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Beilage zum Schönburger Tageblatt. Mrs. Sonntag, den 2. Juni Das Wettiner Haus und sein Jubiläum. VI. Einen ähnlichen Antheil nahmen die sächsischen Trup pen an dem Reichskrieg 1793—96. Besonders erwar ben sich die sächsischen Truppen in den blutigen Tagen bei Moorlautern (Kaiserslautern), 28.—3O.November 1793 den höchsten Ruhm. Ihre kühne Todesverachtung trug ungemein viel zur Entscheidung dieser Schlacht bei, so daß der König von Preußen ihre Tapferkeit durch Ordensverleihungen öffentlich anerkannte. Nach dem Neutralitätsvertrage zu Erlangen 1796 nahm Fried rich August bis ins Jahr 1806 keinen thätigen An theil an den Kriegsereignissen. In das neue Jahr hundert trat Sachsen ruhig ein, aber bald wurde es sammt seinem Herrscher in Noth und Plage gestürzt. 1804 und 1805 wurde unser Vaterland durch eine schwere Theuerung heimgesucht, das Hektoliter Korn erreichte die Preishöhe von 40—45 Mk.; daß die Menschen nicht geradezu verhungerten, wie früher in solchen Fällen, dafür sorgte die weite Verbreitung der Kartoffeln und die väterliche Vorsorge Friedrich Augusts, der Getreide aus eigenen Vorräthen zu geringen Prei sen abgab, in Franken, in den Häfen der Ostsee, Böhmen und Bayern ankaufen ließ und den Kranken Hilfsärzte und Erquickung sandte. Dann aber führte das Jahr 1806 die unheilvolle Gewitterwolke des Krieges über Sachsen. Napoleon, inzwischen zum Kai ser der Franzosen (18. Mai 1804) erhoben, führte die Auflösung des deutschen Reichsverbandes herbei (6. August 1806 leistete Kaiser Franz Joseph I. Verzicht). Preußen griff gegen Frankreich zu den Waffen und der Kurfürst sah sich gezwungen, sich Preußen mit 22,000 Mann anzuschließen. Nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt koni.te Preußen Sachsen nicht mehr schützen, Napoleon eroberte jenes und bedrohte dieses; durch den Frieden zu Posen (Dec. 1806) mußte der Kurfürst Napoleons Verbündeter werden und sich dem Rheinbunde anschließen. Infolge dieses Friedens nahm der Kurfürst den Königstitel an. Der Kurhut hatte die Wettiner an 400 Jahre geziert. Auch wurde Friedrich August nach dem Tilsiter Frieden (Juli 1807) erblicher und souveräner Herzog des neugebildeten Her- zogthums Warschau (1851 HW.) und erhielt von Preußen den Cottbuser Kreis (18 ^M.), wogegen es nur die Grafschaften Berby und Mansfeld, Tref furt rc. an das neue Königreich Westfalen abtreten mußte. Damals wurde der Hausorden der Rautenkrone ge stiftet. Aber schon 1809 mußte Friedrich August I. auf Napoleons Verlangen mit dem Rheinbund an Oesterreich den Krieg erklären; die Sachsen kämpften mit Ruhm (bei Wagram) unter Le Coq und im Frie den zu Wien erhielt das Herzogthum Warschau einen Zuwachs von 920 OM. Die unglückliche Wendung kam 1813. Mit Napoleons Heere (480,000 Mann) waren 21,213 Sachsen mit 7173 Pferden nach Ruß land gezogen, nahmen zur Hälfte Theil an den heißen Schlachten bei Smolensk und an der Moskwa, rück ten mit in Moskau ein, es waren aber auch sächsische Soldaten (Regiment v. Low), welche bei dem Rückzüge die letzten waren, die auf dem jenseitigen Ufer der Berescyna aushielten und zuletzt die Brücke überschrit ten, die hinter ihnen abgebrochen wurde. Von diesem (Lowschen) Regiment kehrten nur 20 Mann nach Sachsen zurück. Das französische Heer war auf 30,000 Streiter zusammengeschmolzen. Durch den Siez Napoleons bei Lützen (2. Mai 1813) über Russen und