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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für den Aadtrath zu Waldenbarg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig am Markt; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. G. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn« und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf„ Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtensteiu-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Gieba, Grumbach, Hohenkirchen, Kaufungen, Langenchurs dorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und Waldenburger Anzeiger 250. Mittwoch, den 27. Oktober 1888. Witterungsaussichten für de« 27. October: Windrichtung um Ost von mittlerer Stärke. Ziemlich trübes Wetter ohne wesentliche Niederschläge. Temperatur verhältnitzmüßig kalt. *Waldenburg, 26. Oktober 1886. Seit einigen Tagen cursiren unheimliche Gerüchte. Der Gesundheitszustand des Kaisers Alexander wird als sehr bedenklich geschildert. Der herkulisch gebaute Mann, der bekanntlich über eine Riesenkraft verfügt, ist nicht körperlich krank. Seine äußere Erscheinung ist die unverändert stattliche aus früheren Jahren, das Aussehen blühend. Aber sein seelischer Zustand ist furchtbar zerwühlt und flößt Mitleid und Besorgniß ein. Alexander III. leidet, die Schwermuth hat be gonnen, ihren schwarzen Schleier um seine Seele zu breiten. Sein Argwohn ist in krankhafter Weise ge stiegen, er ist in einen Wahn ausgeartet. Das Miß trauen des Czaren sieht überall Feinde. Er ist ver schlossen, in seinem Auftreten barsch und von großer Härte. In einer Aufwallung läßt sich der unter tie fer Seelenpein leidende Czar selbst zu Ausschreitungen Hinreißen. Eine solche That wird auch in diesen Ta gen vom Czaren erzählt, und so unglaublich sie klingt, so läßt sich das mit ziemlicher Bestimmtheit auftretende Gerücht nicht länger verschweigen. Vor einiger Zeit, so wird der „W. A. Z." berich tet, erschien am Czarenhofe eine Adelsdeputation aus einer entfernten Provinz. Dieselbe meldete sich beim Adjutanten äu four, um zum Kaiser zu gelangen. Der Adjutant erstattete Bericht; der Monarch aber, der eben arbeitete, fiel dem Offizier rasch in's Wort und rief ihm zu: „Sie können warten!" Der Adju tant, der die ungnädige Laune seines Gebieters wahr- nahm, zog sich mit der Deputation aus dem Vorsaal des kaiserlichen Audienzzimmers in ein entfernteres Gemach zurück und machte die Herren darauf auf merksam, sie würden sich längere Zeit gedulden müssen. Inzwischen drehte sich der Offizier eine Cigarrette, die er dann in Brand setzte. Er hatte erst einige Züge gethan, als ganz unerwartet der Kaiser auf der Zimmer schwelle erschien. Der Adjutant, über das plötzliche Erscheinen erschreckt, suchte mit einer heftigen Bewe gung die Cigarrette zu verbergen. Der Czar, der sehr aufgeregt schien, mochte diese Bewegung dahin ge deutet haben, daß der Adjutant eine Waffe verbergen wolle, und trat rasch zurück. Der Offizier, nichts Schlimmes ahnend, trat nach wenigen Minuten in das Audienzzimmer, um die Befehle des Czaren entgegen zu nehmen. In diesem Augenblick feuerte der Kaiser einen Revolver ab und der Eingetretene sank schwer verletzt zu Boden. Nach einem anderen Bericht war der unglückliche Adjutant ein Graf Reutern. Dort heißt es: „Kaiser Alexander befindet sich in Folge der fortwährenden Besorgnisse vor Attentaten in einem Zustande steter Aufregung und Gereiztheit, und der geringste Zufall ist geeignet, 'ihn außer Fassung zu bringen. Als er nun jüngst unvermuthet aus seinem Cabinet in das Dienstzimmer