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Ostafrika nur eingeschlagen werden soll, wenn eine bal dige Niederwerfung des Araber-Aufstandes erfolgt. Andernfalls soll ein Weg eingeschlagen werden, der früher schon ins Auge gefaßt ist, über den aber noch nichts bekannt gegeben werden soll. Die vom Hauptmann Wißmann in Hamburg an gekauften Schiffe sind drei Schleppdampfer, „Altona", „Vesuv", „Vulkan", und ein Dampfer der Köln-Lon don-Linie, „Harmonie". Ueber den genauen Zeitpunkt der Abfahrt ist noch nichts bestimmt. Der Wiederbeginn der Reichstagsverhand lungen wird früher, als es erst hieß, erfolgen, weil die Hoffnung besteht, zu Ostern die Session schließen zu können. Das Osterfest fällt in die zweite Hälfte des April, und wenn der Reichstag von Anfang März bis Mitte April tagt, so hat er in diesen sechs Wochen reichlich Gelegenheit, alle noch ausstehenden Vorlagen mit Ausnahme des Alters- und Jnvalidenversicherungs- gesetzes zu erledigen. Ueber das letzte haben sich die Ansichten doch noch nicht gehörig geklärt, und so wird es am besten sein, die ganze Sache bis zum Herbst zu vertagen. Dann wird eine erneute Kritik den Bo den für eine Verständigung geebnet haben. Abg. Windthorst und Genossen haben am Mittwoch im preußischen Abgeordnetenhause wieder den Antrag, betreffend die Leitung des religiösen Unterrichts in den Volksschulen durch die betreffenden Religionsgesellschaften, eingebracht. Nach Budapester Meldungen hat sich die deutsche Reichsregierung doch entschlossen, das in der österreichi schen Armee angeführte kleinkalibrige Mannlicher- Repetirgewehr als die beste Infanteriewaffe gleich falls anzunehmen. Der österreichischen Waffenfabrik in Steyr soll thatsächlich die Anfertigung von mehreren hunderttausend Stück übertragen sein. Die conservative Fraction des preußischen Abge ordnetenhaus .s hat Herrn von Hammerstein wegen des bekannten Kreuzzeitungsarttkels nicht wieder in ihren Vorstand gewählt. Die übrigen Vorstandsmit glieder wurden sämmtlich wiedergewählt. Für die nächste, am 1. December 1890 stattfindende allgemeine deutsche Volkszählung sollen veränderte Formulare mit ganz neuen Rubriken, wie sie sich durch die erweiterte Reichsgesetzgebung vornehmlich auf social politischem Gebiete erklären, ausgegeben werden. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich hat in seinem tiefen Schmerz auch die Familie des unglücklichen Mädchens nicht vergessen, welches mit seinem Sohne in den Tod ging. Die Baronin Vetsera, die Mutter der Baronesse Marie, erhielt aus der kaiserlichen Privat schatulle den Betrag von einer Million Gulden Renten (über 800,000 Gulden baar) zur Sicherstellung ihrer Familie überwiesen. Ueber den Tod Kronprinz Rudolphs und seiner Geliebten taucht jetzt eine neue Mittheilung auf. Nach derselben hat sich Marie Vetsera zuerst vergiftet und dann der Kronprinz. Als bei ihm das Gift nicht gleich wirkte, jagte er sich noch eine Kugel in den Kopf. Jedenfalls starben Beide zusammen. Es wird das ! nun auch vom Hofe eingeräumt. Die Pester Polizei verhaftete den Rädelsführer der demonstrirenden ungarischen Studenten, welcher auf offener Straße gerufen hatte, man müsse alle Minister aushängen. Inzwischen haben neue Demon strationen stattgefunden. Für die heutige Sitzung des Abgeordnetenhauses werden lebhafte Tumulte be fürchtet. Kaiser Franz Joseph gedachte in seinem Dank an die Parlamentsdeputationen