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nommen hatten. Der Reichstagspräsident v. Lewetzow, der zweite Vorsitzende des Denkmolcomitös hielt die Festrede, in welcher er die geschichtliche Bedeutung des Kurfürsten Joachim II. und die Einführung der Re formation in Brandenburg eingehend würdigte. Dar auf fiel die Hülle des in Erz gegossenen Denkmals, das der Bürgermeister von Spandau übernahm. Nach einem Vorbeimärsche des auf dem Platze aufgestellten Militärs fand ein Festgottesdienst in der Nikolaikirche statt. Nach Beendigung desselben kehrte der Prinz nach Spandau zurück. Der Kaiser hatte folgendes Telegramm aus Athen gesandt: „An der Feier der Ent hüllung des Standbildes meines Ahnherrn Joachim's II. spreche ich dankend und segeuwünschend meinen herzlichen Dank aus. Wilhelm." Von der Kaiserin lief nachstehende Depesche ein: „Dankbar bewegt be gehe ich in der Ferne den Tag der Enthüllung des Denkmals Joachim II. und wünsche der wichtigen Feier Weihe und Segen." Gras Kalnoky, der österreichische Minister des Auswärtigen, ist in Friedrichsruhe angekommen und vom Reichskanzler persönlich empfangen worden. Ein Telegramm des „Standard" aus Athen be richtet, Ler griechische Ministerpräsident Trikupis und Herbert Bismarck hätten mehrere Conferenzen mit einander gehabt. Der Kaiser habe sich aber gänzlich der Politik enthalten. Der Prozeß gegen den früheren spanischen Bot schafter in Berlin, Grasen Benomar, wird in den nächsten Tagen in Madrid beginnen. Der Minister des Auswärtigen klagt den Grafen an, dem Führer der Opposition, Cannovas del Castillo, Staaisdocu- mente mitgetheilt und ungehörig in Berlin als Ver treter Spaniens seine Functionen ferner ausgeübt zu haben, nachdem ihm seine Abberufung uuv die Er nennung seines Nachfolgers regelrecht angezeigt worden war. Graf Benomar und dessen Freunde hoffen zu versichtlich, daß der Angeklagte sich erfolgreich verlhei- digen wird. Die freisinnige Partei hat bekanntlich einen Antrag im Reichstage eingebracht, welcher im Hinblick auf die erhöhten Kohlenpreise Frachtermäßigungen für aus ländische Kohlen verlangt. Wie nun die „Köln. Ztg." erfährt, beschäftigt sich die preußische Slaatsbahnver- waltung schon seit mehreren Wochen mit dieser Ange legenheit eingehend. Ein Abschluß dieser Erwägungen ist aber bis zur Stunde noch nicht erfolgt. Dle socialdemckratische Partei des Reichstages hat einige Zusätze bezw. Aenderungen zum Unsallver- sicherungsgesetze beantragt. Dieselben gehen dahin, die 13wöchige Karenzzeit, sofern das Heilverfahren vor Ablauf derselben beendet ist, um den entsprechen den Zeitraum zu vertürzen, ferner im Falle einer Tödtung, sofern der Betroffene sich bereits im Genuß einer Unfalls-Rente befand, der Berechnung der Leistun gen nichl nur den Arbeitsverdienst des letzten Jahres, sondern die Summe desselben und der Rente zu Grunde zu legen, endlich Strafbestimmungen aufzu nehmen gegen Unternehmer (bezw. Angestellte), welche durch Verträge oder Arbeitsordnungen oder bei der Lohnzahlung Arbeiter hinsichtlich der Vortheile aus dem Unfallversicherungs-Gesetze verkürzen. Wegen eines neuen rauchlosen Pulvers soll die deutsche Reichsregierung mit dem österreichischen Artil leriemajor Schwab unterhandeln. Der Letztere hat ein neues Pulver zusammengestellt und Versuche mit demselben sollen recht befriedigende