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bener Franzose in der Nacht vom 9. bis 10. Ja nuar vier Fensterscheiben des dortigen Zollamtes zertrümmert und verschiedene Schriftstücke mit her ausfordernden Worten hineingeworfen. Die „N. A. Z." bemerkt dazu: „Wir sind Seitens der Franzosen an Schlimmeres gewöhnt und werden uns deswegen nicht ereifern. Jedoch wollen wir bei dieser Gelegenheit auf einen neuen Beitrag zur Darstellung des Rechtsschu tzes in Frankreich Hinweisen; die französischen Beam ten haben sich nämlich geweigert, die erforderlichen Schritte zu thun, um den Helden der letzten patrio tischen That zu ermitteln." Ueber die Verhaftung eines französischen Ingenieurs in Straßburg wird des Genaueren be richtet: Wie in allen ähnlichen Fällen herrschen die abenteuerlichsten Gerüchte über die Person des des Hochverraths angeklagten französischen Ingenieurs Dreyfus, welcher vor einigen Tagen verhaftet wurde. Der junge Mann hatte in Kehl Quartier genommen und kam täglich zu seinen in Straßburg wohnenden Eltern zu Besuch. Die Polizei verhaftete ihn, weil er als Optant ohne Paß das reichsläudische Gebiet betreten. Bei der Durchsuchung Les Verhafteten fiel der Polizei ein Notizbuch in die Hand, in dem sich gravirende Zeichnungen der Befestigungen befanden. Der Verhaftete wurde sofort in das Ünlcrsuchungs- gefängniß gebracht. Er war früher im Pariser Kriegs ministerium thätig und war französischer Reserve- Offizier. Die „Nordd. Allg. Ztg." ist über die Wahldebatten im Reichstage heftig erbittert und bringt einen ful minanten Artikel gegen die freisinnige und socialistische Partei. Sie meint, es sollte künftig festgestellt sein, ob den gewählten Abgeordneten auch der nothwendige Respcct vor der Würde des Hauses und die erforder liche Achtung vor der Gesammtheit des Reichstages innewohne. Die Haltung der Kriegervereine bei den Wahlen wird von dem Blatte durchaus gebilligt. In der Commission zur Vorberathung des Arbei ter-Alters- und Jnvaliden-Versorgungsge- se.tzes sind mehrfache Anträge auf Abänderung der Vorlage bereits angekündigt morden. Die National liberalen wollen zuerst eine Reichsanstalt für die Al ters- und Invalidenversicherung im Anschluß an das Reichsversicherungsamt beantragen. Dieser Vorschlag ist schon in der ersten Berathung des Entwurfes im Reichstage hervorgetreten und hat dort viele Freunde, aber auch manche Gegner gefunden. brankreictz. Der deutsche Botschafter Graf Münster hat sich stark erkältet und wohnte deshalb auch dem vom Prä sidenten Carnot gegebenen Galadiner nicht bei. Boulangers erste Wahlzettel lauteten: „General Boulanger: Verfassungsdurchsicht, Kammerauflösung, grundgesctzgebende Versammlung." Sein Gegcncandidat Jacques ließ darauf Maueranschläge mit der In schrift drucken: „Jacques. Keine Diktatur, kein Sedan. Es lebe die Republik." Nun erschienen neue Boulanger- sche Anschläge, welche außer dem früheren Inhalt noch die Schlußworte brachten: „Es lebe die Republik." Boulangers Gegner wollten eine satirische Wahlschrift unter dem Titel: „Der tapfere General Blechbart" erscheinen lassen : die Boulangisten bekamen Wind davon, bemächtigten sich des Titels und verkaufen nun einen „General Blechbart", der aber nicht Boulanger ist. Der „Radikal" rechnet Boulanger vor, daß er 21,500 Franken Einkommen habe und in einem Jahre 3,200,000 Franken ausgegeben habe und wirft die neugierige Frage auf, woher er seine Mittel beziehe, wobei er als feststehend annimmt, daß ihm von jenseits des Rheins eine halbe Million zugekommen