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stellten sich doppelt so hoch, als angenommen war. Auch mußten 800 statt 600 angeworben, sowie die Weiber und Kinder der Schwarzen mitgenommen werden, was die Transportkosten erhöhte. Auch die Kohlenpreise stellten sich erheblich höher, als nach dem Voranschlag berechnet war. Inzwischen hat sich die Nothwendigkcit ergeben, die Truppe um weitere 300 Schwarze zu verstärken und zahlreiche Nachschübe von Offizieren, Mannschaften und Kriegsmaterial vorzu nehmen. Die deutsche Pflanzergesellschaft hat in einer soeben abgehaltenen außerordentlichen Generalversamm lung beschlossen, nunmehr ihre praktische Thätigkeit in Ostafrika, und zwar in Tanga zu beginnen. Der Beamte der Gesellschaft in Oftafrika, der zur Zeit in Lamu sich aufhält, ist angewiesen worden, sich nach Tanga zu begeben. Weitere Beamte der Gesellschaft werden nächstens nach Tanga abgehcn. Im Hinblick auf die letzte Reichstagssitzung theilt die Nordd. Allg. Ztg. mit, daß eine Reform der Mi- litärstrafproceßordnung in Aussicht genommen sei. Die Angelegenheit müsse aber ruhig berathen werden und lasse sich nicht so ohne Weiteres zur Entscheidung bringen, wie verlangt werde. Oenerreicy-LLngar». Die Begrüßung unseres Kaisers und des Kaisers Franz Joseph wird Freitag Vormittag in Inns bruck stattfinden und nur eine kurz bemessene sein. Am Sonnabend bereits wird der österreichische Kaiser wieder in Schloß Gödöllö in Ungarn ankommen. Graf Kalnok» hat sich jetzt nach Gödöllö begeben, um dem Kaiser Franz Joseph über die Friedrichsruher Besprechungen Vortrag zu halten. Nach Innsbruck wird Graf Kalnoky nicht mit kommen. Frankreich. Bei der heute Dienstag stallfindenden Kammcr- rrösfnung wird das gelammte Kabinet vor der Volks vertretung erscheinen. Die Boulangisten setzen die Vorbereitungen für ihren großen Krawall mit größter Offenheit fort. Es sind meist stellenloses Gesindel, Tagediebe, durch dm Schluß Ler Ausstellung beschäftigungslos gewordene Händler, welche an der Kundgebung sich betheiligen sollen. Trotz allen Geschreies ist aber anzunehmen, daß der Tanz sehr bald vorbei sein wird, denn die berittene Polizei hat Befehl erhalten, bei jedem Wider stande scharf einzuhauen. Ein kleiner Aderlaß wird die Boulangisten bald abkühlen. An Stelle des aus seinem Amte geschiedenen Admirals Krantz ist der Senator Darbey zum Marinemmister ernannt. Jtcrlieu. In Italien haben am Sonntag in allen Städten Gemeinderathswahlen stattgefunden, welche in der Hauptsache ruhig verlaufen sind. Die liberale Partei scheint in den meisten Fällen durchgedrungen zu sein. Am Sonntag Nachmittag legten in Rom auf dem dortigen Friedhöfe 40 Anarchisten an der Aschenurne Feuilleton. Durch Gturm und Wetter. Original-Roman von C. Meerfeld. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Jeder Schimmer von Blutfarbe war aus ihren Wangen gewichen; der herbe Zug um die feinen Mund winkel war tiefer und härter geworden und nur das verzehrende, leidenschaftliche Feuer, das in ihren dunk len Augen loderte, gab Zeugniß davon, daß noch Le ben in ihr sei. Im höchsten Erschrecken war Leo auf gesprungen, indem er ausrief: „Mein Gott, Lydia, was geht hier vor? Was ist das? Um was han delt es sich, was Dir so furchtbares Entsetzen bereiten konnte?" Das junge Mädchen rührte sich nicht vom Platze, nur ihre rechte Hand versenkte sich in die Falte des Kleides, als müsse sie sich überzeugen, daß irgend ein Gegenstand, welchen sie dort verborgen, noch an seinem Platze sei. „O, es ist nichts," hauchte