Resultate ergeben haben. Das deutsche Emin-Pascha-Comito hat bereits nach Zanzibar die Weisung gelangen lassen, sofort Boten an Or. Peters abzusenden, damit derselbe den nutzlosen Weitermarsch ins Innere aufgebe. Im süd westafrikanischen Schutzgebiet herrscht jetzt volle Ruhe, nachdem einige Engländer, welche sich durch Aufrei zungen besonders hervorthaten, per Schub über die Grenze gebracht worden sind. Ein Warnruf gegen die übertriebene Actien- speculation, der zwar grell schildert, aber doch auch manches Richtige trifft, wird in einem Berliner Blatte veröffentlicht: „Ich weiß aus den täglichen Gesprächen mit meinen Freunden, daß z. B. die so kapitalkräf- Ligen Bauern der Wetlerau ihre niedrig verzinslichen, aber sicheren Staatsobligationcn fast sämmtlich ver äußert, und sich dafür Argentinier, Mexikaner und was noch schlimmer ist, ganz schlechte Jndustrie-Actien gekauft haben und jetzt sogar anfangen, Kohlenactien zu kaufen. Einzelne Bankiers benutzen die günstige Lage der Industrie und gründen Unternehmungen, die vorher ganz werthlos waren. Diese Actien bringen sie dann an das Publikum zu einem Preise, der viel leicht berechtigt wäre, wenn die günstige Lage stets andauern würde, woran aber nicht zu denken ist. In zwei Jahren, vielleicht noch früher, sinken diese Papiere vielleicht auf die Hälfte des Ankaufspreises, und das Geld ist futsch. Der Vorstand der christlich-socialen Partei in Berlin hat ein von Herrn Stöcker selbst unterzeich, netes Zirkular an alle Mitglieder versandt. In die sem vertraulichen Schriftstück heißt es, daß die gegen wärtige Haltung der Christlich-Socialen und der Ver zicht auf eine agitatorische Thätigkeit nur ein Waffen stillstand sei. Die Stunde werde schon kommen, wo sie mit aller Kraft und neuem Muth sich wieder ins Vordertreffen stellen würden. Sie müßten deshalb jetzt um so fester zusammenhalten, neue Mitglieder sammeln und den Geschäftsbetrieb durch Beiträge und freiwillige Gaben unterstützen. Daß Herr Stöcker nicht so schnell auf eine politische Zukunft verzichten ! würde, war schon anzunehmen. Fraglich ist es aber : doch wohl, ob die von ihm ersehnte Stunde so bald schlagen wird. garn. Kaiser Franz Joseph ist nach Schloß Miramare gereist, um den Allerseelentag an der Seite der Kai serin dort in stiller Zurückgezogenheit zu verbringen. Dem „Figaro" zufolge hätte sich die Kronprinzessin- Wittwe Stefanie an den Papst gewendet, um den Widerstand des Kaisers gegen ihre Wiedervermählung mit einem ungarischen Grafen zu brechen. Frankreich. Die Boulangisten in Paris haben beschlossen, am ! Tage der Kammereröffnung eine große Kundgebung ! zu Gunsten Boulangers zu veranstalten. Als Ant- ! wort auf diesen Beschluß hat der Ministerrath dem Minister Constans, der es bekanntlich versteht, eines Straßenspectakels Herr zu werden, umfassende Voll machten gegeben. Belgien. Die Kongo-Eisenbahn, deren auf 25 Millionen veranschlagter Bau finanziell gesichert ist, soll jetzt auch praktisch in Angriff genommen werden. Die ersten Ingenieure und Baubeamten sind bereits nach Afrika abgegangen. Die Linie soll in vier Jahren vollendet sein. Auf den Bau werden bekanntlich große Hoff nungen gesetzt. Dänemark. Die dänische Regierung hat in ihrem Reichstage eine Reihe von Zollaufbebungen und Ermäßi gungen vorgeschlagen, darunter Fortfall des Kohlen