sei. Boulangers Absicht, sein jetziges Abgeordnetenmandat niederzulegen, um aller Welt zu zeigen, daß er fest auf einen Sieg in Paris rechne, steht fest und wird in den nächsten Tagen zur Ausführung kommen. Belgien. In Brüssel ist eine politische Brochüre erschienen, in welcher die Politik der gegenwärtigen Regie rung in sehr scharfen Worten getadelt wird, nament lich wird über die geringe Neigung derselben, die all gemeine und persönliche Militärpflicht einzuführen, ein herbes Urtheil gesprochen. Da bekannt ist, daß König Leopold der eifrigste Vertheidiger der allgemeinen Dienst pflicht in seinem Lande ist, schrieb man ihm die Ur heberschaft der Brochüre erst zu, doch wird das jetzt bestritten. Holland. Der Zustand des Königs von Holland hat sich nach kurzer Besserung abermals verschlimmert. Der König kann das Bett nicht mehr verlassen. Die Aerzte constatiren eine bedenkliche Abnahme der Schlaf- und Eßlust! Lerbien. König Milan von Serbien hat das gegenwärtige Ministerium ersucht, bis auf Weiteres noch im Amte zu bleiben, da die Bildung eines neuen Kabinets Loch auf Schwierigleiten stößt. Nustland. Der russische Kaiser Hof trifft heute Sonnabend aus Gatschina in Petersburg ein und wird dort bis zum Ende des Karnevals bleiben. Große Hoffestlich keiten stehen bevor. Zum russischen Neujahr wird eine friedliche Aeußerung des Czaren erwartet. Gegen die Deutschrussen werden von der Peters burger Regierung neue Maßnahmen vorbereitet: Die Gouverneure der baltischen Provinzen sind für Liese Woche nach der russischen Hauptstadt berufen worden, um an den im Ministerium des Innern stattfindenden Berathungen wegen Einführung der russischen Sprache als alleinige Amtssprache theilzunehmen. Aus dem MuLdenttzaLs. "Waldenburg, 12. Januar. Die Lehrlingsver- mittclung des Gauverbandes erzgebirgischer Gewerbe- Vereine, wozu auch der Gewerbeverein Waldenburg gehört, hat dieser Tage wiederum eine Liste herausge geben, nach welcher in folgenden Gewerben von Meistern Lehrlinge gesucht werden, und zwar Bäcker 3, Böttcher 1, Buchbinder 1, Buchdrucker 1, Buchhändler 1, Feilen hauer 1, Fleischer 2, Glaser 1, Kaufmann 2, Klempner 1, Sattler 2, Schlosser .1, Schmied 1, Schneider 1, Schuhmacher 3, Tischler 1, Zuschneider (Wäschefabrik) 1, Müller 2, Zeugschmied 1. Dagegen werden für Lehrlinge in folgenden Gewerben Meister gesucht: Appreteur 1, Barbier 1, Buchbinder 4, Färber 2, Fleischer 2, Glaser 2, Kaufmann 2, Klempner 1, Sattler 1, Schreiber 1, Tischler 1, Weber 1. Die Vermittelungsstelle für Waldenburg ist bei Herrn Schneidermeister Wohlfarth hier, Kirchgasse. *— Auf dem Schwanenteiche in Grünfeld ist jetzt die Eisbahn in vorzüglichem Zustande und Jung und Alt pflegt das herrliche Wintervergnügen des Schlitt schuhfahrens. Wie im Jnseratentheil ersichtlich, findet morgen Nachmittag ein von der hiesigen Stadtkapelle gegebenes Eisconcert statt; ferner soll nächsten Mon tag Abend eine große Lampionfahrt veranstaltet wer den. Infolge der anhaltenden Kälte hat das Eis eine bedeutende Stärke erlangt. Auch die Mulde ist vom Schießhause bis nahe an die sog. Pfüllermühle fest zugefroren, sodaß auch auf dieser Fläche gefahren wer den kann. Letzterer Fall tritt übrigens äußerst sel ten ein. Aus dem SachsenlEdL. — Am 8. d. sind den königlich sächsischen Staats bahnen neue Locomotiven übergeben worden. Und zwar trsf die Maschine „Greenfield" schon in Meißen ein, in den nächsten Tagen kommt noch die Maschine „Ha milton " und zwei andere hinzu. Aeußerlich unterscheiden sich die neuen Maschinen weniger