossen. Snefmarkenfabtiken in England. Millionenverdienste durch Briesmarken fälschungen. England konnte von jeher den nicht gerade sehr ehrbaren Ruf für sich in Anspruch nehmen, das Land zu sein, in dem die meisten Briesmarkenfälschungen begangen wurden. Daß auf diesem Gebiete außerordentlich gute Ge schäfte zu erzielen sind, ist bekannt. Daß man aber durch fabrikmäßige Herstellung von Briefmarkenfäl schungen Millionär wird, dürfte Wohl zu den Selten heiten gehören. Ein nicht ganz unbekannter Londoner Briefmarkenhändler hat dies geschafft, und zwar durch eine Methode, die erstaunlich einfach ist und daher die Selbstkosten auf ein Minimum zurückschraubt. Er ent fernte in den Ecken der schwarzen Pennymarken die Sternornamente und ersetzte sie geschickt durch die Buch staben V. R., eine Abkürzung für Victoria Regina. Dadurch schuf er eine ganz neue und rare Briefmarke. Eine Briefmarke, die einmal in dieser Form geplant und in einigen Probeexemplaren gedruckt war, aber nie erschienen ist und nie in Umlauf gesetzt wurde. Nun kündete er diese „seltene Marke" nicht etwa groß spurig an, sondern er überließ es einem Philatelisten, die Briefmarke in seinem Geschäft zu entdecken. Der Briefmarkensammler war begeistert von der seltenen Marke, die er noch nie zu Gesicht bekommen hatte und er bot zwei Pfund dafür. Der Händler weigerte sich, die Marke zu diesem Preise abzugeben, da er selbst nur drei Exemplare von ihr besitze. Schließlich einigte man sich auf 40 Pfund, das sind mehr als 800 Mark! Der Philatelist zeigte die Marke stolz in Samm lerkreisen, und die Nachfrage bei dem Briefmarken händler, der immer wieder neue Marken herstellte, wuchs ständig. Natürlich stieg damit auch der Preis für die Briefmarke, die schließlich mit 1600 Mark ge handelt wurde, wogegen der Herstellungspreis kaum 5 Penny betrug. Innerhalb von zwei Jahren ver kaufte der Briefmarkenhändler in allen Ländern der Welt nicht weniger als 1034 Stück dieser gefälschten Briefmarke und wurde auf diese Weise Millionär. Als der Schwindel endlich-eines Tages ans Licht kam, hatte der tüchtiae Briefmarkenhändler feine Millionen be- fcau nicht? Ihr Unwohlsein war gewiß nur ein Vorwand, — der ungebetene Gast ihr vielleicht lästig? Ah, sie war also launenhaft und geizig! — Das ge träumte Glücklichsein auf Loringstein hatte urplötzlich einen großen Riß erhalten. Dann gingen die Freunde in den Park und vertieften sich in Iugenderinnerungen. Ulrich war plötzlich von aus gelassener Heiterkeit, er wollte dadurch seine mahnenden Ge danken mit krankhafter Gewalt verscheuchen. Und endlich geleitete er den Freund nach seinen Gemächern. „Wie hübsch, wie traulich," konnte sich Egbert nun doch nicht enthalten auszurufen beim Erblicken der zwei freund lichen, mit einfacher Eleganz ausgestatteten Zimmer. Die hellpolierten Möbel harmonierten gut mit dem dunkeln, satten Rot der Teppiche und Portieren. Auf jede Bequemlichkeit des Gastes war sorgfältig bis aus das Kleinste Rücksicht genommen, und aus einem Tische dufteten in einer Kristal schale Veilchen und erfüllten die Räume mit Wohlgeruch. Einen Augenblick senkte Egbert das Haupt tief auf die Blüten, in vollen Zügen ihren Duft einatmend. „Ach, die ersten Dci chen, meine Lieblingsblumen, in der deutschen Heimat, welche