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beigetragen. Es sind ungefähr 280,000 Obligationen gezeichnet worden, so daß die Anmeldungen einer Re- duclion unterzogen werden mußten. Dieser Erfolg Italiens auf finanziellem Gebiete ist ein sehr erfreu- licher zu nennen, zumal derselbe nach verläßliche» An gaben ohne nennenswerthe Betheiligung der wegen des ungünstigen Geldstandes von der Zeichnung fern ge bliebenen Spekulationskreise erzielt wurde und somit auf das Vertrauen zurückzuführen ist, welches der An lagemarkt der italienischen Regierung entgegenbringt. England. Königin Victoria von England hat den Kaiser Dom Pedro von Brasilien über Lissabon nach Wind sor einladen lassen. Die Antwort des Kaisers auf die Mittheilung von der Proclamation der Republik lautet übrigens: Angesichts der mir am 17. d. M. überreichten Adresse entschließe ich mich, dem Gebote der Umstände zu weichen und mit meiner ganzen Familie morgen nach Europa abzureisen und dieses geliebte Land zu verlassen, dem ich als Staatsoberhaupt während nahezu einem halben Jahrhundert mich bemühte, einen festen Beweis meiner anhänglichen Liebe und Hingebung zu geben. Ich werde Brasilien stets in freundlicker Erinnerung behalten und Hoffnungen für seine Wohl fahrt hegen. Alle brasilianischen Beamte haben die Republik auerkannt. Asien. In Peking droht ein völliger Umschwung: Der junge Kaiser verweigert seiner Mutter, der er bisher blind gehorchte, den Gehorsam und hat die Absicht, jener mit ihrem ganzen Anhänge den Hof zu verbieten. Die Streitursachs ist bekanntlich die Gemahlin des Kaisers, von welcher letzterer nichts wissen will. Amerika. New-Iorker Blätter bestätigen in Berichten aus Rio, daß die provisorische brasilianische Regierung ein Manifest an das Volk erließ, worin der Sturz des Kaiserreiches, die Aushebung der Monarchie und die Einsetzung einer provisorischen Regierung angekündigt wird. Das Hauptziel der provisorischen Regierung sei, so wird gesagt, Ordnung, Freiheit und Rechte der Bürger aufrecht zu erhalten und Einheimischen, wie Fremden die Sicherheit des Lebens und Eigenthumes zu garantiren. Das Manifest constatirt ferner, daß die Marine und die Justiz wie bisher in Wirksamkeit sein würden, und spricht die Aushebung des Senates und des Staatsrathes, sowie die Auflösung der Kammer aus. Endlich verkündet die provisorische Regierung, alle betreffs der inneren und auswärtigen öffentlichen Schuld eingegangenen Verträge und Verpflichtungen pünkt lichst respectiren zu wollen. Der letzte Ministerpräsident des Kaiserthums, welcher aus Brasilien verbannt ist, hat die Reise nach Europa angetreten. Aus dem Muldenthale. *Waldeuburg, 21. November. Die Theaterge- sellschaft der Herren Gebrüder Ochernal aus Meerane brachte gestern Abend im Saale des Schönburger Hofes das Volksstück: „Der Tatzelwurm" von Hermann v. ! i I j i ! Schmid zur Aufführung. Das Stück führt uns ins oberbayerische Hochgebirge und bringt eine Anzahl kerniger Volkstypen zur Darstellung, die in ihrer ur wüchsigen Derbheit und Gradheit Herz und Sinn er freuen und zu den heitersten Scenen Anlaß geben. Auch der Berliner Berzfex fehlt nicht, der zur Be lebung des Gesammtbildes nicht wenig beiträgt. Die überaus spannende Handlung ist folgende: Zwischen der einzigen Tochter des reichen Riederhofbauern und dem armen Florian Heckenstaller, einem Findelkinde, hatte sich ein Liebesverhältniß entsponnen, welches der reiche Rieder, der den Hofinger Lenz gern zum Eidam haben wollte, nicht litt. Infolge dessen mußten die liebenden Herzen von einander scheiden und Florian sollte die Gegend