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Erbprinz von Meiningen, sowie eine zahlreiche Linie Aufstellung. Der Kaiser bedeckte hierauf das Haupt mit dem Adlerhelm, nahm aus den Händen des Mini sters von Bötticher die Thronrede entgegen und verlas dieselbe mit lauter, kräftiger Stimme. Der Kaiser sah überhaupt recht frisch aus. Lebhafter Beifall wurde laut, als der Kaiser der Hoffnung auf fernere Erhaltung des Friedens Ausdruck gab und bei der Ankündigung der Verbesserung der Lage der Geistlichen und Volks schullehrer und der neuen Steuerreformvorlage. Als der Monarch geendet, nahm die Schloßgarde das Ge- ! wehr bei Fuß und Herr von Bötticher erklärte den ! Landtag für eröffnet. Der Alterspräsident des Abge- s ordnetenhauses vr. Reichensperger brachte ein erneutes ! Hoch auf den Kaiser aus, worauf sich dieser mit wie- - verholten Verneigungen entfernte. Im preußischen Herrenhaus eröffnete am 14 ! d. Präsident Herzog von Ratibor die Sitzung mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser, in welches das Haus begeistert einstimmt. Der Namensaufruf ergiebt j die Anwesenheit von 126 Mitgliedern. Das bisherige ' Präsidium, die Herren Herzog von Ratibor, von ! Rochow-Plessow und Or. Miquel wird einstimmig , wiedergewählt. Nächste Sitzung: Dienstag 12 Uhr. j (Kleine Vorlagen.) Im preußischen Abgeordnetenhause eröffnete am 14. d. Alterspräsident Abg. Reichensperger die f Sitzung mit folgenden Worten: Meine Herren! Die soeben vorgenommene Eröffnung des Landtages hat . unserem geistigen Auge von Neuem jene schweren, er- : schüttelnden Schicksalsschläge vorgeführt, die im abge- laufenen Jahre das ganze Vaterland getroffen. Preußen hat zwei ruhmgekrönle Könige, das deutsche Reich hat seine beiden ersten Kaiser durch den Tod verloren. < Die ganze Nation hat die Dahingeschiedenen in tiefster Trauer zur Gruft geleitet. Aber die ganze Nation i hat sich wieder gehoben gefühlt in dem stolzen Be- ! wußtsein, daß der Erbe des Königshauses in Mannes- i kraft voll hohen Geistes die Zügel der Regierung im s Staate und im Reiche ergriffen hat. Mit lebendigem j Vertrauen in die Zukunft sieht das deutsche Reich - darauf hin, wie ihm der Monarch in seinem Aufrufe - in erhabenen Worten seine Anschauungen, seine Auf- i gaben vorqezeichnet hat. Das erhebende Vertrauen auf die Zukunft ist begründet durch die Worte, in denen der Monarch erklärt, er werde im Aufblick zu dem Könige aller Könige die Regierung übernehmen und er habe Gott gelobt, nach dem Beispiele seiner Väter seinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Gottesfurcht und Frömmigkeit zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein. (Beifall.) Mit uns vertraut das ganze Vaterland, daß dieses könig liche Gelöbniß, ungetrübt durch Störungen von Außen oder Innen in segensreiche Erfüllung gehen werde zum Heile des Fürsten und des Vaterlandes. Wir begin nen nunmehr unsere Arbeiten in der guten alten Weise mit dem Rufe: Seine Majestät der deutsche Kaiser, König Wilhelm II. lebe hoch! Das Haus stimmt dreimal begeistert in diesen Ruf ein. Das Andenken des plötzlich verstorbenen Abg. v. Kleinsorgen ehrt das Haus durch Erheben von den Sitzen. Anwesend sind 362 Mitglieder, das Haus ist somit beschlußfähig. Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr. (Präsidenten-und Schnftführerwahl.) Bezüglich der Präsidentenwahl im preußischen Abgeordnetenhaus« verlautet, daß die Wiederwahl der Herren von Köller (cons.), von Heeremann (Centrum) für zweifellos gilt. Herr von Benda, der bisherige zweite Vicepräsident, will keine Wahl wieder annehmen. Die Budgetcommission des Reichstages geneh migte am Montag die Etats der Zuckersteuer und Branntweinsteuer. Auf eine Frage nach dem Stande der Zucker-Conventions-Verhandlungen erklärte Staats sekretär von Maltzahn-Gültz, die Regierung sei mit der Ausarbeitung eines der Convention entsprechenden Gesetzes beschäftigt. Natürlich könne dasselbe nur in Kraft treten, wenn die Convention von allen Staaten angenommen werde. Die erste offene Versammlung der königstreuen Berliner Arbeiter, zu welcher sich mehr Sociali- sten als Vereinsmitgliedcr eingefunden hatten, ist von Ersteren gesprengt. Die Socialisten machten solchen s Lärm, daß nur die Auflösung übrig blieb. Bei der Reichstagswahl in Breslau an Stelle Kräcker's erhielten Schneidermeister Kühn (Socialist) 7799, Stadtrichter Friedländer (deutschfreis.) 4585, Stellmacher Kühn (Socialreform und Centrum) 1421 Stimmen. Sonach ist eine Stichwahl zwischen Schnei dermeister Kühn und Stadtrichter Friedländer noth wendig. Bei der Reichstagsersatzwahl in Regensburg bekam bisher Waldersdorf (Centrum) 2163, Hoffmann (liberal) 1068, v. Vollmar (Socialist) 361 Stimmen. Die meisten Landbezirke fehlen noch. Das dem Reichstag zugegangene zweite Weißbuch über Ostafrika schildert besonders die Kämpfe im Verlaufe des November, deren Einzelheiten aus Privat- mittheilungen bereits bekannt sind, sowie den gleichfalls bekannten Verlauf der Sklavenblockade. Die ostafrika nische Gesellschaft hat eine Eingabe an den Reichs kanzler gerichtet, in welchem sie darlegt, daß ihr aus z dem Aufstand ein Gesammtverlust von 650,000 Mark erwachsen ist. Sie betont: „Aus eigener Macht ist die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft nicht im Stande, in dem empörten Lande ihre Aufgaben zu erfüllen, doch glaubt sie, eine hohe Reichsregierung und ein j hoher Reichstag werden ihren Beistand zu der mit Bekämpfung des Sklavenhandels Hand in Hand gehenden Wiederherstellung der Ordnung im Küstengebiete, dieser Vorbedingung für künftige Entwicklung fruchtbringen der Thätigkeit, nicht versagen, ebensowenig zur Geltend machung gerechter Entschädigungsansprüche und über haupt zur Lösung derjenigen Fragen, welche der Mit wirkung oder Entscheidung der hohen Reichsregierung bedürfen." Ferner ist dem Reichstage ein Gesetzent wurf zugegangen, betr. die Ausführung des internatio- Feuilleton. Die Geheimnisse eines Irrenhauses. Roman nach dem Amerikanischen von August Leo. (Fortsetzung.) „Und sind Sie von der Gewaltthätigkeit unterrich tet, mit der man mich hierhergeschleppt hat? — Wis sen Sie, daß ich die Frau Robert Asch's bin und daß ich mein Haus diesen Morgen nur verließ, um spa zieren zu fahren? Daß ich weder wahnsinnig, noch irgendwie krank bin, und daß mein Gatte mit Auf opferung seines ganzen Vermögens diese Beleidigung strafen wird? Ich bin mit Gewalt hier hereingetra gen, von einer Ihrer Pflegebefohlenen, die mir den Hut vom Kopfe riß, angefallen und widerrechtlich hier zurückgehalten worden. Und jetzt, mein Herr, verlange ich, daß Sie mich zum Thore führen, damit ich von hier fortkomme." Constanze war der Meinung, daß der Director, nachdem sie ihm dies alles gesagt, nicht wagen würde, sie nur einen Moment länger zurück zu halten, son dern daß er alle die Ungehörigkeiten entschuldigen und ihr jedwede Genugthuung bieten würde. Doctor Sansom