sie, „die Ge fahr wird vorübergehen; laß uns ruhig hier bleiben, Leo, wir können ihnen unten doch nicht helfen." Das herauflönende Geschrei war unterdessen immer stärker geworden und man unterschied deutlich fluchende und befehlende Stimmen, untermischt mit dem Geräusche- von Schlägen, welche, wie es schien, noch gegen andere versperrte Thüren geführt wurden. Leo ließ sich denn auch durch Lydia's höchst unvoll kommene Beruhigung nicht zurückhalten, sondern eilte mit zwei raschen Schritten zur Thür, um sich selbst von der Ursache des unheimlichen Lärmes zu überzeu gen. In demselben Momente, als er den Griff er faßte, wurde die Thür von außen heftig aufgestoßen und der nämliche hagere Jüngling, der ihm vorhin als Führer zu Lydia's Thür gedient hatte, stürzte ihm mit allen Anzeichen der höchsten Erregung entgegen. Er drängte ihn, ohne Notiz von ihm zu nehmen, bei Seite, um mit Lydia, welche sich nun ebenfalls ihres Genossen Viti Kränze nieder. Wegen einer dabei gehaltenen revolutionären Rede entfernte die Polizei von einem der Kränze das rothe, eine Viti verherr lichende Inschrift tragende Band. Da die Demon stranten hiergegen Wideruand leisteten, so wurden nach erfolgter gesetzlicher Aufforderung zur Entfernung 17 Verhaftungen vorgcnommen. I König Humbert wird das deutsche Kaiserpaar bei seiner Ankunft in Venedig persönlich begrüßen, und f dann mit dem Kaiser zusammen nach Monza reisen. - Außer einer Illumination des Hafens in Venedig ist > eine Truppenschau auf dem Markusplatze geplant, f Vermuthlich wird bei dieser Gelegenheit auch die Ent- ' hüüung der restaurirten Fassade des Dogenpalastes ! stattfinden. England. ; Sonntag Nachmittag fand im Londoner Hyde-Park j ein großes Meeting der Bäckergesellen und anderer i dieselben unterstützenden Gewerbe statt, welchem eine zahlreiche Menschenmenge beiwohnte; es waren drei Tribünen errichtet. Es wurde ein Beschluß angenommen, am 16. einen Generalstreik zu beginnen, wenn nicht eine kürzere Arbeitszeit bewilligt wird und Lie Ueber- stunden um die Hälfte höher bezahlt werden. ' verdien. z König Milan von Serbien ist am Sonntag Abend ! aus Wien in Belgrad angekommen und auf dem Bahn- Hofe vom Könige Alexander und den Ministern em- ! pfangen worden. König Alexander eilte sofort auf ; Milan zu, und Beide küßten sich herzlich. Im könig- lichcn Empfangssalon hielten Vater und Sohn Cercle ! ab, wobei König Milan besonders den türkischen Ge- sandten Zia Bey auszeichnele. Königin Natalie wird auf einige Tage nach Nisch reisen. Aus dem Muldeuthale. j ^Waldenburg, 12. November. Der am vergange- f nen Sonntag im Saale des Rathhauses abgehaltene ' erste parochiale Familienabend erfreute sich derselben f zahlreichen Theilnahme, wie die vorhergehenden der ' anderen Jahre: ein Beweis dafür daß diese Einrich- ! tung in der Gemeinde viel treue Freunde gefunden f hat. Nach dem einleitenden Wort des Herrn Ober- ! Pfarrers Thomas, welches kurz an den Zweck dieser Abende erinnerte, sprach derselbe, an Luthers Geburts- ! tag, den 10. November anknüpfend, über Luther und t kündigte zugleich eine Reihe von Vorträgen über das ! Leben dieses großen Mannes an, einmal: um die Liebe zu Person und Werk unseres Reformators zu fördern, dann um ihn gegen die Verleumdungen der römischen Kirche zu vertheidigen. Der erste Vortrag handelte über Luther als Kind und unter den Kindern. Er wurde durch die Anführung der Briefe und Schriften Luthers, in welchen sein reiches Gemüth so schön sich offenbart, sehr interessant. Hiernach sprach Herr Diaconus