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gestellt und auch die fahrlässige Steuergefährdung unter Strafe gestellt wird. Künftig werden Stadt und Land nach einem gleich- artigen System bis zum letzten Pfennig steuerlich heran gezogen werden. Fortan wird es keine einzelstaatlichen Einkommensteuern und kommunale Zuschläge dazu geben. Man wird nur noch eine einzige Reichseinkommensteuer zu entrichten haben. Nach unverbindlicher Schätzung des Reichsfinanzministeriums sollen au» den Gesamterträg nissen 75 Prozent dem Reiche, 15 Prozent den Gemein den und 10 Prozent den einzelnen Staaten zufallen. Die Steuern sollen auf insgesamt das Fünffache des bis herigen Ertrages gesteigert werden. Alles wird natür lich darauf ankommen, ob die neue Steuerorganisation tatsächlich in der Lage ist, die Besteuerung nach dem vor gesehenen Plan durchzuführen. Es läßt sich im einzelnen vielleicht manches gegen diese oder jene Bestimmung des 451 Paragraphen umfassenden Gesetzentwurfs einwenden. Aber der gewaltige Steuerbedarf des Reichs muß gedeckt werden. Darum kommen wir nicht herum. o littst e Rund seh an. Deutsches «eich. Der ehemalige Reichskanzler Prinz Max von Baden übergibt der Oeffentlichkeit eine Darstellung über die Vorgänge vom 8. und 9. November 1918. Der Prinz streift zunächst kurz die Vorgeschichte des Waffenstillstandes. Die Oberste Heeresleitung sei wiederholt vor und während der Offensive von den verschiedenen Seiten gewarnt worden, daß die psychologische Katastrophe und der Zusammenbruch der Heimat unvermeidlich eintreten würde, wenn am Ende des Feldzuges 1918 das Versprechen: Friede und Sieg in diesem Jahre sich nicht erfüllen würde. Als dar einzige wirksame Gegenmittel sei immer wieder und eindringlich angeraten worden: auf einem Höhepunkt der militärischen Kraft die öffentliche und präzisierte Verkündung unserer Kriegsziele, vor allem unzweideutige Erklärungen über Bel giens Wiederherstellung, um entweder den Weg zum Frieden freizumachen oder durch die Bloßstellung des bösen-Willens der Feinde ihnen die Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges vor der ganzen Welt beizulegen und damit dem deutschen Krieg wieder den Charakter eines Volkskrieges zu geben. Diese Warnung habe weder die Regierung noch die Oberste Heeresleitung beherzigt. Daß aber die psycho logische Katastrophe mit so ungeheurer Wucht hereingebrochen sei, das sei nicht nötig gewesen. Daran sei unser über stürztes Waffenstillstandsangebot schuld, das, wie sich später herausstellte, durch unsere militärische Lage am 29. und 30. Oktober nicht gerechtfertigt gewesen sei und das im Jn- und Auslande als militärische Bankrotterklärung gewirkt habt. Nach einer Mitteilung des sächsischen Landesarbeiterrates will die Reichsregierung neue große Mittel bereitstellen zwecks weiterer Verbilligung der Lebensmittel. Der französische Minister Loucheur, der sich in Lille auf hielt, erklärte dort vor der Handelskammer, durch Wegnahme geschädigte Industrien könnten in deutschen Fabriken Ma schinen bis zu 30 Prozent des Bestandes beschlagnahmen. Die Fabrikanten hätten außerdem das Recht, neues Material in Deutschland zu bestellen, das mit Spezialmarke versehen werde. Am Montag werden in Berlin die deutsch-polnischen Verhandlungen ihren Anfang nehmen. Eisenbahnminister Oeser ermahnt in einer öffentlichen Kundgebung die Eisenbahnbeamten vor der von Erfurt aus betriebenen Streikpropaganda, die ein Verbrechen am deut schen Volke darstelle. Der Reichsbürgerrat fordert in einem Aufruf die Deutschen des besetzten Gebietes auf, dem Reiche unver- brüchliche Treue zu halten. Nach der Ratifikation des Friedensvertrages wird die belgische Regierung die Bahnhöfe der Kreise Malmedy und Eupen, sowie die des Gebietes von MoreSnet besetzen. Der Bügermeister von Saarlouis ist von Clemenceau empfangen worden. Die Unterredung soll einen befriedigen den Verlauf