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Bureaux beschäftigten sich mit der Anstellung ausländischer Dienstmädchen in den Familien französischer Offiziere, wobei hervorgehoben werde, die Lohnfrage sei nebensächlich. Die Kommandanten sollen überdies eine vertrauliche Untersuchung über die Offiziere einleiten, in deren Häusern ausländische Mädchen dienen. Oesterreich-Ungarn. Tie Budapester Stadtverwaltung beharrt trotz des Rcgierungs- erlafses dabei, auch die freiwillig gezahlten Steuerbeiträge der Staatskasse vorzuenthalten. In dieser herrscht in Folge dessen bedenkliche Ebbe. Belgien. In Belgien ist soeben die 75jährige Unabhängigkeit gefeiert worden. In manchen politischen Kreisen hat es stark verschnupft, daß König Leopold hierbei wiederholt Ge- legenheit nahm, für den 300 Millionen Fr. kostende Ausbau des Antwerpener Hafens und für die Einführung der per sönlichen Wehrpflicht einzutreten. Ta die Abgeordneten kammer bis jetzl Widerstand leistete, wird ihre Auslösung erwartet. Tie Jubiläumsfeier scheint den König übrigens etwas weicher gestimmt zu haben. Er soll sich mit seiner jüngsten Tochter Klementine, die den Prinzen Viktor Napoleon heiraten will, versöhnt haben. Dagegen sind und bleiben die Gräfin Lonyay und die Prinzessin Luise von Koburg für den König tot. Frankreich. Der französische Senats-Ausschuß hat die Vorlage über die Trennung von Kirche und Staat unverändert in der Fassung der Deputiertenkammer angenommen. Ta infolge dessen auch an der Zustimmung des Plenums nicht zu zwei feln ist, wird die Trennung noch in diesem Jahre Gesetz. Rußland. Witte wird in Paris von Ausfragern derart hcimgesucht, daß er äußerst schlechter Laune ist. Er gibt auf die Frage, ob denn in Washington der Friede zu Stande kommen wird, nur noch die stereotype Antwort: »Das wissen Gott und der Zar allein." Einen Augenblick erheiterte sich die Miene des hart geplagten russischen Staatsmannes, als er den Prokuristen des Hauses Rotschild empfing und von diesem Kreditbriefe entgegennahm. Der Minister ist in Paris mit Konferenzen und anderen Obliegenheiten dermaßen überladen, daß er selbst die Besuche beim Ministerpräsidenten Rouvier und dem Präsidenten der Republik Loubet nur in äußerster Hast abstatten konnte. In Petersburg und Moskau streikten am Sonnabend, dem sechsmonatigen Gedenktage der Januar-Unruhen, die Arbeiter aller Fabriken, Druckereien, des Bauhandwerks und andrer Berufe. Zehntausend von Arbeitern versammelten sich auf den Kirchhöfen, auf denen die Opfer des 28. Januar ruhen. Starke Kosaken- und Infanterie-Abteilungen standen überall bereit, es waren sogar nock Verstärkungen der Garnison aus weniger gefährdeten Orten eingetroffen. Petersburg und Moskau befinden sich auch heute noch in einer Art Belagerungszustand. In Warschau gestaltete sich die Hinrichtung des 19- jährigen Anarchisten Okrzeja, der zum Tode durch den Strang verurteilt worden war, weil er gegen das Polizeigebäude in dem Warschauer Vororte Praga eine Bombe geschleudert hatte, zu einem Ereignis. Okrzeja hatte jedes Gnadengesuch aufs entschiedenste abgelehnt und sich bei der Urteilsvoll streckung selbst den Strick, der noch dazu bei der ersten Exekution riß, um den Hals gelegt. Auch gestattete er nicht, daß sein Gesicht bedeckt wurde. Türkei. Das Bombenattentat auf den Sultan Abdul Hamid II., das zwar diesen glücklicherweise unverletzt ließ, dagegen vierzig Personen des Sicherheitsdienstes des Padischah das Leben kostete, ist als ein von der jungtürkischen Reform partei uusgegangener politischer Anschlag zu betrachten. Es ist bekannt geworden, daß am Vorabend des Attentats-Tages eine geheime Versammlung des Komitees der jungtürkischen Partei stattgefunden hat, die sich bis spät in die Nacht aus dehnte. Die Polizei, die von dieser Versammlung erst spät Nachricht erhallen hatte, fand das Nest leer und konnte nur noch einige Verhaftungen vornehmen, die jedoch völlig be langlos waren. In dieser Sitzung ist das Attentat offenbar beschlossen und der Täter durch Abstimmung designiert worden. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß das in Rußland gegebene Beispiel die Jungtürken, die ihre Reformbeftrebungen seit langen Jahren mit erlaubten Mitteln und ohne Gewalt- tätigkeiten verfolgten, zu dem verbrecherischen Anschläge gegen das Leben des Sultans angestachelt hat. Daß die Reform- bestrcbungen der Jungtürken begründet und gerechtfertigt sind, daß weiß jeder, der die Verhältnisse im Reiche des Sultans genauer kennt. Es geht dort ebenso schlimm, wenn nicht vielleicht noch schlimmer zu, als in Rußland. Die Jung- türken erfreuten sich daher seit Jahren einer gewissen Sym pathie in allen Staaten des übrigen Europa. Diese haben sie durch ihren verbrecherischen Anschlag für absehbare Zeit eingebüßt. Tas Attentat selbst war, trotzdem der Sultan unverletzt geblieben sein soll, von grausamster Wirkung. Die mit großer Sicherheit geschleuderte Bombe fiel im Hofe der Moschee, die der Sultan nach beendetem Gebete soeben ver lassen hatte, in unmittelbarer Nähe des Herrschers nieder. Ihre mit gewaltigem Krachen erfolgte Explosion rief eine erdbebenartige Erschütterung hervor. Durch den Luftdruck wurden alle Fenster der Moschee und der Nebengebäude zertrümmert, und die Moschee innen und außen beschädigt. Erst nachdem sich die Anwesenden von dem niederschmetternden Schrecken des ersten Eindrucks erholt hatten, erfolgten die weiteren grausamen Feststellungen. Die mit Dynamit ge füllte Bombe hatte von der Leibwache des Sultans, in deren Mitte sich dieser zum Selamlik nach der Moschee und von dieser wieder nach dem Palais zurückbegibt, 40 Personen, Eingeborene und Soldaten, getötet. Von den Fremden, die, wie gewöhnlich, dem feierlichen Zuge des Sultans zur Moschee zuschauten, wurde glücklicherweise niemand ver- wundet oder getötet. Ter Sultan selbst entging wohl da durch der Gefahr, von Bombensplittern getroffen zu werden, daß er sich zu Pferde befand. Ob sich unter den zahlreichen verhafteten Personen der Attentäter befindet, ist ungewiß; wahrscheinlich ist dieser gleich den übrigen Opfern durch die Bomben-Explosion in Stücke gerissen worden. Aus -em Mul-entale. *Waldevburg, 24. Juli. Beim hiesigen Stadtrat ist eingegangen Reichs-Gesetzblatt Nr. 32, enthaltend: Zusatz vertrag zum Handels- und Zollvertrage zwischen dem Teutschen Reiche und Belgien vom 6. Dezember 1891. Bekannt machung, betreffend die Bekämpfung der Reblaus in einigen Weinbaugegenden. Nr. 33, enthaltend: Abkommen zwischen dem Teutschen Reiche und anderen Staaten über Verwaltungs maßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel. Bekanntmachung, betreffend das in Paris am 18. Mai 1904 unterzeichnete Abkommen zwischen dem Teuticken Reiche und anderen Staaten über Verwaltungs maßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel. *— Bei dem gestern in Glauchau im Lindenhof veran stalteten Bezirksfest des sächsischen Radfahrer-Bundes erhielt der hiesige Radfahrer-Verein bei starker Konkurrenz im Preis- Reigenfahren den dritten Preis. *—- Am gestrigen Sonntage traten Vormittag und Nach mittag gegen 1 Uhr heftige Gewittererschcinungen mit starken Niederschlägen hier auf. Die Niederschlagsmenge betrug bis heute Morgen 7 Uhr insgesamt 17,^ mm. *— Ter Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften hat soeben sein Jahrbuch für 1904 ver öffentlicht. Es ist ein starker Band mit außerordentlich um fangreicher Statistik, dessen Inhalt auch für andere Geschäfts kreise von Interesse ist. Es ist daraus zu ersehen, daß sich im Geschäftsjahre 1903/04 die ländliche GenoflcnschaftS- Organisation sehr stark weiter ausgedehnt hat. Nach Abzug der Auflösungen bleibt für 1903/04 eine Zunahme um 1147 Genossenschaften, 1065 im Jahre 1902/03. Am 1. Juli 1904 gab es im Teutschen Reiche 18,309 ländliche Genossen schaften mit 1,650,000 Mitgliedern, darunter 12,488 Spar- und Darlehnsgenossenschaften. Wie gewaltig diese Organi-- sation angeschwollen ist, geht daraus hervor, daß