verlassen. Vorher wird er aber vom Waldsepp, dem bösen Geiste des Stückes, bere det, im Würfelspiele von Hofinger Lenz eine Kralle vom Tatzelwurm, deren Besitz angeb lich jeden Wunsch erfüllen läßt, zu gewinnen, bei welcher Absicht er indessen Alles, was er sein eigen nennt, verliert und hierbei selbii um seinen Militär- Freischein geprellt wird. Im zweiten Acte tritt ein reicher italienischer Maler auf, der in die Gegend ge kommen ist, um in Erfüllung eines Versprechens die ehemalige Geliebte seines Bruders und deren beider Sohn aufzusuchen. Hierbei kommt dem Waldsepp die reickgespickte Brieftasche des Malers ins Auge und gelegentlich eines abendlichen Bergspazierganges lauert er dems-lben beim Teufelssteg im Gebirge auf und stößt ihn vom Stege in den Abgrund, nachdem er ihm die Brieftasche abgenommen. Der Maler wird indessen von dem tölpelhaften Veri, dem Sohne der Wirthin zur „Eidechse", der den in der Schlucht am Teufilssteg angeblich hausenden Tatzelwurm erlegen will, um die ihm abholde Zenzel zu gewinnen, und demBerliner Bergfex gerettet, nachdem sie von der stummen Hexentraudl auf den Verunglückten aufmerksam gemacht und an die Unglücksstelle geführt worden waren. Das vierte Bild, in welchem der furchtsame Veri mit dem Berliner im nächtlichen Waldesdunkel erscheint und in dem namentlich Veri durch ein aus dem Abgrunde empordringendes Gestöhne in Furcht und Schrecken gesetzt wird, war von unvergleichlicher Komik. Im letzten Acte endlich, in welchem zunächst der Maler vermißtwirdund Florian,welchemdieBrieftaschedes Ma lers vom Waldsepp geschenkt worden war und dadurch als Mörder in Verdacht kommt, erscheint schließlich der gerettete Maler wieder; der Waldsepp, dem nun sein Leugnen nichts mehr bilfk, wird verhaftet und Florian durch ein kleines Krenz, das bei dem Findelkind gefunden worden war, als der Sohn des Bruders jenes Malers erkannt. Hierbei gewinnt die Hexentraudl ihre Sprache wieder und bekennt sich als die Mutter Florians. Nachdem in dieser Weise die Abstammung Florans sestgestellt ist, giebt der Riederbauer endlich sein Jawort und das unglücklich liebende Paar wird schließlich noch vereint. Was das Spiel betrifft, so !ann auch dies mal nur bemerkt werden, daß die verschiedenen Rollen zum größten Theile in vortrefflicher Weise zur Dar stellung kamen. Bei dieser Vorstellung lernte das Waldenburger Publikum auch mehrere neue Kräfte kennen, deren Mitwirken der Gesellschaft nur zum Vor theile gereichte. Schade, daß die Vorstellung nicht besser besucht war, doch lag das mehr in den Ver- i hältniffen. Atts dem Sachsenlan-e. — Das Schwurgericht Dresden verurtheilte den ! vormaligen Calculator bei der Staatsschulden-Verwal- tung Theodor Berger wegen Unterschlagung vo:r 11,700 Mk. zu 3 Jahren Gefängniß. — Auf dem Magdeburger Bahnhof in Leipzig wurde am Dienstag ein 35jähriger Streckenarbeiter derart überfahren, daß er bald darauf starb. — Gegenstand einer niederträchtigen Nacke ist ein ISjähriges Dienstmädchen in Liebcrtwolkwitz ge worden. Es wurden ihm, während es in tiefem Schlafe lag, die prächtigen Zöpfe, deren cs sich erfreute, ab geschnitten. Die einstige Zierde seines Hauptes fand das Mädchen auf dem Tische und daneben einen Zettel, welcher die Drohung enthielt, daß ihm noch viel mehr gescheh.n solle. — In dem Dampfsägewerk des Baumeisters Zürn ! in Oschatz ereignete sich am Sonnabend ein schweres s Unglück. Der Arbeiter Weber aus Alt-Oschatz, welcher f in der Schleiferei beschäftigt war, wurde, jedenfalls ' beim (Überschreiten einer Welle, am Beinkleid erfaßt und ihm der eine Fuß vollständig herausgedrcht. Der j Verunglückte wurde sofort nach dem Krankenhause ge- f schafft, wo ihm der Unterschenkel abgenommen werden t mußte, sein Befinden soll aber ein verhältnißmäßig r gutes sein. — Im dritten diesjährigen Quartale betrug der Zuwachs der Bevölkerung von Gera 368 Personen, womit die Einwohnerzahl auf 39,798 gestiegen ist. Deutscher Reichstag. 