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und Naack, von Socialdemokraten als Polizeispitzel hingestellt und haben seitdem mancherlei Unannehmlich keiten zu erdulden gehabt. Beide haben sich nun an den deutschen Gesandten in Bern mit Klagen über rücksichtslose Behandlung, die sie während eines kurzen Arrestes zu erdulden hatten, sowie mit Beschwerden darüber gewandt, daß es ihnen unmöglich sei, Arbeit zu erlangen, nachdem sie öffentlich als Polizeispitzel hingestellt worden. Es soll nun zunächst ermittelt werden, ob die beiden Petenten wirklich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Bom Bord der vor Zanzibar befindlichen Kreuzer- corvette „Carola" sind leider ungünstige Nachrich ten eingegangen. Etwa der vierte Theil der aus etwa 260 Köpfen bestehenden Mannschaft ist am Fie ber erkrankt. Das Schiff wird wahrscheinlich nach Deutschland zurückkehren. Am Montag Nachmittag 3 Uhr fand unter Vor sitz des Kaisers in Berlin ein Kronrath statt. Bei der Reichstagsersatzwahl in Schwerin er hielt der Deulschconservative Blümcher 5972, der Nationalliberale Brunnengräber 5570 und der So cialdemokrat Schwartz 4039 Stimmen. Es hat Stich wahl zwischen den beiden Ersteren stattzufinden. In der Nacht zum Montag ist in Bochum das gesammte westfälische Central-Streik-Comitee, über 40 Personen, verhaftet und das gesammte Actenmaterial beschlagnahmt worden. Die Verhaftung dürste erfolgt sein, weil man annimmt, das Comitee habe seine Wirksamkeit auf Dinge ausgedehnt, die mit dem Lohnstreik nichts zu thun haben. Der zuerst ver haftete Vorsitzende Weber galt als einer der besonnen sten Bergleute; er soll sich in der That zu stark her absetzenden Aeußerungen über den Kaiser haben Hin reißen lassen, doch wird diese Meldung auch entschieden bestritten, zumal die betreffende Versammlung mit einem Hoch auf den Kaiser geschlossen wurde. Aeußerungen wie „Krieg dem Kapital!", „Sieg oder Tod!" u. s. w. sind nach allgemeiner Aussage indessen gefallen. Alle Streikversammlungen sind verboten, zugleich sind aber auch gründliche Untersuchungen der Zechen verhältnisse durch Revierbeamte angeordnet. Was den Ausstand selbst anbetrifft, so sind die große Mehrzahl der Bergarbeiter absolut streikmüde. Im Dortmunder, Essener, Oberhausener Revier arbeitet Alles, im Gelsen kirchener die Hälfte der Arbeiter. Die Ruhe ist un gestört, Sondermaßnahmen dürften schwerlich eingeführt werden. In einem offenen Briefe erklärt vr. Ham macher, alle Arbeiterdelegirte hätten ihm versprochen, auf dem Delegirtentage die Arbeitsaufnahme zu befür worten, aber nur ein Theil der Leute habe dies wirk lich gethan. Es sei viel geklagt, daß die Zechenver waltungen ihr Versprechen nicht gehalten hätten, aber die Delegirten hätten nicht eine einzige Verwaltung ihm nennen können, die wortbrüchig geworden sei. tLefterreicy-Ungarn. Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern ist mit seiner Schwester, der Herzogin Adelgunde, zu längerem Aufenthalt in Wien angekommen. In diplomatischen Kreisen verlautet, daß Kaiser t Wilhelm und König Humbert ein in den Aus- drücken wärmster Freundschaft abgefaßtes Schreiben an Kaiser Franz Joseph gerichtet hätten. Kaiser ! Franz Joseph drückte seinen herzlichsten Dank aus und versicherte, daß Oesterreich im Geiste den Berliner ! Festtagen beigewohnt habe. Auch von einer im Laufe ! dieses Jahres stattfindenden Begegnung zwischen dem ! Kaiser Franz Joseph und dem König Humbert ist