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sich im Süden von Kilwa etwas ausgedehnt habe, und daß. auch die Abteilung des Oberleutnant Pascha vom „Bussard" angegriffen sei, ein ohne Verlust abgewiesener Versuch der Neger, aber Persönlichkeiten, die in den betreffenden Ge bieten selbst praktisch tätig gewesen sind, bleiben überzeugt, daß dort keine nennenswerte Gefahr drohe, so bedauerlich die Ermordung von acht Deutschen auch sei. Unsere Schutz- truppe sei erprobt und werde mit den Aufständischen un schwer fertig werden. Erst dann könne Gefahr eintreten, wenn die Bewegung sich nach Norden ziehen sollte, aber so schnell sei eine solche Ausdehnung nicht möglich. In drei Wochen werden die nach Oftasrika beorderten Kreuzer „See adler" und „Iltis" und die Abteilung vom Seebataillon, die in Kiel ausgerüstet ist, zur Stelle sein. Die letztere unter Hauptmann von Schlichting tritt heute von Berlin aus über Triest die Reise an. Wie die „Tägl. Rundsch." hört, wird der Major von Schleinitz, der nach dem Gouver neur älteste Offizier der Schutztruppe für Oftasrika, sich nach Mafsauah am Roten Meer begeben, um dort 300 Sudanesen anzuwerben. Mit dem nächsten Ostafrika-Tampfer, der am 3. September abgehen wird, werden sich alle zur Zeit auf Urlaub befindliche Angehörige der Schutzlruppe nach Ost afrika zurückbegeben. Das Ostafrika-Kommando reiste aus Kiel unter herzlichen Ovationen ab. Oesterreich-Ungarn. Ter ungarische Premierminister Baron Fejervary ist vom Kronrat beim Kaiser Franz Joseph in Ischl nach Budapest zurückgekehrt. Er wird zunächst Zwangs-Maßnahmen gegen die die Steuerzahlung verweigernden Stadtvertretungen an ordnen und dann neue Verständigungsversuche mit der radikalen Mehrheit des ungarischen Reichstages machen. Schlagen die, wie zu erwarten ist, fehl, dann soll zur Auf lösung der Volksvertretung geschritten werden. Frankreich. Zwischen dem französischen Minister-Präsidenten Rouvier und dem deutschen Botschafter Fürsten Radolin finden jetzt wieder persönliche Besprechungen in Paris statt, zu dem Zweck, die beiderseitigen Interessen in Marokko gründlich zu beleuchten und alle Einzelheiten des Konferenz-Programmes festzustellen. Schwierigkeiten haben sich nirgendwo ergeben. Wegen der unrechtmäßigen Verhaftungen eines algerischen Hauptmannes durch marokkanische Behörden beschloß der französische Ministerrat, sofort seinen Gesandten aus Fez abzuberusen, wenn nicht umgehend Genugtuung gewährt werde. Nun werden sich die bequemen Beamten des Sultans von Marokko wohl etwas auf die Beine machen! Rutzlanv. „Unsere Armee ist nicht wiederzuerkennen," melden die russischen Kriegsberichterstatter. Der russische Soldat ist nicht mehr das gefügige, willenlose Werkzeug von einst, die furchtbaren Prüfungen dieses Krieges haben ihm die Augen aufgetan, und er hält selbst mit einer Kritik seiner Vor gesetzten nicht mehr zurück. Für den Geist in den heim gebliebenen Truppen ist es kennzeichnend, daß viele Offiziere sich mit dem Gedanken an eine Vereinigung tragen, die gleichfalls auf Reformen hinwirken soll. Offiziere als Poli tiker! Tas hätte man früher zu denken nicht einmal ge wagt. Und die oberen Kommandos können dagegen nichts tun, die Strömung ist überall dieselbe, Auflehnungen und Proteste gegen Befehle sind etwas Alltägliches geworden. Besonders nachdrücklich wird der Polizeidienst verweigert, der den Truppen ja so oft genug angesonnen wird. In Kurland ist der Oberförster von Sieber nebst einem Schreiber und einem Forftgehilfen von aufständischen lettischen Bauern erschossen. Die Zustände bleiben andauernd ent setzlich. Die notwendigsten Arbeiten ruhen, da überall sich Fabrik- und Feldarbeiter im Ausstande befinden. Verschiedene Kirchen nebst Pfarrhäusern und Kirchenbüchern und Archiven sind verbrannt. Mit der Stadtvertretung von Moskau hat auch die von Petersburg die durch das Zaren-Manifest verliehene Verfassungs-Rechte nicht als genügend erkannt. Es wird Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit und persönliche Unver letzlichkeit gefordert. Der Ausstand in Warschau ist aufgehoben. In Lodz schaffen Arbeiter und Soldaten auseinander, in Radom wurde der Polizeimeister ermordet. Die Zahl der durch Streiks zur Betriebseinstellung gezwungenen Eisenbahnen verringert sich bisher aber nicht, Züge wurden überfallen, es wurde aus die Maschinisten geschaffen. In Sosnowice ist der Generalstreik ausgebrochen, bei Radom eine Bahn brücke durch Dynamit gesprengt. England. König Eduard von England wollte bei seinem Mitte September stattfindenden Besuch in Schottland die dortigen Kriegsfreiwilligen besichtigen. Nun bestehen diese aber jetzt aus meist minderbemittelten Leuten, die den Vertust einer mehrtägigen Einnahme nicht leicht verschmerzen können; sie baten daher das Kriegsministerium in London um eine Beihilfe. Das Ministerium will nichts geben, und jetzt wollen die Freiwilligen streiken. Seit der russisch-japanischen Seeschlacht in der Koreastraße, die zum Teil Nachts stattfand, werden in der englischen Marine Nacht jchießübungen mit ganz besonderer Sorg falt gepflegt. Bisher wurden blinde Schöffe auf Torpedo boote abgegeben, jetzt werden besondere feste Scheiben ge baut, aus die dann scharf geschaffen werden soll. Amerika. Ter Friede wird in der am letzten Tage dieser Woche statlfindenden nächsten Friedenskonferenz-Sitzung dank unermüdlichen Vermittelungs-Politik des Präsidenten Roosevelt unterzeichnet werden, so sagen die Optimisten, und die japanischen und russischen Börsen treiben glückstrahlend die Kurse in die Höhe. Präsident Roosevelt hat dem Zaren durch den amerikanischen Botschafter in Petersburg direkt bitten lassen, nachzugebcn und Konzessionen zu machen, und es wird gesagt, Zar Nikolaus II. habe seinen Stolz aufge geben. Es wird zum Frieden kommen, so kann man in der Tal sagen, wenn auch nicht gleich von heute auf morgen; es genügt schon, wenn ans dem'provisorischen Waffenstill stand ein dauernder wird, denn damit ist der Friede in der Tat gewährleistet. Bis zur Feststellung aller Einzelheiten des Friedens-Vertrages bis zu deren Unterzeichnung wird noch Zeit vergehen. Der gewichtige Grund für beide Parteien, zu Ende zu kommen, ist jedenfalls der steigende Geldmangel gewesen; hüben wie drüben tat man sehr stolz, aber es war nichts mehr dahinter. Die Friedens-Unterhändler werden auch froh sein, wenn die Sache entschieden ist. Aus -em Muldentale. *Waldenburg, 25. August. Se. Durchlaucht der Fürst und Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin haben Waldenburg gestern Nachmittag verlassen und haken sich in Begleitung Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Sophie von Schönburg- Waldenburg nach Potsdam zurückbegeben. *— Die Waldenburger Landsmannschaft in Leipzig be ging daselbst am Dienstag die Feier ihres zweiten Stiftungs festes und gedachte hierbei auch des Geburtstages Sr. Durch ¬ laucht deS Fürsten Otto Viktor von Schönburg und der An wesenheit Sr. Majestät des Königs Friedrich August im Fürstlichen Schlöffe hier. An Se. Majestät wurde ein Huldigungstelegramm, an Se. Durchlaucht eine Glückwunsch depesche nach Waldenburg gesandt. * — Im Unterhaltungsteile beginnen wir heute mit der Veröffentlichung einer Geschichte aus dem Riesengebirge: „Die Hüblerbaude" voll tiefer Lebenswahrheit mit prächtigen Naturschilderungen. Tie rauhe Schale der Hauptperson birgt einen süßen Kern, ein treues Mutterherz. * — In dem, von der hiesigen Stadtkapelle unter Leitung des Herrn Musikdirektor Heinrich arrangierten Konzert am 31. d. gelangt u. a. die zweite ungarische Rhapsodie von Liszt neueinstudiert zum Vortrag. Herr) Ober-Regisseur Emil Steger, dem ein hervorragend rezitatorisches Talent nachgcrühmt wird, wird u. a. Julius Wolfs gewaltig schöne Dichtung „Aus Sturmesnot" vortragen. Ueber Frl. Antonie Leony schreibt eine Erfurter Tageszeitung anläßlich ihres dortigen Auftretens in einem Konzert: In der Wiedergabe des Liedes durch Frl. Leony trug das Lied den Stempel der Keuschheit und war von hinreißender Wirkung, ebenso