der Flügeladjutanten trat, traf er dort den Grafen Reutern, der, auf das Erscheinen des Czaren nicht gefaßt, es sich bequem ge macht, den Säbel abgelegt und die Uniform geöffnet hatte. Sobald er des eintretendcn Monarchen ansich tig wurde, sprang er auf, griff nach dem Säbel, wäh rend er zugleich die Uniform zuknöpfte. Diese leb haften Bewegungen, die allerdings ganz etiquettewidrig waren, erschreckten den Kaiser derart, daß er Plötzlich von der Wahnvorstellung ergriffen wurde, Graf Reu tern beabsichtige ein Attentat gegen ihn. Um der ver meintlichen Gefahr vorzubeugen, habe er rasch zur Waffe gegriffen und den unglücklichen Offizier schwer verletzt. Daß der Kaiser überhaupt an solchen An fällen leidet, ist am Petersburger Hofe längst ein offenes Geheimniß, und man will ähnliche Erscheinungen schon bei der Anwesenheit Alexander's III. in Kremsier beobachtet haben!" Die politischen Verhältnisse, die Gährung im Innern, die furchtbare Feindschaft der Nihilisten sollen die krankhafte Disposition Alexander's III. weiter aus gebildet haben. Zum Mißtrauen war er stets geneigt. Auch der schlechte Gesundheitszustand des Thronerben soll auf den Kaiser eine niederdrückende Wirkung aus geübt haben, und die Anfälle krankhafter Aufregung immer häufiger hervortreten. — Wir lassen es dahin gestellt, wie weit die vorstehenden Mittheilungen, die wir aus verschiedenen Blättern zusammengestellt, im Einzelnen auf Wahrheit beruhen. Daß sich des Czaren eine hochgradige Aufregung bemächtigt, ist nicht nur lange schon behauptet, sondern wäre auch bei den russischen Verhältnissen ganz erklärlich. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Ueber die Anwesenheit des Kaisers in Blankenburg wird von dort aus telegraphirt: Auf die Begrüßungs ansprache des Bürgermeister Rittmeyer erwiderte der Kaiser mit Worten des Dankes für den ihm bereiteten Empfang. Er freue sich, die Stätte wiederzusehen, wo er so viele frohe Stunden verlebt habe. Er danke besonders für die dem Prinz-Regenten Albrecht gegen über bekundeten Gesinnungen; derselbe habe sich auf dem Schlachtfelde, wie in der Regierung des Herzog- thumes bewährt. Abends wohnte der Kaiser der Vor stellung im Theater bei und nahm Mittag an dem um 12 Uhr stattfindenden zweiten Jagen theil. Der kaiserliche Herr wurde von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt. Nachmittags fand Diner statt. Dienstag Mittag 2 Uhr gedenkt der Kaiser mit seinem Jagd gefolge wieder in Berlin einzutreffen. Das Befinden des Kaisers ist durchaus gut. Der Prinz-Regent Albrecht wird ebenfalls am Dienstag Blankenburg wieder verlassen. Das italienische Königspaar erwartet im Laufe dieser Woche in Schloß Monza bei Mailand den Be such des deutschen Kronprinzen. Der deutsche Kronprinz wird sich von Portofino aus zu den Vermählungsfeierlichkeiten nach Weimar begeben und von da am 7. November in Berlin ein treffen. Die Kronprinzessin wird dagegen erst in der zweiten Novemberhälfte in 'Berlin erwartet. Das Ohrenleiden des Prinzen Wilhelm von Preu ßen ist wieder so stark aufgetreten, daß derselbe am Ausgehen verhindert ist. Der Kaiser hat dem KonsistorialpräsideMen vr. Hegel in Berlin aus Anlaß seines 50jährigen Dienft- jubiläums den Stern zum Rothen Adlerorden 2. Klasse verliehen. Bei seinem Empfange durch den Kaiser drückte der französische Botschafter Herbette in seiner Ansprache den Wunsch aus, sich auf den Boden der beiden Län dern gemeinsamen Interessen zu stellen. Der Kaiser erwiderte wörtlich: „Herr Botschafter, Sie haben meine Gedanken ausgesprochen, indem Sie sagen, daß Deutschland und