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1. Beilage zu Nr. 147 ZchöiMM TaMatt unö Waldenvurger Anzeiger S°nni<-g, v. 2«. zun-1927 Jas Fapier, jcke IzellWg md Kkartmtnng. Rundgänge durch die Jahrerschau Deutscher Arbeit Dre-den 1927 (Eigenbericht.) III. Je mehr man durch diese interessante und lehrreiche Ausstellung, die reichhaltigste aller bisherigen Dresdner Jahresschauen, wandert, desto mehr wird uns die Bedeu tung des Papiers als Universalmittel bewußt Achtlos gehen wir ost im täglichen Leben an papiernen Erzeug nissen vorüber, ahnen manchmal garnicht, daß dies oder jenes aus Papier oder Papiermasse hergestellt ist. Das aber erkennt man klar und deutlich bei einer Besichtigung in den Hallen, in denen uns das Papier im täglichen Leben vor Augen geführt wird Das Thema .Papier" umfaßt von der Erzeugung bis zur letzten Auswertung ein Wirtlchafts- und Geistesgebiet vnn solcher Größe und Bedeutung, daß jede Beschäftigung mit ihm unter dem Motto steht: „Greift nur hinein InS volle Menfchrnleben, und wo ihrs packt, da ist es interessant." Das Papier begleitet ja den Menschen von der Geburt bis zum Grabe und eine nette Sonderschau »Lehmanns papierner Erdenlauf" läßt in überaus witziger Aufmachung diese Tatsache so recht offenbar werden. Dort liest man auch die spaßigen und doch wahren Verse: Von der Wiege bis zur Bahre schreibt der Deutsche Formulare. Eine andere ulkige Reimerei gibt den Grübeleien Fau stens folgende Auslegung: So stellt der Schöpfung deut scher Sinn sich dar: im Anfang war das — Formular. Märchengrot en gab es nicht nur auf der vorjährigen Iubiiäumsgartenbau Ausstellung; sie tun sich auch in energischer Beleuchtung in der Papierausstellung auf. Da glühen Lichter hinter farbigen Seidenpapieren, die er- strahlten silber- und goldfarbige Paplerdekorationen im Scheine helleuchtender Lampen. Es ist dies im großen Saal, in dem das Papier im Kunstgewerbe gezeigt wird. Die Verwendung des Papiers im Theater ist ein Thema, zu dem Adolf Mahnke von den Dresdner Staatsbühnen Wesentliches belgesteuert hat: eine Art Bühne, eine Reihe von Modellen machen es aufs beste anschaulich. Auch Schule, Unterricht, Bekleidung, Hygiene und Medizin sind Gebiete, in denen das Papier eine wichtige Rolle spielt. Mit Staunen sehen da die Damen, wie kostbare Modell kleider zuerst aus Papierstoff zurechtgeschnitten werden. Auch in der Verwendung des Papiers beim Spiel und als Schmuck bei Festlichkeiten und als Dekoration sehen wir malerische Gruppen. Wie reizend ist doch die kleine Sonderausstellung unsrer Jüngsten und Aller- jüngsten, die von Kindern unter 14 Jahren angeser- tigien Spielsachen, die gelegentlich eines Wettbewerbes der Jahresschau ausgezeichnet und angekauft wurden. Auch eine Ausstellung deutscher Spielzeugfabrikanten bringt eine Fülle ausgesuchten Spielzeugs, das aus Papier gefertigt wurde. Nicht ohne besonderes Interesse in unsrer Zeit der Wohnungsnöte ist eine Darstellung des Papiers als Bau stoff. Da sieht man Muster in Bogen und Rollen, in allen möglichen Kartons, auch ein Modellhäuschen aus der sogenannten Baudoppelwelle. Nach diesem Verfahren ist auch im Vergnügungspark das Viktoriahaus Helge- stell«, das vollkommen aus der imprägnierten Baudoppel welle entstanden ist. Man sieht auch die Platten zum Isolieren aller Arlen von Holzhäusern und Trockenlegung nasser Wände. Diese Gruppen sind eigentlich die große Ueberraschung aller Besucher der diesjährigen Dresdner Ausstellung, wie überhaupt die ungemeine Vielartigkeit und die reizende Abwechlung oll dessen, was .Papier" ist und zu bedeuten hat. Man nennt unser Zeitalter das der Elektrizität. Eigentlich Könnte man es besser als das Jahrhundert des Papiers bezeichnen. Nebenbei bemerkt, wird die Wichtig keit des Papiers nicht erst seit Eröffnung der Ausstellung anerkannt. Schon Goethe sagt im Faust: .Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen". Gäbe es kein Papier, würden die Verträge zwischen den Völkern ungeschrieben bleiben, (was natür lich gar kein so großer Schaden wäre, denn in der Haupt sache werden sie doch nicht gehalten!) Gäbe es kein Pa pier, würde auch mancher Liebesbrief nebst ihm anver trauten Schwüren ewiger Treue ungeschrieben bleiben. Die Bedeutung dieser Papierausstellung liegt aber auch auf dem Gebiete der geistigen Kultur. Überall erkennen wir, daß das Papier die beste Vermittlung für die Er- zeugniffe geistiger Arbeit leistet. Seit vor nahezu viertausend Jahren die Ägypter den Papyrus nicht allein zur Wappen- pflanze Unteiägyptens erhoben, sondern auch zur Aufnahme menschlicher Bild- und Schrlstzeichen verwendeten, hat dieses Verfahren einen Siegeszug angetreten, der mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und gar mit der Einführung der Damp Maschine sich ins Riesenhafte steigerte. Welche Fülle von gewerblicher Arbeit wird heute der Papier- erzeugung und Verwendung gewidmet, von der Holzstoff-, Pappe- und Papierfabrlkation bis zu dem Druck von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, dem geschmackvollen Binden der Bücher, der Herstellung von Graphik, Lich!- und anderen Bildern, von Karten, von Reklameplakaten, Buntpapier und vielem anderen mehr. Und das alles wird uns in den verschiedenen Abteilungen in 34 weiten Hallen gezeigt. . . Kann man sich die heutige Welt ohne Papier vorstellen? Unsre Schulen, ja unsre ganze moderne Bildung kann des Papiers nicht mehr entraten. Wie konnte der Post- und Bahnverkehr, wie die Buchführung von Handel, Ge werbe und Bankwesen bestehen, wenn wir noch mit der Keilschrift auf Ziegelsteinen arbeiten müßten? Welches Unglück für Zigarettenraucher, für den Dichter und andre, wenn es kein Papier gäbe. Keine Maueranschläge mit oft recht zweifelhaften Verkündungen gäbe es, ja es hätte vielleicht sogar keine Inflation gegeben. Bedauerlicher noch wäre es, wenn mir der Geldbriefträger nicht ab und zu mal einen papiernen Geldschein brächte, die leider ganz rar in meiner Brieftasche sind. Man sieht, auf welche Gedanken der Mensch beim Durchwandern der Ausstellung »Das Papier" kommen kann. Ueberall werden wir überzeugt, daß die Verwendung des Papiers als des Mittels, nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern über Ort und Zeit hinaus zu sprechen, bisher noch keine Konkurrenz gefunden hat. Der Tele graph, der Fernsprecher und der Rundfunk sind zwar zur Ueberwindung räumlicher Entfernungen in hohem Maße geeignet, aber auch die so vermittelte Sprache bedarf zur Ueberwindung der zeitlichen Grenzen der schriftlichen Auf zeichnung. Die Verwendung des Papiers zur Vermittlung geistiger Arbeit ist neutral. Und das Papier ist geduldig. Es nimmt Gutes und Böses, Heiteres und Frohes, Geniales wie vor den Papierkorb reifes mit demselben Gleichmut auf, wie es die Schreibkünste des kleinen Moritz erträgt oder die Ergüsse der Liebenden überbringt. Das Papier gibt die Erzeugnisse der heitren Muse ebenso wieder wie die strengen Befehle der Gesetze und die Verkündigung des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen bis zur Kriegserklärung. Vor allem bedeutet die Verwendung des Papiers die Möglichkeit, die Ergebnisse der Arbeit unsrer Geistesheroen, unserer Dichter und Schriftsteller, sowie der Größen unserer Wissenschaft und Technik, der Umwelt und der Nachwelt zugänglich zu machen und durch die Tagespresse eine Verbindung zwischen den Volksgenossen und der gesamten Kulturwelt herzustellen und zu erhalten, eine Aufgabe, die in der heutigen Zeit der Demokratie und zur Anbahnung besserer Beziehungen zwischen der ge samten Welt eine besondere Bedeutung beanspruchen darf. Das ist die Bedeutung des .Papiers", das die Dresd ner Ausstellung zeigt und sie ist zugleich ein Beweis deut schen Gewerbefleißes, deutscher Qualitätsarbeit. Wer es irgend ermöglichen kann, sollte sie besuchen, denn sie dient auch den Interessen des Landes, ja unseres ganzen deutschen Vaterlandes. ä. 2. Köhler über die SefoldungKesorm. Nicht vor dem 1. Oktober. Reichsfinanzminister Dr. Köhler machte im Haus Haltsausschuß des