eS 1890 erst 3006 Genossenschaften gab. Auf das Königreich Sachsen kamen von den 18,309 Genossenschaften nur 276; hier kam erst auf 15,225 Einwohner eine Genossenschaft. Sachsen rangiert damit unter allen deutschen Gebieten an drittletzter Stelle; nur Bremen und Hamburg sind noch dünner mit landwirtschaftlichen Genossenschaften besetzt, gemessen an der ganzen Bevölkerungszahl. *— Tie Einkommen im Königreich Sachsen haben sich im vergangenen Jahre nach den auS allen Landesteilen vor liegenden Steuereinschätzungs-Ergebnissen erfreulicherweise in aufsteigender Richtung bewegt. Eine alleinige Ausnahme hiervon macht der Dresdner Steuerbezirk und speziell der Dresdener Stadtbezirk. Hier hat die Steuerkraft noch nicht wieder zugenommen, sondern es ist im Gegenteil ein Rück gang der Einkommen zu konstatieren. Diese bedauerliche Erscheinung hat ihren Grund darin, daß in der letzten Zeit zahlreiche wohlhabende Leute, die in Dresden ihren Wohn- sitz hatten, der sächsischen Residenz den Rücken gekehrt und andere Städte, z. B. Wiesbaden, aufgesucht haben. Ferner hat, wie bereits mehrfach festgestelll worden ist, der Fremden zuzug nach Dresden gegen früher bedeutend nachgelassen. Dazu kommt noch, daß zahlreiche Gewerbetreibende, Hand werker und Geschäftsleute von Dresden nach den Vororten verzogen sind, die noch nicht zum Stadtgebiete gehören, in denen sie weniger Steuern zahlen, billiger wohnen und billiger leben können. Erfreulicherweise machen sich jedoch auch in Dresden Anzeichen bemerkbar, daß insbesondere auf indu striellem Gebiete eine Besserung eintritt. *— Tas evangelisch-lutherische Landeskonsistorium wird demnächst in Verbindung mit dem Gesamtministerium über eine neue Namenrcihe der Tage im evangelischen Kalender für das Königreich Sachsen Beschluß fassen. Dadurch wird Sachsen, das bekanntlick die Wiege der Reformation ist, auch eine längst gefühlte Lücke der reformatorischen Tätigkeit end lich aussüllen. Seit Jahrhunderten besteht in den Namen reihen der Tage der evangelischen Kalender und Almanache Sachsens wie auch anderer evangelischer Staaten ein so großer Wirrwarr, daß kaum noch zwei übereinstimmen; alle aber sind mehr oder weniger katholisch gefärbt. Auf die Anregung des Herrn Prof. Or. G. Hoffmann hin ist das evangelisck-lutherische Landeskonsistorium der Frage näher Unlerhaltungsteil. Aus gutem Hause. Novelle von C. Zöller-Lionheart. 19) (Fortsetzung.) Seine Nerven gerieten in Aufruhr oder waren vielmehr schon so überspannt, daß er alle Augenblicke Buenas seidenes Gewand auf der Treppe rauschen zu hören glaubte. Dann ertappte er sich beim angestrengten Lauschen nach irgend einem weiteren Lebenszeichen seiner Herrin über Zeit und Zeiteinteilung. „Hinaus!" sagte er zuletzt ganz laut. Ter Winterhimmel lachte strahlend blau und sonnenvoll ins Zimmer und lockte ins Freie. Seine bedrückte Brust weitete sich lebensvoll, je schneller Ludolf ausschritt. Tie Parkgrenze war bald erreicht. „Du könntest den Brief an Polzins auch gleich selbst auf die Post geben, dann ist Dir jedes Schwanken genommen," sprach er zu sich und schritt schnell weiter. Er besorgte seinen Brief, und dann stand er da, un schlüssig, wohin er sich wenden sollte. Rechts führte die Chaussee in den Stadlwald, der nach viertelstündigem, kräf tigem Marsch zu erreichen war. Einladend genug lag das Sonnenlicht aus den weißgepuderten schwarzgrünen Häuptern der mächtigen Föhren, über denen krystallklar der Winter himmel lachte. Links winkte ihm die wohlbekannte Weinstube, in der die Herren vom Gericht ihren Sonntagsfrühschoppen zu nehmen pflegten, und in der er sicher eine muntere Gesellschaft finden würde. Wohin sich wenden? Ta wandelte ihn eine übermütige Laune an, eine Entscheidung von dem Orakelspruch eines zufälligen Ereignisses abhängig zu machen. Ein Tauben paar wurde von einem Häher verfolgt, es suckte sick stets über dem Raubvogel zu halten und flatterte erst hierhin, dann dorthin. Ludolf sah dem Treiben gespannt zu, würden