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wird darauf mit großer Mehrheit abgelehnt. Darauf wird noch der Etat der landwirthschaftlichen Verwal tung genehmigt und die Sitzung dann auf Donners tag 11 Uhr vertagt: Weiterberathung des Etats. Oesterreich-Ungarn. Als Todesursache des Kronprinzen Rudolf wird officiell Herzschlag angegeben, doch coursiren auch andere Versionen. Der Kronprinz wurde im Jagdschloß Meyerling, wo er seit Montag weilte, am Mittwoch früh 8 Uhr todt im Bette aufgefunden. Einer der Jagdgäste, Graf Hoyos, brachte die Trauer kunde in die kaiserliche Hosburg in Wien. Der Kai ser zog sich, nachdem er die Nachricht erhalten, zurück und ist für Niemand zu sprechen. In der ganzen kaiserlichen Familie herrscht namenloser Schmerz und Verwirrung und eine ungeheure Aufregung in der ganzen Stadt. Das Parlament, die Theater und die Börse sind geschlossen. Die Leiche des Kronprinzen wurde noch im Laufe des Mittwoch nach Wien gebracht. Die Verhältnisse in Pest sind recht ungemüthlich. Die Regierung hat zwar die prinzipielle Annahme der Wehrvorlage nach zahllosen Skandalen im Parlament durchgesetzt, aber die Stimmung der Bevölkerung bleibt dem Gesetze wegen seiner strengen Bestimmungen sehr abgeneigt. Am Dienstag, wie am Mittwoch haben Straßenskandale stattgefunden, welche das Auftre ten der bewaffneten Macht zeitweise erforderlich mach ten und die Verwundung mehrerer Personen hervor riefen. Am Hofe ist man über die Vorfälle sehr ver stimmt- der Kaiser hat den bei allen Parteien gleich angesehenen Grafen Julius Andraffy, den früheren Minister, ersucht, sein ganzes Gewicht in die Waag schale zur endlichen Wiederherstellung der Rnhe zu werfen. Man erhofft einen Ausgleich. MautreikN. Die Pariser Blätter sind auf England sehr er bost. Der englische Kreuzer „Reindeer" hat nämlich bei der ostafrikanischen Insel Pemba ein französisches Fahrzeug wegen Verdacht des Waffenschmuggels auf gegriffen. Es ist aber nichts gefunden, und deshalb der Lärm. Mehrfach wird prophezeit, heute Donnerstag werde in der Kammer doch Floquets Sturz erfolgen. Die Ansicht überwiegt aber, daß es bei einer Ca- binetsneubildung sein Bewenden haben wird. Der Wirrwarr ist so groß, daß etwas Bestimmtes zu sa gen kaum möglich ist. Ueber die Desertion einer französischen Jäger compagnie nach Belgien, die zu den verschiedensten Meldungen Anlaß gegeben, ist nun definitiv Folgendes festgestellt: Es waren 71 Mann des 9. Jägerbataillons in Longwy, die in geordnetem Zuge über die Grenze nach Belgien gezogen waren. Ein ihnen nachgesandter Offizier vermochte sie nicht zur Rückkehr zu bewegen. Sie klagten über zu große Strenge ihres Haupt manns, über schlechte Kost, ungenügende Urlaube, zu häufige Revuen u. s. w. Nach 24 Stunden hatten sie sich jedoch die Sache überlegt und kehrten zurück. Einstweilen hat jeder 14 Tage strengen Arrest bekom- Feuilleton. Die Geheimnisse eines Irrenhauses. Roman nach dem Amerikanischen von August Leo. (Fortsetzung.) Von den Worten des Vorstehers angestachelt, ergriffen die beiden Wärter die Frau und zogen sie trotz ihres Schreiens aus dem Zimmer. Die Gäste athmeten auf, als sie fort war und Doktor Sansom mehr als Alle, als sein Freund Brindle ausrief: „Gott, wie wahnsinnig die arme Frau ist! Sie ist wirklich gefährlich! Ich glaubte, sie wolle mich anfallen." „Nur die Nachlässigkeit dieser dummen Wärter ist daran schuld," sagte