19. Sitzung vom 20. November. 1'/r Uhr. Haus und Tribünen sind mäßig be setzt. Am Bundesralhstische: von Bötticher, Frhr. von Marschall und Andere. Die zweite Beralhung des Etats des Reichsamtes des Innern wird fortgesetzt und zwar beim Capitel Patentamt. Abg. Henneberg (natlib.) fragt, wie es mit der schon längst angekündigten Reform der Patentgesetzgebung stehe- Ich hatte gehofft, daß sich der Reichstag schon in der jetzigen Session mit einer solchen Vorlage beschäftigen werde; daraus scheint nun freilich nichts werden zu sollen. > Ich erwarte aber wohl mit Recht, daß sich ein Patentge- setz unter den ersten Vorlagen befinden wird, die dem ! neuen Reichstage zugehen werde. j Staatssekretär von Bötticher erwidert, daß ein be züglicher Gesetzentwurf bereits vorliegt und demnächst veröffentlicht werden soll, damit die Interessenten Kritik daran üben können. Voraussichtlich werde der Entwurf also den nächsten Reichstag beschäftigen können- Abg- Hammacher (natlib ) betont, daß bei uns die Zahl der Patentertheilungen auffallend zurückgegangen ist. Wenn man sieht, daß in anderen Kulturstaaten die Patentertheilungen zugenommen haben, so liegt der Ge danke nahe, daß die gesetzlichen Grundlagen des Patent wesens bei uns mangelhaft sein müssen. Auch eine Ver- Feuilleton. Durch Sturm und Wetter. Original-Roman von C. Meerfeld. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Aber nur ein Zufall hätte die blindlings hinaus geschickte Kugel an das Ziel gelangen lassen können, für welches sie bestimmt gewesen war, und der Soldat mußte sich mit der alarmirenden Wirkung seines Schus ses begnügen. Dieser letztere Effect war allerdings ein vollständiger gewesen, denn innerhalb weniger Mi nuten war die ganze Bewachungsmannschaft, den com- mandirenden Offizier an der Spitze, auf den Beinen, und auf die Meldung des Wachtpostens, daß er zwei Flüchtlinge gesehen zu haben glaube, wurden unverzüg lich nach allen Seiten hin Streifpalrouillen gesandt, die sich mit mehr oder minder großem Eifer an ihre allerdings wenig aussichtsreiche Aufgabe machten. Man brauchte nicht lange zu forschen, um eine sehr unangenehme Bestätigung dafür zu erhalten, daß die Wahrnehmung des Soldaten keine irrthümliche gewesen war, denn durch ein halb ersticktes Wimmern wurde man zuerst auf die Zelle des angeblichen Wanja Jch- manew aufmerksam, deren Thür nicht verschlossen, son- dern nur angelehnt war, und auf deren Fußboden man den Gefängnißwärter in einer nichts weniger als be haglichen Situation erblickte. Seine Hände und Füße waren mit einem starken Strick zusammengeschnürt, in seinem Munde steckte ein Knebel, der ihn am Schreien verhindert haben mußte, und sein Gesicht war dergestalt mit geronnenem Blute bedeckt, daß man auf den ersten Blick hin an die fürch terlichsten Verletzungen glauben mußte. Natürlich wurde der Mann seiner Fesseln entledigt und nach den Einzelheiten des Vorganges befragt, durch den er in eine so selisame Lage gekommen sei. Man mußte ihm das Zugeständniß machen, daß er seine einmal übernommene Helfershelferrolle mit meister lichem Geschicke durchzuführen verstand. Sich äußerst schwach und angegriffen stellend, erzählte er in kurzen, abgerissenen Worten, daß ihm der Gefangene, der sich bis dahin sehr still und