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gelischen Abgeordneten im Dome, für die katholischen in der Hedwigskirche. Bon '/r12 Uhr ab sammelten sich die Volksvertreter im Weißen Saale des Schlosses. Anwesend waren hauptsächlich Mitglieder der Kartell parteien, die übrigen Fractionen waren nur spärlich vertreten. Darauf erschienen die Mitglieder des Bun- desrathes, mit dem Staatssekretär von Bötticher an der Spitze und nahmen links von dem verhüllten Thronsessel Aufstellung. Herr von Bötticher trat einige Schritte vor, verneigte sich, verlas die Thron rede und erklärte sodann den Reichstag für eröffnet. Präsident von Levetzow brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, in welches die Versammlung lebhaft einstimmte. Damit war die Feier zu Ende, und die Versammlung, die kaum hundert Abgeordnete zählte, trennte sich. Die Eröffnungsrede wurde bei dem letzten Passus, welcher die Hoffnungen auf die Erhaltung des Friedens betont, von der Versammlung wiederholt mit Beifall begleitet. Gar nicht vertreten im Weißen Saale waren die freisinnige Partei und die Socialdemokraten. Alle Berliner Blätter äußern sich übereinstimmend dahin, daß die Thronrede nicht die geringste Ueberraschung bietet; der Passus über die auswärtige Politik sei etwas vor sichtig gehalten, aber im Ganzen könne man damit wohl zufrieden sein. Der Reichskanzler Fürst Bismarck ertheilte am Dienstag in Friedrichsruhe den Gesandten des Sul tans von Zanzibar Audienz. Nach derselben kehrten die Araber nach Hamburg zurück. Ein spaßhafter Zwischenfall ist übrigens der Gesandtschaft in der Hansa- stadt passtrt: Auf ihrem Hoteldache wehte die rothe Zanzibarfahne. Ein Schutzmann hielt dieselbe für ein socialistisches Wahrzeichen und verlangte die sofortige Entfernung. Er ließ sich aber zum Glück eines Besse ren belehren. Der Reichsanzeiger veröffentlicht folgende Bekannt machung: Das an der ostafrikanischen Küste zwi schen der Nordgrenze von Witu und der Südgrenze der dem Sultan von Witu gehörigen Station von Kismaju gelegene Gebiet ist auf Grund der mit den ! dortigen Sultanen und Häuptlingen geschlossenen Ver- ! träge und vorbehaltlich wohlerworbener Rechte Dritter ! unter den Schutz Sr. M. des Kaisers gestellt ! worden. Auf dies Gebiet erheben auch England und, ! für einen kleinen Bezirk, Italien Anspruch. Der stellvertretende Reichscommisssar in Ostafrika, Lieutenant von Gravenreuth überfiel ein Lager Buschiri's, welcher mit Räuberbanden aus dem In nern die Provinz Usaramo verwüstete, und warf den Feind in die Flucht. Die Verfolgung Buschiri's wird j fortgesetzt. Die Gerüchte vom Tode des Letzteren ! sind also unrichtig. Dem Bundesrathe ist der vom Kaiser unter zeichnete Gesetzentwurf wegen Einrichtung einer sub- ventionirtcn Dampferlinie zugegangen. Die Linie wird von Hamburg ausgehcn und einen jährlichen Kostenaufwand von 900,000 Mk. erfordern. Der neue Reichsetat schließt in Einnahme und ! Ausgabe mit 1,208,664,739 Mk. Die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats betragen 81,349,597 Mk., die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats 277,700,307 Mk. Der dauernde Militäretat beträgt: 376,800,813 Mk., die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats 40,127,895 Mk., die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats 20,384,257 Mk. Die entsprechenden Zahlen beim Marineetat sind: 38,287,595 Mk., 12,840,020 Mk., 38,153,550 Mk. An. Einzelheiten sind hervorzuheben: Im Auswärtigen Amt steht die Errichtung einer eigenen Kolonialabthei- lung bevor, im Militäretat macht die bekannte Neu bildung zweier Armeecorps Mehrausgaben, ebenso die Verpflegung der Truppen. Die