Preußen gelangte ganz Sachsen, welches übrigens bereits von Franzosen besetzt gewesen, in die Gewalt Napoleons und der König vollständig unter dessen Einfluß und in dessen Hand, da Oester reich den in Prag auf Antwort harrenden König in Stich ließ und Napoleon drohte, die sächsischen Lande als ein erobertes Land zu behandeln, wenn er nicht zurückkehrte. Trotz der Rückkehr hatte Sachsen als Hauptplatz des Krieges ungeheuer zu leiden. Endlich kam die Völkerschlacht bei Leipzig. Friedrich August war dem Hauptquartier der kaiserlichen Armee nach Leipzig gefolgt; in der Nacht zum 19. October ent band Napoleon den König aller seiner Verbindlichkeiten gegen ihn und eilte nach Thüringen. Friedrich Au gust ward als Gefangener nach Berlin gewiesen und lebte dann zu Presburg in Ungarn, bis er am 7. Juni 1815 in sein Stammland zurückkehren durfte. Bis dahin hatte Sachsen erst unter russischem, dann unter preußischem Generalgouvernement gestanden. Am 18. Mai 1815 war der sog. Wiener Frieden, d. h. ohne Beistimmung Friedrich Augusts, festgestellt und unter Androhung gänzlichen Verlustes Letzterem auf gedrungen worden, so daß er am 21. Mai zu Laxen burg unterzeichnete. Das Herzogthum Warschau wurde zwischen Rußland und Preußen getheilt; der größere Theil Sachsens selbst (367'/r OM. mit 864,404 Einw.) fiel an Preußen. Sachsen behielt nur 271 OM. und 1,182,744 Einw. Die Fürsorge Friedr. Augusts für die Entwicklung seines Landes wurde am Schluffe vorigen Artikels kurz geschildert. Es war ihm vergönnt, unter dem Jubel seines Volkes und den Wünschen anderer Fürsten zwei große Feste zu be gehen, das 50jährige Regierungsjubiläum (15. Septbr. 1818) und das goldne Ehejubiläum 19. Jan. 1819. Er starb 5. Mai 1827 im 77. Alters- und 59. Re gierungsjahre. Ein unerschütterlicher Rechtssinn bil dete den Grundzug seines Wesens, daher ihn die Ge schichte den „Gerechten" nennt. An ton der Gütige, Sohn des Kurfürsten Friedrich Christian, regierte bis 1836; infolge von Unruhen hatte er 1830 seinen älteren Sohn Friedrich August zum Mitregenten ernannt. Am 4. Septbr. 1831 wurde das neue Staatsgrundgesctz (die Vcrfassungs- urkunde, Constitution) zur Freude des sächsischen Volkes bekannt gegeben. Die Stände hatten sie in 6 Mo nate langer mühevoller Arbeit vollendet. Die Regie rung hatte sie durch Nachgiebigkeit und Opferwilligkeit gefördert. So trat Sachsen in die Reihe constitu- tioneller Staaten ein. Eine Reihe wichtiger Ver änderungen trat nun ein. 1832 die allgemeine Städte ordnung, Ablösung aller Frohndienste, 1834 Land rentenbank, 1335 vier Bezirks-Appellationsgerichte und ein Oberappellationsgericht, Kreisdirectionen zu Dres den, Leipzig, Zwickau, Bautzen; 1835 auch das evan gelische Landesconsistorium zu Dresden, ferner erschie nen das Heimatsgesetz, die Gesindeordnung und das Gesetz über das Elementar-Volksschulwesen (6. Juni 1835). Friedrich August II. folgte als König. Un ter ihm wurde der Ausbau der neuen Verfassung ge deihlich gefördert. Es erschien das Criminalgesetzbuch (1838), ein neues Grundsteuersystem wurde geordnet (1843), Grund- und Hypothekengesetze gegeben, große Bauwerke und Eisenbahnen entstanden, das Polytechni kum ward gegründet. Im Mai 1849 trafen die Flügelschläge der französischen Revolution auch Sachsen. Massen Volkes zogen nach Dresden, der König begab sich auf den Königstein, drei Männer stellten sich als „Provisorische Regierung" an die