gefaßt verhalten, und dem man darum gleich nach seiner Einlieferung die Fesseln wieder abgenommen habe, plötzlich von hinten her einen so wuchtigen Schlag auf den Kopf versetzt habe, daß er besinnungslos zu Boden gestürzt sei und sein Bewußt sein erst zurückerlangt habe, als er sich bereits in jener hilflosen Lage befunden, aus welcher er durch seine Kameraden befreit worden sei. Die erdichtete Erzählung klang umso weniger un glaubwürdig, als der Kopf des Mannes in der That eine, wenn auch keineswegs tiefe und jedenfalls ganz ungefährliche Wunde aufzuweisen hatte. Der Gefäng- nißdirector hütete sich darum umso mehr, ihm lebhafte Vorwürfe zu machen, als ihn selbst ein nicht geringer Theil der Verantwortung dafür traf, daß dem Gefan genen das Entwischen verhältnißmäßig so leicht gemacht worden war. In den Zellen des Erdgeschosses wur den sonst nur solche Sträflinge untergebracht, denen wegen leichterer Vergehen eine kurze Freiheitsentziehung zuerkannt worden war, und nur mit Rücksicht darauf, daß die besser verwahrten Räume zum größten Theil gefüllt waren, und daß überdies eine baldige Ueber- führung des jüngst eingelieferten Gefangenen in sicherer Aussicht stand, hatte er sich bestimmen lassen, einem von ihnen diese untere Zelle anzuweisen. Seine Bestürzung und sein Aerger sollten indessen noch eine erhebliche Steigerung erfahren, als ihm ein anderer Beamter mit höchst entsetztem Gesicht die Mel dung brachte, auch das gleichzeitig mit den Nihilisten eingelieferte Frauenzimmer, dessen wirklicher Name noch nicht festzustellen gewesen war, sei entsprungen. Wenn schon die Art, in welcher der angebliche Jchmanew seine Flucht bewerkstelligt hatte, trotz der Erzählung des Gefängnißwärters einigermaßen räthsilhaft blieb, so zerbrach man sich vollends ganz vergebens den Kopf, um für das Entweichen Lydia's eine Erklärung zu finden. Daß ihr dasselbe nur durch eine sehr energische und wirksame Hilfe von Außen ermöglicht worden war, unterlag freilich von vornherein keinem Zweifel, denn die Elsenstäbe vor dem Fenster ihrer Zelle, das eben- falls kaum zehn Fuß vom Erdboden enifernt war, waren durchfeilt und herausgebrochen, was nur von Außen hatte geschehen können, und an einem der in der Mauer gebliebenen Stumpfe war ein Seil be- festigt, an welchem sie jedenfalls ganz sanft und ohne alle Fährlichkeit hinabgeglit'en war. Wenn man somit durchaus keiner Erklärung bedurfte, um den Weg zu erkennen, auf welchem sie sich in Freiheit gesetzt hatte, so drängte sich desto lebhafter die Frage auf, wie es möglich gewesen war, daß alle diese ziemlich umständ lichen Vorbereitungen hatten getroffen werden können, ohne daß die Aufmerksamkeit der beaufsichtigenden Beamten erregt worden war. Hier glaubte nun der Gefängnißcommandant den Sündenbock gefunden zu haben, auf welchen er die ganze Last der Verantwor tung und die Folgen des mit Sicherheit zu erwarten den scharfen Vorwurfes von hoher vorgesetzter Stelle abwälzen könnte. Es wurde auf der Stelle eine scharfe Untersuchung angeordnet, die mit der vorläufigen Inhaftnahme des betreffenden Gefängnißwärters, dem all' seine Unschuld versicherungen nichts halfen, begann — und für die sich ein weiteres, sehr wichtiges Moment aus derThat- sache ergab, daß man den Wachtposten, welcher seiner Instruction gemäß an jener Seite des Gefängnisses zu patrouilliren hatte, in geringer Entfernung von dem Fenster im tiefsten Schlummer fand. Er schlief so fest, daß es sich selbst unter Anwendung der energischesten Hilfsmittel als ganz unmöglich erwies, ihn wieder zu klarem Bewußtsein zu bringen. (Fortsetzung folgt.)