in Pest besonders seiner Gemahlin, die ihm treu zur Seite stehe, sowie der rührenden Theilnahme seiner Völker. Er werde stets bestrebt sein, seine Regentenpflichten zu erfüllen, und hoffe auf die Unterstützung des Parlaments. Den Ab geordnetenhauspräsidenten ersuchte der Kaiser besonders, darauf hinzuwirken, daß das Haus die Regierung, welche des Kaisers volles Vertrauen besitze und im Interesse Aller handle, zur Seite stehen möge. Frankreich. De: der französischen Kammer vorgelegte Etat pro 1890 hat einen fürchterlichen Umfang. Er be ziffert sich auf dreitausendundsiebenunddreißig Millionen Franken. Soweit werden wir hoffentlich nie kommen. Boulanger wird heute in der Kammer bei der Berathung über die Verfassungs-Aenderung eine Rede halten. Er will der Kammer vorstellen, daß sie durch die am Moniag beschlossene Abschaffung der Listenwahl ihren eigenen Ursprung verleugnet habe, und ihr folge richtig nichts übrig bleibe, als sich aufzulösen. An Halloh wird es also nicht fehlen. Am Freitag erscheint vor dem Pariser Zuchtpolizei gericht der frühere Genieofficier Blondeau, unter der Anklage, die Pläne einer französischen Festung dem deutschen Kriegsministerium angeboten zu haben. 200 Arbeiter der Militär-Schuhwaarenfabrik, die durch Schließung der Fabrik brodlos geworden sind, fordern vom Kriegsminister Freycinet Unterstützung und Fortführung der Arbeiten auf Staatskosten. Beides wurde versprochen. Die Manifestanten fordern auch 10,000 Franken von der Stadtverwaltung. Ganz i Nordfrankreich hat starken Schneefall, Ueberschwem- : mungen der Seine und Marne werden befürchtet. Italien. Aus Rom wird telegraphirt: Die Ruhe ist bis auf einige kleine Lärmscenen völlig ungestört geblieben. Die Zahl der verhafteten Excenten ist über 600 ge stiegen. Die meisten der Arrestanten sind Republikaner aus der durch ihre excentrischen Bewohner in ganz Italien berüchtigten Romagna. Sie behaupteten, sie seien besonders dafür bezahlt, daß sie nach Rom ge- komnwn. England. Der zur Zeit in Paris lebende als Feind der Eng länder bekannte Maharadscha Djulip Singh erließ an die Fürsten und Völker Indiens ein Manifest, welches nach den vom Londoner „Standard" veröffent lichten Wortlaut erklärt, seine Anhänger in Europa und Amerika seien bereit, ein Heer zu bilden, um die britische Herrschaft in Indien zu stürzen. Es wären jedoch vier Millionen Pfund Sterling erforderlich für den Ankauf von Waffen und Munition; der Feldzugs plan wäre fertig, könne aber natürlich nicht veröffent- ! licht werden. (Der Maharadscha hat wohl nur das ! Bedürfniß, etwas von sich reden zu machen.) Nuffland. Vor einiger Zeit kam aus Petersburg die Nachricht, der Czar habe den bekannten Panslawistenführer Ge neral Jgnatiew zum Hofball geladen und später in besonderer Audienz empfangen. Dabei hat es sich aber nicht, wie jetzt bekannt wird, um politische Angelegen heiten, sondern um eine reine Familiengeschichte gehan delt. Der 28jährige Großfürst Michael Michajlowitsch, ein Vetter des Czaren, hatte sich vor längerer Zeit in die schöne Tochter des Generals Jgnatiew verliebt und wollte sie heiralhen. Kaiser Alexander wollte indessen von der Liebesgeschichte nichts wissen und wies den - Großfürsten ab. Inzwischen hat sich aber auch die Kaiserin des Paares angenommen und für dasselbe ein Wort bei ihrem Gemahl eingelegt, der nun endlich seine Einwilligung gegeben hat. Deshalb