genommen haben. In Versailles ist in den Fragen des Wiederaufbaus des zerstörten Gebietes nunmehr eine gewisse Annähe rung der beiden Anschauungen der deutschen und der En- tentekommisfion erfolgt. Der Leiter der Verhandlungen auf deutscher Seite, Geheimrat Schmitt vom Auswärtigen Amt, reist am Sonnabend nach Weimar, um dem Kabinett Bor trag über die Lage zu halten. Zur Erledigung der ver schiedenen, zum Teil sehr schwierigen Fragen ist eine große Anzahl von Unterkommissionen eingesetzt worden. Die Be sprechungen werden am 18. August fortgesetzt werden. Am Freitag hat in Versailles eine erste Besprechung der aus dem Friedensvertrag entstehenden allgemeinen Trans portfragen stattgefunden. Es wurde ein Programm der verschiedenen, sehr umfangreichen Fragen ausgestellt, und insbesondere wurde über die Anwendung der vor dem Kriege benutzten Reglements über die Verwendung des Eisenbahn materials ein Einverständnis erzielt. Die Besprechungen werden in etwa 14 Tagen fortgesetzt werden. Am Sonnabend Nachmittag findet in Weimar eine Be sprechung des Kabinetts über alle Fragen statt, die die Durchführung des Friedensvertrages betreffen. Zu dieser Besprechung haben sich auch einige der Vertreter der preußischen Regierung nach Weimar begeben. Oesterreich-Ungar«. Der Beschluß der Alliierten auf Einsetzung einer Dikta tur des Erzherzogs Josef in Ungarn wurde von der En tente einstimmig gefaßt. Ob die Diktatur zur Monarchie oder zur Republik führt, hat das ungarische Volk zu be stimmen. Das Erscheinen der Zeitungen ist wegen Pa piermangel verboten worden. Erzherzog Josef hat an Clemenceau eine Depesche gerichtet, in der er ihm mitteilt, daß er die Macht als Ver weser übernommen und eine Regierung gebildet habe. Sein nächstes Ziel sei die Einberufung der Nationalversammlung, die vollständige Niederwerfung des Bolschewismus, die Durchführung des Waffenstillstandes und die Vorberei tung der Friedensverhandlungen. Weiter bittet der Erzher zog um nähere Berührung mit der Entente, wohlwollende Unterstützung und Anerkennung der Regierung. Holland. In Holland befinden sich noch 6 — 7000 deutsche De serteure. Die holländische Negierung will sie veranlassen, Holland zu verlassen. Belgien. Die belgische Kammer hat den Friedensvertrag ein stimmig angenommen. Es waren von 186 Abgeordneten nur 123 anwesend. Frankreich. Der oberste Rat beschloß, an Rumänien eine Note zu richten, in der es aufgefordrrt wird, sich den Entscheidungen der alliierten und assoziierten Großmächte zu fügen und von voreiligen Maßnahmen abzusehen. Hoover hat Befehl gegeben, alle Lebensmittelsendun gen nach Budapest einzustellen, da die Rumänen diese Lebensmittelmengen aus dem Lande fortschaffen. In der französischen Kammer wurde ein Gesetz eingebracht, das die Einfuhr deutscher Waren zu verhindern sucht und einen besonderen Einfuhrzoll für diese verlangt. Va banque. Detektivroman von F. Eduard Pflüger. 69) (Fortsetzung.) „Mit dem Doktor hättet Ihr Euch nicht einlassen sollen, Iakob, der ist alr und nervös und leichter geneigt zum pselfen, als ein kräftiger .Kerl wie Ihr, er hat uns gesagt, daß Ihr bei dem Fabrikeinbruch Mallings beteiligt gewesen wäret." „Gibt das denn mehr, Herr Kommissar, wenn ich's gestehe?" „Mehr gibt es nicht, denn die Geschichte mit dem letzten Einbruch, das ist ja keine besondere Sache und wenn Ihr uns über den dunklen Fall in der Fabrik klaren Wein einscheukt, dann will ich ein gutes Wort für Euch einlegen." „Wahr und wahrhaftig, einbrechen wollten wir nicht. Wir wollten nur die Gelegenheit abpassen, einen kleinen Griff zu tun, ich hatre ja gar kein Schränkzeug mit, ich habe ja überhaupt gar kein»." Der Kommissar lächelte. „Hört mal, Jakob, Ihr seid doch ein Freund von einer guten Zigarre, kommt mal her, steckt Erich mal diese ins Gesicht, kostet sechszig Pfennig, n' kleine Bock, sagt aber keinem Menschen, daß ich Euch hier in meinem Zimmer dies