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der ungünstigen Witterung wohl nur eine sehr mittel mäßige sein wird. Die Hofärzte haben eine officielle Erklärung abge geben, daß ein nachgeborenes Kind des verstorbenen Kronprinzen in keinem Falle zu erwarten sei. Die Kronprinzessin hat nunmehr völlige Freiheit, ihren künftigen Aufenthaltsort zu wählen, erhalten; bisher zwangen sie Staatsgründe, im Lande zu bleiben, so lange Hoffnungen auf einen nachgeborenen Thronerben vorhanden waren. Schweiz. Der Schweizer Bundesrath ist am Donnerstag über , die Action der Großmächte in der Volksvertretung i interpellirt. Die Antwort wird heute Freitag in einem schriftlichen Berichte erfolgen. Der schweizerische Oberst Schmidt hat ein neues Repetirgewehr erfunden, welches ohne Rauch schießt und angeblich auch ohne Knall schießen soll. Sämmt- liche Truppen der Schweiz werd.n schleunigst mit der neuen Waffe ausgerüstet werden. UratttrelM. Die Untersuchungscommission des Senats bestreitet die von Boulangistenblättern aufgestellte Behauptung, einzelne der beschlagnahmten Briefe, welche angesehene Republikaner compromittirten, fortgegeben zu haben. Es seien das pure Erfindungen. Am 28. Juli sollen die Neuwahlen derGeneral- räthe stattfinden. England. Der Unterstaatssekretär Fergusson bemerkte in einer Rede, die er auf einem politischen Bankett hielt, in Betreff der allgemeinen Lage habe die Regierung Grund für die Hoffnung, daß das Jahr 1889 ebenso fried lich verlaufen werde, wie es begonnen. Nach den neusten Nachrichten über Stanley glaubt man in England darauf rechnen zu können, daß der berühmte Afrikareisende Anfang September nach Europa zurückkehren werde. Bei seinen Agenten in London sind schon zahlreiche Bestellungen auf Vorlesung eingelaufen. Serbien. In einer Belgrader Druckerei wurde am 19. d. während der Drucklegung eine Proclamation be schlagnahmt, welche die Slaven Oesterreich-Un garns zum Aufstande auffordert unter Inaussicht stellung des Beistandes des Auslandes. Die der Ueber- bringung der Proclamation Beschuldigten wurden ver haftet. Der „Wiener Pol. Corresp.« zufolge ergab die Untersuchung, daß die Proclamation von einem Mitarbeiter des „Videlo" übergeben wurde. Rumänien. Das rumänische Königspaar reist am Sonn abend mit dem Kronprinzen im strengsten Jncognito nach Sigmaringen, um der Hochzeit des Erbprinzen Wilhelm von Hohenzollern beizuwohnen. Bulgarien. Im fürstlichen Palais in Sofia fand ein Diner zu Ehren des serbischen Agenten Danic statt. Fürst Fer dinand gab in seinem Trinkspruch der Achtung und Anerkennung der Thätigkeit des Gesandten Ausdruck und trank auf dauernde Freundschaft zwischen Serbien und Bulgarien. Aus dem MuLdenthaLe. "Waldenburg, 21. Juni. Von Sr. Erlaucht dem Grafen Richard Clemens von Schönburg-Glauchau sind dem Stadtrath daselbst anläßlich der Wettinfeier 1000 Mark zur entsprechenden Verwendung für ver schiedene Wohlthätigkeitsanstalten zur Verfügung gestellt worden. *— Vergangenen Sonnabend wurde in Langenleuba- Niederhain von Arbeitern am Reparaturbau des zur Leinmühle daselbst gehörigen Wehres im Sande des trocken gelegten Flußbettes eine Anzahl Silbermünzen gefunden, und zwar Fünf- und Einmarkstücke im Be trage von 21 Mark. Auch fand man den Bügel eines Portemonnaies. *— In Langenchursdorf stürzte am 19. d. abends nach 6 Uhr ein aus Bräunsdorf gebürtiger 17jähriger Schieferdecker vom Dache