Seyfert, welcher während der nächsten Abende Zeitfragen des christlichen Volkslebens behandeln will, über Sprüche und theilte diese in Sprüche am Hause, im Hause und im Herzen: Haussprüche, Wand sprüche, Wahl- und Wappensprüche u. A. Herr Orga nist Wittig halte de» musikalischen Theil in dankens- werther Weise übernommen und erfreute die Anwesen den durch Klaviervvrträge. Hoffentlich finden auch diejfolgenden parochialen Familienabende regeTheilnahme. *— Hinsichtlich der morgen stattfindenden Control- Versammlung machen wir die Mannschaften, um sie vor Unannehmlichkeiten zu bewahren, darauf aufmerk sam, daß diejenigen der Reserve und die zur Disposition i ihres Truppentheils und der Ersatzbehörden Entlassenen ; zu erscheinen haben. Eine persönliche Besehtigung zu ! den Controlversammlungen findet nicht statt und haben alle diejenigen Mannschaften, welche ohne genügende i Entschuldigung fehlen, der für dieses Vergehen ausge- f worfenen Strafe gewärtig zu sein. Wer nach dem Verlesen cintrifft, verfällt der Bestrafung, als ob er I bei der Controlversammluug gefehlt hätte. Außerdem f Haven die Mannschaften unter Anlegung der Ehrenzeichen ! und in geeigneter Kleidung zu erscheinen und die Mi- ! litärpapiere mitzubringen. ! *— Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam, ! daß im amtlichen Theile des heutigen Blattes eine die j Agenturen der Königlich Sächsischen Altersrentenbank ! zu Dresden (Landhaus, König Johanstraße) betreffende Bekanntmachung enthalten ist. Wir wünschen, daß ? diese Bekanntmachung dazu beiträgt, die Brtheiligung der Sächsischen Bevölkerung an unserem segensreich , wirkenden Slaatsinstitute immer mehr zu erhöhen. i — In Peutz wurde am Montag früh bei der Papierfabrik der Leichnam der verehel. Eckardt von i dort aus dem Mühlgraben gezogen und polizeilich auf- gehoben. Die Unglückliche soll in letzer Zeit cm gei stiger Störung gelitten haben. ; — Am 11. d. feierte in Penig der Bürger und f Strumpfwirkermeister Herr Ernst Pester mit seiner Ehefrau die goldene Hochzeit. i — In Penig wurde kürzlich über ein Mitglied des dortigen Militärvereins die Strafe des Ausschlusses verhängt, weil derselbe eine Versammlung cinberufen f hatte, in welcher der socialdemokralische Landtagskandidat Stolle-Meerane sein Programm zu entwickeln beab- ! sichtigte. ; — In welch entsetzlicher Weise die Verrohung der , Schuljugend mitunter zum Ausdruck gelangt, erscheint i oft kaum glaublich. Ein ILjähriges Dienstmädchen von Chursdorf bei Penig wurde von ihrem Dienst. § Herrn zur Apotheke nach Penig geschickt, als auf dem i Rückwege zwei Jungen sich zu ihr gesellten und sie be- lästigten. Das Mädchen, geängstigt, versuchte durch > Laufen den Burschen zu entkommen, wurde von den- i selben aber beharrlich verfolgt und schließlich in solcher Weise von den hoffnungsvollen Giftpflanzen behelligt, - wie es nicht wiederzugeben ist. Der eine der jugend- i lichen Strolche ist 12, der andere erst 11 "/4 Jahre alt. f — Zum Stadtbaumeister für Zwickau ist der i Regierungsbaumeister Mebius aus Bad Elster gewählt worden. erhoben hatte, und welche, hoch aufgerichtet in stolzer ! Schönheit, wie eine Marmorstatue mitten im Zimmer I stand, einige rasche und für Leo unverständliche Worte - zu wechseln. So wenig furchtsam der junge Mann j sonst auch war, so überkam ihn doch hier im Ange- ! sicht einer Gefahr, deren Wesen er nicht kannte, eine ' seltsame Beängstigung: „Was geschieht in diesem Hause, ! mein Herr?" wandte er sich in russischer Sprache an i den jungen Mann, „und was hat