Etatsstärke des deut schen Heeres beträgt: 19,133 Offiziere, 55,727 Unteroffiziere, 898 Zahlmeister - Aspiranten, 5530 Unteroffiziere und 13,930 Gemeine der Spielleute, 379,438 Gefreite und Gemeine, 3678 Lazarathgehilfen, 9210 Oekonomiehandwerker, 1799 Militärärzte, 856 Zahlmeister, Militär - Musikinspizienten, Luftschiffer, 534 Roßärzte, 818 Büchsenmacher und Waffenmeister, 93 Sattler und 88,302 Dienstpferde. Was die Flotte anbetrifft, so sollen im nächsten Jahre in Dienst gehalten werden für den auswärtigen Dienst: ein Krcuzergeschwader, ein Kreuzer und ein Kanonen boot für die westafrikanische Station, eine Kreuzer- corvette und ein Kreuzer für Ostafrika, zwei Kanonen boote für Ostasien, ein Kreuzer für Australien, ein Stationsfahrzeug für das Mittelmeer. Für Schul- und Uebungs-Zwecke sollen in Dienst gehalten werden: ein Uebungsgeschwader von 4 Panzerschiffen, 1 Kreuzer- corvette, ein Aviso, ein Manöoergeschwader von 4 Panzerschiffen und 1 Aviso; Reservedivisionen von 2 Panzerschiffen, 1 Panzerfahrzeug, 2 Torpedodivisions- booten; eine Panzerfahrzeugsflottille von 3 Panzer fahrzeugen; eine Torpedobootsflottille von 1 Aviso, 2 Torpedodivisionsbooten, 12 Torpedobooten und ein Kadettenschulschiff. Was die Kolonien anbetrifft, soll die Schutztruppe in Südwestafrika auf 50 Mann er höht werden; Kamerun und Toko decken ihre Aus ¬ gaben durch die Einnahmen, die Forderungen für Ost afrika, die sich noch nicht übersehen lassen, erfolgen in einem Nachtragsetat. Was die Kasernenbauten anbs- trifft, so werden Forderungen gestellt für Berlin (dort soll auch eine zweite evangelische und eine katholische Garnisonkirche erbaut werden) Allenstein, Gumbinnen, Insterburg, Königsberg in Pr., Gnesen, Stettin, Stolp, wo das Husaren Regiment Nr. 5 vereinigt werden soll, Oppeln, St. Johann Saarbrücken, Osna brück, Freiburg in Br., Karlsruhe, Danzig u. s. w. Für den Kaiser soll eine neue Jacht gebaut werden, da die „Hohcnzollern" den an dieselbe zu stellenden An- s sprüchen in Bezug auf Schnelligkeit nicht mehr genügt. Im außerordentlichen Militäretat werden gefordert für Ausgaben aus Anlaß der Aenderungen der Wehrpflicht 45,813,000 Mk., für artilleristische Zwecke 61'/4 Millionen Mk. Neue Kasernen sollen in Darkehmen, Jnowrazlaw, Graudenz gebaut werden. c- e>-croortt?»t!lttgar»L. Ungarische Blätter schreiben von Vorkehrungen auf den dortigen Bahnen für die Rückkehr des deutschen Kaisers nach Berlin. Dieselbe würde darnach also über Bukarest stattfinden. Die deutsche Thronrede wird von den Wiener Zeitungen zustimmend begrüßt und hervorgehoben, daß dieselbe eine so erhebliche Friedensgarantie biete, wie unter den heutigen Verhältnissen nur erwartet werden könne. Frankreich. Aus Paris wird über französische Militärver hältnisse geschrieben: „In der französischen Armee hat es große Sensation gemacht, daß nicht nur die Manöver bei Spandau vor dem Kaiser Franz Jo seph, sondern sogar die großen Herbstmanöoer bei Hannover unter Führung des deutschen Kaisers unter Gebrauch des rauchlosen Pulvers stattgefunden haben, während in den französischen Manövern noch mit dem alten Rauchpulver geknallt worden ist. Man glaubte die deutsche Armee noch weit im Rückstände mit der Einführung desselben, oder suchte es doch glauben zu machen; nun ist man über die Thatsache des Vorhandenseins jenes Pulvers, über die vernünftige Idee der Deutschen, die Vorzüge des rauchlosen Pul vers in wirklicher Verwendung zu versuchen, fast er schrocken und macht der französischen Armeeverwaltung ! jetzt die bittersten Vorwürfe, daß sie in unangebrachter Knickrigkeit jetzt den deutschen Truppen wieder einen § Vorsprung gewährt