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Ansicht, es ist schwer, in solchem Streit in allen Fällen das Richtige zu erkennen. Wie verlautet, sind neuerdings Verhandlungen wegen Ankaufs größerer Güter in Elsaß-Lothringen durch altdeutsche Kapitalisten eingeleitet. In Lothringen befinden sich etwa zwei Drittel, im Elsaß ungefähr die Hälfte der größeren Güter in Händen von Franzosen, oder von solchen Einheimischen, deren Kinder ausgewandert sind. Es liegt darin unverkenn bar eine große Politische Gefahr. <, epcrre cy-Ungsrn. Im böhmischen Landtage kam es am Montag zu einem gewaltigen Skandal in Folge der von den Jung - czechen gestellten Forderung, daß eine Gedenktafel für Johann Huß errichtet werden solle. Dadurch ist ein völliger Bruch zwischen den böhmischen Mag naten und den Jungczcchcn herbeigeführl worden. Fürst Karl Schwarzenberg nannte die Hussiten eine Bande von Räubern und Brandstiftern. Die Altczechen ver suchten zu vermitteln, aber die Jungczechen gebildeten sich wie rasend. Frankreich. Minister Spuller hat seine lebhafte Befriedigung über die Ankündigung der italienischen Thronrede, daß die Kampfzölle gegen Frankreich fortfallen sollen, ausgesprochen. Neue Handelsvertragsverhand lungen werden beginnen. Afrika. In Kairo sind Eingeborene aus dem Sudan ange- kommen, welche bestätigen, daß die Mahdisten den größten Theil der ehemals egyptischen Sudanprovin zen erobert haben. Das Gebiet Emin Paschas ist also thatsächlich fast ganz in den Händen der Araber. Ein neuer Kriegszug gegen Egypten soll zwar unter nommen werden, doch bereiten die militärischen Vor kehrungen viele Schwierigkeiten, weil in den unauf hörlichen Kämpfen der letzten Jahre Tausende von streitbaren Männern umgekommen sind. Jedenfalls hat die britische Militärverwaltung keinen Anlaß, Hals über Kopf Truppen nach der egyptischen Grenze zu werfen. Aus dem Muldeuthale. ^Waldenburg, 27. November. Die gestern Abend im Rathhaussaaie abgehaltens Gewerbevereinssitzung wurde durch den Vorsitzenden Buchdruckereibesitzer Kästner mit der Begrüßung eines Gastes eröffnet und alsdann nach Verlesen des Protokolls über die vor hergehende Sitzung durch den Schriftführer Herrn Schuldirector Hanschmann mitgetheilt, daß eine Vor tragsanerbietung, sowie Sitzungsberichte von den Bru dervereinen in Aue, Glauchau, Werdau und Penig eingegangen seien. Herr Seminaroberlehrer Kaeseberg erhielt darauf das Wort zu seinem Vorträge über dasOrnament in derKunst und im Handwerk. Ausgehend von dem Zusammenhang der Baustile und der Ornamentik und der Rothwendigkeit des Verständnisses selbst sür weitere Kreise behandelte der Vortragende zunächst das Wesen der Ornamente und die Entwicke lung der Ornamentik bei den Wilden und den Cultur- l Völkern und ging sodann auf die Anforderungen ein, l j die an ein wahrhaft schönes Ornament zu stellen sind - unter Erläuterung der verschiedenen Formen; Redner stellte 6 solcher Forderungen auf. Hierauf behandelte ' ! er die Grundlagen oder Motive der Ornamente, die s ! zunächst in geometrischen und dann in naturalistischen i ! bestehen und bewies hierbei, daß die geometrischen Mo- ! live eher als die naturalistischen entstehen mußten. - ! Redner ging dann näher auf die Natur dieser Motive s f aus allen Stilen und Zeiten ein und fanden die For- i s men sowohl aus dem Pflanzen- und Thierreich, als auch die menschlichen und künstlichen Formen ausführ- f liche Erörterung. Unter den Arten der Ornamente ' hob Redner besonders hervor die Bänder, die freien