Doktor Sansom. „Ich war nur einen Augenblick in das andere Zimmer gegangen, sonst hätte ich dies Alles verhindern können. Ich lasse die Patienten gern so frei als möglich, und das machen sie sich zu Nutze. Diese arme wahnsinnige Beatrice Kmg besteht, seitdem Constanze Asch starb, darauf, sich für Robert Aschs Frau zu halten, und glaubt ohne Grund hier zu sein." „Früher kamen solche Sachen vor," sagte Brindle, „doch Gott sei Dam, so etwas ist jetzt unmöglich." „Ich bitte, mich einige Minuten zu entschuldigen," bat Doktor Sansom, „damit ich sehen kann, daß dem armen Geschöpfe, welches jetzt sehr aufgeregt ist, nichts Böses geschieht." Als er in den Corridor kam, fand er die Frau im Kampfe gegen die beiden Wärter; sie rief: „Ihr könnt mich tödten, wenn Ihr wollt, aber ich gehe nicht zurück!" Doktor Sansoms Gesellschaftslächeln hatte jetzt seinem gewöhnlichen Grinsen Platz gemacht und er wüthete gegen die Wärter. Dann wandte er sich an Constanze und sagte wild: „Was soll denn dieses Benehmen heißen? Ist Beatrice King etwas Besseres, als die dreihundert men, außerdem ist aber die Untersuchung nach den Rädelsführern eingeleitet. Heute Donnerstag wird in der Deputirtenkammer die große Sitzung stattfinden, in welcher Minister präsident Floquet die Abänderung des Wahl systems beantragen, sein Programm darlegcn und ein Vertrauensvotum fordern wird. Da er verspro chen hat, sich in Zukunft ganz den Wünschen der Kam mermehrheit zu fügen, sobald es die Bekämpfung Bou langers gilt, so wird ihm dies Vertrauensvotum zweifellos bewilligt werden. Nach der Sitzung wird dann eine Umbildung des Cabinets vorgenommen wer den. Boulanger, welcher in dieser Sitzung den An trag auf Auflösung der Kammer stellen wird, hat auf keinen günstigen Empfang bei den Volksvertretern zu rechnen, die er in seinem Dank an die Pariser für den großen Wahlsieg herunterreißt, daß es nur eine Art hat. Boulangers Dank beweist übrigens von Neuem, daß er ein Strohkopf ist. Alles, was er sagen kann, sind Beschimpfungen seiner Gegner und der Regie rung, die von den Pariser Wählern zu Boden ge schmettert sei u. s. w. Daß es so weit noch lange nicht ist, wird Boulanger heute merken, und es wird dahin überhaupt nicht kommen, wenn die Republikaner das Herz auf dem rechten Fleck haben und der bis- ! herigen Mißwirtschaft, die den Stein alles Anstoßes j bildet, ein Ende machen. Der Ministerpräsident Flo quet empfing am Mittwoch den Vorstand der extremen z Radikalen, welcher die Auflösung der Patriotenliga, die jetzt Boulangers Leibgarde geworden ist, verlangte. Voraussichtlich wird diesem Ansinnen nach der heu tigen Kammersitzung entsprochen werden. Floquet äußerte sich ruhig und versicherte, alle Schwierigkeiten würden überwunden werden, wenn die Republikaner einig seien. Ruhestörungen in der Stadt sind, abge sehen vvn den gewöhnlichen Katzbalgereien, nicht vor- gekowmen. Boulanger sagt in einem Briefe an seine Wähler: Noch unter dem Eindruck der tiefen Bewe gung, welche mir die bewunderungswürdige Kundge bung vom Sonntag verursacht hat, will ich nicht zö gern mit dem Ausdrucke meiner Erkenntlichkeit gegen über der Bevölkerung, welche so tapfer in geschlossener Colonne marschirte gegen die parlamentarische Coali- tion, welche aus allen Denjenigen zusammengesetzt ist, die in so kühner Weise die Republik für sich in An spruch nehmen — die Republik, die ihre Fehler, ihre