eines Neubaues bis hinab in § den Keller und verletzte sich ganz erheblich am Hinter- j köpf, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. ! *— Mit dem heutigen Tage nimmt nach dem Ka- ' lender der Sommer seinen Anfang. Die Sonne er reicht mit heute den größten nördlichen Abstand vom j Aequator und wendet sich nunmehr wieoer dem Süden ; zu. Zugleich haben wir den längsten Tag und die - kürzeste Nacht. In der Natur hat freilich der Som- i mer sein Regiment schon längst begonnen. ' — In Zwickau fand am 19. d. durch die Be- zirksvorsteher und Armenpfleger die Vertheilung von j 1000 Mk., welche aus Anlaß der Wettinfeier aus der ; Stadtkasse gespendet wurden, an dortige Arme statt. i — Jene Burschen in Zwickau, welche gelegentlich der im vorigen Monat dort ausgebrochenen Berg- j arbeiter-Bewegung einen an dem Streik nicht theil- j nehmenden Kameraden auf dessen Wege nach dem z Schaderschachte in roher Weise mißhandelt hatten, wur- s den zu 5 und 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. i — Am Sonntag Abend ist es auf der Heimkehr von der Tanzmusik vom Gasthof „zum Poppitz" in ? Rochlitz zwischen einem Ulanen und einem Lippeschen - Zicgelstreicher zum Streit gekommen, der in Thätlich- j keiten ausartete. Hierbei sollen dem Soldaten 17 j Stichwunden beigebracht worden sein. Dieser Fall ; wag Veranlassung gegeben haben, daß am Montag Vormittag 20 Ulanen, mit Stöcken und Säbeln be- s waffnet, die Jacobsche Ziegelei umstellten und die dor- s tigen Arbeiter überfielen. Drei Arbeiter liegen schwer l darnieder, einem ist der Hinterkopf zugenäht worden. ! Ritmeister Bader wurde nach dem Thatorte gerufen ; und hat sich von dem Vorfälle überzeugt. Atts dem SachserUEve. — Das amtliche „Dresdner Journal" bringt nach- ? stehenden Königlichen Dank: „Die zahlreichen und ! erhebenden Beweise allseitiger herzlicher und warmer Theilnahme, welche bei Gelegenheit der Feier des 800jährigen Jubiläums der Regierung meines Hau Feuilleton. Demaskirt. Kriminal-Roman von Karl v. Leistner. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Sie sah den Unbekannten dicht vor sich, als sie die Augen aufschlug, und es war ihr, als ob er ihr da bei scharf in das Gesicht geblickt hätte. Eben schloß er das Fenster neben ihr, das vielleicht während des Fahrens durch die Erschütterung des Wagens herab gesunken war. Dann setzte er sich wieder ruhig wie zuvor auf seinen Platz. Ihr ward aber immer ban ger zu Muthe. Endlich! Endlich! — die letzte Zwischenstation war erreicht und wenn der Zug wiederum hielt, so war sie für dieses Mal, wie sie hoffte, glücklich jeder Ge- - fahr entronnen. Sie ruffte daher ihre Effecten zu sammen und machte sich zum Aussteigen fertig. Der Mitpassagier schien noch weiter reisen zu müssen, denn er rührte sich nicht, als der Zug schon auf dem Perron der Hauptstation stand. Liddy hatte auf der von ihr eingenommenen Coupee- seite den Wagen zu verlassen und that dies, ohne sich von dem, wie es schien, noch schlafenden Herrn zu ver abschieden. Bis sie bei dem großen Andrange von Reisenden ihren Koffer bekommen konnte und denselben vor den Bahnhof hinbringen ließ, verstrich lange Zeit und sie sah sich vergebens noch nach einem Gasthofomnibus um; diese mußten bereits abgefahren sein. Aber dort stand noch ein Zweispänner ganz vereinzelt. Dem übergab sie ihren Koffer und wies den Kutscher an, sie zum nächstgelegenen, besseren