zolles. Erhöht sollen werden die Zölle für Wein, Spirituosen, Bier, Tabak, Obst, Spargel, Blumen u. s. w. Rußland. Den Petersburger Blättern ist die Zunge schon ! wieder gewaltig locker geworden und die Eindrücke des Czarenbesuches in Berlin sind überwundener Stand punkt. So äußerl sich die weitverbreitete „Nowoje Wremja", deren Aeußerungen zur Zeit der Kaiserbe gegnung so bereitwillig vom Berliner Telegraphen bureau übermittelt wurden, heule folgendermaßen: „Wir werden nicht aufhörcn, zu wiederholen, daß im gegenwärtigen Augenblick die Festigkeit des europäischen Friedens vor Allem davon abhängt, daß die bulga rische Frage nach Buchstaben und Sinn des Berliner Vertrages gelöst werde, welcher bestimmt, daß in Bul garien kein Regent thronen soll, den die russische Re- gierung nicht anerkennt. Wird die gesetzliche Ordnung in Bulgarien hergestellt, so ist damit eine der Haupt ursachen der internationalen Mißverständnisse beseitigt. Die Ausrede, daß Deutschland in keiner Weise an der bulgarischen Frage interessirt sei, vermag nicht die augenscheinliche Thatsache zu beseitigen, daß heut- diese Frage nur durch die thätige Mitwirkung Deutschlands gelöst werden kann. Ein Wort aus Berlin würde genügen, den Prinzen Ferdinand zur Vernunft zu bringen. Wir wollen warten, ob dieses Wort gespro chen wird, das für die Erhaltung des Friedens auf der Grundlage der bestehenden Verträge so unentbehr lich ist!" (Wo steht denn aber in den Verträgen, daß Deutschland der Executor Rußlands sein soll? Der Coburger wird sich übrigens hüten, auf ein bloßes Wort hin aus Bulgarien zu gehen. Worte thun nicht weh und papierne Noten verletzen nicht.) Bulgarien. Fürst Ferdinand von Bulgarien wird heute Sonn abend Abend oder Sonntag in Sofia erwartet. Die regierenden Kreise in Petersburg sind höchst erbittert darüber, daß es der bulgarischen Regierung gelungen ist, in Wien eine Anleihe aufzunehmen. Das Peters burger Journal spectakelt nicht schlecht und meint, die Bulgaren würden es nicht ruhig mit ansehen, wie Bahnen ihres Landes zur Sicherstellung verpfändet würden. Darüber braucht man sich an der Newa nicht aufzuregen. Den Bulgaren würde die Galle höchstens überlaufen, wenn russische Offiziere von Neuem nach Sofia zurückkehrten, um die Staatskasse von Neuem zu plündern. Türkei. Die türkischen Regierungsblätter begrüßen den deut- schen Kaiser und die Kaiserin sehr herzlich. Das Journal „Tawik" nennt die Ankunft Kaiser Wilhelms ein glückliches Ereigniß für die Türkei und erblickt in dem Besuche des Monarchen den Beweis, daß Deutsch land die friedliche Politik, welche der Sultan verfolge, billige. Das Blatt bemerkt weiter, daß seit Friedrich dem Großen sich die Türkei der Sympathien Deutsch lands erfreue. Der Kaiser werde mit großer Herz lichkeit von dem muselmännischen Volke empfangen werden und die Zusammenkunft der beiden Monarchen werde die guten Beziehungen befestigen, welche zwischen den beiden Kaiserreichen bestehen. Deutschland strebe nach der Aufrechterhaltung des Friedens, die Türkei befolge dieselbe Aufgabe, indem sie eine stricte Neutra lität beobachte. Aus dem MuLdenttzaLe. *Waldenburg, 2. November. Am vergangenen Montag hielt in der Gemeinnützigen Gesellschaft zu Leipzig Herr Professor vr. Karl Biedermann einen Bortrag über die Parteiverhältnisse in Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der nächsten Reichstags ivahlen und bezeichnete hierbei unseren 17. sächsischen Reichstagswahlkreis Glauchau-Meerane als besonders gefährdet. 