Endigungen, die Stützen, Füllungen und die unbe grenzten Flachornamente. Nachdem er noch in einem geschichtlichen Ueberblick den Werth der Ornamente der einzelnen Zeiten erörtert hatte, wies er am Schluß auf die Gestaltung der Ornamentik m der Neuzeit im Handwerk und in Bewältigung der durch die ver änderten Zeitverhältnisse gestellten neuen Aufgaben hin. Zur Erläuterung lagen zur Ansicht aus eine reiche Ausstellung von Ornamenten aller Zeiten nach Stutt garter Vorlagswerken, Reliefs, farbig ausgeführten Ornamenten und Anwendungen davon in der Typo graphie. Auch war noch ein stilisirter Delphin, einen Thürkiopfer eines Waldenburger Hauses darstellend, als Zeichen früherer Kunst vorhanden. Im Fragekastm befand sich eine auf den Vortrag bezügliche Anfrage, die in befriedigender Weise beantwortet wurde. *— Die nach dem Durchschnitte der höchsten Tages preise des Hauptmarktortes Glauchau im Monat October d. I. festgesetzte und um fünf vom Hundert erhöhte Vergütung für die von den Gemeinden resp. Quartierwirlhen innerhalb der Amtshauptmannschaft Glauchau im Monat November d. I. an Militär- pferde zur Verabreichung gelangende Marschfourage beträgt sür 50 Kilo Hafer 8 Mk. 93 Pf., sür 50 Kilo Heu 4 Mk. 20 Pf., für 50 Kilo Stroh 3 Mk. 99 Pf. *— Heute Mittwoch Vormittag hatten wir hier schwachen Schneefall. *— In auswärtigen Blättern wird die Nachricht von einem am 24. d. hier stattgehabten Brand ver breitet; hier ist nichts davon bekannt. — Im Verhandlungssaale der König!. Amtshaupt- mannschaü Glauchau wurde am Sonnabend Nach mittag die 9. diesjährige öffentliche Sitzung des Be zirksausschusses abgehalten. Zunächst wurden 3 die Bezirksanstalt Lichtenstein betreffende Angelegenheiten und zwar die Abänderung des § 17 der Hausord nung, die Jnventarversicherung und die Anstellung eines neuen Aufsehers erledigt. Darauf wurden die Ein ziehung des in der Flur Thurm zwischen dem Thurm- Voigtlaider und dem Thurm-St. Egidiener Communi- kationswege gelegenen öffentlichen Fußweges, die Aende- rung des Gemeindebezirks der Stadt Callnberg, ferner das Schankerlaubnißgesuch Dornbergs in Kauernsdorf — sür Crotenlaide — das Gesuch des Schankwirths l ! j ! - i Karl Vorwerk in Oberlungwitz um Erlaubniß zum Beherbergen, der Nachtrag zum Anlagen-Regulativ sür Gersdorf, sowie die Schlächtereianlagen Dieschs in Alt- stadtwaldenburg und Türschmanns in Thurm geneh migt. Dagegen wurden die Schankeclaubnißgesuche Herolds in Gersdorf, der verehel. Fankhähnel in Abtei- Oberlungwitz, Hauses in Mülsen St. Niklas, Günnels in Hohndorf — für Heinrichsort — und Gerbers in Rödlitz, sowie das Gesuch der verehel. Kickelhayn in Altstadtwaldenburg um Gestattung des Singspiels rc. Mangels örtlichen Bedürfnisses abgewiefen, ein Dis- pensationSgesuch in Dismembrationssachen aber von der Tagesordnung abgesetzt. Nachdem noch der Bezirks ausschuß beschlossen hatte, ein Verbot der Tödtung des Schlachtviehes ohne vorhergehende Betäubung vom 1. Januar 1890 ab für de» amtshauptmannschaftiichen Bezirk zu erlassen und einen Nachtrag zur Bauord nung sür die Stadt Ernstthal zur Genehmigung zu empfehlen, fand noch eine geheime Sitzung statt. — Am Sonnabend ist der IX. Strebepfeiler der Nordseite der Zwickauer Marienkirche vollendet wor den. In demselben wurden die Bildsäulen der Kur fürstin Anna (Mutter Anna), Gemablin des Kurfürsten August, gestorben 1585, erste evangelische Diacvnisftn, aufgestellt. Beide stellen die evangelische Barmherzig keit dar. Aus dem Sachsculande. — Die 1. Kammer hielt am Dienstag