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neue Anerkennung hinzuzufügen. Und doch liegt es ; Mir am Herzen, den heutigen seltenen Gedenktag nicht i ohne eine solche vorübergehen zu lassen. In diesem ; Sinne verleihe Ich Ihnen beifolgend die Krone zu dem t vor 50 Jahren erworbenen Ehrenzeichen und zwar, als Beweis Meiner besonderen Zuneigung, in Brillanten. Mit Mir hofft das Vaterland und die Armee, daß Sie sich der neu verdienten Auszeichnung, so Gott i will, noch lange in der bisherigen Frische und Rüstig- ; keit erfreuen mögen. Pleß, den 29. November 1889. i Ihr in tiefer Dankbarkeit treu ergebener König. ? Wilhelm R," Der Reichskanzler hat seinen Aufenthalt in Frie- ' drichsruhe abermals verlängert und wird vielleicht vor Weihnachten überhaupt nicht mehr nach Berlin kom men. Es ergiebt sich das aus der Thatsache, daß ' Staatssecretär Graf Bismarck zum mehrtägigen Be- f such seines Vaters in Friedrichsruhe angekommen ist. , Oberbürgermeister Miquel wird nun doch im § Reichstage bleiben! Der „M. A. Z." wird in dieser s Sache berichtet: „Der Abg. Miquel, der die Absicht ausgesprochen hatte, sich vom parlamentarischen Leben f zurückzuziehen, hat seinen Entschluß geändert. Bei i dem Diner, welches der Kriegsminister in voriger i Woche gab und das durch die Gegenwart des Kaisers einen besonderen Glanz erhielt, wurde allgemein be merkt, wie der Monarch Herrn Miquel in ungewöhn licher Weise auszeichnete. In der langen und lebhaf ten Unterhaltung, die der Kaiser mit Miquel führte, sprach er sich in sehr anerkennender Weise über dessen politische Wirksamkeit aus. Man erzählt in parla mentarischen Kreisen, der Monarch habe zu Herrn Miquel unter Anderem gesagt: „Es komme ihm nicht darauf an, ob ein Mann conservativ oder nicht kon servativ sei, sondern ob er Gesinnung für Kaiser und Reich betbätige. Herr Miquel sei ein solcher Mann , und er besitze deshalb die Sympathien des Kaisers in ' vollem Maße." Der Oberbürgermeister von Darmstadt richtete : einen Aufruf an die Bewohner der Residenz, zum Kaiser besuch die Häuser zu schmücken. In dem Aufrufe heißt es: „Verehren wir doch in dem jugend- ! lichen Kaiserlichen Herrn nicht nur den obersten Führer ; deutscher Heeresmacht, sondern auch den treuen Hüter § des Völkerfriedens und das leuchtende Vorbild ge- ; wissenhafter Pflichterfüllung und ernster Arbeit auf allen Gebieten zur Wohlfahrt unseres geeinigten deutschen j Vaterlandes." Die Ankunft des Kaisers in Frankfurt a. Main ist definitiv auf den 9. December mittags f 1 Uhr festgesetzt. Der Berliner Boukrach tritt immer deutlicher in die Erscheinung. Der „Voss. Ztg." wird geschrieben: „In den letzten 3—4 Jahren sind Baustellen in der Stadt um etwa 100—200 Procent gestiegen, weil die Spekulanten sich im Einkauf gegenseitig Überboten ha ben. Die Preise sind so hoch getrieben worden, daß Neubauten mit Nutzen nicht mehr in Angriff genom- ! men werden konnten. Nun warf sich die Spekulation - aus Grundstücke in entlegenen Gegenden, nahe der Weichbildzrenze Berlins, auch darüber hinaus und trieb die Preise in den letzten beiden Jahren um das Drei- und Vierfache gegen früher in die Höhe. Wir haben aber so viel Bauflächen, daß wir nicht in Ver legenheit kämen, wenn Berlin sich selbst noch um meh rere Millionen Einwohner vergrößern sollte. Während z. B. die Schönhauser Allee schon vor 30 Jahren theilweise mit Häusern bebaut war, ist sie heute nach 30 Jahren nur zur Hälfte bebaut. Trotzdem sind Terrains am Ende der Schönhauser