Spitze, preußische Soldaten verjagten diese und die Aufständischen. Hauptsächlich hatten fremde Abenteurer und Aufrührer die Hand im Spiele. Es dauerte auch nicht lange, so unschloß wieder das Band der Liebe, wie zuvor, König und Volk. Auf einer Alpentour bei dem Pitz- thal wurde dieser hochverehrte Fürst aus dem Wagen geschleudert, von dem Hinterfüße eines Pferdes an den Kopf getroffen und mußte (am 9. Aug. 1854) auf der Straße bei Imst sein Leben lassen. Tiefe Weh- muth, aufrichtigster Schmerz durchdrang das Sachsen land. Am 10. August 1854 folgte ihm der jüngste Sohn des Prinzen Maximilian, der als hochgebildeter, gelehrter und leutseliger Herr allgemein verehrte Jo hann. 1836 war seine berühmte Uebersetzung und Erklärung der „göttlichen Komödie" des italienischen Dich ters Dante erschienen. Unterihm wurde das Gerichtswesen umgestaltet; die sog. Patrimonialgerichte wurden auf gehoben, dafür 116 königliche Gerichtsämter und 19 Bezirksgerichte ins Leben gerufen, das Strafverfahren wurde ein öffentliches, mündliches und unmittelbares. Schöffengerichte und Schwurgerichte entstanden. 1861 erschien ein neues Gewerbegesetz für Sachsen. Das Eisenbahnnetz wurde bedeutend erweitert. Da traten in Schleswig-Holstein Verwicklungen ein, die auch auf Sachsen einwirkten. Schon 1849 waren 6000 Sachsen mit draußen gewesen und hatten mit den Bayern zusammen die Düppler Schanzen erstürmt. 1864 rückten die Sachsen mit den Hannoveranern dort ein und verwalteten mit diesen zusammen Holstein im Namen des Bundes. Die Oesterreicher und Preußen dagegen besetzten für sich erst Schleswig und drängten dann auch die Bundestruppen aus Holstein heraus. Als Preußen nach dem Wiener Frieden (1864 Oct.) die ungetheilten Herzogthümer für sich begehrte, rüsteten die Bundesstaaten gegen dasselbe. Preußen verlangte auch von Sachsen die Zurücksührung seiner Truppm auf Friedensfuß; als König Johann, wie auch die anderen größeren Staaten Deutschlands, dies abschlug, erklärte Preußen (15. Juni 1866) auch Sechsen den Krieg. Die Hälfte der nach Böhmen gerückten säch sischen Armee kämpfte bei Gitschin mit Ehren, und die ganze sächsische Armee zeigte am 3. Juli bei König- grätz eine außerordentliche Bravour. Besonders richtete unsere und die österreichische Artillerie furchtbare Ver heerungen unter den Preußen an, so daß diese Mittags zurückzuweichen begannen. Aber da wollte auch bei den Oesterreichern nicht mehr alles nach Wunsch in einander greifen, die neuen Streitkräfte trafen gar nicht oder zu spät ein, die Venetianer streckten das Gewehr, der Kronprinz von Preußen erschien mit einem neuen Armeecorps im Rücken der Oesterreicher und Sachsen und die ersteren lösten sich in buntem Gewirre auf. Alles floh, die Sachsen deckten den Rücken der fliehenden Waffenbrüder und zogen sich über Olmütz nach Wien zurück. Der Frieden zu Prag sprach die Auflösung des deutschen Bundes aus und eine Neuge staltung ohne Betheiligung Oesterreichs. Der Separat friede mit Sachsen kam erst am 21. October zu Stande, bis dahin kostete jeder Tag 30,000 Mark an die preu ßische Verwaltung. Die Kriegskosten betrugen 30 Mill. Mark (abziehlich 3 Mill, für einen Theil der Görlitzer Eisenbahn), Sachsen hatte in den norddeutschen Bund einzutreten. Am 26. October kehrte König Jo hann in sein Land zurück. Der Friedensbestand des Militärs betrug von da an 25,000, der Kriegsbestand 80-100,000 Mann, 16—18,000 Pferde, 150-170 Geschütze, 