Volltext Seite (XML)
3e«tr««skreise befürchte« den Zerfall der Partei durch Erzbergers Politik. Der deutsche Eisenbahnverkehr bessert sich. Die neue Regierung in Birkenfeld steht vor ihrem Ende. Di« deutsche Mark ging in Genf ans 15 Centimes zurück. Der Streik der Eisenbahner im Elsas; ist veigelcgt. Lie vorgeschobenen polnischen Truppenmassen au der vstgrenze ziehen sich zurück. Die ungarische Regierung soll nach Ltuhlweihenburg verlegt werden. Ostgalizie« soll ein selbständiger Staat werden. Die Polen haben die Stadt Borhsow an der Beresina im Stnrm genommen. Belgien verlangt freie Fahrt auf der Schelde. 3« Italien streiken die Landarbeiter. Wegen des Kiumer Zwischenfalls will das italienische Kabinett znrücktreten. 3« England wird der Rücktritt Lloyd Georges erwartet. Englische Handelsschiffe waren an der Krieg führung aktiv beteiligt. Die Alliierten haben Vorbereitungen getroffen, um die Umzingelung von Petersburg z« vollenden. Die briti sche Flotte will einen heftigen Angriff auf Petersburg ausführeu. Bratian« ist zurückgetreten. "Waldenburg, 17. September 1S19. Bismarcks Rückversicherungsvertrag mit Rußland au» dem Jahre 1887. der uns im Osten vor einem Angriff sicherte und uns den Rücken deckte, sowie die Verhand lungen zwischen dem deutschen Kaiser und dem russischen Zaren im Jahre 1904 im Hinblick auf den russisch- japanischen Krieg sind in den letzten Tagen von der Reicheregierung veröffentlicht worden. Der von dem Reichskanzler Graf Caprivi ausgehobene Rückversicherungs vertrag kennzeichnet das Ziel aller Bismarckjchen Politik, Deutschland gegen einen Zwei Fronten-Krieg sicher zu stellen, dessen Gefahren der erste Kanzler bei unserer geographischen Lage klar erkannte. Bismarck ist das ge glückt, Bülow hat schon hart darum zu kämpfen gehabt und Bethmann Hollweg ist es 1914 mißlungen. Es ist nicht zu verkennen, daß sich Kaiser Wilhelm ll. für die Gestaltung der deutschen Politik mehr auf das Gewicht seiner persönlichen Beziehungen zu fremden Souveränen verlaffen hat, als auf praktische, feststehende und für Deutschland nützliche Abmachungen, obwohl er an dem .Verhältnis zu feinem Onkel, König Eduard von England, einen Beweis dafür hatte, daß fürstliche Verwandtschaft noch lange nicht mit politischer Interessengemeinschaft gleichbedeutend zu sein braucht. Der Rückoerstcherungsvertrag ist vielfach angefochten worden, e» ist auch zweifelhaft, ob eS gelungen wäre, ihn bis in die Gegenwart zu verlängern, aber seine Grundlage war richtig ES sicherte un» die russische wohlwollende Neutralität für den Fall, daß Deutichland von Frankreich angegriffen würde. DaS ist der springende Punkt, denn er ließ uns einem neue« Waffengang mit dem westlichen Nachbar im Reiche entgegensetzen Dafür gestand Deutschland Rußland Wahrnehmung seiner Inter essen bezüglich der Balkans, Konstantinopels und der Meerenge zu. Zu jener Zeit war ein Konflikt Rußlands mit Japan nicht zu ahnen, und eS ist deshalb fraglich, ob der Vertrag später unter allen Umständen aufrecht zu erhalte« gewesen wäre, aber einer übergroßen Intimität Rußlands mit Frankreich war zunächst vorgebeugt. Bis marck hat, als ec diesen Vertrag schloß, die tatsächliche Stärke Oesterreich Ungarns bester beurteilt, als es später von deutscher Seite geschehen ist. Die Schwierigkeit der russischen Beziehungen nach 1900 ergibt sich aus den Verhandlungen zwischen den beiden Kaiser« von Deutschland und Rußland 1904. Danach sollte Deutschland den Schutz des baltischen Rußland durch Sperrung der Ostsee übernehmen, wenn England den Versuch m ichen sollte, Rußland «ährend des Krieges mit Japan anzugreisen. Hier zeigt sich die Schwäche der Wilhelmtfche« Politik. Er machte dem Zaren Zustche rungen, ohne ihn doch definitiv in einer für Deutschland günstigen Form für den Fall eines Konflikt» mit Frank reich zu verpflichten. Die Versuche, mit Dänemark eine Militürkonvention abzuschließen, galten dem gleichen