wie die „Haselnuß" von Strauß; wo die liebenswürdige Künstlerin mit ihrem „bitterbösen Baum" alle Herzen ge winnt. Ihre ganze Art des Vortrags und des Singens verriet viel Noblesse und Eigenart. Sie bewies das am i besten in der „kleinen Strandgeschichte" und in Meyer- Helmund's „Ich liebe dich". Wir empfehlen den Besuch des Konzerts auf's Angelegentlichste. * — Die Ziehung 4. Klaffe 148. König!. Sächs. Landes lotterie findet am 13. und 14. September statt. Die Er neuerung der Lose muß bis zum 4. September geschehen. * — Kurz nach dem Bau der Eisenbahn Altenburg-Langen leuba bekam an der Brücke bei Wiesebach einer der Bogen ! in der Krönung einen Riß. Man versah deshalb den Bogen mit 10 einzelnen, getrennt aneinander stehenden Ber ber ! Hebungen, um daran weitere Beobachtungen machen zu können. Diese Verklebungen sind neuerdings gerissen, ein Beweis, daß der Riß sich erweitert hat. Daß der Bogen schadhaft ist, sieht man auch an der schwarzen Färbung, die die untere Seite der Wölbung infolge des Wafserdurchlasses angenommen hat. Auch die Böschungsbetonmauern an der Anhöhe nach Langenleuba zu zeigen Schäden. Rechts der Bahn bestanden sie aus drei Abteilungen, welche aus den Fugen gegangen sind. Die linke Einfassung ist bereits mit einer Strebe ver sehen, trotzdem hat sie nicht gehalten. Die Estenbahnver waltung hat die Baufirma, welche den Bau ausgesührt hat, veranlaßt, den Uebelständen abzuhelfen. Gegenwärtig werden die Baugerüste aufgestellt; der östliche der beiden das Tal durchziehenden Bäche soll verlegt und das alte Bachbett zu geschüttet werden, um neue Stützen für die erwähnte Böschung bauen zu können. * — Beim hiesigen Stadtrat ist eingegangen Reichs-Gesetz blatt Nr. 37 enthaltend: Bekanntmachung, betreffend die Ratifizierung des in Paris am 18. Mai 1904 unterzeich neten Abkommens über Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel durch Portugal. Bekanntmachung, betreffend die Hinterlegung der Ratifikations urkunden Italiens und der Schweiz zu den am 12. Juni 1902 im Haag abgeschlossenen Abkommen über das inter nationale Privatrecht. * — Für die Einberufung des sächsischen Landtags ist der 24. Oktober vorläufig in Aussicht genommen. * — Von zuverlässiger Seite wird gemeldet, daß man mit der Absicht umgeht, im 14. städtischen Landtagswahlkreise Unterhaltungsteil. Die Hüblerbaude. Eine Geschichte aus dem Riesengebirge von Jassy Torrund. 1) Nachdruck verboten. Hoch droben im Riesengebirge, wo die Wälder fast noch in ihrer unberührten Urwildnis liegen, wo das Farnkraut in hohen, dichten Büschen beisammensteht und das feine grüne Moos in üppiger Schönheit wächst, stand eine ein same Baude. Eine altersbraune Holzbaude wie andere auch, mit den schneeweiß gekalkten Querstreifen rings um die niedrigen Wände, mit den winzig kleinen blanken Fenstern und dem steilen, grauen Schindeldach darüber. Milten im Walde, der sie wie ein Bann- und Zauber kreis stundenweit umgibt, steht sie auf einer sanft ansteigen den grünen Wiese — ein Idyll der Bergeinsamkeit. Ueber ihr blaut der Himmel, und der Weih zieht seine ruhelosen Kreise; um sie her aus der sammetgrünen Matte klingt ein feines, vielstimmiges Geläute: die Glöcklein der Kühe. Sonst kein Laut weit und breit; nur tief im Walde das geheimnis volle Raunen und Rauschen der klaren Bergwaffer und das unermüdliche Hämmern des Spechts. Ein Fleckchen Erde, wie es Gott der Herr nicht schöner schaffen konnte, so menschenfern, so unentweiht in einer groß artigen Einsamkeit. So war's vor ungefähr zwanzig Jahren. Heut' klingt die Axt der Holzknechte und das dumpfe Auf schlagen der Stämme durch die feierliche Stille. Heut' hört man das Singen fröhlich wandernder Touristen, ihr Rusen und Jauchzen, das das Echo weckt. Zu Haufen kommen sie, Männer und Frauen, mit den grünen Kränzen des Bärlapp um die Hüte, als Wahrzeichen, daß sie den tosenden Wasserfall des Zacken besucht haben; die Männer in Filzhut und Lodenjoppe, so fröhlich, so rosiger Laune, so humorvoll, wie sie sich zu