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Tut und wohl aus allen Orten im 15. ländlichen Land- tagSwahlkreis (Amtsgerichtsbezirk Freiberg) besuchte Wählerversammlung hat mit großer Mehrbeit beschlos sen, Herrn Rittergutsbesitzer Philipp Steyer in Raun, dorf als Candidaten für die Landtagswahl aufzustellen. — Zur Chronik der Trunksucht entnehmen wir aus dem „Kalender und Statistischen Jahrbuch für das Königreich Sachsen" auf das Jahr 1890, daß im Jahre 1888 37 Personen in Sachsen infolge ihrer Trunksucht tödtlich verunglückten und daß bei 96 Personen unordentliches Leben und Trunksucht die Ursache zum Selbstmord war. — Das Gesammteinkommen der Bevölkerung Sach sens nach der Einschätzung behufs Erhebung der Ein kommensteuer war im Jahre 1888 um über 56 Mill. Mark höher als im Jahre 1887, nämlich 1888 1,442,885,084 Mark gegen 1,386,854,675 Mark in 1887. Zwar haben sich auch die Schuldzinsen um über 2'/- Mill. Mk. erhöht, immerhin aber bleibt ein Mehr des wirklich steuerpflichtigen Einkommens von nahezu 53'/2 Mill. Mk. Von 1886 zu 1887 betrug diese Steigerung nur gegen 48 Mill. Mk. s Bei Len einzelnen Klassen des Einkommens beträgt ' das Mehr: beim Grundbesitz gegen 5 Mill., bei den Renten nahe an 6 Mill., bei Gehalt und Löhnung fast 31'/r Mill., bei Handel und Gewerbe gegen 14 Mill. Mk. Diese Erhöhung des Einkommens ist zum Theil nur eine scheinbare. Daß die Arbeitslöhne in allen Erwerbszweigen eine steigende Tendenz haben, hat seine Richtigkeit; aber das scheinbare erhöhte Ge sammteinkommen i;i theilwcise aus der stärkeren An ziehung der Steuerschraube, wie sie in einer höheren Einschätzung zum Ausdruck kommt, zu erklären. In Dielen Zweigen sind die Erwerbsverhällnisse durch ver mehrte Concurrenz schwieriger und weniger ertragreich geworden, trotzdem wird aber nur in wenigen Fällen eine Herabsetzung in der Einschätzung staltfinden. Die Selbsteinschätzung wird in vielen Fällen durch höhere anderweite Einschätzung illusorisch. — Am Sonntag ist die obere sächsische Schweiz von einem heftigen Gewitter mit Hagclschlag heimge sucht worden. Schloßen in großer Menge trafen das Terrain zwischen Winterberg und Prebischthor und heftige Regengüsse suchten das Elbthal zwischen Schan dau und Herrnskretschen heim. Ein Blitzstrahl zün dete in Hertigswalde. Das Feuer wurde von allen Höhen beobachtet. — Eine den vermögenden Kreisen angehörige Wittwe auf der Forststraße zu Dresden versuchte ihrem Leben ein Ende zu machen, indem sie sich die Pulsader auf- schnitt. Durch Hinzukommen von Hausgenossen wurde die Bedauernswerthe jedoch an ihrem Vorhaben gehin dert und sind die beigebrachtcn Verletzungen nicht tödt lich. Was die gutsituirte Dame, die erst 27 Jahre zählt, zu dem verzweifelten Schritt getrieben hat, ist unbekannt. — — Vor einigen Tagen hat die Firma Gebrüder Klinge, Inhaber Alfred Klinge, Leder- und Riemen- fabrik Dresdeu-Löbtau, eine größere Dotation ge macht, die an das längere Zeit an dem Gedeihen die ser Firma mitwirkende Personal oder dessen Familien bei Arbeitsunfähigkeit oder Todesfällen in Beträgen Don 200 bis 1000 Mk. und mehr zur Auszahlung gelangt. — Wie seinerzeit berichtet, hatte ein Leipziger Bür ger, dessen Name verschwiegen bleiben soll, der Stadt gemeinde Leipzig die Summe von 100,000 Mark mit der Bestimmung letztwillig zugedacht, daß die Zinsen dieses Capitals zunächst einem Verwandten zu fallen, nach dessen Ableben aber bis zur Höhe eines Zehntels zur Vergrößerung des Capitals zurückgelegt und im Uebrigen hilfsbedürftigen Wittwen Leipziger Kaufleute, Procuristen, Buchhalter oder Commis, welche