Reichstags Mitteilungen über das Ergebnis der Finanzministerkonferenz. Danach erken nen die Finanzminister der Länder die Notwendigkeit der Erhöhung der Gehälter an, halten sie jedoch vor dem 1. Oktober finanziell nicht für tragbar und for dern, daß ihnen das Reich neue Einnahmen zur Deckung der Besoldungserhöhung zur Verfügung stellt. Dem gegenüber habe er erklären müssen, daß von weiteren Ueberweisungen auf der Grundlage des Etats von 1927 keine Rede sein könne. Weiter erklärte der Minister, daß es nicht an gängig sei, vor dem 1. Oktober mit irgendwelchen Tcil- oder Abschlagszahlungen zn beginnen. Die beabsichtigte Erhöhung, die im Durchschnitt etwas mehr als zehn Prozent beträgt, würde «nter Hinzurechnung »er Kriegsbeschädigten für den eigentlichen Reichsetat ohne Post nnd Eisenbahn eine Ausgabe von ungefähr 250 Millionen im Jahre verursachen. Die Regierungsparteien brachten folgenden An trag ein: Die Reichsregierung wird ermächtigt, den Beamten tunlichst bald, spätestens aber am 1. Ok tober und 1. November, Abschlagszahlungen auf die Gehaltserhöhung zu bewilligen, falls die gesetzliche Regelung der neuen Besoldungsordnung bis dahin nicht erledigt sein sollte. Eine veamtenkundgel «ng. Im Lustgarten in Berlin fand am Donnerstag abend eine Protestversammlung der Beamten gegen die Verschleppung der Besoldungsreform statt, an der 20 Redner zu der nach vielen Tausenden zählenden Menge sprachen. Am Schluß wurde eine Entschlie ßung angenommen, in der gegen die beabsichtigte Ver schleppung der Besoldungserhöhung Protest erhoben und insbesondere für die unteren Beamtenklassen ein, sofortige Erhöhung gefordert wird. — Auch der Reichs bund der höheren Beamten fordert in einer Kund gebung die umgehende Durchführung der Besoldungs resorm. Sie HandelsverttagMe. In einem Artikel des Journals des Däbats zu den deutsch-französischen Handelsvertragsverhandlungen, in dem zugegeben wird, wenn am 30. Juni ein vertrags loser Zustand zwischen Deutschland und Frankreich ein treten werde, so würde dies auch für Frankreich un angenehm sein, heißt es u. a., daß die schwierige Lage, die sich bei den deutsch-französischen Handelsver tragsverhandlungen ergebe, auf das Parlament zu rückzuführen sei. Das Blatt, das aber nicht erwähnt, daß die Haltung des Parlaments bedingt ist durch den überprotektionistischen Charakter des neuen Zoll tarifs, schreibt dann weiter: Wir haben es nötig, nicht nur mit Deutschland, sondern mit zahlreichen anderen Ländern langfristige Handelsabkommen abzuschließen. Denn ohne sie wird unsere Industrie nur scywernch für die Zukunft Vorkehrungen treffen können. Um die sen Bedingungen zu genügen, brauchen wir einen Zoll- tarif. Dadurch, daß die Kammer diesen Tarif nicht verabschiedet, verletzt sie ihre Pflicht. Im Anschluß an diese bemerkenswerten Ausfüh rungen wird in einer Pariser Wolffmeldung, die offen bar die Auffassung der deutschen Delegation wiedergibt, festgestellt, daß die französtscherseits verbreitete Nach richt, die deutsche Wirtschaftsdelegation habe sich ge weigert, die Verhandlungen über den endgültigen Han delsvertrag fortzusetzen, nicht den Tatsachen entspricht. Die in der letzten Zeit geführten Verhandlungen be zogen sich allerdings auf die Verlängerung des Pro visoriums, das ja bekanntlich am 30. Juni abläuft. Ueber die Auswirkung des provisorischen Zustandes ist übrigens festzustellen, daß deutscherseits nicht im ent ferntesten der Nutzen daraus gezogen werden konnte wie französischerseits. Ueber den Stand der Pariser Verhandlungen wird noch mitgeteilt, daß in einer neuen Besprechung die französische Delegation in Wiederaufnahme einer von ihr früher abgelehnten deutschen Anregung sich zu einer eventuellen Erweiterung des bestehenden Abkommens bereit erklärt hat, sei es in der Form der Besserbe handlung der darin begünstigten Warengruppen oder in der Form von neuen Tarifkonzessionen für andere Warenkategorien. Es ist indessen wenig wahrschein lich, daß es auf dieser Grundlage zu einer Einigung kommen wird, da