Ohnmacht und ihre Jntriguen in so schwerer Weise compromittirt haben. Noch unter keiner Regierung, j bei keinem Wahlfeldzuge sind so officielle nichtswürdige Angriffe, so wohl überlegte Lügen, so schmachvolle Drohungen gegen einen Candidaten in so schmählicher Weise geschleudert worden. Mit Ihrem Stimmzettel in der Hand haben Sie mit einem einzigen Schlage alle Verleumdungen und alle Verleumder weggefegt. Die Partei der National-Republikaner, welche sich gründet auf die Rechtschaffenheit ihrer Beamten und auf das allgemeine Stimmrecht, ist von jetzt ab be gründet. Die Kammer, welche dieselbe bekämpfte mit - einer Wuth ohnegleichen, hat nichts Anderes mehr vor sich als die Auflösung, der sie auch nicht entgehen wird. Wähler des Seine-Departements! Ihnen, Ihrer Energie und Ihrem gesunden Verstand wird es unser Vaterland, unser großes Vaterland zu verdanken ha ben, daß es von Schmarotzern befreit ist, welche an ihm nagen, indem sie es entehren. Die Republik steht jetzt allen Franzosen offen, die guten Willen hegen. Mögen sie in dieselbe eintreten, mögen jene Anderen aus derselben ausscheiden. Es lebe Frankreich! Es lebe die Republik! Ueber die Aeußerung des Deutschenhasses in Paris wird der „Staaten-Correspondenz" von dort folgendes Stücklein berichtet: Als sich hier kürzlich einige Schweden von guter Familie in einem öffent lichen Lokale in ihrer Muttersprache unterhielten, ge nügte das, zumal da das Schwedische fast anklingt an das Deutsche, daß die Menge sie Prussiens nannte und maltraitirte. Die Schweden wandten sich klagend an ihren Gesandten, aber trotz sehr energischer Vorstellung desselben konnte er die geforderte Genugthuung für seine mißhandelten Landsleute nicht erhalten. Er wurde, wie er sich ausdrückte, von Pontius zu Pilatus mit seinem Anliegen geschickt, ohne die gewünschte Entschei dung, welche Behörde diese Angelegenheit auszugleichen habe, zu erhalten. Holland. Im Befinden des Königs von Holland ist nach dem Utrecht'schen Courant keinerlei Besserung ein getreten. Die großen Schmerzen, welche der Kranke leidet, müssen durch Morphiumeinspritzungen gelindert werden. Portugal. Jn Oporto in Portugal ist wegen steuerlicher Maß nahmen der Regierung eine Revolte ausgebrochen. Die Regierung hat die Straßen militärisch besetzen lassen und scharfe Befehle zur Unterdrückung aller Unruhen gegeben. Amerika. Der nordamerikanische Minister des Auswärtigen, Bayard, erklärte einem Reporter zur Samoafrage, Deutschland habe die Union nicht zum Kriege bisher gereizt. Es handle sich nur darum, ob Nordamerika nöthigenfalls mit Gewalt einem deutschen Angriff auf die Unabhängigkeit Samoas entgegentreten solle. Die Beantwortung der Frage, welche Krieg oder Frieden bedeute, hänge vom Congreß ab. Deutschland habe den aufrichtigen Munsch, mit Amerika in Frieden zu leben, ausgedrückt; Amerika sei auch bisher in keiner Weise von den Deutschen herausgefordert. Dagegen suche Deutschland im Widerspruch mit seinen Betheue- rungen, sich den Haupteinfluß auf die Samoainseln zu sichern. Die Sache des früheren Königs Mallietoa von Samoa berühre Amerika nicht. Im Repräsen tantenhaus ist ein Antrag emgebracht, der Präsident der Union möge darauf achten, daß die Unabhängigkeit der Samoainseln nicht angetastet und die Rechte ame rikanischer Bürger auf denselben nicht geschmälert würden. Auch der in Aussicht genommene neue Mi- anderen Bewohner