längere Zeit in einem und demselben Hause dienten, gewährt werden sollen. Jener Verwandter des Stif ters hat nun zu Gunsten der aus der Stiftung zu unterstützenden Wittwen in dankenswerther Weise auf die ihm zukommenden Zinsen verzichtet. — Eine für Montag Abend in Chemnitz an beraumt gewesene Versammlung, in welcher Liebknecht sprechen wollte, ist seitens der Polizeibehörde verboten worden. — Die Sächsische Maschinenfabrik in Chemnitz, vormals Richard Hartmann, hat am 26. d. die 1600. Loeomotive abgeliefert. — Der in der St. Paulikirche zu Chemnitz vor einiger Zeit festgenommene Religionsstörer ist bekanntlich «in Geisteskranker, welcher aus Oberlungwitz stammt. Der Aermste leidet an religiösem Wahnsinn und hat vor einigen Wochen in Oberlungwitz und Ernstthal eine gleiche Unterbrechung des kirchlichen Gottesdienstes verursacht. Daraufhin ist er im Emmahospital zu Oberlungwitz zur Beobachtung untergebracht, alsbald darauf aber wieder entlassen worden. Die geistige Störung des Unglücklichen scheint aber während seines Aufenthalts in Chemnitz bedeutend zugenommen zu haben, denn gegenwärtig „predigt" er im dortigen Stadlkrankenhause — woselbst er vorläufig unterge bracht ist — fast ununterbrochen. Der Mann soll ein Anhänger des Spiritismus gewesen sein. Man sieht daraus, wohin extreme religiöse Richtungen füh ren können. — Nach einer aus Chemnitz vorliegenden Mit- theilung sind die sämmtlichen englischen Zwirnfabrikan ten, mit Ausnahme einer Firma in Derbyshire, dem vor einigen Monaten gebildeten Zwirnsyndikat beige treten und dürfte dieser Umstand voraussichtlich zu einer weiteren Erhöhung der Zwirnpreise führen. Die Rückwirkung dieser Bewegung auf die deutschen Fabriken dürfte schwerlich ausbleibcn. — Auch im Gewerbeverein zu Meeraue wird Herr Professor Falb einen Vortrag halten, und zwar am 12. Januar n. I. über „Kritische Tage". — Am 25. d. M. hat sich auf dem Schützenplatze in Anuaberg ein bedauerlicher Unglücksfall zugetra gen. Von den zum Aufheben der Bolzen bei dem Schießen der Schnepperschützen verwendeten Knaben hielt sich einer im Schußbereiche auf und wurde von einem in voller Flugkraft befindlichen Bolzen an den Kopf getroffen, so daß er zusammenstürzte. Der Knabe hat eine Verletzung an der Schädeldccke. — Am Montag Nachmittag hat auf dem Markt platze zu Elsterberg die feierliche Grundsteinlegung zu dem am Sonntag, den 1. September d. I., zu enthüllenden Kaiser-, Königs- und Kriegerdenkmal statt gefunden. Von Seiten der städtischen Behörde, des Pfarr-, Post- und Eisenbahnamtes, sowie der Schule sind Urkunden über die gegenwärtigen Ortsverhältnisse dem Grundsteine beigelegt worden. — Mit dem Vorort Döbel« auf die nächsten drei Jahre und mit Thierarzt Krasselt-Leisnig als Vor sitzenden constituirte sich am Sonntag in Döbeln der Landesverband sächsischer Trichinenschauer. Die Ver sammlung war von etwa 80 Trichiuenschauern gebil det, und waren die gegenwärtig in Sachsen bestehen- den 22 Bezirksverbände fast sämmtlich vertreten. Das von dem Chemnitzer Bezirksverband entworfene Sta tut wurde in allen wesentlichen Punkten gutgeheißen und der jährlich zu leistende Beitrag eines Mitgliedes auf 20 Pfg. festgesetzt. — Der Turnverein in Oberlungwitz feierte am Sonntag die Weihe seiner neuerbauten geräumigen Turnhalle nebst Turnplatz. — In Betreff des Projectes einer Göltzschthalbahn Lengenfeld-Mylau-Greiz wird jetzt von Mylau berichtet, daß man dort, um eine regelmäßige Ver bindung mit Reichenbach zu haben, mehr dafür sei, daß die Bahn von Reichenbach über Mylau nach Greiz gebaut werde. Daß Mylau mit seiner