die Tauben unterliegen oder würden sie entkommen? „Ihr sollt die Schiedsrichter sein," murmelte er vor sich hin. „Fliegt ihr in die Stadt, gehts in die Weinstube, treibt es euch hinaus, zieh ich mit euch ins Freie." Und so entschied sich sein Schicksal. Er ging in den Wald. Kirchenstille ringsumher, und nur in den Edeltannen ein Rauschen und Raunen. Eine Krähe flog mit weit ausge breiteten Flügeln von Baum zu Baum. Ter gefrorene Schnee knisterte leise unter seinen Sohlen. Die Luft war so klar und frisch, so belebend, daß ihm ganz leicht zu Sinn wurde. Und begierig schöpfte er Atem, als habe er jahre lang in dunstgeschwängerten Räumen gelebt. Auf den bereisten Rasenhöhen links und rechts liegt ein feenhaftes Schimmern und Strahlen wie im Märchenland. Und märchenhaft wird ihm auch zu Sinn, als stünde er vor etwas Großem, Uuerwartetem, als müsse ein Wunder er lösend in sein Leben treten. Horch, was ist das? Er steht lauschend still. Von der Höhe kommt es. Lachende, Helle Kinderstimmen, fröhliche Laute schlagen an sein Ohr, und jetzt ein weithin schallender Ruf, dem das schwache Echo antwortet: „Elisabeth." — „Li-sa-beth," kommt's zarter von jenseits zurück. Sein Herz steht still in süßem Schreck. Und dann muß er lächeln. Als wenn es nur eine, die eine Einzige, Holde, Unvergleichliche dieses Namens auf der Welt gäbe! Aber unwillkürlich lenkte er den Schritt doch seitwärts ! und steigt langsam die Anhöhe hinauf. Obe» lichtete sick die Waldung, und die Bäume weichen (so weit zurück, daß ein runder, offener Platz gebildet wird, auf dem sich ein halb Dutzend Kinder und ein kläffender munterer Teckel umhertummeln. Eben hatte cs einen Hellen Jubel gegeben. Der aufge- regte Teckel ist einem der Jungen im vollen Lauf zwischen die Beine geraten. Ter ist ins Stolpern gekommen, und Tier und Kind liegen nebeneinander im Schnee und starren sich hilflos an, und der Junge beginnt laut zu schreien. „Schäm' Dich, Bruno, das will ein Soldat werden! Steh' schnell auf!" ruft hinter einem Baumstamm hervor, den Ludolf noch nicht gesehen, eine nur zu wohlbekannte Stimme, j und die geliebte Mädchengestalt fliegt auch schon aus den ! Buben zu, hilft ihm vom Boden, klopft ihm den Schnee !ab und haucht eifrig auf die blaugefrorene kleine Faust, von i der der Handschuh heruntergerutscht ist. j „Tut's weh?" forscht sie liebevoll-besorgt. „Siehst Du, es ist gar nichts," spricht sie ihm nun ermunternd zu. ! „Jungen müssen nicht gleich weinen." Tann klatscht sie in ! die Hände. „Alle hierher!" ruft sie. „Immer zwei und zwei sich ansassen und ganz langsam den Berg hinuntergehen, nicht laufen, hört Ihr?" Tann, als die Ordnung hergestcllt war — und merk würdig flink gehorchte die jugendliche Schar der ruhig kom mandierenden Stimme — lief sie zurück zu dem Platz, wo sie ein kleines zweijähriges Ting aus einen Baumstamm hingestellt hatte, damit es, ohne im Schnee sich kalte Füße zu holen, dem Spiel der Großen zusehen konnte. „Hopp, Marthchen!" sagte sie freundlich, ohne Ahnung, daß sie beobachtet wurde. „Ich trage Dich den Berg hin unter." Dabei beugte sie den graziösen Oberkörper vor, die dicken Aermchen der Kleinen legten sich von rückwärts um ihren Hals, die runden Fäustchen verschlangen sich dicht unter ihrem Kinn, und in sausendem Galopp unter dem Hellen Freudcngekreische des Kindes ging's bcrgunter dicht an Ludolf vorüber. Ludolf überholte sie schnell und fing sie unten mit den Armen auf. Da setzte sie ihre kleine Last hockerrötend und etwas ver legen zu Boden, und das Kind klammerte sich, scheu das Gesicht vor dem Fremden in ihren Rockfalten versteckend, an ihre Hand und watschelte auf krummen Beinchen nebenher, während die „Großen" in aufgeregter Lust voranstürmten und sich mit Schneebällen bombardierten. In freudiger Ueberrschung und dabei so natürlich und so ungekünstelt herzenswarm reichte Elisabeth Ludolf die Hand, daß cs ihm warm zum Herzen strömte und jede Befangenheit von vornherein genommen war. (Fortsetzung folgt.)