Zwecke. Selbst bet der ersten Besprechung von der Möglichkeit solcher Vereinbarungen zwischen Deutschland und Ruß land mußte er damit rechnen, daß England davon Wind bekommen und daraus seine Folgerungen ziehen würde. Der letzte deutsche Kaiser stand während des Burenkrieges sehr wohlwollend zu England, er hat 1904 Rußland sehr große Dienst« erweisen wollen, und das Ende war, daß sich Rußland und England gegen Deutschland zusammen fanden. Wollte die deutsche Politik nicht einen ihr mög lichen Widersacher binden, so mußte sie allen gegenüber die kühlste Objektivität bewahren Kaiser Wilhelm ll aber war seiner Natur nach impulsiv und nicht objektiv. Daß er Optimist war und den Frieden erhalten wollte, hat ihm bei denen nicht» genützt, die vom Kriege große Vorteile erwarteten. Es ist klarer al» je, daß Deutsch land weit entfernt war, die Führerrolle in Europa an sich zu reißen, e» ist im Gegenteil bemüht gewesen, da» Gleichgewicht zu erhalten. Unser Unglück war es, daß wir darüber selbst zum AuSbeutungrobjekt für die anderen wurden und zum Schluß den Zwei-Fronten-Krieg, dem wir nicht entschlossen vorgebeugt hatten, zum Opfer fielen. Die vielen Fehler, die im Laufe der Jahre von der deut schen Politik begangen worden find, haben sich nunmehr gerächt. Wir hatte« uns auf Gedeih und Verderb mit dem habsburgischen Leichnam verbunden, der uns mit in die Tiefe gerissen hat. Volitiftye Rundschau. Deutsches Reich. Von der Ententekommisfioü wurde die Wiederaufnahme der Besprechungen zwischen Polen und Deutschen be antragt. Seit Freitag ist eine Zurücknahme der vorgescho benen polnischen Truppenmassen, besonders der polnischen Artillerie, zu beobachten. Das Verbot der „Deutschen Zeitung" ist am Dienstag Mittag vom Reichswehrminister NoSke aufgehoben worden. Das genannte Blatt hat durch seinen Rechtsbeiftand Klage auf Schadenersatz gegen den Reichsfiskus, vertreten durch das Rcichswehrministerium, bei dem zuständigen Landgericht eingeleitet. In Pommern werden von gewisser Seite Versuche gemacht, dahin zu wirken, daß die zwischen den Gutsbesitzern und Landarbeitern abgeschlossenen Tarifverträge nicht ein gehalten werden. Die preußische Regierung läßt erklären, daß sie mit aller Macht für die Einhaltung der Tarifver träge wirken werde. Von Zentrumsseite wird dafür agitiert, den Demokraten den Weg ins Kabinett sreizumachen. Zentrumskreise be fürchten, daß die Politik Erzbergers zum Zerfall der Partei führen werde. Die französischen Behörden in der Rheinpfalz haben die Redefreiheit in den Volksversammlungen neuerdings ein geschränkt und angedroht, daß ein abermaliges Versamm lungsverbvl zu erwarten sei, falls die Redner gegen den FriedenSvcrtrag Stellung nehmen würden. Die Zentralstelle für die Einigung der Sozialdemo kratie hat für den 5 Oktober eine Generalversammlung der Delegierten einberuien. Der Streik der Eisenbahner im Elsaß hat die Be willigung aller Forderungen der Streikenden zur Folge gehabt. Der Streik ist bcigeleqt. Der deutsche Eisenbahnverkehr fängt an sich zu bessern. Die Kohlenvorräte der Lokomotivstationen wurden überall ergänzt, so daß zum Teil wieder die normalen Mengen lagern; namentlich konnten die für den Lokomotiv- betrieb besonders geeigneten oberschlefischen Kohlen wieder herangcführt werden. Infolge der Besserung in der Kohlen belieferung haben die Zugverspätungen nachgelassen. Weitere Zugeinschränkungen sind nicht beabsichtigt. Erfreulich ist, daß die Werkstätten endlich etwas rascher den Reparatur bestand aufzuarbeiten beginnen. Im Reichsschatzamte in Berlin fand am Dienstag unter Vorsitz Erzbergers eine Balutakonferenz statt. Sachver ständige wiesen daraus hin, daß unbedingt die Zollgrenzen im Westen wieder aufgerichtet werden müßten. Die gesamte deutsche HeereSmacht wird vom 1. Ok- tober ab dem Reichswehrminister unterstellt sein. Ueber die Einzelheiten der Neugliederung des HeereSweseuS hört die „Voss. Ztg."' folgendes: Dem Reichswehrministerium direkt unterstellt werden in Zukunft folgende Aemter sein: DaS Heeresamt für die gesamte Landmacht. Chef des Heeres- amtcs wird der bisherige preußische KriegSminister Oberst Reinhardt sein. Dar Flottenamt, dem die gesamte Seemacht unterstellt ist. Chef des Flottenamtes wird Admiral v. Trotha bleiben. Direkt vom Neichswehrminister wird außerdem ressortiert werden die Adjutantur, die an Stelle des bis Hengen Stabes des Reichswehrministeriums tritt und unter der Leitung des Majors v. Gilsa bleibt. Außerdem wird erwogen die Schaffung einer besonderen Stelle für soziale Fürsorge unter den Truppen, für Arbeitsvermittlung, Bit dungswesen usw. Vom Heeresamt werden folgende. Stellen ressortiert werden: das Truppenamt, das Quartiermeisteramt, daS Waffenamt, das Sanitätsamt und die Generalinspektion des Ergänzungs- und Ausbildungswesens. Die Reichswehr truppenkommandanten werden nicht dem Heeresamt, sondern direkt dem Reichswehrminister unterstellt sein. AuS Paris wird gemeldet: Im KammerauSschusse sagte Pichon, daß die RechtSauffaffung der Alliierten über die staatsrechtliche Lage der besetzten deutschen Gebiete die sei, daß Befehle der Besatzungsbehörden in jeder« Falle Reichs gesetzen voranzugehen haben. Die Truppenstärke im besetzten Gebiete beträgt zurzeit zwei Armeekorps. Aus Birkenfeld wird der „Franks. Ztg." gemeldet, man sei davon überzeugt, daß die Herrschaft der neuen Regierung in wenigen Tagen ihr Ende erreichen wird. In Zürich ist im freien Verkehr die deutsche Mark weiter auf 16 Centimes zurückgegangen. In Genf wurde für die Mark im freien Handel 15 Centimes geboten. In Antwerpen werden die Schiffe „Gouda", „Atlantic" und „HerSfeld" mit Ladungen von Getreide und Hanf aus Argentinien für Deutschland erwartet. Ein Vertreter de» „Manchester Guardian" halte eine Unterredung mit dem Vorsitzenden der englischen Handels kammer in Köln. Dieser sagte, eS liege im Interesse Eng landS, Deutschland zu helfen, wenn auch nur, um da durch Deutschland in die Lage zu versetzen, seinen Verpflich tungen nachzukommen. Es liege ferner im englischen Inter esse, Deutschland mit den notwendigsten Lebensmitteln und Rohstoffen zu versorgen, damit die Fabriken Beschäftigung fänden und der Bolschewismus sich nicht weiter ausbreite. Der Reichswirtschaftsminister sagt in einem Artikel, in dem er seine Stellung zur Frage des AbbaueS der Zwangs wirtschaft darlegt: Gebe man die Bewirtschaftuug völlig frei, so wie eS, wenn auch nicht allgemein, in Agrarkreisen gefordert wird, so würden sich sehr bald Zustände heraus stellen, über deren Wirkung diejenigen, die heute diese An schauungen haben, lebhaft überrascht sein würden. Die deutsche Volkswirtschaft wird in absehbarer Zeit noch eine Mischung von freier Wirtschaft und Zwangswirtschaft er tragen müssen. Auf dem Lebensmittelmarkt kann gegen wärtig ein weiterer Abbau in den wichtigen Nahrungsmit teln nicht erfolgen. Ein jeder Versuch, die Grundlage der Ernährungswirtschaft zu eischüttern, müsse notwendig zur Folge haben, daß wir in schwere politische Differenzen kommen, waS zu vermeiden in aller Interesse liegt. Gegen diejenigen, die in gewinnsüchtiger Absicht daS Brotgetreide nicht abliefern wollen, muß mit aller Schärfe vorgegangen werden. Das gleiche gilt von der Bewirtschaftung für Vieh und Kartoffeln. Amerika ist es gelungen, die Alliierten zu bewegen, ihr Interesse in Oberschlesien lediglich auf die genaue Durch führung deS FriedensvertragcS zu beschränken. Amerika dagegen hat sich die Vorhand in wirtschaftlicher Hin sicht in Oberschlesien gesichert, und noch immer dauern die Versuche der Amerikaner an, oberschlesische Industrien zu erwerben oder teilweise an sich zu bringen. Wie man an gut unterrichteter Stelle versichert, sollen die Amerikaner bereits eine große Anzahl von schlesischen Jndustriepapicren in Händen haben. Die Unternehmen, die in Oberschlesien aus der Erde