hochentwickelten Industrie eine Bahn bekommen muß, ist allerdings anerkannt; doch fragt sich's nun, welche der beiden Linien ausgeführl wird. Die Linie von Reichenbach nach Greiz wäre natürlich billiger, als die von Lengen feld ausgehende. — Am Montag Mittag hat sich auf der Leipzig- Dresdner Bahn, in der Nähe der Station Borsdorf ein bedauernswerlhes Unglück ereignet. Vor dem gegen Mittag diese Station passirenden Dresden-Döbeln-Leip- ziger Personenzuge hatten zwei Mädchen im Alter von 11 und 5 Jahren noch das Geleis überschreiten wol len, wobei beide Kinder überfahren wurden. Den Unglücklichen, die beim Aufheben noch lebten, waren von den Rädern die Füße zermalmt. — In Glashütte ist vergangene Woche der Uhr macher und Buchhändler Theodor Estler unter der Anklage fortgesetzter Sittlichkeitsverbrechen verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängniß Lauenstein überführt worden. Man schreibt, daß über den Umfang der jahrelangen Vergehen allgemeine Entrüstung herrschte. — Uebcr die Verwendung des von dem verstorbe nen Abgeordneten Günther in Saalhauseu hinter lassenen Stiftungscapitals in der Höhe von 250,000 Mark giebt das soeben veröffentlichte Testament Auf schluß. Danach sollen die Erträge der Stiftungsgel der zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken ver wendet, insbesondere sollen Unterstützungen an Bedürf tige gewährt werden bei erlittenen elementaren oder persönlichen Unglücksfällen, bedürftigen Hinterlassenen beim Todesfälle ihres Ernährers, oder bedürftigen Familien bei längerer Krankheit ihres Ernährers, an arme Wittwen, Waisen und Gebrechliche und an ohne ihre Schuld Verarmte. Es sollen weiter gewährt werden können: Beiträge zur Ausbildung armer, ge sitteter Schüler, Ausstattung armer Consirmanden, Unterstützung an Nichterwerbrfähige, und in allen den Fällen, die dem Hauptzwecke der Stiftung entsprechen, nämlich einmalige und unter Umständen mehrmalige Unterstützung würdiger Bedürftiger in besonderen Fällen zu gewähren. Die Unterstützung soll in keinem ein zelnen Falle mehr als 500 Mark und nicht weniger als 30 Mark betragen und gewöhnlich nur einmal ge währt werden. In besonderen Fällen der Bedürftig keit soll jedoch eine dreimalige Zuwendung an dieselbe Persönlichkeit zulässig sein, wenn die Unterstützung nicht mehr als 250 Mark auf das Jahr beträgt. Voraussetzung für jede Unterstützung ist, daß der zu Unterstützende seinen Unterstützungswohnsitz oder doch seinen wesentlichen Aufenthalt im Bezirke der Amts hauptmannschaft Oschatz hat. Das Stammkapital der Stiftung (250,000 Mark) soll in seiner ursprüng lichen Höhe erhalten bleiben. Die davon zu gewährenden Unterstützungen sollen mit höchstens ?/, für Angehörige der Städte und mit mindestens '/» für Angehörige des platten Landes verwendet werden. Die Verwal tung der Stiftung, die Anlage der Gelder und die Bewilligung der zu gewährenden Unterstützungen soll unter Oberaufsicht und mit Genehmigung der höheren Staatsbehörde, der königlichen Amtshauptmannschaft zu Oschatz, in Verbindung mit dem Bezirksausschüsse zustehen. — Der Maurer Emil Hoppe und der Handarbeiter Wilhelm Hoppe, beide in Hütteugruud, haben am 19. Januar d. I. in Rußdorf mit Reisigbesen hausirt, ohne die gesetzliche, wegen ihres Gewerbebetriebes zu entrichtende Klassensteuer entrichtet zu haben. Gegen einen sie wegen dieser Uebertretung zu je 7 Mk. Geld strafe verurtheilenden Strafbescheid des Herzog!. Steuer- und Rentamts Altenburg hatten die Angeklagten recht zeitig Antrag auf gerichtlichen Entscheidung gestellt. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme wurden beide Angeklagten der ihnen zur Last gelegten Ueber tretung als schuldig erachtet und je zu 7 Mk. Geld strafe und zu den Kosten des Verfahrens verurtheilt. — Der Rittergutsjäzer in Neundorf bei Plauen i. V. hatte vor einigen Tagen das Glück, einen außer gewöhnlich großen Raubvogel zu erlegen. Derselbe hatte eine Flugbreite von 160 om. und mißt vom Kopfe bis zum Schwanzende 60 cm. Die Neundorfer Fluren hatte sich der Raubvogel zu seinem Jagdrevier erwählt. Nach wiederholt vergeblichen Versuchen, ihn zum Schuß zu bekommen, traf ihn endlich doch das tödtliche Blei, als er über einem Teiche kreiste. In der Fluth im Schilfe liegend, benützte der schwer Ge troffene seine letzten Lebenskräfte dazu, dem nach ihm ausgeschickten Hühnerhund durch Schnabelhiebe nach der Nase das Transportgeschäft gründlich zu verleiden. Der Wind trieb ihn später ans Ufer in die Hände des Erlegers. Vermischtes. Berliner Bierverhältnisse. Wegen einer ekel erregenden Nahrungsmittelverfälschung hatte sich am Freitag der Kellner Stamm vor dem Landgericht zu verantworten. Der Angeklagte war früher im Grand Hotel am Alexander-Platz als Buffetier angestcllt. Er soll nicht nur die aus Lem Gastzimmer zurückgebrach ten Bierneigen wieder verschänkt, sondern auch die lee ren Fässer in ekelerregender Weise verunreinigt haben. Eines Tages übernahm es ein weißhaariger Kellner, den Angeklagten zur Rede zu stellen. Als Antwort versetzte Stamm dem Greise einen Fußtritt in den Rücken, daß derselbe in das Gastzimmer geschleudert wurde. Die Gäste nahmen für den alten Mann Par tei und das Treiben des Angeklagten kam nun zur Sprache. Stamm wurde entlassen. Der Angeklagte gab im Termin an, er habe für jedes Liter Bier dem Wirthe den hohen Preis von 75 Pfennigen zahle» müssen und sei daher gezwungen gewesen, Fälschungen vorzunehmen, um nur überhaupt leben zu können. Der Staatsanwalt hielt Las Treiben für äußerst ver werflich und beantragte die höchste zulässige Strafe von sechs Monaten Gefängniß nebst einer Zusatzstrafe von einer Woche für die Körperverletzung. Der Ge richtshof erkannte auf vier Monate und eine Woche Gefängniß. Pariser Leben. In einer der letzten Nächte hat der Polizeiosficier Nouguier mit seiner Mannschaft die Steinbrüche bei Pierrefitte, nördlich Paris, abgesucht. Fünfzehn Obdachlose, welche dort nächtigten, wurden verhaftet und ins Gefängniß gebracht. Die näheren Feststellungen ergaben, daß sich kein einziger Verbrecher unter ihnen befand, dagegen aber andere interessante Persönlichkeiten. So der Gras von B., welcher sein ganzes Vermögen, einige Millionen, in einigen Jahren durchgebracht bat, und nun, im Aller von 50 Jahren, schon lange als Tagelöhner, Sackträger, Landstreicher sein Leben fristet. Dann ein früherer Rechtsanwalt, welcher einst eine geachtete Stellung unter Zeinen Stan- desgenossen eingenommen. Eine alte, abgemagerte, elende in Lumpen gehüllte Frau wurde als eine frühere Berühmtheit der Halbwelt erkannt. Allerlei. Der Name der großen Glocke der Metzer Kathedrale, welche beim Einzuge des deutschen Kaisers läutete, „In, Llutts," welcher selbst in Metz thcilweise nicht mehr richtig verstanden wird, bedeutet i „Sturm, Aufruhr" (französisch l'emsuttz in der alten lothringischen Form dieses Wortes), bezeichnet also die Sturmglocke. Sie wird jetzt nur geläutet beim Ein züge des Landesherrn (also auch der Statthalter) in , die Stadt und zwar eine halbe Stunde lang. Sonst giebt sie nur an Wahltagen für Stadtrath oder Reichs tag und ähnlichen Veranlassungen alle Viertelstunden einen dumpfen Ton, um die Bürger an ihre Pflicht