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Rußlands Gnaden nach Art des Mingrcliers bekommen werden. Auch die Parteiführer halten auf Ferdinand, selbst wenn sie seiner Regierung Opposition machen. Sie wissen recht gut, daß ihre Rolle ganz ausgespielt sein wird, wenn erst ein russischer Fürst ins Land kommt. So ist der Erste der beiden Ferdinands im Orient in der glücklichen Lage, ruhig abwarten zu können, was an ihn etwa herantritt. Und sein Namens vetter in Bukarest kann das erst recht. Sein Oheim, der kluge König Karol, steht im besten Mannesalter, und er wird sicher dafür streben, daß seinem Nach folger ein fester Thron bleibt. Herr Hitrowo wird es vielleicht nicht an Versuchen fehlen lassen, seine Worte in Thaten umzusetzen, aber er wird der Welt nur deklariren, was russische Friedensliebe heißt. PMiihche MunSschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm kam am Freitag früh von Pots dam nach Berlin und begab sich sofort zu Pferde nach dem Tempelhofer Felde, woselbst im Laufe des Vor mittags die Besichtigung der Berliner Kavallerie-Re gimenter stattfand. Nach dem Schluß der Besichtigung nahm der Kaiser sofort auf dem Exerzierplätze mehrere militärische Meldungen entgegen und kehrte darauf an der Spitze der vom Garde-Kürassier-Regiment gestellten Ctandarlen-Schwadron nach dem königlichen Schlosse zurück. Nachdem der Kaiser noch mehrere Vorträge gehört, fuhr derselbe wieder nach Potsdam, wo heute Sonnabend Vormittag die Besichtigung der dortigen Kavallerie-Regimenter erfolgt. In Bad Kissingen herrscht, wie von dort berichtet wird, allgemeine Freude über die in Aussicht gestellte Ankunft der Kaiserin mit ihren Kindern zu einem mehrwöchentlichen Kurgebrauche. Wiewohl der Tag der Ankunft noch nicht sicher bestimmt ist, so glaubt man doch bis zum 21. Juni mit ziemlicher Bestimmt heit darauf rechnen zu können. Man rüstet sich des halb schon jetzt zum Empfange der Kaiserin. Auf der Saline selbst werden alle nur verfügbaren Räume hergerichtet, da das Gefolge der Kaiserin dort eben falls Wohnung nehmen wird. Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist erst am Freitrag Abend aus Schönhausen nach Berlin zurück gekehrt. Die Reise nach Friedrichsruhe soll angeblich in nächster Woche erfolgen. Die Protokolle der Samoa-Conferenz, deren Arbeiten am Mittwoch doch zum Abschlusse gekommen sein sollen, werden im Anfang Juni veröffentlicht werden. Nach amerikanischen Blättern sind die Haupt punkte der Vereinbarung die folgenden: Der frühere Zustand unter Malietoa wird wieder hergestellt; Deutschland erhält eine nominelle Entschädigung; ^der Eingeborenen-Regierung werden ein deutscher und ein amerikanischer Rathgeber beigegeben, während ein Ver treter Englands als Unparteiischer fungirt. Drei Kahlenstationen werden errichtet werden. Die Wißmann-Expedition in Ostafrika scheint von einem recht unangenehmen Mißgeschicke betroffen worden zu sein. Unter den zur Expedition gehörigen Sudanesen und anderen Arabern sind die Pocken aus gebrochen, welche meist recht arg unter solchen Leuten Hausen. Man wird dieser schlimmen Krankheit aber wohl rasch Einhalt thun können, wenn man die Mann schaften lofort impfen läßt, eine Operation, welche sich bei der thatsächlichen Anwesenheit mehrerer Aerzte an einem Tage vollziehen lassen kann. Es fragt sich nur, ob die Expedition auch Impfstoff mit sich führt. In Folge der Regenzeit sind auch die Europäer zahl reich von Krankheilen heimgesucht; am schlimmsten steht es auf der „Carola". Hauptmann Wißmann hat nach Berlin die telegraphische Bitte gerichtet, ihm noch einige Aerzte nachzusenden. In Westfalen ist der Streik zu Ende. Es ar beiteten am Freitag ziemlich 90,000 Bergleute. Der noch ausständige Rest hat am 31. Mai die Ar beit wieder ausgenommen. Von den Mitgliedern des verhafteten Ausstandsausschusses in Bochum sind nur Weber-Bochum und Brodam-Gelsenkirchen im Gefäng- niß verblieben, denen wegen Aufreizung zu Gewalt- thätigkeiten der Prozeß gemacht werden soll. Die Berliner Zimmerleute, von welchen gegenwärtig 5000 streiken, haben am Freitag gerade so wie die Maurer beschlossen, am allgemeinen Ausstand so lange festzuhalten, bis der neunstündige Arbeitstag und ein Stundenlohn von 60 Pfennigen bewilligt sei. Die Arbeitgeber lehnen die neunstündige Arbeitszeit in der großen Mehrzahl bisher unbedingt ab. In Stettin ist ein Streik der Malergehilfen ausgcbrochen, in Nürnberg droht ein Ausstand der Schlosser und Maschinenbauer und ein allgemeiner Streik der Zim mergesellen in Frankfurt a. Main. Der Streik in Schlesien ist gänzlich zu Ende. Der rheinisch-westfälische Streik findet jetzt noch ein Nachspiel vor belgischen Gerichten. Die deutschen Industriellen haben vielfach belgische Kohlen zu sehr hohen Preisen bestellt und über die Ausführung der Verträge sind nun Streitigkeiten ausgcbrochen. Zahl reiche Prozesse sind im Gange. Die Zahl der Strei kenden im Lütticher Bezirk hat sehr zugenommen. Der Ausstand ist fast allgemein. Im „Berliner Volksblatt" veröffentlicht Herr Be bel eine Erklärung, in der er gegenüber der Thatsache, daß bei dem Bergmann Weber Briefe von ihm ge funden wurden, und der daran von einem rheinischen Blatte geknüpften Schlußfolgerung, daß die Socialde mokratie somit den Ausstand angestiftet und geführt habe, bemerkt: Die Socialdemokratie habe dem Bergarbeiterstreik völlig fern gestanden und sei von dem Ausbruche desselben ebenso überrascht worden, wie die übrige Welt. Des Weiteren giebt er zu, an einen Vertrauensmann Geld geschickt zu haben, aber nicht für socialdemokratische Zwecke, sondern zur Un terstützung der feiernden Bergleute. Die „Nordd. Allg. Ztg." war kürzlich für einen gewissen Eduard Maak eingetretcn, der in der Schweiz unter dem Verdacht, Polizeispitzel zu sein, verhaftet ist. Berliner Blätter erwidern darauf, daß Maak schon wegen betrügerischen Bankerotts und Brandstiftung be straft und als Schwindler bekannt sei, dem man Alles zutrauen könne. Oesterreiry-Ungaru. Die Rede des Erzherzogs Rainer in der Wie ner Akademie der Wissenschaften, in welcher der in Oesterreich gegen Aufklärung und Fortschritt eröffnete Kampf beklagt wird, wurde, wie constatirt wird, unter vorgängiger Kenntniß des Kaisers gehalten. Der persische Gesandte in Wien ist in Warschau mit der Meldung eingetroffen, daß der Kaiser von Oesterreich erklärt habe, auf den Empfang des Schah's nicht vorbereitet zu sein und ihn bitten müsse, die Reise nnch Wien zu vertagen. (Also eine Ablehnung.) Krantreim. Der Graf von Paris feierte am Donnerstag in Kingston an der Themse seine silberne Hochzeit. Bei derselben wurde die Verlobung des Herzogs von Or- lans, ältesten Sohnes des Grafen, mit seiner Cousine, der Prinzessin Margarethe von Chartres, proclamirt. Präsident Carnot ist zur Einweihung des neuen Hafens in Calais angekommen und von den Be hörden empfangen worden. Vor ihm waren die Bou- langisten Laguerre und Millevoye dort angekommen. In einer von diesen veranstalteten Wählerversamm- lung erregten