erlaubt habe." „Gewiß, nicht, Herr Kommissar." Vollrad ging nach dem Rauchtisch, knipste die Spitze ab, zündete einen Streichholz an und bediente den Ein brecher wie einen guten Freund, dann steckte auch er sich eine an und beobachtete den langen Jakob, wie er mit Vergnügen den feinen Duft einsog. „Also besonders viel bekommt Ihr nicht, Jakob, in der Beziehung könnt Ihr nur schon glauben, aber nun macht keine Geschichten und redet los." Eben wurde Dalberg von einem Schutzmann.herein geführt, noch ganz nn Lerbrecherkostüme und der Kommissar ließ ihn an der Tür stehen hleiben, bis der Schutzmann den Raum verlaffen hatte. „Ra, kommen Sie mal her, Doktor, stecken Sie sich auch eure ins Gesicht, setzen Sie sich ans den Stuhl und bvr.n Sic zu, was der brave Kouegc uns zu erzählen Hal." „Lassen Sie den Kerl hinausgehen, Herr Kommissar, der ist an allem schuld, erst bringt er'einen dazu den Massematlcn zu handeln und dann verrät er einen auch noch." Lollrad lachte. „Vinn seid mal ganz vernünftig, Iakob, und wenn Ihr mir versprecht, daß Ihr über den Mallingschen Fall ehelich die Wahrheit sagen wollt, so will ich Euch etwas anvertrauen." „Nun ja. ich will's versprechen." „Na also, da sind ivir einig. Dieser Mann, den Ihr hier vor Euch seht, ist der berühmte Doktor Dalberg selbst." „Was?" der lange Jakob stand auf und machte eine tiefe komische Verbeugung. „Also, das ist unser gefährlichster Feind und hat mich richtig in die Falle gelockt. Einen alten Jungen . . . . nein, Doktor, das hast Du schlecht angefangen, das war nicht ehrlich." - „Sei ruhig, Jakob," begann Dalberg jetzt das Schweigen zu brechen, „es handelt sich um viel wichtigere Dinge, ass um Dich, und für den Einbruch in meinem eigenen Hause kannst Du gar nicht bestraft werden, werk ich ihn arrangierte. Na und wegen der andern Sache, na, sag uns nur die Wahrheit, Du brauchst ja gar nichts von Deiner Täterschaft zu erzählen, lüge meinetwegen so viel Du willst über Dich selbst, nur über Robert Malling und das was er tat, wie er dazu kam, ob er angestiftet war, darüber sprich Dich genau aus und dann will ich dafür sorgen, daß Tu mit einer ganz kleinen Strafe davon kommst, vielleicht gar freigesprochen wirst. Ja, ich will noch mehr tun. Wenn Dir Dein Handwerk nicht mehr gefällt und Du Deine tüchtigen Kenntnisse in der Schlosserei auf .ehrliche Weise zu verwerten Lust hast, sollst Du in Amerika eine gute und einträgliche Stelle erhalten." „Ist das auch die Meinung des Herrn Kommissars," fragte der Einbrecher vorsichtig. lSoapUm, sorgt.) Italien. Die Zahl der Ausständigen in Oberitalicn wird auf 300,000 geschätzt. Am Sonnabend wurde in allen Betrie ben in Ligurien, Emilias und der Lombardei die Arbeit niedergelegt. Spanien. Der marokkanische Bandenführer Raisuli hat 20 Meilen südlich von Tanger einen spanischen Vorposten überfallen. Die spanischen Truppen erlitten starke Verluste und mußten sich zurückziehen. England. Reuter meldet: Am 8. August ist der Friede mit Afgha nistan unterzeichnet worden. DaS englische Unterhaus hat den Gesetzentwurf über die Kohlenbergwerke, der den Siebenstundentag einführt, angenommen. Der Eisenbahnerstreik ist am Freitag auf allen Linien eingestellt worden. Bulgarien. Der burgarische Eisenbahnerstreik dauert an. In Nustschuk kam es zu Zusammenstößen zwischen Streikenden und französischen Soldaten. Amerika. Wie aus Washington gemeldet wird, erklärte Lansing im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, daß er gegen den Prozeß gegen den früheren deutschen Kaiser gewesen sei, da dieser seines Erachtens mit einem Freispruch enden werde, wodurch Wilhelm ll verherrlicht und eine neue Be drohung für die ganze Welt gegeben würde. Er habe den Nat gegeben, den Exkaiser zu verbannen, wie früher Napo leon. Ferner erklärte er, daß der Zutritt zum Völkerbund nicht notwendigerweise die Annullierung der vor dem Völker bund geschlossenen