dieses Hauses, daß Sie solchen Lärm machen? „Ich bin nicht Beatrice King, Herr," antwortete sie, „und werde nie auf diesen Namen hören." „Nicht?" sagte Doktor Sansom mit bösem Lächeln. „Das wollen wir sehen." „Das ist nicht mein Name!" rief sie, „und ich werde es der Welt zu wissen thun, wer ich bin — Sie werden es bereuen, mich so behandelt zu haben." „Die Welt weiß, daß Sie Beatrice King sind," antwortete er, „und Sie werden es bereuen, wenn Sie nicht auf diesen Namen hören." „Ich will lieber sterben, als meinen Namen auf geben !" „Führt sie weg," sagte Doktor Sansom, „und sperrt sie in die Zelle der tollen Sally. Vielleicht kommt sie da zur Vernunft." „O, nicht da hinein — nicht da hinein!" rief das zitternde Weib, als Bill sie aufhob und zu einer Zelle trug, in welcher ein wildes Geschöpf an ihrer Kette riß und wirres Zeuq schwatzte. Die tolle Sally war ein entsetzliches Geschöpf. „Sperrt Beatrice King da hinein," befahl Doktor Sansom, „uud laßt sie dort, bis sie auf ihren Namen hört — dann schickt nach mir." Bill öffnete die Zelle — die arme Frau wehrte sich vergebens, sie wurde hineingestoßen und die Thür schnell hinter ihr geschloffen. Die tolle Sally, welche darüber erbittert war, daß, wie sie sagte, „man wage, in ihren Palast einzudringen", sprang mit der Wildheit eines Tigers auf die Neu angekommene zu, und das arme Weib, welches sich nicht Beatrice King nennen wollte, mußte, um sich zu retten, schnell in einen entfernten Winkel flüchten, wohin Sallys Kette nicht reichte. Dorr kauerte sie sich furchtsam zusammen, während Sally wiederholte Anstrengungen machte, sie zu er reichen. Nachdem Doktor Sansom ungefähr den halben Cor ridor durchschritten, kehrte er noch einmal zurück und blickte durch das Gitter in die Zelle. „Um des Himmels Barmherzigkeit willen, lassen Sie mich hier heraus!" flehte das geängstigte Weib. „Wie heißen Sie?" fragte er bedeutungsvoll. „Constanze Asch!" war die schnelle Antwort. „Dann bleiben Sie, wo Sie sind!" zischteer, „und wenn die tolle Sally Sie nicht zur Vernunft bringt, wollen wir ein anderes Mittel versuchen." Nachdem er dies gesagt, eilte Doktor Sansom zu seinen Gästen in den Speisesaal zurück. Er wollte sich gerade wegen seiner Abwesenheit ent schuldigen, als sein Auge auf einen ungeladenen Gast fiel, dessen Gegenwart ihn erschreckte. Es war Horace Harding, der feurige und unnachgiebige Redacteur des „Herald", welcher mit dem ehrenwerthen Mr. Benjamin Brindle in ernster Unterhaltung begriffen war. Die ser letztere befand sich in sehr heiterer Laune, er hielt eine leere Champagnerflasche in der Hand und schlug häufig mit derselben auf den Tisch, um seine Bemer kungen zu bekräftigen. „Der Teufel hole die Presse!" sagte er, „sie muß in alles ihre Nase stecken, sie kann nicht einmal die Untersuchungs-Commission des Irrenhauses in Ruhe lassen. Ich sage Ihnen, Herr, daß diese Anstalt sehr gut geleitet ist. Ich habe noch nie bessere Austern gegessen, und was den Champagner anbelangt, der ist unvergleichlich! — Bei einer solchen Kost dürfen sich die Verrückten gewiß nicht beklagen." Doktor Sansom war entsetzlich beunruhigt, er näherte sich Brindle und sagte: „Mein lieber Mr. Brindle, bitte, kommen Sie mit mir, ich möchte Sie gern einige Minuten allein sprechen." Mehrere der Herren kamen, um Doktor Sansom zu helfen, Mr. Brindle wegzubringen, der das Zimmer verließ. (Fortsetzung folgt.)