1200 Fuhrwerke. Das Militärwesen ge staltete sich nach preußischer Art um. Schwere Unglücksfälle trafen dann unser Vaterland. Am 1. Juli 1867 wurden in Lugau (zwischen Lich tenstein und Stollberg) 102 Arbeiter in einer Tiefe von 466 m. verschüttet. Am 19. August dess. Jahres wogte ein unabsehbares Feuermeer über der Stadt Johanngeorgenstadt und legte 287 Häuser in Asche. Am 2. August 1869 fanden durch schlagende Wetter in einem Steinkohlenwerke unfern Großburgk (plauen scher Grund bei Dresden) 270 Bergleute, lauter rüstige Männer und Jünglinge, einen plötzlichen Tod. — Bei diesen 3 großen Unfällen fand die Wohlthätigkeit von fern und nah reiche Gelegenheit, ihre Hand zu öffnen. Reiche Liebesgaben flossen überall her den unglücklichen Hinterblieoenen zu. Am 10. November 1872 feierte König Johann und die Königin Amalie unter freudiger Theilnahme des Landes ihr goldenes Ehejubiläum. Dieser gute und hochverdiente König starb am 29. October 1873, und sein Sohn, unser allverehrter jetziger Landesherr Albert folgte ihm. Er war seit 1867 der comman- dirende General des 12. norddeutschen Armeecorps, das die königl. sächsischen Truppen bildeten. Unter seiner bewährten Führung hat dieses Armeecorps sich im französischen Krieg (1870) den Lorbeerkranz des Heldenmuthes und des Sieges erworben. Seiner meisterhaften Leitung dieses Corps ist besonders der siegreiche Ausgang jenes Riesenkampfes für die Deut schen bei St. Privat (Gravelotte) zu danken, denn der damalige Kronprinz Albert erschien, als die Schlacht sich zweifelhaft gestaltete, mit seinen Sachsen auf dem Kampfplatz und bewirkte, daß St. Privat genommen wurde, was den Sieg entschied. Der nunmehr zum Commandanten der IV. (Maas-)Armee ernannte Kron prinz vernichtete sodann am 30. August bei Beaumont den fein angelegten Kriegsplan der Franzosen, Metz zu entsetzen. Unter seinem Oberbefehl geschah auch die Einnahme des Mont Avron vor Paris, eines höchst wichtigen Punktes. Am 15. Juli 1871 hielten die sächsischen Waffenbrüder ihren Einzug in Dresden; Albert trug den Marschallstab, denn der Kaiser hatte ihn zum Reichsfeldmarschall erhoben. Am Sterbetag seines geliebten Vaters ergriff er auch den Herrscherstab und wirkte fortan Werke des Friedens. 1874 traten 4 Kreishauptmannschaften an Stelle der Kreisdirectionen mit 25 Amtshauptmann schaften, die Städteordnungen gestalteten sich um, für Eisenbahnen, Bergbau, Brückenbau, zur Hebung des Gewerbslebens, für Bildungsanstalten geschah außer ordentlich viel; 1874 trat das Volksschulgesetz in Kraft, das auch die gesetzliche Fortbildungsschule schuf; besonderes Augenmerk wird auf Förderung des Kunst handwerks und des Handwerks überhaupt gerichtet, eine Menge Fachschulen entstanden. Wie in ganz Deutschland so wurde 1879 auch in Sachsen eine neue einheitliche Gerichtsverfassung eingeführt, mit ihr in Sachsen 1 Oberlandesgericht, 4 Landgerichte und 105 Amtsgerichte. Ueber allen deutschen Gerichten steht das Reichsgericht, welches seinen Sitz in Leipzig erhielt. Vermählt ist unser König mit Carola, der Tochter des schwedischen Prinzen Wasa und Enkelin des Königs Gustav IV. von Schweden. Am 18. Juni 1878 fe'erte das geliebte hohe Kömgspaar die silberne Hoch zeit unter dem Jubel des ganzen Landes und großen Veranstaltungen in der Residenz. Carola rief den Albertverein, einen segensreichen Wohlthätigkeitsverein, besonders für Kriegsheilpflege und Armen- und Kran-