eine öffent liche Sitzung ab, in welcher über die Feststellung der Ablieferungsfrist für die stenographischen Niederschriften berathen und die Wahlen zum ständischen Ausschuß für das Plenum der Brandoersicherungskammer vor- genommen wurden. — Im Bogtlande hat es gestern Dienstag Nach mittag geschneit. — Durch das Sachsenvolk geht gegenwärtig wegen der günstigen Finanzlage des Landes eine freudige Bewe gung. Vor 100 Jahren sah es in Sachsen in dieser Beziehung ganz anders aus. In einem Schreibkalender vom Jahre 1789 findet sich wörtlich folgender Eintrag: „Eine Poetische Salyre ging in Dresden herum: Graf Brühl nahm um den Mantel, — Doch ohne großen Handel. — Drauf kam der theure Lindemann, — Der nahm den Rock, das ging noch an. — Graf Walwitz, um den Fürsten liebzukosen, — Nimmt uns den Man tel, Rock, West und Hosen. — Doch sagt es nicht zu laut: — Denn wenn es Margvelini hört, — So nimmt er uns die Haut." — Die fremden, theils böhmischen, lheils italieni schen Arbeiter, welche zum Frühjar regelmäßig in großen Schaaren unser Sachsen aufsuchen, treten gegen wärtig, nachdem die Bauzeit ihrem Ende zugeht, in Trupps bis zu 40 Mann die Rückreise in ihre ferne Heimat wieder an. Auf den nach den Grenzen füh renden Bahnlinien kann man täglich ganze Wagen voll dieser heimreisenden Arbeiter beobachten und nach der regelmäßig zu bemerkenden lauten Fröhlichkeit und dem frischen gesunden Aussehen der Leute, zu schließen, Feuilleton. Durch Sturm und Wetter. Original-Roman von C. Meerfeld. Nachdruck »erboten. , (Fortsetzung.) Für eine Weile war es still zwischen ihnen, dann sagte Lydia so leise, daß er sich dicht zu ihr Hinüber neigen mußte, um sie zu verstehen: „Du solltest mich nicht verdammen, Leo, ehe Du erfahren hast, wie ich in die Netze dieses Parteigetriebes hineingezogen und wie ich allmählig halb wider meinen Willen zu jener Verbrecherin geworden bin, welche Du jetzt von Dei nem Standpunkt aus in mir erblickst. Ich war noch halb ein Kind, als Dimitri Petrowitsch den ersten gif tigen Samen in mein ahnungsloses und nur zu em pfängliches Herz zu streuen wußte. Es war zu jener Zeit, in welcher Du bei Firulkin untergebracht wur dest, weil Dein scharfer und prüfender Verstand un serem Pflegevater anfing unbequem zu werden. Da mals fiel mir — ob durch einen Zufall oder durch eine absichtliche Unachtsamkeit Petrowitsch's will ich dahin gestellt sein lassen — eines seiner Bücher in die Hände, und obwohl ich den Inhalt desselben nur zum kleinsten Theile verstand, übte doch die begeisterte, schwungvolle Sprache, in welcher darin der Haß gegen die Unterdrücker und die Tyrannen gepredigt wurde, eine geradezu überwältigende Wirkung auf mich aus. Hatte ich doch in den vielen Leidensjahren, welche ich unter der brutalen Faust Manussi's zugebracht, selbst einen glühenden Haß gegen alle rohe Gewalt in mich eingesogen, und unwillkürlich übertrug ich denselben in meiner kindlich unreifen Denkweise auf alle die Unter drücker, von denen in jenem Buche die Rede war. Ich war so wenig im Stande, die Wirkung dieser Lectüre vor Petrowitsch zu verbergen, daß er trotz meiner Jugend mit der Ausführung seines Entschlusses, mich zu einer Bundesgenossin seiner furchtbaren Sache zu erziehen, nicht länger zögerte. Er fand in meiner jungen Seele einen nur zu empfänglichen Boden sür seine verhängnißvolle Saat, und da er mit dem Eifer eines eingefleischten Fanatikers an sein Werk gegangen war, bedurfte es nur eines Zeitraumes von wenigen Wochen, um mich ganz in begeisterte