anwesende Anarchisten großen Tumult. Es kam zu einer Prügelei, in der Millevoye mit einem Stuhlbein leicht verwundet wurde. Die Boul an giften und Monarchisten in der Kam mer haben sich von der gegenwärtigen Aussichtslosig keit ihrer Bemühungen überzeugt, der Regierung Ver legenheiten zu bereiten und für den General Reklame zu machen. Die republikanischen Abgeordneten sind ebenso wenig zu solchen Späßen jetzt aufgelegt, wie die Bevölkerung. Selbst die in Kurzem erwartete Ent scheidung des Senates über das Hochverrathsverfahren gegen Boulanger dürfte die allgemeine Ruhe nicht we sentlich beeinträchtigen. Eine Anklage wegen Complotts dürfte sich schwerlich erheben lassen, hierfür ist in der That kein genügendes Material vorhanden. War Boulanger auf dem halben Wege zum Staatsstreich, hätte er auch wohl die Courage gesunden, die andere Hälfte zurückzulegen. Aber die Untersuchung hat zahl reiche Details ergeben, welche die Amtsthäligkeit des Kriegsministers Boulanger in seltsamem Lichte erschei nen lassen, und das wird ausgenutzt werden. England. Im englischen Unterhause erklärte die Regierung aus eine Interpellation, der Besuch des deutschen Kaisers sei privater Natur und bereite daher dem Lande keine Unkosten; der Schah von Persien besuche hingegen England officiell und auf Einladung der Re gierung. Wie früher werde daher eine bezügliche Vor lage zur Kosten-Bestreitung dem Parlament vorgelegt werden. Rußland. Einen sensationellen Toast hat der Kaiser von Ruß land am Himmelfahrtstage bei der Kirchenparade zweier Gardekavallerie-Regimenter auf den Fürsten von Monte negro ausgebracht. Derselbe lautet: „Ich trinke auf das Wohl des Fürsten von Montenegro, des einzi gen aufrichtigen und treuen Freundes Ruß lands." Daß Rußland nicht mehr aufrichtige Freunde hat, wird in Frankreich wohl einen sehr ernüchternden Eindruck machen. Im Uebrigen trägt die russische Politik selbst die Schuld daran, daß ihr die anderen Mächte etwas mißtrauisch gegenüberstehen. Die montenegrinische Fürstentochter Militza (geb. 1866) hat sich mit dem Großfürsten Peter Nikola- jewitzsch (geb. 1864) verlobt. Die Verlobung gilt als bemerkenswerthes Stimmungszeichen. Das russische Kriegsschiff „Najezdnik", auf der Fahrt von Montevideo nach Europa, mit 200 Mann Be satzung an Bord, wird vermißt. Man fürchtet, daß das Fahrzeug mit Mann und Maus untergegangen ist. Die russische Schwarze Meer-Flotte wird fort während verstärkt. Soeben ist der Bau von drei neuen Panzerschiffen, 6 Torpedobooten und 75 großen Pontons für dieselbe angeordnet. Der Schah von Persien bleibt bis Mittwoch in Warschau. Der Kaiser von Oesterreich hat ihn gebeten, den Besuch in Wien noch etwas zu verschieben. Aus dem MuLderrthKle. "Waldenburg, 1. Juni. Ihrer Erlaucht der Gräfin Frida von Schönburg-Glauchau wurde unterm 9. Mai d. I. von Ihrer Majestät der nunmehr ver storbenen Königin-Mutter von Bayern, Prinzessin von Preußen, der Kgl. Bayerische Theresien-Orden verliehen. I. I. E. E. Graf Clemens nebst hoher Gemahlin iverden nächsten Montag aus dem Bade nach Schloß Glauchau zurückkehren. * — Der heutige Tag gehört zu den heißesten, die wir in diesem Jahre bisher hatten; das Thermometer zeigte in den Mittagsstunden nicht weniger als 23 Grad L. im Schatten. * — Das anläßlich der Wettinfeier hier geplante Feuerwerk wird am 16. Juni abends in der Mhe des fürstlichen Schlosses, entweder im sogenannten Fischgarten oder auf der an das Brückenhaus angren zenden Wiese zwischen der Mulde und der Peniger