Gasthause zu bringen, worauf sie die gedeckte Chaise bestieg. Jener mußte aber, wie es Liddy däuchte, mit dem Ausladen des freilich etwas gewichtigen Collos, das sie in der Residenzstadt statt des kleinen von Olsdorf mitgenommenen Handköfferchens zu ihrer Ausstaffirung sich hatte anschaffen müssen, wohl schwer allein zu Stande kommen, weil es gar so lange dauerte, bis das Fuhrwerk zur Abfahrt bereit war. Nun stieg er endlich auf den Bock und knallte mit der Peitsche. Da stieß das Mädchen mit einem Male einen schwachen Schrei aus, denn als die Pferde schon im Gange waren, wurde Plötzlich der Wagenschlag hastig aufgerissen und im nächsten Momente saß dicht neben ihr eine männliche Person im Wagen, die Thüre eben so schnell, als sie geöffnet worden war, wieder ver schließend. Wenn sie in diesem Augenblicke nicht eine krankhafte Vision täuschte, so war es der Vermummte aus dem Eisenbahncoupee, den sie beim Aufblitzen einer Straßenlaterne zu erkennen glaubte. Sie wollte entsetzt aufspringen und nach dem Griffe des Wagcnschlages die Hand ausstrecken, als sie eine Berührung am Arme fühlte und ohnedies vom Schreck schon fast gelähmt, widerstandsunfähig in die Ecke zurücksank. Minutenlang war sie außer Stande, ein Wort her vorzubringen oder sich auch nur zu regen. Als sie allmählich die Sprache und Bewegungsfähigkeit wieder erlangte, empfand sie, daß der Wagen nicht mehr auf gepflastertem Boden rollte. Er mußte sich also außer halb der Stadtthore befinden und es war ihr, als ob sie Alleebäume wie gespenstisch Vorüberhuschen sehe. Dabei ging es weiter, gerade wie wenn sie noch im Train von der Locomotive gezogen würde. Die Pferde schienen im Galopp davon zu rasen. Was geschah mit ihr?? — Etwas Furchtbares, wie sie ahnen mußte! — Endlich brachte sie ein Wort über die eisigen Lippen: „Um Gottes Barmherzigkeit willen! Wo bringt man mich hin? Das sind nicht die Straßen der Stadt, hier können ja keine Gasthöfe mehr sein! Kutscher! Kutscher! — Wiederum sprang sie auf und pochte an das Fenster, ses aus Mir aus allen Theilen des Landes, aus allen Schichten der Bevölkerung, von Einzelnen wie von Genossenschaften, Vereinen, Städten und insbesondere von den Bewohnern Meiner lieben Haupt- und Resi denzstadt in Wort und Schrift, in sinnigen Gaben, in der Errichtung von Stiftungen zu mannichfaltigen dauernden Zwecken der Barmherzigkeit und Hilfelei stung dargebracht worden sind, haben in Mir die be glückende Ueberzeugung erneuert, daß die alte Sachsen treue, welche Jahrhunderte lang Mein Volk mit Mei nem Hause verbunden hat, auch heute noch fest begrün det ist. Die ebenso reiche als geschmackvolle Aus schmückung der Fahrstraße, der Gebäude und öffent lichen Plätze, der durch seine Pracht und sinnige Zu sammenstellung ausgezeichnete Huldigungszug mit sei nen wechselnden und schönheitsvollen Bildern, der glän zende Abschluß des gestrigen Abendfestes haben Mir große Freude bereitet, nicht minder die treffliche Hal tung, welche die Einwohnerschaft Meiner Haupt- und Residenzstatt und ihrer Umgebungen mit allen von Nah und Fern zugeströmten Gäuen durchgängig be wahrt hat. Gerührten Herzens sage Ich daher für die Mir bei diesem seltenen Feste entgegengebrachten zahlreichen und mannichfachen Erweisungen der Liebe und Treue, und Allen, welche die festlichen Veranstal tungen vorbereitet, geleitet und deren Gelingen geför dert haben, hierdurch meinen herzlichsten Dank. Gott segne Mein Sachsenland und sein Volk! Dresden, 20. Juni 1889. Albert.