die Rede. Daß dieselbe in Rom stattfinden werde, ist aber schwerlich anzunehmen. Schweiz. König Humbert wurde bei der Ankunft in Basel officiell von Schweizer Behörden begrüßt. Die Volks menge bereitete dem Monarchen enthusiastischeOvationen. Der König äußerte sich sehr befriedigt über den Ver lauf seiner Reise. Zwischen Berlin und Bern findet ein officieller Notenwechsel über den immer noch nicht erledigten Fall Wohlgemuth statt. Hrantreiry. Aus Tonkin bringen Pariser Blätter eine recht erbauliche Nachricht: Der französische Resident der Provinz Haid-Zuong ließ auf 40 annamitische Matrosen ' eines französischen Fahrzeuges irrthümlich schießen, j da er sie irrthümlich für Piraten hielt. Der Vorfall rief große Aufregung hervor, der Resident wurde so fort abgesetzt. Nach einer weiteren Meldung sind 10 todt und 20 verwundet. Der Besuch der Ausstellung läßt etwas nach. Man hofft indessen auf außerordentlich starken Frem denzufluß zu Pfingsten. Nuftland. Kaiser Alexander hat die Untersuchung über die Katastrophe von Borki niedergeschlagen. Er sagt in einem Handschreiben, da er bei dem traurigen Unfälle in so hohem Maße Gottes Gnade erfahren habe, so wolle er den schuldigen Beamten gegenüber ebenfalls gnädig sein. Er ordne deshalb an, die ge richtliche Untersuchung gegen die Schuldigen einzustellen und dieselben nur disziplinarisch zu bestrafen. Der durch die Untersuchung constatirte unbefriedigende Zu stand der Kursk-Charkow-Eisenbahn müsse aber für alle übrigen Eisenbahnen als warnendes Beispiel dienen. (Ja, wenn warnende Beispiele in Rußland nützten, märe Manches anders.) Auf allen Erzgruben in Russisch-Polen ist ein Streik ausgebrochen, bei welchem es zu recht argen Ausschrei tungen und Tumulten gekommen ist. Die Beamten wurden vielfach auf die roheste Weise mißhandelt. Die russischen Behörden haben energische Maßregeln ergriffen und zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Rußland ist wiederum eine Anleihe gelungen. Das Bankhaus von S. Bleichröder und die Discontogesell- schaft in Berlin, sowie M. A. von Rothschild L Söhne in Frankfurt a. M. übernahmen im Verein mit der Finnländischen Bank eine neue 3'/rprocentige finnlän- dischc Staatseisenbahnanleihe im Betrage von 33 Mil lionen Mark, deren Erlös theils zur Rückzahlung der Feuilleton. Demaskirt. Kriminal.Roman von Karl v. Leistner. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Er hatte in tiefer Trauer über den Verlust seines Freundes und in stets wachsender Besorgniß um seine Braut die Zeit, während welcher sein Verbleiben be ansprucht wurde, mit dem steten Wunsche zugebracht, daß es ihm vergönnt sein möchte, sich an der Wieder ausfindung des Theuersten, was er auf der Welt be sitze, seiner geliebten Braut, selbst zu betheiligen. Der arme Mann, welcher unter ruchloser Mörder hand so Plötzlich sein Leben aushauchen mußte, ruhte nun auf dem Friedhöfe zu Olsdorf. Am zweiten Tage nach seiner Beerdigung, die Zechini besorgte und bestritt, reiste Letzterer von Ols dorf a^. Ganz kurze Zeit, nachdem die geschilderten Ereig nisse sich vollzogen hatten, saß die schon bejahrte, aber noch immer recht stattlich aussehende Commerzien- räthin Sternfeld im eleganten Wohngemache ihres fast palastartigen, in der Residenzstadt gelegenen Hauses. Die Dame war schon seit vielen Jahren Wittwe. Ihr Gatte, der Bankier und Commerzienrath Stern- selb, hatte sich als gewandter Geschäftsmann durch zahlreiche vom Glück begünstigte