Geheimverträge bedeuten müsse. Nach einer Beratung zwischen dem Präsidenten Wilson und dem Leiter der Vereinigung der amerikanischen Weizen großhändler ist ein Verbot für die Ausfuhr von Wei zen erlassen worden, man vermutet, in der Absicht, die hohen Weizenpreise herabzudrücken, da die Ernte sehr reich ausgefallen ist. Aus -em Muldemale. "Waldenburg, 11. August. Wichtige Fragen für den Handwerkerstand wurden am Sonnabend Abend in einer öffentlichen Handwerkerversammlung im Saale des Schützen hauses erörtert. Es handelt sich um den restlosen Zu sammenschluß des Handwerks zu einer großen Organisation. Auf Grund des Themas: „Die Lage des Handwerks und Wege zur Besserung" legte der Redner Herr Gewerbeschul- direktvr Müller aus Glauchau die unbedingte Notwendigkeit zum Wiederaufbau dar. Jedoch drohen hierbei dem Hand werk zwei hauptsächliche Gefahren, die seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu vernichten drohen: Die Soziali sierung und die Kommunalisierung der Betriebe, das ist die Uebernahme der Betriebs- oder Wirtschaftsform durch den Staat oder die Gemeinde. Gerade die Bäcker und Fleischer, die jetzt nichts weiter als BermittelungSpersonen des Bezirks- verbandeS sind, müssen sich ihre Selbständigkeit wieder er kämpfen. Die neue Gesetzgebung spricht den Selbstverwal tungskörpern, wie Gemeinden, Bezirksverbänden, Konsum- Vereinen usw. erhebliche Rechte zu, die dem Handwerk ent gehen, denn dieses ist kein Selbstverwaltungskörper. Be stehende Einrichtungen, wie Verkehrswesen, Licht- und Kraft- erzeugung, Bezirkssiedlungsgenossenschaflen schalten schon das Handwerk aus. Deshalb ist es notwendig, daß der Hand werker mit aller Kraft den Genoffenschaftsgedanken aixf- nimmt, und Erwerbs- wie Wirtschaftsvereinigungen bildet. Er muß sich bemühen, mit geringstem Maße von Arbeits kraft und Rohstoff die besten Werte zu erzeugen. Alles muß restlos verwertet werden, aber auch in der Warenherstellung muß mehr Einheitlichkeit Platz greifen. Die einzelnen Be triebe dürfen nur noch Sonderarbeiten Herstellen. Auch die wirtschaftliche Fertigmachung gehört in den Kleinbetrieb. Mehr und mehr muß die Arbeitsleistung durch Maschinen auSgeführt werden, damit die menschliche Arbeitskraft länger erhalten bleibt. Die Aufgaben, vor denen das Handwerk steht, können jetzt nur durch festen Zusammenschluß gelöst werden. Dazu ist eine Organisation auf gewerkschaftlicher Grundlage nötig, nach dem Beispiele der Arbeiter, die auch in finanzieller Hinsicht Vorbildliches leisten. Das Handwerk kann sich jetzt nicht mehr auf die Gxwerbekammern oder die Innungen beschränken, sondern die neue Organisation muß die Rechte deS Handwerks vertreten, da die Regierung nach deren eignen Aussprüchen dem Handwerk nicht beistehen will. Zu diesem Zwecke müssen genossenschaftliche Geschäftsstellen gebildet werden, in denen die Förderung des Gewerbes gepflegt wird. Der Nutzen, der diesem entspringt, ist außer ordentlich groß, wie schon die gegründeten Geschäftsstellen in Marienberg, Döbeln usw. bewiesen haben. DaS Ansehen des deutschen Handwerksmeisters muß wieder erkämpft wer den. In der anschließenden Aussprache wurde über die Tätigkeit einer in Glauchau zu begründenden Geschäftsstelle noch eingehend berichtet, die z. B. schwebende Fragen, Be- ratung von Steuerangelegenheiten, Schlichtung von Lohn- kämpsen, Anweisung über Buchführung, Verhandlungen mit der Regierung ^Altersversorgung), Aufklärung in den Zeitungen usw. zu erledigen hat. Auch das Pfuschertum infolge des Achtstundentags kann von dieser Stelle aus wesentlich be kämpft werden. Nachdem Herr Direktor Müller noch einmal den Anwesenden die Vorrteile der Einrichtung nahegelegt hatte, erklärte sich die Versammlung grundsätzlich für die Gründung. In den Innungen wird der Gedanke des weiteren zu verfolgen sein. Der Leiter der Versammlung, Herr Bäckerobermeister Hoffmann, dankte dem Redner im