Hause nimmer geben; die Frauen in ihren hochgeschürzten Touristenkleidern, den Bergstock in der Hand, so unternehmungslustig und aus- dauernd, wie man sie daheim in der großen Stadt gar nicht kennt. Sie sitzen an langen Tischen vor der Baude und lachen und singen und tun, als sei die Hüblerbaude ein Paradies aus Erden und sie die unbeschränkten Herren darin. Eine ältliche Frau mit schlohweißem Haar und wetterge- surchten Zügen trägt in großen Krügen die ersehnte Labung herbei: frischen Kuchen und den berühmten guten Kaffee der Hüblerbaude. Denn nicht etwa in allen Bauden des Riesen gebirges braut man einen gleich guten Trank. Eine junge Touristin am Tische schaut sich um und um und kann sich nicht satt sehen an all der Herrlichkeit; und dann streift ihr verwunderter Blick die Frau in dem ländlich einfachen Rock mit bloßen sonnverbrannten Armen und dem Hagern sonnverbrannten Gesicht, die so schweigsam unter den fröhlichen Gästen umhergeht, und sie flüstert ihrem Nach bar zu: „Was für eine paradiesisch schöne Gegend, und was für eine mürrische, unfreundliche Besitzerin!" O meine liebe junge Dame, kennst Tu das Los dieser Frau? Oder nicht? — Tann höre, ich will's Dir erzählen, > wie ein alter Förster mir's berichtet hat, als ich durstig und !müde einst in der Hüblerbaude einkehrte. Vor Jahren, als es hier noch so aussah, wie ich's zu Anfang beschrieben, an einem jener Frühsommertage, die wie ein Gruß des Himmels für die in Jugendschöne prangende Erde sind, lag dort in der großen, niedern Wohnstube der Hüblerbaude ein Mann im Sterben; - ein Müder, der des Lebens Sorgen und Arbeitslast seit vierzig Jahren geduldig getragen. An seinem Schmerzenslager knien die Kinder, die ! er verlassen wird, sein Weib trocknet ihm den Todesschweiß ! von der blaffen Stirn. Er sieht sie traurig an. j „'s hat nix genutzt, Rosel, daß wir uns geplagt und ge schafft haben, a ganz'Leben lang! Neunhundert Taler stehn ;auf dam Gütl. Wie lang' wird's dauern, und sie jagen ! dich 'naus mitsamt a Kindern! Arm's Roserle! Wenn !ich glei' wollt', ich könnt's jetzt halt nimmer schaffen! Da > sitzt's, wie a Alp." Er hob die Hand und legte sie müh sam atmend auf die keuchende Brust. „Bist ruhig, Franzl," sagt die Frau mit fester Stimme, indes ihr die Tränen über das braune sorgenvolle Antlitz laufen. „Leben wirst! Und z'wegen dessen kannst ruhig sein. Ich bring's schon durch, 's Gütl, und die Kinder auch." Er sah sie an, die treue Gefährtin seiner Tage voll Mühen, seiner Nächte voll Sorgen; ihr Herz brach vor Kummer, aber ihre Augen lächelten ihn an unter Tränen und gaben ihm lächelnd den Scheidegruß. Die Liebe ist stark wie der Tod, und die Liebe dieser Frau zwingt den Tod, daß er seine Hand sanft auf die brechenden Augen deS Mannes legt. Er starb getröstet. Seines Weibes Lächeln geleitete die zagende Seele hinüber. Was dann kam? „Jetzt bist Vater und Mutter zugleich, Rosel," sprach die Witwe zu sich, als sie mit den Kindern von dem letzten schweren Gange hcimkam. „Bist a Weib, a schwaches und mußt so stark sein grab' wie a Mann!" Sie schickte die Kinder in die Kammer und setzte sich auf die Bank neben der Tür, wo sie mit ihrem Franzl an jedem Sommerabend gesessen, all die fünfzehn Jahre lang, seit sie sein Weib geworden war. Saß und sann, und über ihr flimmerten die Sterne. Was sie dort mit sich und ihrem Franzl und mit ihrem Herrgott gemacht, hat nie ein Mensch erfahren. Als die Sterne er blaßten und der junge Morgen hcrausdämmerte> stand sie auf, streckte die Arme zum Himmel und blieb einen Augen blick so stehen, wie flehend um Barmherzigkeit. „'s is aus, Rosel, all dein bißla Erdenglück is aus!" sprach sie heiser vor sich hin, ging ins Haus, legte die Trauerkleider ab und verschloß sie in die große buntbemalte Hochzcitslruhe. Von Stund an hat sie keine Träne mehr geweint. DaS schwache Weib in ihr war tot. Das lag bei ihrem Franzl drunten neben der Kirche begraben. Stark, treu und fest wie ein Mann hat sic auf ihrem Posten gestanden. (Fortsetzung folgt.)