Straße staltfinden. Die Ausführung des Feuerwerks hat ein Feuerwerker aus Zwickau übernommen. * — Es dürfte gewiß beachtenswerth sein, daß, wer beim Besuch des Waldes oder der Fluren junge Rehe, Hasen, Eier von Singvögeln oder Junge von jagd barem Federwild findet und mit nach Hause nimmt, nach Z 368 des deutschen Reichsstrafgesetzbuches mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis- zu v erzehn Tagen bestraft wird. * — Mit dem 31. Mai geht die seit dem 1. No vember des vorigen Jahres andauernde Schonzeit für Krebse zu Ende, und vom 1. Juni ab bis zum 31. October hin dürfen diese bei allen Feinschmeckern so beliebten Krustenlhiere wieder gefangen und verkauft werden. — Die Sammlungen für die Wasserbeschädigten im Mulden- und Pleißenthale sind besonders in Glaus: chau sehr erfolgreich. So konnte die Expedition des Gl. Tgl. am 31. Mai den bereits abgelieferten Sum men im Betrage von 2000 Mk. wiederum 1000 zu fügen. Unter den Zeichnern figurirt an erster Stelle Herr Louis Leuschner mit 1500 Mk. — In der Brüderstraße in Glaucha« entstand am Freitag durch einen Kellereinsturz eine ziemlich große Oeffnung, so daß sich die vorläufige Sperrung dieser Straße nothwendig machte. — Seit Montag Nachmittag verkehren, wie schon gemeldet, die Personenzüge Zwickau-Glauchau wieder. Bis zum Pfingstfeste gedenkt man so weit mit der provisorischen Brücke fertig zu werden, daß ein Um steigen bei Rothenbach nicht mehr nölhig erscheint. Der Güterverkehr bewegt sich noch ferner über Aue, woselbst Züge auf Züge, ab Zwickau mit 2, 3 und 4i Maschinen, gehen. — Ein am Streik der Maurer und Zimmerer in Zwickau betheiligter Maurer insultirte thätlich und wörtlich vier böhmische Arbeiter, weil diese am Streik sich nicht betheiligten. Das Schöffengericht zu Zwickau belegte den Schuldigen auf Grund des tz 153 der Gewerbeordnung mit 6 Wochen Gefängniß. — Am Mittwoch weilten in Zwickau zwei aus wärtige Fabrikanten, Compagnons, um einen Wechsel im Betrage von 22,000 Mk. discontiren zu lassen. Hierbei aber suchte der eine Theilhaber unter Mit nahme des Wechsels das Weite. Der Geschädigte er stattete sofort Anzeige. — Am Donnerstag hat sich der Strafanstaltsauf- scher N. in Zwickau in seiner Wohnung durch Er hängen entleibt. N., welcher 36 Jahre alt, verheira tet und Vater von 2 Kindern ist, scheint die bedauerns- werthe That in einem Anfall von Schwermuth ge- than zu haben. — Der am Himmelfahrtstag in Zwickau im „Schwanenschlößchen" abgehaltene Bezirkstag des Be zirksvereins „Königreich Sachsen" des deutschen Flei scherverbandes unter Vorsitz von Laue-Leipzig war von 40 Abgeordneten und ungefähr 200 Vereinsmit gliedern besucht. Dem Bezirksverein gehören gegen wärtig 127 Innungen und 2750 Mitglieder, dem ganzen Verbände 757 Innungen und 18,689 Mit glieder an. Bezüglich der Behandlung der Häute beim Schlachten der Thiere und der Talgverwerthung empfahl Nitzsche-Leipzig, dem Vergang der dortigen Innung zu folgen, welche, um den von den Gerbern immer mehr gedrückten Preisen der Häute zu be gegnen, von Zeit zu Zeit Auctivnen derselben veran staltet und bezüglich der Talgverwerthung eine eigene Talgschmelze errichtet, damit aber den Preis des Talgs von 16 auf 28 Pfg. pro Pfund Ausbeute erreicht hat. Zeitungspflichtexemplare für den Gesammtvor- stand jeder Innung zu halten, wurde genehmigt, gleich zeitig aber beschlossen, dahin zu wirken, daß jedem Verbandsmitglied gegen mäßige Erhöhung der Jahres steuer ein Exemplar der Verbandszeitung zugestellt