in sinniger Willkommensgrußl" sagte er innig. „Die gnädige Frau hat sie selbst gepflückt," meint» etwas vorlaut das zierliche Stubenmädchen, welches eben mit einer Karaffe eiskalten Tiinkwassers eintrat. Ulrich fuhr plötzlich herum mit einem bitterbösen Blick nach dem harmlosen Dinge. „Ich wußte nicht," sagte er mit spöttischem Anslachen zu dem Freunde, „daß Du auch sentimental sein kannst; das ist mir an Dir neu." Egbert antwortete nicht, er nickte nur einigemale mit dem Kopfe und bat in seinem Herzen der jungen Frau die schlechte Meinung von vorhin ab. Diese zcrrtsinnige Auf merksamkeit hatte fein vereinsamtes und doch so warm empfängliches Herz wohltuend berührt und ihr mit einem Schlage seine vollste Sympathie gewonnen. Er konnte sich nicht trennen von den duftigen, holden Frühlingskindcrn. Ulrich sagte ihm plötzlich ganz kurz „Gute Nacht" und ging hinaus. Doch er konnte noch nicht'ruhen; mit großen Schritten durchmaß er sein Schlafgemackx; das ganze Gespräch des Abcnks klang in ihm nach und pli-tzlich sagte er laut: „Es muß schrecklich sein, nur aus Mitleid geheiratet zu werden!" Erschreckt hielt er inne und nagte in zorniger Er bitterung an der Unterlippe. Warum hatte Rita Veilchen für den Fremden und nicht für ihn? Sie wußte es doch, wie leidenschaftlich er dieselben liebte, daß er selbst schon neulich auf der Wiese nach diesen ersten Frühlingsboten gesuchti Warum war sie überhaupt krank? Was sollte das? Seit ihrer Verheiratung war Arvin der erste Gast auf Loringstein. Sie hatten wie die Einsiedler den langen Winter auf st rem tief verschneiten Gute verlebt, und nun hatte sie durch ihre ganz unmotivierte Laune ihm die Wieder» schensfreude gründlich verdorben. Laune? War sie denn launenhaft? Er hatte wahrlich nie darüber Klagen dürfen. Still und sanft war sie stets an seiner Seite gewesen, immer sorgend, nie ermüdend in tausend zarten Aufmerksamkeiten; wie hatte er heute so tief und mißmutig ihr Fernsein bei Tische empfunden, wie öde und unheimlich war cs ihm gewesen, trotz der An wesenheit des lieben Freundes. Eine folternde Angst packte ihn plötzlich. Wenn sie ernstlich krank würde? Ec erinnerte sich, sic war schon lange Zeit so auffallend blaß, und ihr Schritt nicht mehr so leicht wie früher; es drängte ihn unwiderstehlich zu ihr hin — er mußte sehen, wie cs ihr ging. lind da war er auch schon an ihrem Cchlafgemqch; leise öffnete er die Tür, scheu und verstohlen trat er über die Schwelle. Der Mond traf mit schwachem Strahl das Bett, mit den dicht zugezogenen Spitzcnvorhängen, welches die Mitte des Zimmers einnahm. Seine Pulse klopften fieberhaft. „Rita!" rief er leise, zärtlich; alles blieb still. „Rita!" wieder keine Antwort; da zog er sachte die Tür wieder zu und ging in fein Zimmer zurück; unruhig warf er sich endlich auf das Lager, doch er sand keinen Schlummer, tausend Gedanken durchkreuzten seinen Kopf. Endlich schlief er ein, und zum erstenmale gaukelte nicht Hertas sinnbe rauschendes Bild durch feine Träume, fondern Nita stand vor ihm und sah ihn mit großen, todestraurigen Augen an, ihre Hände hielten einen Strauß duftende, taufrische Veilchen; doch als er sie ihr nehmen wollte, da wandte sie sich von ihm weg und — reichte sie mit süßem Lächeln Egbert. (Fortsetzung folgt.)