von den älteren; eine Eisentafel am Führerstande zeigt, daß diese Ma schine in einer Stunde 70 Kilometer zurücklegen kann, in einer Minute also 1170 Meter, die anderen Ma schinen kommen nur 50 Kilometer die Stunde. Rech net man 7'/s Kilometer auf eine Meile, so legen also die neuen Maschinen ungefähr 17 und 18 Stunden in einer stunde zurück, natürlich ohne Anhang. Die Maschine hat wie die anderen 3 Achsen und 6 Räder, nur ist die Vorderachse beweglich, kann also die Kur ven leichter ausfahren, und die Hinterachse liegt hinter dem Feuerraum, nicht, wie bisher, vor demselben. Die erhöhte Geschwindigkeit bringt es mit sich, daß solche Maschinen außer zu Personenzügen auch zu Eil zügen verwend.t werden können. Die Maschine trägt außer den Bahnräumern noch schiefstehende Schnee werfer, führt die Nummer 1569 und ist in der Säch sischen Maschinenfabrik zu Chemnitz, vormals Richard Hartmann, erbaut. Der Preis dürste sich auf unge fähr 36,000 Mark stellen. — Wie verlautet, soll der sächsische Landtag noch in der ersten Hälfte dieses Jahres, wahrscheinlich im Mai, einberufen werden, jedoch nur zu kurzer Session zur Erledigung einiger dringlicher Sachen. — Ueber die Ausstellung gewerblicher Schulen des Königreichs Sachsen ist jetzt ein im Auftrage des Ministeriums des Innern zusammengestellter Bericht erschienen (Druck von Lommatzsch), welcher die Orga nisation der Ausstellung, deren Verlauf und die erziel ten Resultate einer eingehenden Besprechung unterzieht. — Unser Fortbilkungsschulwescn und insbesondere die Disciplin in diesen Anstalten scheint einem neuen Aufschwungs entgegenzugehen. Wie aus zahlreichen Gesuchen an die Direktionen der Fortbildungsschulen ersichtlich ist, legen viele Militärbehörden auf das Fortbildungsschul-Entlassungszeugniß der eintretenden Rekruten großes Gewicht und in Sonderheit auf die Betragens- und Ordnungscensuren. Im eigenen Interesse mögen daher die Fortbildungsschüler darauf aufmerk sam gemacht sein, das betreffende Schulzeugniß sorg- fältigst aufzubewahren, um es nöthigen Falls sogleich bei der Hand zu haben. — Aus dem vr. Döhner'schen Lehrmittelfoud, welcher der Verwaltung des königl. Cultusministeriums untersteht, sind im Jahre 1888 eine große Anzahl ärmerer Schulgemeinden, namentlich im Erzgebirge, mit Unterstützungen zur Beschaffung von Lehrmitteln bedacht worden, deren Gesammtbetrag die Höhe von 1146 Mk. erreicht. Auch haben an bedürftige Lehrer 140 Mk. als Beihilfen in Nothfällen verwilligt wer den können. So wird in segensreicher Weise das dankbare Andenken an diesen hochverdienten Mann, der als Geheimer Kirchen- und Schulrath Jahrzehnte lang bei der Kreisdirection Zwickau angestellt war und auf die Entwickelung des Volksschulwesens in dem armen Erzgebirge einen tiefgehenden Einfluß ausübte, dauernd lebendig erhalten. — Die oberschlesischen Landwirthe haben alljährlich über die „Sachsengängerei", d. h. über die Aus wanderung der Arbeiter und Arbeiterinnen nach dem Königreich und nach der Provinz Sachsen zu klagen. Die Auswanderung, welche sonst erst im Frühjahr zu erfolgen pflegt, hat diesmal zu Neujahr begonnen, und zwar in einem für die oberschlesischen Grundbesitzer so bedenklichen Umfange, daß die Pfarrer sich genöthigt sahen, von der Kanzler herab vor der „Sachsengängerei" zu warnen. Am 4. Adventssonntage hat dieser Gegen stand in nicht weniger als vier Kirchen des Oppelner Kreises den Stoff zur Predigt gegeben. Auch die Grundbesitzer ihrerseits haben Schritte gethan, um den Auswanderungsstrom einzudämmen, und