schießen, sollen fast sämtlich von amerikanischen Geldleuten finanziert sein. Qesterreich-Nngar». Der Ukrainische Pressedienst meldet aus Pariser Konferenz kreisen, daß der Viererrat den polnischen Antrag zurück- gcwiesen hat, Ostgalizien dem polnischen Staate einzuver leiben. Das vom Viererrat in Paris ausgearbeitete Statut läßt Ostgalizien mit Lemberg als ein selbständiges Land erscheinen, das seinen eigenen Landtag wählt. Das Kabinett Friedrich beabsichtigt mit Rücksicht darauf, daß Budapest unter dauernder Besatzung steht, die Haupt stadt des Landes nach Stuhlweißenburg (der alten ungarischen Krönungsstadt) zu verlegen. Auch die National versammlung soll dorthip einberufen werden. Friedrich ver handelt diesbezüglich bereits mit den Rumänen, die der Einberufung der Nationalversammlung nach Budapest Schwierig keiten in den Weg legen. Holland. Zwischen den Niederlanden und Belgien wird eine Ueber- einkunft geplant, nach der den belgischen Schiffen, auch Kriegsschiffen, die freie Fahrt auf der Schelde gestattet werden soll. Die niederländischen Befestigungen, wie die Forts von Blisfingen, sollen geschleift werden. Krantretch. Der „Matin" berichtet, daß die französische Negierung beschlossen habe, die deutschen Lokomotiven bis auf einen kleinen Teil zurückzugeben. Nach seinen Mitteilungen können die meisten deutschen Lokomotiven in Frankreich nicht benutzt werden, da ihre Heizvorrichtungen auf Verwendung von Kohle bester Qualität mit einem Aschenrückstand von höchstens 10 v. H zugeschnitten find, während die mit schlechter Kohle befeuerten französischen Lokomotiven auf größere Aschenmengen berechnet sind. So erklärt eS sich, daß die unter die französischen Eisenbahngesellschaften ver teilten deutschen Lokomotiven bis auf einen kleinen Teil in den Schuppen stehen, obgleich Frankreich großen Bedarf an Lokomotiven hat. Italien. In Novarra und Vercelli streiken mitten im Laufe der Erntearbeiten 160,000 Landarbeiter. Man befürchtet ein Uebergreifen des Ausstandes aus die Provinz Piacenza. England. Henderson wendet sich gegen die englische Regierung. Man erwartet den Rücktritt Lloyd Georges und Ein tritt von Arbeitervertretcrn in ein Koalitionsministerium. Ruhland. Ueber Finnland sind mehrere tausend Mann technischer Truppen der Alliierten gezogen, um die Umzingelung Petersburgs zu vollenden. Sobald die Besestigungswerke von Kronstadt durch Marinegeschütze der Alliierten nieder- gekämpst find, kann der allgemeine Vormarsch beginnen. Rumänien. Der „TempS" meldet, daß der rumänische Gesandte in Paris ein Telegramm erhalten hat, daS die Mitteilung bringt, baß Bratianu zurückgetreten ist, da er den Friedensvertrag mit Oesterreich nicht unterzeichnen kann, weil er der Ansicht ist, daß verschiedene Bestimmungen im Ver trage einen Eingriff in die Unabhängigkeit Rumäniens bedeuten. AuS -cm Muldentale. "Waldenburg, 17. September. Im Pfarrhaus hierselbst fand gestern Abend eine gemeinsame Sitzung der seitens der städtischen Körverschasten und des Kirchenvorstandes gewählten Ausschüsse zum Zwecke einer Kriegerehrung für die Gefallenen aus Waldenburg, Altwaldenburg und Eichlaide statt. Herr Bürgermeister Or. Rechenberg berichtete hierbei über die bisher in dieser Angelegenheit getanen Schritte, bei denen ein Platz am Ausgange der König Albertstraße mit der Aussicht inS Muldental, sowie ein Ausbau des Mausoleums im Grünfelder Park zu einer Gedächtnisstätte in Vorschlag gebracht worden war. ES wurde weiter erwähnt, daß der Akademische Rat in Dresden einen Wettbewerb erlassen habe, um geeignete Vorschläge zu Kriegerehrungen zu erlangen. Gedacht sei hierbei auch die Anbringung von Gedenktafeln an geeigneten Gebäuden, an ein Denkmal aus Stein und Erz, an Baumgruppen zu Ehrenhainen, an einzelstehende Bäume oder Kreuze. Weiter wurde daraufhin erwähnt, daß der Heimatschutz zu diesem Zwecke ein Merkblatt heraus gegeben und daS Landeskonsistorium eine Verordnung er-