Frankreich zahlreiche gemeinsame In teressen haben, und daß Sie in diesen den Boden für eine beiden benachbarten Nationen vortheilhafte Ver ständigung werden finden können. Dank Ihrer großen Geschäftserfahrung und Ihrer tiefen Kenntniß der Interessen, welche Frankreich mit Deutschland gemein sam hat, vereinigen Sie in sich alle nothwendigen Ei genschaften, um mit meiner Regierung an der Auf rechthaltung der guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern zusammen zu arbeiten. Ich beglückwünsche mich anfrichtig zu der Wahl, welche der Herr Präsi dent der Republik getroffen hat, indem er Ihnen die hohen Functionen übertrug, welche Sie erfüllen werden. Seien Sie überzeugt, Herr Botschafter, daß meine Mitwirkung Ihnen niemals fehlen wird, um jede Maßregel zu unterstützen, welche das von Ihnen be zeichnete versöhnliche und friedliche Ziel zu erreichen gedenkt." Das englische Panzergeschwader hat am Mon tag früh 7 Uhr Wilhelmshaven wieder verlassen, um nach der britischen Küste zurückzukehren. Der internationale Charakter der deutschen Socialdemokraten tritt wieder einmal durch be- merkenswerthe Thatsachen hervor. Zunächst sammelt man Gelder für die im Chicagoer Prozeß verurtheilten Anarchisten, und auch für die in den oberitalienischen Städten verhafteten Socialisten werden Geldsammlun gen abgehalten. Aus Consulatsberichten in China ist ersichtlich, daß 1885 2230 deutsche Schiffe (mit 1,217,685 Tonnen Gehalt) die chinesischen Häfen anliefen. Unter den Nationen, die mit China Handel treiben, steht Deutsch land an dritter Stelle, nämlich: England, Amerika, Deutschland. Dann folgt Japan, und dann erst Frankreich. Don Jaime, ältester Sohn des Don Karlos, Erbe der karlistischen Ansprüche in Spanien, liegt der „Voss. Ztg." zufolge in München am Typhus nahezu hoffnungslos darnieder. Der zum Reichsschatzsekretär designirte Herr Herr furth ist nach Varzin gereist. Es wird angekündigt, daß der nächste deutsche Ma rineetat wiederum erhebliche Mehrforderungen aufweisen wird. In den englischen Consulatsberichten werden fort während Klagen über die deutsche Eoncurrenz laut. Aus Manchester wird an das auswärtige Amt in London berichtet, daß die Deutschen zwei Drittel des südamerikanischen Handels in Händen haben, aus Mexiko bemerkt ein Bericht, daß die Deutschen bei jeder kauf männischen Unternehmung die eifrigsten Mitbewerber Englands sind, und der englische Consul in St. Pe tersburg betont, daß die deutschen Handelsreisenden die sprachgewandtesten sind. Amtliches Resultat der Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Graudenz: Hobrecht (natlib.) 9335, v. Rybinski (Pole) 8486 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt und der Wahlkreis von den Polen zurückge wonnen. Der preußische Eisenbahnminister hat ein Rescript an die Eisenbahn-Directionen erlassen, in welchem u. A. darauf hingewiescn wird, daß es sich empfiehlt, sowohl um unnöthi'ger Beunruhigung des Publikums vorzubeugen, als auch um wahrheitswidrigen Darstel lungen, Uebertreibungen und Verdächtigungen thunlichst von vornherein den Boden zu entziehen, bei Aufsehen erregenden Unfällen und Betriebsstörungen schleunigst eine kurze, rein objectiv gehaltene Mittheilung über das Sachverhältniß an geeignete Organe der Presse gelangen zu lassen. Die Strafkammer des Braunschweiger Landgerichts hat sich bereits mit der Verhaftung des Rechtsanwalts Dedekind zu beschäftigen gehabt, allerdings in gehei mer Sitzung. I)r. Dedekind soll Beschwerde gegen seine Verhaftung eingelegt haben, die aber verworfen ist. Bisher wurden außer Dedekind ein Steiger in