Fräulein Lydia da- von zu fürchten? Ich habe ein Recht, eine Aufklärung darüber zu fordern!" In dem nämlichen Augenblick krachte unten ein Schuß, welchem rasch ein zweiter folgte, wie ein wüster Tu mult von Säbelklirren und wildem Geschrei. Das Gesicht des jungen Mannes wurde aschfahl. „Es ist zu spät!" murmelte er. „Alles ist ver- rathen! Wenn sie hier heraufkommen, ist es um mich geschehen!" In seinen Augen flackerte es wie verzweiflungsvolle ! Todesangst und sie hingen an Lydia's fest zusammen gepreßten Lippen, als sollte ihm von ihnen die Ent scheidung über sein Schicksal kommen. Auch Leo blickte in höchster Spannung auf das seltsame junge Mädchen, das sich inmitten einer Situation, welche offenbar die entsetzlichste Gefahr für ihr eigenes Leben in sich barg, wenigstens äußerlich volle Ruhe und Selbstbeherrschung bewahrte. Sie hatte dem Anderen ein Zeichen gemacht zu schweigen und hatte mit weit geöffneten Augen und leicht vornüber geneigtem Oberkörper auf den Tumult gelauscht, als wollte sie die Reden, welche dort geführt wurden, erhaschen. Plötzlich kam heißes, feuriges Le ben in ihre bisher so statuenhafte Gestalt; sie machte einen Schritt vorwärts, warf sich an Leo's Brust und hauchte, ihren Mund seinem Gesicht so nahe bringend, daß er ihren warmen Athem fühlte: „Rette mich, Leo! Rette mich! In Deiner Hand liegt mein Leben!" Auf dem Grunde ihrer dunklen Augen lag der feuchte Schimmer der Leidenschaft und sie war in Wahrheit in diesem Augenblick von hinreißender Schönheit. Es war unmöglich, in dieses wunderbare Antlitz zu sehen, diese weiche, geschmeidige Gestalt in den Armen zu hal ten, ohne einen Hauch von jener berauschenden Gluth zu empfinden, welche sie selbst zu erfüllen schien. Auch f Leo, in dessen Herzen die Liebe zu Erna so fest und - unerschütterlich wurzelte, daß selbst die rasfinirtesten Künste der Verführung sie nicht hätten verdrängen oder zerstören können, wurde dessenungeachtet in dieser selt samen Situation von einem leidenschaftlichen Taumel ergriffen, der ihn zwang, ihren schönen Leib fest an sich zu pressen, und der ihn bereitwillig gemacht hätte zu den ungeheuerlichsten Dingen, welche sie nur immer hätte von ihm fordern können. „Vertraue auf mich, Lydia!" rief er aus. „Welches auch immer die Gefahr sein möge, von der Du be droht wirst, ich werde Dich zu retten wissen. Folge mir getrost. Niemand wird es wagen, uns aufzuhal ten, und ich werde bis zu unserer Abreise ein Unter kommen für Dich finden, wo Du sicherer bist als in I diesem unheimlichen Hause." Leo wollte sie mit sich fortziehen, aber sie hielt ihn zurück und schlang ihren Arm nur noch fester um seine Schulter. „Nicht so!" flüsterte sie, „nicht so! Es würde Dein und mein Verderben sein! Aber ich will Dir den Weg zur Rettung zeigen, den einzigen, welchen wir gehen können, und dann,' wenn wir in Sicherheit sind, dann will ich Dir folgen, wann und wohin Du willst! Wirst Du mir vertrauen?" Der wilde Tumult unten im Hause — der Tumult eines verzweifelten Faustkampfes schien näher und näher zu kommen. Wenn hier überhaupt gehandelt werden sollte, so durfte keine Minute mehr nutzlos vergeudet werden, und da Lev noch immer zögerte, wurden Lydia's Bitten heftiger, eindringlicher, leidenschaftlicher, während der blasse, junge Mann, der sich in den Hintergrund des kleinen Gemaches zurückgezogen Halle, seine stieren, verzweiflungsvollen Blicke umhersandte, als suche er eine Waffe, mit deren Hilfe er sein Leben wenigstens so theurr als möglich verkaufen könne. (Fortsetzung folgt.)