Frankreich nach wie vor nur eine kurzfristige Regelung zugestehen will. Aber selbst wenn sich die deutsche Delegation auf diesen Vorschlag ein lassen sollte, so scheint es doch kaum möglich, in den wenigen Tagen bis zum 30. Juni noch die erforder liche Zustimmung der beiden Parlamente zu erhalten. Unter diesen Umständen muß man damit rechnen, daß vorübergehend ein vertragloser Zustand eintretcn wird, wie er schon 1925 und 1926 bestanden hat. Aus beiden Seiten besteht allerdings der Wunsch, es nicht zum völligen Bruch kommen zu lassen, so daß noch die Aussicht besteht, daß dieser Zustand nur kurze Zeit dauern wird. Da der Reichstag Mitte Juli in die Ferien gehen will, müßte allerdings bis dahin eine Einigung erzielt werden. Deutscher Reichstag 328. Sitzung. — Berlin, 24. Juni 1SS7. In der heute fortgesetzten außenpolitischen Aussprache sagte Abg. Graf Bernstorff (Dem.) die Unterstützung der gegenwärtigen Außenpolitik zu, auch wenn seine Partei nicht in der Regierung sitze. Für uns ist der Völkerbund die Grundlage der ganzen auswärtigen Politik. Wir sind gar nicht in der Lage, Machtpolitik zu treiben. Wir be grüßen auch die deutschen Bemühungen, den albanisch-jugo slawischen Konflikt zu lösen, und das Eintreten für die Be schlüsse der Weltwirtschaftskonferenz. Ter Redner setzte sich für den Abrüstungsgedanken ein und forderte die Regie rung auf, der Sowjetregierung den freundschaftlichen Rat zu geben, sich an der Abrüstungskonferenz zu beteiligen. Weiter sprach er sich für den Eintritt in die Mandatskom mission aus und erklärte zum Schluß die Rheinlandbe-, setzung für eine Unmöglichkeit. Abg. Dr. Bredt (Wirtsch. Dgg.) erklärte, wir ständen an einem Wendepunkt der Außenpolitik und fuhr fort« Wir haben die großen Hoffnungen, die in diesem Haus« vorherrschten, nie in dem Umfange geteilt. Die Räu mung des Ruhrgebistes haben wir erkauft mit der An nahme des Dawesplanes, die der ersten Zone mit dem Locarnovertrag. Mir fürchten, daß auch die Räumung der zweiten Zone gekauft werden soll, und lehnen alle solche Verhandlungen ab. Ein kommunistischer Mißtraucnsantrag. Von den Kommunisten ist inzwischen folgender Miß trauensantrag eingegangen: Der Reichsaußenminister Dr. Stresemann besitzt nicht das Vertrauen des Reichstags. Abg. Graf zu Reventlow (Nat.-Soz.) bezeichnet« das Ergebnis der Genfer Verhandlungen als eine voll ständige Niederlage Deutschlands. Die Entente habe ihr« Politik nicht geändert. Sie habe Deutschland zwar in Lo carno Phrasen gegeben, aber keine Gegenleistungen für di« deutschen Opfer. Ein vertrauensvolles, gleichberechtigtes Arbeiten mit Frankreich sei einfach unmöglich. Ter Redner Polimisierte dann weiter gegen Dr. Stresemann und zog sich dabei einen Ordnungsruf zu. Abg. Frau Gohlke (Ruth Fischer — linke Komm.) Polemisierte gegen die Sozialdemokraten und die rechten Kommunisten, Abg. v. Graefe (Völk.) gegen die Deutsch nationalen. Nach dem dann noch der Kommunist Korsch gesprochen hatte, wurde der kommunistische Antrag, der sich gegen den Eintritt Deutschlands in die Mandatskommission wendet, ab gelehnt; ebenso der kommunistische Mißtrauensantrag. Da für stimmten nur die Kommunisten und Völkischen, da gegen die Regierungsparteien, die Demokraten und di« Wirtschastspartei. Der demokratisch-sozialdemokratische Antrag auf Ver längerung des Sperrgesetzes wurde ohne Aussprache an den Rechtsausschuß verwiesen. —- Darauf vertagte sich das Haus auf Montag. Literarisches. Daheim, 63. Jhrg. N. 38. Mit einem Kranz von vier leuchten den, bunten Bildern wartet dieses Heft auf. Bier Gemälde, vier Kunst werke, die wahrer Schmuck sind. Mittelstück des Heftes ist ein Aufsatz vom Werden des deutschen Theaters, den P A. Merbach, der Leiter der Magdeburger Theaierausstellung, versüßte. Zu den Ozeanflügen Lindberghs und Chamberlins erscheint eine Abhandlung »Die Erde ist rund", die sich mit dem Problem der kürzesten Großluftwege beschäftigt. Dies sei eine Kostprobe aus der reichen Folge der Daheim-Speise oder richtiger Lesekarte.