Unternehmungen ein enormes Vermögen erworben, als dessen voraussicht lich dereinstigen Erben man allgemein den Neffen des Ehepaares, einen strebsamen jungen Kaufmann, Na mens Eugen Hellmuth bezeichnete, dessen Eltern früh zeitig gestorben waren und welcher daher von der kinderlosen Wittwe wie ein Sohn betrachtet wurde. Er und seine Tante erfreuten sich in allen Kreisen der Residenzstadt der größten Beliebtheit, um so mehr, als Lie bejahrte Frau überall mit offener Hand spendete, wo es galt, die Noth ihrer Mitmenschen zu lindern. Sie war eine verständige und gute Dame und wußte gleich dem Neffen durch vorzügliche Charaktereigen schaften und leutseliges Wesen die Herzen aller Derer, welche sie kannten, zu gewinnen. Eugen war vor nicht langer Zeit von einer amerikanischen Geschäfts reise zurückgekehrt und hatte während derselben die Interessen seines bisherigen Prinzipals so befriedigend vertreten, daß ihm dieser die Theilnahme an seinen Unternehmungen mit einem von der Tante zugewen deten Einlagekapital gewährte. Heute war die Stirne der Commerzienräthin etwas in Falten gelegt, was selten vorkam, und sie schien in ernste Erwägungen vertieft zu sein, wurde aber nun durch das Eintreten eines jungen Mädchens un terbrochen. Die Erscheinende trug einen zwar kleidsamen, aber so einfachen Hausanzug, daß derselbe, obwohl er die Schönheit der Formen des etwa zwanzigjährigen Mäd chens vortheilhaft hervorhob, fast mit der Eleganz der Umgebung in Contrast stand. „Es würde mir leid thun, Frau Commerzienräthin, wenn mein Eintritt Störung verursacht hatte," be gann die junge Dame mit wohlklingender Stimme und einer Sprachweise, die sie durch ihren fremdarti gen Accent als Ausländerin kennzeichnete. „Ohnedies habe ich mir vorzuwerfen, daß ich schon manche Un bequemlichkeit in Ihrem gastfreundschaftlichen Hause verursachte. Ich wollte Sie benachrichtigen, daß ich mich soeben an entfernte Anverwandte brieflich ge wendet habe und Ihre Güte hoffentlich nur bis zum Eintreffen der Rückantwort in Anspruch zu nehmen brauche." Die alte Dame hatte das Haupt erhoben und ihre ernsten, sorglichen Züge nahmen einen freundlichen Aus druck an, während sie in das liebliche Gesicht der Spre chenden blickte. Der herzliche Ton der Entgegnung ließ auch erkennen, daß diese nicht lediglich eine gesell- 4'/rprocentigen Eisenbahnanleihen von 1874 und 1881, theils zu neuen Eisenbahnbauten bestimmt ist. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 28. Mai. Während in unseren sächsischen Steinkohlenrevieren die Ruhe wieder einge kehrt zu sein scheint, haben in den westdeutschen Revie ren die Radicalen leider die Oberhand gewonnen. Es sind Reden der schlimmsten Art gehalten worden. In der Nacht vom 26. zum 27. Mai ist in Bochum das gesammte Streikcomitee, über 40 Personen, ver haftet und das gesammte Aktenmaterial beschlagnahmt worden. Man wird hoffentlich nunmehr einsehen, daß es sich nicht allein um eine einfache Lohnforderung han delt, sondern um eine von langer Hand her vorbereitete Bewegung, die zweifellos anarchistischen Ursprungs ist und durch ausländische Agitation und fremdes Geld (russisches?) gefördert und im Fluß gehalten wird. Wenn bei unseren sächsischen Bergleuten die rechte Ein sicht und der klare Verstand, wie man hoffen darf, das Uebergewicht erlangt haben, so können wir diesel ben nur beglückwünschen und den Behörden wie den Grubenverwaltungen für ihr rechtzeitiges Eingreifen und richtiges