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Politische Rundschau Deutsches Reich. Der Reichspräsident Ebert nnd der Ministerpräsident Scheidemann haben durch feierlichen Erlast über das Gebiet des Freistaates Sachsen zur Ausreckterhaltung der öffentlichen Sicherheit den Belagerungszustand verhängt und die sächsische Negierung mit der Durchführung beauf tragt. Seit Bestehen des deutschen Reichs in seiner neuen Korm ist das der erste Fall der Verhängung der Reichs- exekutivc über einen Gliedstaat. Zwar liegt das Einrücken der Reichstruppen in den Freistaat Braunschweig auf dem gleichen Gebiete, aber dort ist nicht die feierliche Form des Reichseingriffs noch besonders betont worden. In Sachsen hat die Regierung selbst die Reichsgewalt um Hilfe gebeten. Hier scheint die feierliche Berkündungsfsrm einstweilen das umfangreiche Aufgebot »on Reichstruppen ersetzen zu sollen. Die Autorität der sächsischen Regierung wird nicht durch „NoSke-Garden", sondern durch eine feierliche Verfügung des Reichspräsidenten gestärkt. Man muh abwarten, ob dieser Weg erfolgreich ist. Die Reichsregierung war zu seinem Beschreiten berechtigt aus Grund der Notverfassung, welche besagt, dah gegenüber von Gliedstaaten, die aus dem Reichskörper aurzubrechen versuchen oder sich gegen wcsent liche Gesetze des Reiches vergehen, die Reichsexekutive an gesetzt werden kann. In vorrevolutionären Zeiten wäre ein solcher Eingriff des Reichs ganz undenkbar gewesen. Er entspringt letzten Endes dem Reichseinheitsgedanken, der durch den Krieg und die Revolution außerordentliche Nah rung erhalten hat. Reichswehrministcr Noske ist am Mittwoch in Danzig eingetrvffen. Noske will sich über die Verhältnisse des Grenz schutzes im Osten unterrichten. Das Große Hauptquartier in Kolberg soll Anfang Juli ausgelöst werden. Der sozialdemokratische Schriftsteller Or. Adolph Koester ist von der preußischen Staatsregierung mit der Wahr nehmung der Geschäfte des preußischen Gesandten in Ham burg betraut worden. Gleichzeitig ist er zum Staatskvm- missar für Schleswig-Holstein ernannt worden. Wie verlautet, soll als militärischer Bevollmächtigter zur Friedenskonferenz an Stelle des Generals Wrisber der General von Seekl. der ehemalige Generalstabschef Macken sens, delegiert werden. Die preußischen Staatsbahnen haben bis zum 24. d. ihren Betrieb wegen Kohlenmangels und der Inanspruch nahme des rollenden Materials für die Beförderung der Armee Haller um fast 60 Prozent einschränken müssen. Da die. Zugänge an Kohlen sich bisher nicht gesteigert haben, so ist mit einer weiteren tiefeinschncidenden Ein schränkung vom 28. d. an zu rechnen. Der Staatskommissar für Bolksernährung hat gegen den Schleichhandel und für Vergehen im Gasthausgewerde Zuchthausstrafen verfügt und gegen Gastwirte, die sich Verfehlungen zuschulden kommen lassen, Schließung ihrer Betriedsstätten angedroht. Gegen Klut-lokale, in denen für 5 Mk. ein Diner oder Souper von 5 bis 6 Gängen ohne Marken geboten wird, richten sich diese Vorschriften nicht. Die Gastwirtsverbände wollen Stellung gegen diese Ver fügung nehmen. In Stargard ist die Arbeiterschaft der Eiscnbahnwerk- stätten in den Ausstand getreten. Es handelt sich um V a b a'n q u e. Detektivroman von F. Eduard Pflüger. H) (Fortsetzung.) Schon beim Billetexpediemen zeigte sich ein über raschendes Resultat. Zn dem Personenzug nach Halle mar ein Billet dritter Klaffe nach Würzburg von einem Manne gelöst worden, der einen ausfallend langen und dichten schwarzen Pollbart trug. „Er sah aus wie Sudermann," erklärte der Schalter- beamte. Dalberg ließ ihn kaum ansreden, als er schon, von dem Sationsbeamteu gefolgt, die Treppe hinauf nach dem Bahnsteig stürmte, uni den Schaffner an der Sperre zu vernehmen. „Waren Sie zu dem Hallenser Zug im Dienst?" „Jawohl/' Weiter sagte er zunächst nichts, sondern wandte sich an den Vorsteher mit der Bitte, den Mann ablüsen zu lassen und ihm für eine