1887 bei den Reichstagswahlen hatten in jenem Wahlkreise die Socialdemokraten 9986 Stim men, rechnet man nun, wie man muß, ungefähr eine Zunahme der Stimmen um '/», so kommen für 1890 nahezu 12,000 Stimmen heraus; da die Kartellpar teien 1887 13,578 Stimmen gehabt, so stehen sich die Stimmen auf beiden Seiten fast gleich. Redner empfahl nun dringend: rascheste Vereinbarung über und mit einem Candidaten, sowie Fühlung des letzte ren mit den Wählern, Sammlung eines Wahlfonds, Benutzung der Presse zur Anregung der gleichgesinnten Wähler, zur Aufklärung und Belehrung der noch schwankenden, zur Widerlegung der vielen Wahrheits entstellungen, durch welche die Gegner auf solche zu wirken suchen. Am Schluffe richtete der Redner einen warmen Appell an die patriotischen und nationalen Gesinnungen und an die Thatkraft aller Parteigenos sen, damit Sachsen den hohen Ruf, den es durch die Wahlen von 1887 in ganz Deutschland erworben, nicht wieder einbüße. Die Richtigkeit obiger Ausfüh rungen ist nicht ohne Weiteres zuzugestehen; nament lich spricht dagegen die Thatsache, daß die socialbemo- kratischen Stimmen bisher schon bedeutend auf- und abwärts geschwankt haben. Aber Recht hat er mit der Mahnung, daß gegenüber der Rührigkeit der so- cialistischen Partei eine größere Thätigkeit der Kartell- Parteien entwickelt werden müsse, wenn sie ihren Be sitzstand behaupten wollen. *— Nachstehend geben wir die Statistik des Kaiser lichen Postamts in Waldenburg für das Jahr 1888 wieder. Die daneben angegebenen Zahlen betreffen den Verkehr der Kaiserlichen Postagenturen in Callenberg und Ziegelheim, welcher ausschließlich durch das hiesige Postamt vermittelt wird. Waldenburg Callenberg Stück > Betrag Ziegelheim Stück j Betrag Stück Betrag Briefsendungen, kingegangen: ZO7194 Z7206 — 12454 — abgegangen: Z0007O — 16874 — 7488 — GewShnI. Packete, eingeqangen'. 28035 — 3166 — 1146 — abgeganaen: 34333 —— 1363 — 522 , Packete m. Werth- angabe, eingegangen: 247 68913 18 2010 N 560 abgegangen: 360 424440 4 320 4 160 Briefe mit Werth angabe, eingegangen: 1183 1366365 98 9160 31 6120 abgegangen: 2409 1594758 24 240 49 4328 Emschreibbriese, eingegangen: 2558 — 191 — 83 — abgegangen: 3076 — 105 — 44 — Postnachnahme sendungen, eingegangen: 2919 21022 738 7011 185 4317 abgegangen: 910 3718 — — — - PostaustrSze, eingegangen 930 68820 127 8613 15 975 abgegangen: 436 — 7 — 3 — Postanweisungen, eingezahll: 17248 966717 2204 79675 917 43417 auSgezahll: 5552 503385 636 35813 259 11797 Zeitungen, eingegangen: 110146 26635 14873 — abgegangen: 93072 - — — — — Zeitungsbeilagen: 3359 — — — — — Telegramme, eingegangen: 2237 135 17 - abaeaanaen 2442 63 22 ! - Etatsmüß. Einn 44972 3112 ^5. 1522 EtatsmSß. Ausg.: Uederichutz — Gesammt-Elnn. 1013693 83778 45545 Sesammt-Ausg. 625788 38912 14355 Uederichutz 487905 44866 81190 Anzahl Anzahl Anzahl Einwohn. imOrts desteUbezirl Einwohn.imLand bestellbezirk 5499 3419 1508 3280 879 1172 zusammen 8918 4788 2051 *— Der Trichinenschauer in Ziegelheim untersuchte vor Kurzem einen getödteten Maulwurf auf Trichinen und fand im Fleische desselben unverkapselte Trichinen in großer Masse vor. *— In der Nacht zum 22. October sind im be