sich deshalb mit der Bitte an den preußischen Eisenbahnminister gewandt, die im Jahre 1886 erfolgte Herabminderung der Fahrpreise auf den Eisenbahnen rückgängig zu machen. Ob dieses Gesuch Erfolg haben wird, ist zweifelhaft; einfacher wäre es, die Löhne auf eine an nähernd gleiche Höhe mit denen in Sachsen zu bringen. Aber freilich liegen die Verhältnisse in Oberschlesien so, daß der Gutsherr sich nicht leicht auf eine solche Mehrausgabe einlassen kann. In Sachsen dagegen werden solche Löhne gezahlt, daß in der letzten Woche des verflossenen und in der ersten des neuen Jahres in eine Raiffeisen'sche Darlehnskasse von den in Sach sen beschäftigt gewesenen jugendlichen Arbeiterinnen nicht weniger als 7000 Mk. Spareinlagen gemacht werden konnten. — Dem flüchtig gewesenen Buchhalter der Firma Hammer und Schmidt in Leipzig, Beruh. Hahne mann, wurden 77,000 Mk. abgenommen und von dem deutschen Konsul in Porl-Said mit Beschlag belegt. Die Nachricht von dem Selbstmord Hahnemann ist unbegründet, er ist bereits nach Europa eingeschifft. — Im Monat December v. I. wurden 895 Aus wanderer, der Mehrzahl nach wiederum Böhmen, auf der Magdeburger Bahn von Leipzig aus weiter nach Bremen, Hamburg bez. Rotterdam und Antwerpen be fördert. Die Gesammtzahl der Auswanderer, welche während des verflossenen Jahres nach den obigen Hafen städten auf der Magdeburger Bahn von Leipzig ab gingen, beläuft sich auf 18,063 Personen. — Aus Chemnitz wird geschrieben: In dem Ge schäftsleben tritt nach Weihnachten in der Regel eine Flauheit ein, welche sich nicht selten bis in die erste Hälfte des Januar erstreckt. Es hängt dieselbe in der Hauptsache mit der Aufnahme der Inventuren und den Abschlüssen und Regulirungen der vorjährigen Rechnungen zusammen. Diesmal ist aber am hiesigen Platze von einer solchen Flauheit des Geschäftsganges nicht viel zu bemerken, vielmehr ist in letzterem gleich nach dem Feste wieder eine ganz besondere Lebendigkeit eingetreten, sicher ein gutes Omen für das laufende Jahr. Auch scheinen die Regulirungen gut von statten zu gehen, denn während in bedrängten Zeiten die Jahreswechsel zahlreiche und größere Fallissements zur Folge hatten, hört man diesmal nichts, was darauf hindeutet, daß solche Gefahren in Aussicht sind, ob gleich der gelinde Winter manchem Geschäftsmann und namentlich den Wollwaarenhändlern arge Enttäuschung gebracht hat. Es gewinnt somit den sicheren Anschein, daß die geschäftlichen Verhältnisse wesentlich solider geworden sind. — Die Erben des Stadraths C. G. Händel in Crimmitschau haben zu dessen ehrendem Andenken der dortigen Kleinkinderschule eine Stiftung in der Höhe von 25,000 Mk. überwiesen. — Die Kirchengemeinde Pirna hat zum Zwecke umfänglicher Reparaturbauten des dortigen Gotteshauses eine Anleihe von 100,000 Mk. beim landwirthschaft- lichen Kreditverein im Königreich Sachsen zu3'/2Proc. Zinsen ausgenommen. Ebenso hat auch bei dem glei chen Institute die Kirchgemeinde Wehlen in diesen Tagen zu demselben Zweck ein Darlehn von 53,000 Mk. contrahirt. — Mehrere Fachmänner der Kammgarnindustrie haben in Grotzzschocher einen Bauplatz von 34 Acker erworben, um daselbst eine große Kammgarnspinnerei zu errichten. Der Platz liegt in der Nähe des Bahn hofes Großzschocher. Die neue Spinnerei kann also leicht Bahnverbindung erhalten. In Knauthain ist auch ein Bauplatz für Anlage einer großen Baumwoll spinnerei erworben worden. Auch dort kann leicht eine Gleisverbindung mit dem Bahnhofe hergestellt werden. — Im Bahnhofs-Restaurationsgebäude zu Wüsten-