halbe Stunde zur Verfügung zu stellen. Diesem Wunsche wurde sofort entsprochen und bald faß Dalberg mit dem Schaffner nnd dem Stations vorsteher rubig und ungestört in dem abgelegenen Vorstands» bnreau, und das Verhör ging glatt seinen Gang. Der Doktor hatte ja eine eminente Geschicklichkeit, gerade das ans den Menschen heraus zu fragen, was er wissen wollte und zwar so, das; der Verhörte nicht einmal merkte, worum es sich eigentlich handelte. „Also sagen Sie mir mal, lieber Vianu, war der Andrang zu dem Personenzug heute früh sehr stark?" „Gewiß." „Sic haben also nicht genau beobachten können, wer alles die Bahnsteigsperre passierte?" „Nein, schon deshalb nicht, weil man ja immer mehr die Augen auf der Fahrkarte, als auf das Gesicht der Reisenden hat." „Ganz recht, ist Ihnen trotzdem nicht ein Reisender von besonderem Aussehen ausgefallen?" „Der Herr Doktor meinen einen Mann mit einem Ealgenvogelgesicht, einen Verbrecher?" „Na ja, aber an dem Gesichte erkennt man die Ver brecher meistens nicht, lieber Freund. Rund heraus, haben Sie keinen großen Mann mit auffallend langem schwarzen einen rein wirtschaftlichen Streit, da die Arbeiter ebens» wie ihre Genossen in Halberstadt in eine höhere Lohnklasse versetzt werden willen. Sie verlangen einen Slundenlohn von 2.10 Mk. gegenüber dem bisherigen Satz von 1.90 Mk. und Nachzahlung der Differenz seit dem I. Januar. Wie man aus zuverlässiger Quelle erfährt, sind »0°/» der Ar beiter für die Wiederaufnahme der Arbeit, doch werden sie von den restlichen 10"/» daran verhindert. Der Eisenbahn verkehr ist vsrläufig eingestellt. Die dringendsten Postsachen mußten durch Fuhrwerk aus Karolinenhorst geholt werden. Eine Abordnung der Eisenbahnarbeiter, die sich nach Stettin begeben hatte, um mit der dortigen Eisenbahndirektion zu verhandeln, ist am Donnerstag früh zurückgekehrt, lieber dar Ergebnis der Verhandlungen ist noch nichts bekannt. Der Personenverkehr innerhalb der Eisenbahndirrktion Frankfurt wird mit dem 25. April in beschränktem Um fange wieder ausgenommen, jedoch fallen Schnellzüge bis auf weiteres noch fort. In Bremen haben sich die GaSarbeiter dem Streik angeschlossen. Der Bürgcrftreik ist im Gange. Alle Aerzte, die Lebensmittelgeschäfte machen mit. Er läßt sich schon heule festftellen, daß diese einschneidende Gegenmaßnahme eine nachhaltige Wirkung auf die Streikenden ausüdt. lieber die Stadt ist der verschärfte Belagerungszustand ver hängt worden. In Hamburg kam es wiederum zu größeren Unruhen und Plünderungen in St. Pauli. Auf Seiten der Spar takisten wurden 6 Tote und 8 Schwerverwundrtc seftgestellt. Mittwoch ist über die Stadt der verschärfte Belagerungs zustand verhängt worden. Abends 8 Uhr beginnt die Polizeistunde. Plünderer sollen auf der Stelle erschossen werden. Teile der Schweriner Garnison sind nach Ham burg abkommandiert worden. Die Lage in Bayern ist noch ungeklärt. Die von einer Seite verbreitete Nachricht, daß die Münchener Re gierung gestürzt worden sei, scheint sich nicht zu bestätigen, wenigstens weiß die Bamberger Regierung noch nichts davon. Auch nach einer Mitteilung des Nürnberger Magistrats ist die Nachricht von der Absetzung der Münchener Kvmmunisten- führer zum mindesten stark übertrieben. Gewiß ist ein Teil der Münchener Garnison gegen die „Rote" Garde. Aber er ist noch zu schwach, um etwas Energisches unternehmen zu können. Die Sammlung der bayrischen Truppen, die zum Kampf gegen München aufgebvten worden find, voll zieht sich glatt. Bis zum Eingreifen der Unterstützung aus Württemberg. Baden, Hessen und dem übrigen Reich wird die Aufstellung vollzogen sein. Erst dann hat man mit einem Umsckwung zu rechnen. Die Nachrichten aus Mün chen, auch die Privatmeldungen, find alle irgendwie tenden ziös gefärbt. Die Lage in Augsburg ist durchaus gesichert, ebenso in Passau. Landshut ist noch unsicher, Rosenheim befindet sich noch immer in der Hand der Spartakisten. Uebcr die Lage