blickte sie prüfend an und sah, daß sie die Sachlage nicht kannte; sie wußte augenschein lich nicht, daß sie auf Befehl ihres Gatten hier war, und der gefällige Doctor sagte sich, daß je früher sie aufgeklärt wurde, es um so besser sei. „Meine liebe Dame," sagte er mit so weicher, an genehmer Stimme, daß Constanze sich fragte, ob das denn wirklich der Mann sei, der eben mit den Wär tern in so ganz anderem Tone gesprochen hatte. „Sie verstehen augenscheinlich den Stand der Dinge nicht. Ihr Gatte, Mr. Robert Asch, ist vollkommen davon unterrichtet, daß Sie sich hier befinden." „Was ist das?" rief sie hastig. „Mein Gatte weiß, daß rch hier bin? — Das ist nicht wahr — das kann nicht sein! Weshalb sollte ich denn hier sein? Bin ich nicht so vernünftig wie Sie?" „Madame, das ist die gewöhnliche Einbildung der Geisteskranken," sagte der Doctor. „Sie glauben, daß Sie im Vollbesitze Ihrer Geisteskräfte sind, doch das ist nicht der Fall, selbst in diesem Augenblicke spricht der Wahnsinn aus Ihren Augen." „Das ist nicht wahr! Aus mir spricht nur Ent rüstung. Quälen Sie mich nicht länger und lassen Sie mich fort." „Die Wahnsinnige, welche Ihnen Ihren Hut ent riß, glaubt dasselbe, und wenn es bei Ihnen natür lich auch nicht so arg ist, als bei dieser," fügte er mit leisem, grausamem Lachen hinzu, „so ist Ihr Fall doch ein solcher, daß Sie nothwendig der Ruhe, Pflege und Sorgfalt benöthigen, welche Sie nur in dieser ausge zeichneten Anstalt finden können, und ich kann Ihnen zu ihrer Beruhigung sagen, Mrs. Asch, daß, so sehr Sie auch meiner Behauptung widersprechen mögen, Sie auf Verlangen Ihres vorsorglichen Gatten hier sind, welcher mich ausdrücklich darum gebeten hat, da für zu sorgen, daß es Ihnen an nichts fehle. Ich hoffe, daß Ihr hiesiger Aufenthalt nur von kurzer Dauer sein wird!" „Genug — genug, Herr. Ich will nichts mehr hören. Sie machen sich über mich lustig! Mein Gatte hat mich nicht hierher gesandt, das ist eine Lüge und ein Verbrechen, das Ihnen theuer zu stehen kommen soll!" „Nun, Madame, wenn Sie mir nicht glauben wol len, so sehen Sie hier seinen Brief," sagte Doctor Sansom mit scharfer Stimme, die da zeigte, daß Con stanzes Worte ihn verletzt hatten — und darauf las er folgende Zeilen vor: „Lieber Doctor! Ich sende Ihnen meine Gattin, Constanze. Sehen Sie, daß sie sorgsam gepflegt wird und alles erhält, was sie braucht. Wie ich Ihnen schon bei unserer kurzen Unterredung sagte, mir blu tet das Herz, daß ich zu diesem Schritte gezwungen nalen Vertrages zur Unterdrückung des Branntwein handels auf der Nordsee. Dem Reichstage ist noch eine Fortsetzung und Ergänzung des Weißbuches über Ostafrika zuge gangen. Nach einer Meldung desjBureau Reuter aus Sydney vom 11. Januar bestätigen die letzten dort von Samoa eingelaufenen Depeschen die bisherigen Berichte über die zwischen den Deutschen und den An hängern Mataafa's stattgehabten Kämpfe. Die Deut schen behaupten, daß Letztere die Feindseligkeiten be gannen und zu feuern angefangen hätten, während Mataafa's Leute umgekehrt sagen, die Deutschen hätten zuerst den Sohn eines bedeutenden Häuptlings und darauf diesen selbst erschossen. Oesterreich-Ungarn. In Pest dauert der Streit um die neue Wehrvor lage noch immer fort; auch die bekanntlich sehr de monstrationslustigen ungarischen Studenten haben da gegen zu opponiren begonnen. Trotzdem ist eine fried liche Beilegung des Zankes absolut sicher, da Minister präsident Tisza eine möglichst