habe. Denn, sagt man, die deut schen Führer haben nun Erfahrungen gesammelt, die wir nicht machten und die wir deshalb wieder ge zwungen sind, aus ihren Schriften zu entlehnen. Dort aber werden sie uns auch nicht die volle Wahrheit auf die Nase binden. Die Wahrheit aber ist, daß die im mer krankhafter werdende Geheimnißthuerei und Spio- nenfurcht der Franzosen das Pariser Ministerium da von abgehalten hat, das neue Pulver auszugeben. Und man wird dies wohl nicht eher thun, als bis die Nachbar-Armeen auch, aber hoffentlich mit besserem Pulver versehen sein werden, als das französische sich erweisen soll. Ein anderer Umstand, der in Paris üoerall Tadel hervorruft, ist, daß die französischen Truppen selbst zu den großen Manövern in ganz un vollkommenen Kadres ausmarschirt sind, während die volle Aufstellung der Kadres für die Zukunft gesetzlich gewährleistet ist. Endlich aber erscheint der Versuch, der beim 6. Corps gemacht wurde, kriegsgemäß her gestellte Kadres zu verwenden und die Divisionen ver schieden zusammenzusetzen, zu den größten Jnconvenien- zen geführt und den Gang der Manöver oft in Frage gestellt zu haben. Man ist wenigstens mit den Re sultaten derselben durchaus wenig zufrieden. Alle Abgeordneten der französischenZKammer, welche Journalisten sind, wollen einen Amnestieantrag zu Gunsten Rocheforts einbringen. Rußland. Aus Petersburger Hofkreisen wird der „Frkf. Ztg." berichtet: „Die Umgebung des Kaisers ist höchst zu frieden über den Berliner Aufenthalt, woraus auf den gleichen Eindruck des Czaren zu schließen ist. Die Ordnung war musterhaft, so erzählen die Her ren, und insbesondere Fürst Bismarck sei bemüht ge wesen, die Bedeutung, welche er dem Besuche des Kai sers Alexander beilege, zu betonen. Es habe ein un gezwungener, liebenswürdiger Verkehr geherrscht, ohne jede politische und tendenziöse Beimischung. Griechenland. Für die Hochzeitsfeierlichkeiten in Athen ist jetzt folgendes Programm festgesetzt worden: Am Sonnabend (26. October) Empfang des deutschen Kai sers, Zapfenstreich und Fackelzug; Sonntag Hochzeit und Festmahl. Der Brautzug wird eröffnet durch Cavallerie, dann folgen in Gala-Equipagen di- fürst lichen Gäste, zuletzt die Braut mit der Königin von Griechenland. Dem Brautwagcn folgen der König Geerg, der Kronprinz Konstantin und zahlreiche Offi ziere zu Pferde. Nach ihnen kommen Hofstaaten, zum Schluß wieder Cavallerie. Nach der Trauung nach griechischem Ritus folgt die protestantische Einsegnung durch Ov. Kögel in der Schloßcapelle. Kanonendonner begleitet die Ceremonie. Am Montag findet die offi- cielle Gratulation statt, später Familientafel, abends Concert und Feuerwerk. Dienstag ist Besichtigung der Stadt und Truppenrevue, Mittwoch wird eine Jagd abgehalten werden und Donnerstag wird die Weiterreise nach Konstantinopel erfolgen. Der Kron prinz Konstantin wird vom Kaiser Wilhelm zum preu ßischen Offizier ernannt werden. Am Montag fand in Athen Galadiner zu Ehren des russischen Thron folgers statt. Der König von Italien verehrte der Braut Schmucksachen im Werthe von 30,000 Lire. Bulgarien. Das belgische Consortium, welches Berdan-Gewehre für das bulgarische Heer liefern sollte, ist contract- brückig geworden. Der Finanzminister consiscirte die Caution von 200,000 Frcs. und ordnete den Ankauf von Mannlicher-Gewehren an. Aus dem Muldenthule. "Waldenburg, 22. October. In der gestern Abend im hiesigen Rathhaussaale statlgehabten Gewerbe- veremssitzung theilte der Vorsitzende, Buchdruckereibe sitzer Kästner, zunächst die Eingänge mit, an welchen vorlagen: Sitzungsberichte der Brudervereine zu Crimmitschau, Glauchau, Hohenstein und Werdau und ein