in München ist nichts Zuverlässiges zu erfahren. Die Rcgiernngstruppen sollen wieder eine Niederlage erlitten haben. Die Wirkung aus die Arbeiter schaft ist sofort erkennbar. ES ist nicht ausgeschlossen, daß es in den nächsten Tagen zu neuen Zusammenstößen kommt. Die von den bayerischen Behörden erlassenen Ausrufe zur Bekämpfung des Bolschewismus finden in der ganzen Gegend zwischen Ingolstadt, Augsburg und lllm begeisterte Zustimmung. Die Leitung der Operationen ist jetzt einheitlich geregelt. Man wird mit so erdrückender Pollbarl gesehen?" „Ja doch, ja! Er kam so mit dem dicken Schwarm und ließ ein Billet dritter Klaffe lochen." „Wohin, das wissen Sie nicht mehr?" „Nein, es fällt einem ja auch weniger auf, wohin die Billets gehen, kHerr Doktor. Darum kümmert sich unser einer weniger, die Hauptsache ist ja doch, ob der Tages stempel richtig ist." „Gut, gut." Dalberg stand auf, zog seine Uhr und meinte: „Um 8,40 Uhr geht wohl jetzt der O-Zug nach Halle und ich finde das Zugpersonal vom Perjonenzug wohl auch dort?? „Jawohl, Herr Doktor, ich werde gleich an den Zug führer telegraphieren, daß die Schaffner sich in Halle zn Ihrer Verfügung halten." „Ich danke Ihnen, Herr- Vorsteher, und nun führet! Sie mich einmal an Ihr Telephon, ich möchte noch ein paar Worte mit dem Präsidium sprechen." Der Doktor erhielt schnell Verbindung und verständigte den Kriminalkommissar Vollrad von seiner Absicht nach Halle zu fahren, um dort weitere Ermittelungen anzustellcn. Man solle sich jedoch nicht aufhallen lassen, nach Robert Malling zu suchen nnd ihn womöglich zu verhaften, da dieser Bruder seiner Meinung nach des Mordes dringend verdächtig sei. Er bat ferner, an den Papieren Mallings nicht zu rühren, da sie einer weit genaueren Durchsicht bedürften, als es in der Eile hätte geschehen tonnen. Ferner ersuchte er, die Obduktion der Leiche sofort vor nehmen zu lassen, damit er ani späten Nachmittag wenistens ein oberflächliches Urteil über Ort und Stunde des Todes erhalten könne. Nachdem dies alles besorgt war, flieg er beruhigt in den Eisenbahnzug und fuhr nach Halle. Eine neue Neberraschung erwartete ihn dort: Keiner von dem Zngbegleitnngspersoual hatte einen Mann mit schwarzem Vollbart gesehen. Dalberg dachte einen Augenblick nach und dann nickte er still vor sich hin. Seine Kombination war wieder ein mal richtig gewesen. Der Spitzbube hatte mit dem falschen Bart von der richtigen Spur ablenken wollen, er hatte ein Billet nach Würzburg mit schwarzen; Bart gelöst und diesen im Znge abgelegt. Wenn sich auf irgend eine Weise schwarze Haare vorfänven, bei der Leiche oder im Zimmer oder in; Ofen, so war die Absicht klar. Er war also aus Uebermacht gegen München vorgehen, daß au einem raschen Erfolg nicht zu zweifeln ist. Der Münchener Generalstreik ist wegen finanzieller Schwierigkeiten und Unzufriedenheit unter den Arbeitern aufgehoben worden. Die Stimmung der Bevölkerung ist infolge des Terrors lehr gedrückt. Die Bauern des bayerischen Waldes haben sich er hoben und eigene Bataillone gebildel, um am Kamps gegen München teilzunchmen. Namens der preußischen Regierung hat das Landwirt- schaslsministerium die Bezirksregierungen ermächtigt, auch an seine ständigen Waldarbeiter, soweit eS sich nicht nur um vorübergehend angenommene Gelegenheitsarbeiter handelt, und au regelmäßig für die FvrstverWallung arbeitende Lohn suhrleute kleine Flächen zur landwirtsmafllicheu Be nutzung freihändig aus längstens 18 Jahre zn verpachten. vefterrelchUngar«. Ter ungarischen Räteregierung ist durch den englischen Gesandten in Wien mitgeleilt worden, die Entente sei zu einem Waffenstillstand mit Ungarn bereit unter der Bedingung, das; die Räteregierung abdanke. Wie das „Wiener Deutsche Bolksblatt" bisher noch un verbürgt meldet, ist der frühere ungarische Ministerpräsident l)r. Alexander Wekerle im Alter von 74 Jahren in dem Sammelgefängnis von Budapest gestorben. Die mit dem Studium der