milde Ausführung des Gesetzes zugesichert. Von einer Ministerkrisis ist keine Rede. Schweiz. Am Sonntag fanden im Kanton Zürich lebhafte Wahl kämpfe bei der Wahl eines Mitgliedes in den Regierungsrath statt. Der demokratisch-radikale Wipf wurde mit 30,000 Stimmen gewählt; auch für den Ständerath siegte der demokratisch-radikale Candidat Pfenninger. Die liberalen und konservativen Gegner erhielten 20,000 Stimmen. FrantreiLy. Ollivier, der letzte Premierminister Napoleons, von dem seit 1870 nur selten noch die Rede war, ist mit großer Mehrheit zum Senator erwählt. Dem aus Origny wegen angeblicher Spionage aus gewiesenen deutschen Brauer Faßbender war von der Regierung ein Aufschub von 20 Tagen gewährt wor den. Faßbenders Rückkehr zum Zweck des Verkaufes seines Besitzihumes hat nun zu lebhaften Straßsnfkan- dalen Anlaß gegeben. Dreißig Arbeiter durchzogen die Straßen, verübten allerlei Unfug und schimpften auf die Regierung, weil sie Faßbender ausgewiesen habe. Diese Demonstration mag recht gut gemeint sein, nützen wird sie den Deutschen nichts. Zwischen der Panamakanalgesellfchaft und der Pariser Bank ist ein Vertrag abgeschlossen, kraft des sen die Bank eine neue Gesellschaft mit 60 Millionen Kapital bildet, welche alle Actien der alten Gesellschaft übernimmt. Aus Paris wird der „Nat.-Ztg." vom Sonntag Abend gemeldet: „General Boulanger hat seine Ab sicht, als Dcputirter des Norddepartements seine De mission zu nehmen, aufgegeben. Als Grund führen die Boulangisten an, der General würde durch die Demission seine Unverletzlichkeit verlieren, was gefähr lich sein könnte, da die Regierung selbst vor gewalt samen Maßregeln nicht zurückschrecken würde, um die Wahl Boulanger's zu verhindern. Die Aussichten der- bin, doch es ist der einzige Ausweg, um unsere Fa milie vor Schande zu bewahren. Robert Asch." Während er dies las, stand Constanzes wie festge bannt neben dem engen, vergitterten Fenster, sie konnte kaum ihren Ohren trauen und fragte sich, ob sie nicht wirklich wahnsinnig sei? Ohne sich nur einen Moment zu unterbrechen, um die Wirkung zu beobachten, las Doctor Sansom, wel cher es für das Beste hielt, ihr die ganze Größe ihres Elends auf einmal zu zeigen, um den stolzen Geist zu brechen, der ihm zu trotzen wagte, auch die Zeug nisse über Constanzes Wahnsinn, welche von den bei den Doctoren unterschrieben waren. „Gott erbarme Dich meiner!" schrie sie endlich auf, indem sie mit gefalteten Händen zu Boden sank. „O Gott, meine einzige Hoffnung, hilf und schütze ein armes, schwaches vertheidigungsloses Weib, wel ches durch zwei meineidige Doctoren und einen fal schen, grausamen Gatten ihrer Freiheit beraubt wor den ist!" „Sie sehen jetzt, wie die Dinge stehen" sagte Doc tor Sansom wieder mit seinem honigsüßen Tone, in dem er zu Constanze trat. „Dies ist eine Anstalt des Staates und Ihr Hiersein ist gesetzlich begründet. Durch dieses Zeugniß bin ich angewiesen, Sie hier zu behalten, bis ich Gegenordre erhalte, und ich könnte Sie nicht freilassen, so gern ich auch wollte." Constanze gab keine Antwort, die Thränen erstick ten ihre Stimme. Sie hatte das Gesicht in den Händen verborgen und achtete nicht auf Doctor San som. Ihr Geist war nur von Gedanken über ihr unglückliches Loos erfüllt und sie sah nicht, daß der Vorsteher, als er sich bückte, um ihr aufzuhelfen, ein Tuch in der Hand hatte, welches er, wie um ihre Thränen zu trocknen, ihr aus Mund und Nase drückte. (Fortsetzung folgt.)