Rundschreiben der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung. Alsdann sprach Herr Schuldirector Hanschmann über den Einfluß der Gewinnung der nutzbaren Mineralien, besonders der Edel metalle auf die Verbreitung und Cultur der Menschen. Nach einer kurzen Uebersicht des früher gehaltenen ersten Theiles seines Vortrags kam der Redner zunächst auf die Entdeckung Amerikas Lurch Columbus zu reden. Dieser suchte das Goldland Zipangu, welches der Asienreisende Marco Polo im 13. Jahrh. erreicht und beschrieben hatte. Die Er oberung von Mexiko und die von Peru und die nach folgenden Beraubungen dieser Länder überschütteten Spanien mit ungeheuren Goldschätzen. Daher kamen immer mehr Amerikafahrer und Entdecker neuer Küsten, Inseln, Binnenländer. Der Durst nach Gold war unstillbar geworden, man glaubte die abenteuerlichsten Sagen. Daher die Fabel vom Eldorado „dem Ver goldeten". Mit den Eldoradofahrten und den damit verbundenen Suchen der Goldstadt Manoa und dem goldenen Hause der Sonne sind die größten Abenteuer, Gefahren, Kühnheiten, aber auch die höchsten Grausam keiten und Rohheiten verbunden gewesen. Die ersten dieser furchtbaren und verwegenen spanischen Schaaren führten deutsche Männer an im Auftrage der reichen Kaufherren Welser in Ausgsburg, denen Karl V. das Recht der Besiedelung und Ausnutzung dieser Gebiete im nördlichen Südamerika verkauft hatte. Mühsal, Noth, Elend, Mord, Blutströme bezeichneten diese Fahrten der Eldoradosucher. Nach den Deutschen waren es Spanier und zuletzt Engländer (Raleigh). Sie trugen wesentlich zur Erweiterung und Bereiche rung der geographischen Kenntnisse bei. Erst Alex. Humboldt wies Alles als Traum und Trugbild nach. Parallel mit dem Eldorado geht die Alchemie, d. i. das Suchen nach dem Steine der Weisen, durch welchen die unedlen Metalle in Gold verwandelt werden sollten. Aus erst wissenschaftlichem Streben im Sinne der Wissenschaft jener Zeit (8., 9.—14. Jahrh.) wurde in späteren Jahrhunderten Betrügerei. Doch führte diese Beschäftigung zu vielen Erkenntnissen im Gebiete der Mineralogie und Chemie, und heutzutage fängt man damit wieder an, nachdem sicher anzunehmen ist, daß auch die Edelmetalle keine Elemente, d. h. Grund stoffe sind. Aufgefundene Mineral-, bez. Metalllager stätten haben überall eine Ansiedelung von Menschen und Verdichtung der Bevölkerung zur Folge gehabt, besonders wo daneben gleich Steinkohlenflötze gefunden wurden. Das bezeugt auch die Geschichte unsres eignen Vaterlandes. Die Auffindung von Silbergruben hatte die Erbauung der Städte Freiberg, Scharfenberg, Schneeberg, Annaberg, Buchholz und Marienberg in früher wilden Gegenden und das Aufblühen derselben zur jetzigen Höhe zur Folge. Aehnlich sind in den wichtigen Bergwerksbezirken in Mexiko auf den Hoch gebirgen bevölkerte Städte entstanden. Bekannt ist ferner die fieberhafte Auswanderung, die zu Ende der 40er und 50er Jahre nach Californien stattfand, als die Nachricht vom Goldreichthum dieses Landes sich verbreitete, sowie ähnlich nach der Entdeckung der rei chen Goldlager in Australien und Südafrika. Auch die blühenden Ansiedelungen in der Cordillere von Utha, Nevada und Colorado haben ihre Entstehung lediglich dem Vorkommen reicher Silbererze zu verdanken. Daß der Mensch die größten Entbehrungen nicht scheut, um in den Besitz der edlen Metalle zu gelangen, beweist besonders Südamerika mit seinen Silberbergwerken auf den höchsten Gebirgsländern, öfter in der Schnee region; Krankheit, Kälte, Mangel sind da auf den eisigen Punas zu ertragen. Nach Afrika wird sich auch erst der Auswandrerstrom lenken, wenn reiche Erzlager aufgefunden werden. Auch das höchste, be«