Schwärmerei für die meiner Ueberzeugung nach hohe und heilige Sache aufgehen zu lassen." „Unser Pflegevater — fuhr Lydia in ihren Bekennt nissen fort — der sich nur nach Deutschland begeben hatte, um von hier aus für die Zwecke der nihilisti schen Bewegung lhätig zu sein, erschien mir wie von dem Glorienscheine eines Helden und Märtyrers um geben, und wenn ich ihn in beredten Worten schildern hörte, wie sich daheim in seinem armen, geknechteten Vaterlande auch Mädchen und Frauen an dem ge heimen, erbarmungslosen Kampfe gegen die gemein samen Peiniger bctheiligt hatten, so wünschte ich mir wahrlich für meine eigene Zukunft nichts Besseres, als es ihnen nachzuthun, und wenn es sein mußte, gleich ihnen der Sache der Freiheit und der Gerechtigkeit mit meinem Blute und meinem Leben zu nützen. Daß ich Dich nicht in mein Vertrauen ziehen durfte, Leo, kam mir schwer genug an; denn ich liebte Dich auf richtig und zweifelte keinen Augenblick, daß Du Dich der neuen Wahrheit mit der nämlichen Begeisterung hingeben würdest, die ich selbst empfand. Aber Petro witsch hatte mir ein heiliges Gelöbniß abgenommen, Dir gegenüber zu schweigen. Er traute Dir nicht recht und er mochte wohl fürchten, daß Du die Re sultate seiner heißen Bemühungen wieder zu Schanden machen könntest. Und dann kam jener unvergeßliche Tag, an dem er mir plötzlich eröffnete, daß wir noch vor Sonnenuntergang des nächsten Tages nach Ruß land abreisen müßten. Er hatte eine zweifache Ursache für diesen raschen Entschluß. Einmal war die deutsche Polizei auf ihn aufmerksam geworden und ein Beam ter derselben hatte ihm bereits einen Besuch abgestattet, um sich nach seinen Verhältnissen zu erkundigen, fer ner aber hatte er zu der nämlichen Zeit auf dem üb lichen Umwege eine Nachricht aus Petersburg erhal ten, der er entnahm, daß seine Anwesenheit daselbst der großen Sache vielleicht von Nutzen sein könne, und trotz der Gefahren, welche damit für ihn verbunden waren, zögerte er nicht, auf diesen Fingerzeig hin un verzüglich die Reise anzutreten. Zwar hatte er mir die Wahl gelassen, ob ich ihn begleiten oder ob ich zurückbleiben wollte, aber er wußte gut genug, daß ich keinen Augenblick zweifelhaft sein würde. Ich ju belte laut auf bei dem Gedanken, daß ich jetzt der Er füllung meiner thörichten Wünsche so nahe gerückt wer den sollte, und das Einzige, was mir das Herz schwer machte, war die Vorstellung, daß ich nun auch Dich sür lange Zeit, vielleicht — ja wahrscheinlich für immer — verlassen mußte. Meine schüchterne Bitte, Dich jetzt in das Geheimniß einweihen und zur Mitreise veranlassen zu dürfen, halte er kurz und entschieden zurückgewiesen und mir aus's Neue das Versprechen abgenommen, Dich unter keiner Bedingung von unserer bevorstehenden Abreise in Kenntniß zu setzen. „Du selbst weißt am Besten, Leo," erzählte Lydia nach einer Pause weiter, „daß ich trotzdem nicht im Stande war, dem unwiderstehlichen Drange meines Herzens zu gebieten und mein Versprechen zu halten. Petrowitsch mußte dies bei der Zuneigung, die uns verband, wohl vorausgesehen haben, da er Firulkin den Auftrag gab, meinen an Dich gerichteten Brief aufzufangen und Dir denselben erst nach unserer Ab reise einzuhändigen. Was dann weiter geschah, wirst Du Dir nach Allem, was Du während der letzten Tage erlebt, leicht genug vorstellen können. Wenn da mals für mich eine Umkehr wohl noch möglich gewesen wäre, so wurde mir dieselbe bald genug durch die Ver hältnisse abgeschnitten, in welche ich hier gerieth." (Fortsetzung folgt.)