Ostgreuzen Polens beauf tragte Kommission soll, wie Pariser Blätter berichten, »or- geschlagen haben, außer Brest-LitowSk und Kowno den- polnischen Staale auch die Buglinie zuzuteilen. Holland. Die Alliierten haben die Lieferung von 13,500 Tonnen Hülsenfrüchten und 7000 Tonnen Gefrierfleisch von Holland an Deutschland gestattet. Das Speckquantum ist auf 4000 Tonnen erhöht worden. Belgien. Die belgische Regierung soll sich mit der Absicht tragen, ihre Delegierten der Friedenskonferenz aus Paris zurück zuberufen, weil sie mit der Erledigung der belgischen Ansprüche durch den Viererrat unzufrieden ist. Frankreich. Wie aus Paris berichtet wird, ist die Haltung dec japanischen Delegierten auf der Friedenskonferenz seit einigen Tagen sehr energisch geworden. Diese haben an scheinend von Tokio die Weisung erhalten, dem Bicrerrat offen zu drohen. In diesem Sinne haben die Vertreter Japans nnverblühmt erklärt, daß Japan seine Delegierten ans Paris zurückderufen werde, salls England und Frank reich sich weigern sollten, ihre Japan gegenüber in den. Jahren 1915 bis 1917 eingegangenen Verpflichtungen einzulösen. Türkei. Die Blätter verzeichnen ein Salonikier Gerücht, daß in Konstantinopel schwere Unruhen ausgebrochen seien. An hänger des früheren Komitees für Einheit und Fortschritt hätten sich gegen die Regiernng erhoben nnd eine türkische Sowjetrepublik ausgerufen. Heftige Zusammenstöße fänden statt, jedoch würden fremde Untertanen nicht belästigt. Die Umstürzler schienen die Bewegung auf die innere Politik beschränken zu wollen. Montene-r». Nach einer Meldung des Laibacher Korrcspvndcnz-BnrcauS aus Pvdgvritza verkündete die Nationalversammlung am einer Zwischenstation ausgcfficgen nnd halte eine ganz andere Richtung genommen. Teufel, das Ines; die -pur labyrinthenartig verwischen. Kounle der freche Geselle nicht einfach nach Berlin zurück gefahren sein, von Willen berg, von Halle, von Jüterbog von jeder ZwffMn station, wo de^ Zug hielt?! Hier mußt« schnell und sicher gehandelt werden, er fuhr daher in rasendem Tempo nach der Polizeidirelriou-, legitimierte sich und veranlaßte, daß sofort an alle Stationen zwischen Halle nnd Berlin Depesche gegeben wnrde, mit der Anfrage, ob ein verdächtiges Individuum dorl ausge-- stiegen und in einer anderen Richtung weiter gesabren lei. Hatte der Mörder in Halle das Experiment gemuckt, so war er kaum zu ermitteln, denn die Station ist zu groß, es sind der ein- und anslanfendcn Züge zu viele und die Bahnsteigschaffner sowohl als auch die Billeterpedienten haben keine Zeit, auf verdächtige Reisende zu achten. Während Dalberg von der Potizeidirektwn nach den; Bahnhof fuhr, kontrollierte er sein Kursbuch und entdeckte, - daß der am zeitigsten abgehende Zug nach Leipzig gegangen war. kkud nun wollte er doch noch einen Versuch wackren, der ihm oft in solchen Fällen Glück gebracht Halle. Er ging in Begleitung eines Schutzmannes, der ihm von der Direktion zur Verfügung gestelli worden war, in alle Barbiergeschäfte in der Nähe des Bahnhofes und fragte, ob sich kurz nach dem Eintreffen des Zuges von Perlin ein Reisender eingefnnden habe, der irgendwie die Dienste des Geschäftes in Anspruch genommen habe. Der alte Kniff brachte ein gutes Resultat. Es war ein Mann da gewesen, der hatte sich die Haare ganz knrz schneiden lassen und erklärt, er müsse so schnell als möglich bedient sein, da er nach Leipzig weiter reisen wolle. „War er mit den; Berliner Zug gekommen?" „Ich glaubte so," erklärte der Meister, „aber der Reisende erzählte während der Arbeit, er sei mil dem Frühzug von Frankfurt am Main augckommen." „Weiter rst heute früh bei Ihnen noch niemand bedient worden. „Nein, noch niemand." „Dann können Sie mir vielleicht eine Probe von den Haaren des ersten Kunden geben?" „Die steht gerne zn Ihrer Verfügung." Der Friseur gab die Haarprobe, faltete sie in ein Kuriers und Dalberg legte sie in feine Brieftasche. kV»rffetz«n, f»Vc)