Verhalten unseren Dank aussprechen. *— Auf hiesiger Bahnstation entwickelte sich ver gangenen Sonntag ebenfalls ein recht reger Verkehr. Zum größten Theil war das Reiseziel des verkehren den Publikums die Ueberschwemmungsgegend bei Ober rothenbach. *— Aus Anlaß des massenhaften Vorkommens von Raupen, welche in diesem Jahre nicht blos die Früchte, sondern auch das Leben der Bäume und die Tragbar keit der letzteren sogar auch für das nächste Jahr ge fährden, wird von kundiger Seite folgendes Mittel, die Raupen auf den Obstbäumen rasch und sicher zu tödten, zur Anwendung empfohlen: Es werden für 10 Pfennige sogenannte schwarze Seife und eine Hand voll ungelöschter Kalk in wenig Wasser ausgelöst und dann mit einem Eimer voll Gille vermischt. Mit dieser Flüssigkeit werden die Sammelstellen der Rau pen an den Stämmen, Aesten und in den Nestern am frühen Morgen, ehe die Raupen auseinander laufen, mit einem Maurerpinsel oder festen Strohwisch stark besprengt. Mit einem Eimer dieses Gemisches können zehn mittelgroße Bäume ohne Nachtheil für das Laub und die Früchte von den lästigen Raupen gründlich be freit werden. Die höheren Nester kann man mit Pin seln erreichen, die an Stangen befestigt sind. — Nachdem es der angestrengtesten Thätigkeit ge lungen ist, die stark beschädigte Bahnstrecke bei Rothen bach bis auf die zerstörte Brücke wiederherzustellen, ist der directe Personenverkehr über Chemnitz-Glauchau- Zwickau mit Umsteigen der Passagiere bei Mosel wieder im Gange. Die Leitung des Verkehrs über Aue und die Giltigkeit der nach Hof und darüber hinaus leitenden Billets von Görlitz und Dresden über Leipzig ist daher wieder aufgehoben worden. — Ein Kohlenspediteur in Zwickau ist durch einen Fabrikarbeiter in Meerane, der sich als ein vermögen- schaftliche Phrase sei: „Ich wünsch: Ihnen von Herzen, daß der Bescheid Ihren Erwartungen entsprechen möge. Im Uebrigen aber seien Sie ohne Sorge, meine Liebe, denn an freundlicher Verpflegung und auch an mütterlichem Rathe, falls sie dessen bedürfen, soll es Ihnen an die ser Stätte nicht fehlen." „Wie soll ich Ihnen danken, gnädige Frau, für so viele Güte, die Sie einer Fremden zuwenden, obgleich diese Ihr Haus unter wenig empfehlenden Umständen betreten hat," erwiderte das Mädchen leise und schüch tern, wobei es sich über die Hand der alten Frau neigte, um sie zu küssen. Doch machte diese eine ab wehrende Bewegung, und als sie in den Augen der jungen Gefährtin Thränen glänzen sah, strich sie ihr unter einer plötzlichen Anwandlung von Zärtlichkeit mit der Rechten über das volle, dunkle Haar. „Darf ich wohl eine Bitte an Sie richten, Frau Commerzienräthin?" fuhr das Mädchen fort. „Sie werden gewiß begreifen, daß die Annahme, die Art und Weise meines Erscheinens in Ihrem Hause könne mich einer ungünstigen Beurtheilung aussetzen, für mich eine recht peinliche sein muß. Wenn mich auch Ihre Güte über diesen Punkt einigermaßen beruhigt, so dürften weitere Aufklärungen des Sachverhaltes doch am Platze sein. Hätten Sie im gegenwärtigen Momente wohl so viel Zeit, um meinen ausführlichen Bericht entgegen zu nehmen?" „Sprechen Sie, liebes Fräulein, so lange Sie wollen. Es freut mich, wenn Sie mir Vertrauen schenken, und ich werde dasstlbe vor Allem durch auf merksames Zuhören zu rechtfertigen versuchen." Nachdem Jene auf einen einladenden Wink der Commerzienräthin dicht neben derselben Platz genom men hatte, begann sie ihre Erzählung. (Fortsetzung folgt.l