Allee bedeutend gestiegen. Am Ende der Müller- und Coloniestraße im Norden ist in den letzten beiden Jahren der Bodenpreis von 30—40 Mark auf 100—140 Mark per Quadrat- Ruthe getrieben worden. Diese Ländereien werden in sehr langer Zeit nicht bebaut werden. Vor dem Frankfurter Thore warten schon seit 16 Jahren viele Terrains auf Regulirung und Bebauung; die betref- , senden Straßen waren schon vor vielen Jahren in den Bebauungsplan ausgenommen. Der Rückschlag in den Bau- und Bodenpreisen ist daher ein sehr naturge- mäßer; die Vorboten, Mangel an Kauflust und Still stand im Geschäft sind bereits da." QenerreiB-Ungarir. Theilnahmsvoll vernimmt man, daß von der Kaiserin ' Elisabeth die tiefe Verstimmung, die sie nach dem Tode des einzigen Sohnes befiel, und der heiße Wunsch des Alleinseins noch nicht gewichen ist. Als jüngst die Könige von Griechenland und Dänemark die Insel - Korfu passirten, wo die Kaiserin von Oesterreich weilt, ! ließen sie anlegen, um die hohe Frau zu besuchen. ! Ihren Gästen ausweichend, hatte die Kaiserin unmit telbar vorher Korfu verlassen, Niemand vermochte zu sagen, wohin. Erst hinterher ist bekannt geworden, ! daß die Kaiserin die nordasrikanische Küste besucht hat. Gegenwärtig ist sie nach Korfu zurückgekehrt. Frankreich. Nach einem Telegramm aus Rio de Janeiro hat die Pariser Negierung die Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien anerkannt. Pariser Mel dungen sagen hingegen, daß die Nachricht verfrüht sei. Italien. Die italienischen Finanzen haben in letzter Zeit sich erheblich gebessert, aber die großen Militär- Ausgaben sind doch nicht so leicht zu überwinden. So weist denn auch das neuste Budget ein Deficit von 32'/r Millionen auf. Zur Errichtung einer großen Pulverfabrik für die Herstellung von rauchlosem Pul ver werden von den Kammern 17 Millionen gefordert werden. Spanien. Der Kriegsminister und der Finanzminister beharren auf ihrem Entschluß, zurückzutreten, der Kriegs minister Angesichts der Gährung in der Armee, der Finanzminister, um Sagasta freie Hand zur Aenderung der Zoll- und Steuerpolitik zn schaffen. Es wird die Demission des ganzen Cabinets erwartet. Wahrschein lich erfolgt die Reconstruction des Cabinets unter Sagasta. Feuilleton. Durch Sturm und Wetter. Original-Roman von C. Meerfeld. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) „Wohlan, Lydia," sagte er langsam und mit ernster Betonung. „Ich lege mein Leben und meine Ehre in Deine Hand. Du magst den Preis für die Rettung Deines Lebens damit bezahlen. Du kennst meine Ge sinnungen und meine Ueberzeugungen, und ich werde mich all' Deinem Beginnen zu fügen wissen, weil ich hoffe, Du werdest dasselbe darnach einzurichten wissen." „Und Du giebst mir Dein Wort darauf, daß Du weder durch einen Ausruf, noch durch eine Miene oder eine Bewegung Deine Ueberraschung und Deinen Un willen verrathen wirst, falls diese Empfindungen in Dir wachgerufen werden sollten?" »Ich gebe es Dir — aber wäre es nicht besser, wenn Du mir vorher sagtest — ?" „Nein! Nein! Nichts mehr davon!" fiel sie ihm hastig in die Rede. „Wie ich meine Gesinnungsge nossen kenne, weiß ich, daß wir keine Minute mehr zu verlieren haben! Vertraue auf mich, und sei ge- wiß, daß ich Alles zu unserem Besten durchführen werde!" Sie öffnete die unverschlossen gebliebene Thüre und trat in das Nebenzimmer hinaus. Als Leo sich allein sah, wollte ihm wieder eine Anwandlung von Reue kommen, über das Versprechen, welches er Lydia in so unbedachter Weise