wurde auch der in Ungnade gefallene Jgnatiew wieder bei Hofe empfangen. Die Vermählung des jungen Paares soll in diesem Jahre stattfinden. Asien. In Tokio, der Hauptstadt von Japan, hat der Mikado, der jetzt den Kaisertitel führt, die neue japa nische Verfassung vom Throne aus verkündet, womit das ostasiatische Reich in die Reihe der constitutionellen Staaten eingetreten ist. Die Verfassung ist nach deut schem Muster entworfen und bestimmt im Wesentlichen die Bildung eines theils erblichen, theils wählbaren Herrenhauses, wovon der Kaiser eine Anzahl von Mitgliedern selbst ernennt. Ferner ist ein Abgeordne tenhaus von 300 Mitgliedern errichtet. Jeder Bürger, der das 25. Lebensjahr erreicht hat und jährlich 25 Dollars Steuern bezahlt, ist wahlberechtigt. Ferner sind Religionsfreiheit, Redefreiheit und Bersammlungs- recht eingeräumt. Das Parlament übt die gesetzgebenden Befugnisse, sowie die Controlle über die Finanzange legenheiten in gewissen Grenzen aus. Die Richter sind, außer im Wege des Gesetzes, unabsetzbar. Den Tag über fanden überall große Volksfestlichkeiten statt. Das geschieht in Ostasien. Und im europäischen Ruß land passirt das gerade Gegentheil." Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 14. Februar. Binnen weniger Wochen begeht in unseren Mauern ein Verein sein 100jähriges Jubiläum, der nunmehr ein Jahrhundert lang in aller Stille seiner segensreichen Wirksamkeit Feuilleton. Die Geheimnisse eines Irrenhauses. Roman nach dem Amerikanischen von August Leo. (Fortsetzung.) „Dann war das Leichenbegängniß, doch nicht Con stanze lag in dem Sarge, und zu gleicher Zeit wurde der Name dieser armen, so grausam verfolgten Frau in Beatrice King umgeändert. Im Anfänge weigerte sie sich, darauf zu hören, doch sie wurde für ihre Widersetzlichkeit fürchterlich bestraft. Sie kam in die Zwangsjacke, wurde die ganze Nacht an ihrem Bette festgebunden, und sonst noch mit allen Mitteln ge peinigt, die man den Wahnsinnigen gegenüber an wendet, doch sie weigerte sich stets, auf den Namen Beatrice King zu hören, bis die Rattenkur angewen- det wurde." „Die Rattenkur!" rief Alice. „Was ist das?" „Nun, es ist das Mittel, durch welches man ver nünftige Personen, die in die Anstalt kommen, wahn sinnig macht. Es ist da ein Zimmer mit einer Vor richtung, vermittelst welcher man die Unglücklichen auf den Rücken legt und so an den Fußboden bindet. Kopf, Hände und Füße sind angefesselt. Ein schwa ches Licht brennt in dem Raume, so daß man alles unterscheiden kann — dann wird eine große Ratte in den Raum gelassen, die dort die ganze Nacht ihr We sen treibt. Die Situation des hilflos Festgebundenen ist die peinlichste, die man sich denken kann, und ich habe viele Personen gekannt, welche bei voller Ver nunft in diese Zelle gebracht und des Morgens als Rasende aus derselben herausgeführt wurden." „Das ist entsetzlich!" sagte Alice. „Wie kann man nur so unmenschlich sein." „Es ist nur eine jener genialen Erfindungen, mit denen Doctor Sansom die Anstalt leitet," sagte Schnol- ler lächelnd. „Doch ich bin nicht hier, um Sie mit der Beschreibung derselben zu belästigen. Nachdem also bei Constanze die Rattenkur versucht worden war, um sie entweder zum Wahnsinn oder zum Gehorsam zu bringen, war Sansom erstaunt, sie am nächsten Morgen noch immer im vollen Besitze ihrer Vernunft zu finden. Doch ihr Muth war gebrochen, und als er sie fragte: „Wie heißen Sie jetzt?" antwortete sie schwach: „Beatrice King". Sie fürchtete eine Wieder holung dieser Kur, und hat mir seitdem gesagt, sie würde sicher wahnsinnig geworden sein, wenn sie nicht so mit aller Macht ihre Vernunft gewahrt hätte, in der Hoffnung sich eines Tages rechtfertigen zu kön nen um ihres Kindes willen." „Arme — arme Frau!" murmelte Alice, während ihre Thränen flossen. „Ich habe Doctor Sansoms Grausamkeiten seit vielen Jahren erduldet und ihm treu gedient," fuhr Doctor Schnoller fort. „Doch das kann so nicht länger fortgehen, und deshalb kam ich, um der armen Constanze — oder Beatrice King, wie sie jetzt ge nannt wird — willen hierher, um Mr. Asch von ihrer bedauernswerthen Lage zu unterrichten, damit er ihr die Freiheit verschaffe. Es ist unnöthig mehr zu sa gen. Wenn Sie mich nicht so gebeten hätten, würde ich es Ihnen nicht erzählt haben und wenn, wie ich sehe, meine Erzählung Sie angegriffen hat, so bin ich daran unschuldig." Doctor Sansom stand auf, um zu gehen. „Wollen Sie," sagte er, „Mr. Asch diese Geschichte erzählen und mit ihm gemeinsam dieser armen, un glücklichen, gemarterten Frau zu Hilfe kommen? Ach ja, gewiß — das werden Sie!" „Sie können sich darauf verlassen. Ich kann seine Rückkehr kaum erwarten, damit wir sie in Freiheit setzen." „Sie werden dies nicht leicht finden. Sansom ist durchtrieben und kennt alle Kniffe, doch einem so ein flußreichen Herrn wie Mr. Asch kann er sich nicht widersetzen und wird es wohl auch nicht zu versuchen wagen. Mit Ihrer gütigen Erlaubniß werde ich noch ein Glas Branntwein nehmen und mich dann empfehlen." Doctor Schnoller war jetzt schon kühn geworden und goß sich ein Glas voll von der feurigen Flüssi- keit ein, leerte es und eilte dann fort, Alice ganz ver wirrt, entsetzt und verzweifelt zurücklassend. Erst als Doctor Schnoller fort war, kam sie zu der ganzen Erkenntniß ihrer Lage. Die Geschichte hatte sie wohl ergriffen, doch sie hatte während der ganzen Erzäh lung nur an Constanze gedacht — an das Unrecht, das dieser zugefügt und die entsetzlichen Leiden, die sie zu erdulden hatte. Jetzt übermannte sie der Gedanke an ihre eigene entsetzliche Lage. „So bin ich ja eigentlich gar nicht seine Frau. O Gott, das ist schrecklich!" rief sie, mit einem Schrei auf das Sopha zurücksinkend, von dem sie bei Doctor Schnollers Weggehen aufgestanden war. Mrs. Selwin hatte den Aufschrei gehört, kam eilig herein und trat zu ihr. „Mrs. Asch," sagte sie leise, „ist etwas geschehen? Sie sehen leidend aus." „Rennen Sie mich nicht mehr so. Sie müssen mich Alice nennen," antwortete diese in einem Aus bruche des Schmerzes; „ich bin nicht mehr Mrs. Asch, bin es nie gewesen!" „O, beruhigen Sie sich — beruhigen Sie sich, und lassen Sie mich Sie in Ihr Zimmer führen!" entgegnete Mrs. Selwin, in deren Händen Alice jetzt wie ein Kind war. Dis ganze Nacht lag die arme, junge Frau wach und dachte an Doctor Schnollers Worte und an das Versprechen, das sie ihm gegeben, durch ihren Gatten Constanzes Befreiung aus dem Jrrenhause zu erwir ken, und die ganze Nacht schien ihr etwas zuzuflüstern, daß sie dieses Versprechen brechen müsse. Sie wußte ja doch, daß Constanzes Befreiung — das bloße Be kanntwerden von deren Existenz — sie in den Augen der Welt entehren mußte, und so rief sie in dieser Nacht halblaut und schluchzend: „O, was soll ich thun? — Was kann ich thun?" (Fortsetzung folgt.)