« — Der Schluß des außerordentlichen Landtages hat am Donnerstag nachmittags '/r2 Uhr im Thron saale des kgl. Schlosses in Dresden stattgefunden. Die von Sr. Majestät dem König verlesene Thronrede hatte folgenden Wortlaut: „Meine Herren Stände! Es ist Meinem Herzen Bedürfniß, Sie noch einmal um Mich zu versammeln, bevor Sie in Ihre Heimat zurückkehren. Das Fest, das wir in Gemeinschaft be gangen haben, wird gewiß auch Ihnen eine wohl- thuende Erinnerung zurücklassen. Wir haben auf acht Jahrhunderte einer uns angehörenden Vergangenheit blicken, wir haben uns vergegenwärtigen können, was unsere Vorfahren in diesem langen Raum der Ge schichte gewirkt, geschaffen, was sie in guten wie in bösen Tagen erlebt und getragen haben. Ich Selbst habe die lange Reihe Meiner Ahnen in ihren wechsel vollen Schicksalen an Meinen Augen vorübergehen lassen — aber sicherlich treffe Ich mit Ihren Empfin dungen zusammen, wenn Ich als den Gesammtein- druck dieser Tage das Gefühl demüthiger und dank barer Erkenntniß von Gottes gnädiger Führung be zeichne, welche Mein Haus und Mein Volk in allen Stürmen dieser Jahrhunderte bewahrt und ihnen fort und fort die Wege fruchtbaren und befriedigenden Wir kens inmitten unseres deutschen Vaterlandes gewiesen hat. Mit wahrer Rührung habe Ich die kaum über sehbaren Beweise treuer Anhänglichkeit an Mein Haus entgegengenommen, wie sie diese Tage aus allen l Theilen des Landes und allen Kreisen des Volkes Mir ' gebracht haben. Mit besonderer Freude aber hat es das sich hinter dem Gerufenen befand. Umsonst! Auch der Mann neben ihr saß lautlos, wie ein Todter. Lieber hinausspringen und draußen zerschellen, als noch länger diese Angst ertragen, die mich wiederum zu lähmer droht, dachte sie und sie versuchte vergebens, die Thürklinke zu finden. „Bleiben!« ertönte da neben ihr eine tiefe männ liche Stimme und ein kräftiger Arm zog sie wieder auf ihren Sitz. Dann aber war es wieder grausig still bis auf das Donnern und Rasseln der Räder und Schlagfenster. Noch einmal unternahm die arme Verlassene einen kräftigen Widerstand, nachdem sie ächzend längere Zeit in den Polstern der Chaise gelegen hatte — wie lange, das wußte sie selbst kaum. Abermals wollte sie den Schlag mit Gewalt aufreißen und versuchte von dem Arme, der sie daran zu hindern strebte, mit Aufbie tung ihrer letzten Muskelkraft sich loszumachen. Es ! gelang nicht und willenlos mußte sie sich in die schreck liche Lage fügen. Es war zu viel für ein Weib ihres Alters — bald umfing sie eine tiefe Ohnmacht, aus welcher sie erst langsam erwachte, als der Wagen sich nicht mehr bewegte. Aber noch war sie betäubt und an allen Gliedern gelähmt. Im Erwachen kam es ihr vor, als ob sie nun getragen, statt gefahren werde und jetzt war Alles um sie herum stockdunkel. Sie glaubte, wieder auf ihren eigenen Füßen zu stehen und hörte ein klopfendes Geräusch, dann wie derum ein tolles Lachen und verworrene Stimmen. War sie wirklich wach, oder geschah dies Alles nur im Traume? Fuhr sie noch im Eisenbahn-Coupee, war sie eingeschlafen trotzdem, daß sie sich gegen den Schlummer so gesträubt hatte und hatte nun nur geträumt, daß der unheimliche Mitpassagicr sie in einem Pferdebahnwagen entführt habe? — Nein! Sie wachte, sie stand wirklich und zwar ganz im Dunkeln. (Fortsetzung folgtO