gegeben hatte. Aber es war jetzt ja zu spät, es rückgängig zu machen, und nach dem rückhaltlosen Bekenntnisse, welches sie ihm vorhin ab- gelegt, konnte er auch nicht glauben, daß sie etwas Unehrenhaftes von ihm fordern würde. Man ließ ihm nicht lange Zeit, sich über die Ret- zungsmittel, welche sie etwa ausfindig gemacht habm gönnte, den Kopf zu zerbrechen; denn schon nach we ¬ nigen Minuten trat Lydia wieder ein, gefolgt von jenen Männern, durch die er vorhin überrascht wor den war. Sie ging rasch auf ihn zu und warf sich, ihn fest umschlingend, an seine Brust, gerade so, wie an jenem Abend, als die Polizcibeamten in ihre Kammer ein gedrungen waren, und als es gegolten hatte, denNihi- listensührer zu retten. Diesmal aber geschah die über raschende Umarmung wohl zu einem anderen Zweck. Sie gab ihr die Möglichkeit, ihre Lippen seinem Ant litze zu nähern und ihm, während sie ihn zu küssen schien, ganz leise ins Ohr zu flüstern: „Sie werden Dich schonen, weil ich ihnen gesagt habe, daß Du mich zu Deinem Weibe machen wirst! Stimme ihnen zu, sonst sind wir Beide erbarmungslos verloren!" Es war ihm, als habe er einen betäubenden Schlag vor die Stirn erhalten. Er taumelte und alles Blut drängte sich nach seinem Herzen, als wenn es dasselbe zersprengen wollte. Aber es blieb ihm doch noch klare Besinnung genug, um ihn erkennen zu lassen, daß es hier, für den Augenblick wenigstens, kein Zurückweichen für ihn gab, daß er sich um Lydias willen dem Zwange der Verhältnisse fügen mußte, über die er keine Macht mehr besaß. So duldete er ibre Umarmung, und ob wohl Erna's holdseliges Bild seit dem Tage ihrer Trennung niemals mit so wundersamer, greifbarer Deutlichkeit vor ihm gestanden hatte, als gerade in die ser Minute, hörte er ohne einen Versuch des Wider spruches mit zusammengepreßten Lippen zu, als der Wortführer seiner Feinde sagte: „Dein Leben war als das eines Verräthers verwirkt, Dein Urtheil war gesprochen und es wäre gewiß noch in dieser Nacht zur Vollstreckung gekommen, wenn dieses Mädchen nicht für Dich eingetreten wäre. Sie ist eine der Unsrigen, sie hat uns vollgültige Beweise ihrer Treue für unsere heilige Sache abgelegt und sie weiß auch, daß — wenn sie es »ersuchen wollte, uns zu täuschen — un ser rächender Arm sie treffen würde, wo immer sie Afrika. Gerüchtweise verlautet, der Mahdi, der Beherrscher des Sudan, sei gestorben, während es vor Kurzem erst hieß, er sei dabei, eine neue Armee gegen Egypten auszurüsten. Bestätigt sich diese Nachricht, so gewinnt es den Anschein, daß das Amt des Mahdi ein sehr ungesundes ist. Binnen sechs Jahren wird nun schon der dritte Mahdi zur Herrschaft berufen. Der neue Führer der Sudanesen heißt Ali Harras Scherif. Stanley und Emin Pascha haben ihren Marsch durch das deutsche Schutzgebiet ohne Störung beendet und sind bereits im Küstengebiet. Major Wißmann geleitet sie die letzte Wegstrecke. Amerika. Kaiser Dom Pedro von Brasilien ist in St. Vinzent interviewt worden, hat es aber abgelehnt, sich in eine Erörterung über die Revolution einzulassen. Der brasilianische Consul kam an Bord und verlangte, daß die neue brasilianische Flagge, unter welcher das Schiff segelte, niedergeholt und die alte brasilianische Flagge gehißt werde. Die Offiziere verweigerten aber die Flaggenhissung ohne vorherige Ordre von der provisorischen Regierung. Das Schiff segelte Sonn tag ohne Flagge ab. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 2. December. Vor einer zahl- reichen Zuhörerschaft hielt gestern Sonntag der Se minarchor zu Waldenburg eine geistliche Musikauf führung in der Kirche ab, die ein ebenso gut gewähltes Weihnachtsprogramm, als eine mit glücklichem Gelin gen gekrönte Ausführung bot. Besonderen Dank zollen wir Fräulein Hofmann, die uns aus alter Anhänglichkeit zum lieben Heimatorte eine recht ansprechende Weih- nachtsgabe brachte. Die von tiefem Kunsternst ge tragenen köstlichen Lieder des Cornelius, wie die Hillersche Arie sang die Solistin mit gutem musika lischem Verständniß, wie mit besonderer Hingebung s und herzlicher Wärme. Was an Fluß, Geschmeidig, keit, Klarheit und Wohllaut ein großer Chor bieten kann, zeigte sich in vorzüglicher Weise am Seminar- ! chor. Mit geradezu unübertrefflicher Gewissenhaftig- ! keit war all und jedes vom Herrn Musikdirector Reichardt vorbereitet, mit geläutertem Geschmack auf gefaßt worden und mit schönem Gelingen zog das Einzelne an uns vorüber, den Zuhörern reinste und tiefste Befriedigung gewährend. Ein ebenso rühmliches Zeugniß eines ernsten und peinlichen Studiums legten die Schülerleistungen im Orgelspiel ab. Die einzel nen Nummern wurden makellos rein, technisch sicher und gewandt und ausgezeichnet fein registrirt vorge- trazen. Die nicht leichte Begleitung zu den Solo- liedern lag in den bewährten Händen des Herrn Mukdirector Reichardt. Wünschen wir, daß die dan- ! kenswerthe, sangliche Weihnachtsaufführung eine ebenso j warme und freudige Wcihnachtsstimmung bringe, um i die Freude am lieben Weihnachtsfest zu erhöhen. II. *— Die sogenannten alten Wetterbücher sind manch mal recht unzuverlässig. Heißt es da, daß, wenn der sich auch aufhalten möge! Sie hat uns mit ihrem Eid versichert, daß sie Dir verlobt gewesen, ehe sie ihre deutsche Heimat verließ; daß Du nur hierher gekommen seiest, sie zu Deinem Weibe zu machen, und daß Du Dein Gelöbniß unweigerlich erfüllen würdest, sobald Du die Grenzen dieses Reiches hinter Dir hät test! Mit ihrem Leben hat sie sich dafür verbürgt, daß Du nicht zum Verräther an uns werden, und daß Du binnen weniger als Jahresfrist ganz unserer Sache angehören würdest. Bist Du bereit, alles Dies mit einem Schwur zu bekräftigen, so sollst Du unbehelligt aus unserer Mitte gehen, denn wir wollen Dir nicht vergessen, daß Du uns einen großen Dienst geleistet hast, indem Du Deine Hand zu Wanja Jchmanew's Rettung vor den Schergen geboten. Willst Du also schwören?" Leo war der Verzweiflung nahe — die Beute eines Kampfes, der über seine Kräfte zu gehen drohte. Tau send Andere in seiner Lage würden unbedenklich nach dem scheinbar so wohlfeilen Rettungsmittel gegriffen haben, da ein Schwur, der unter solchen Umständen geleistet wurde, nimmer eine Bedeutung haben konnte. Aber ihm stand die Heiligkeit eines Manneswortes so hoch, daß die Verhältnisse, unter denen es gegeben wor den, nicht dafür in Frage kommen konnten, ob es zu halten sei oder nicht. Hatte er das verhängnißvolle Wort einmal ausgesprochen, so mußte er es auch zur Erfüllung bringen, das unterlag für ihn keinem Zwei fel! Und darum schien es ihm so ganz unmöglich, die sen Weg zur Rettung zu betreten, darum war ihm die Kehle wie zusammengeschnürt und auf seiner Brust lastete es wie ein Alp, der ihn zu ersticken drohte. Aber sein angstvoll uülherirrender Blick fiel auch auf das bleiche Mädchen, welches an ihm niedergeglitten war, die Augen unverwandt auf sein Antlitz geheftet, und für welches die Entscheidung über Leben und Tod nur von seinem Ausspruch abhing. (Fortsetzung folgt.)