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den commandirenden Gmeralen fand eine Besprechung statt, um neue Zwischenfälle zu verhindern. Es steht fest, daß griechische Truppen zuerst mit Schießen be gannen und an mehreren Stellen die Grenze überschritten, das Gefecht dauerte bis Sonntag Nachmittag 4 Uhr. Das Ganze war ein mißglückter Versuch, den neuen Minister Trikupis zu stürzen und den Windbeutel Delyannis wieder an's Ruder zu bringen. Die Türkei hat eine neue Note an die Mächte gerichtet. Sie be streitet, daß ihre Truppen die Feindseligkeit an der Grenze begannen, und ist bereit, sobald Griechenland einen Termin für die Abrüstung festsetzt, am selben Tage mit der Abrüstung zu beginnen. Die griechische Regierung verfügte schon die Entlassung von 5 Klassen der Reserve. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 25. Mai. Die Gewitter am gestrigen Nachmittage haben in der weiteren Umgebung mannich- fachen Schaden angerichtet. So trat das Wetter in der Gegend von Beiern, Ziegelheim und Frohnsdorf mit bedeutendem Hagelschlag auf, in letzterem Orte waren am heutigen Morgen noch Hagelkörner zu finden. Bei Zumroda schlug der Blitz in einen Baum und zersplitterte denselben, in Glauchau zündete er eine Scheune an der Lichtensteinerstraße an, während er im Lchngrund in ein Haus fuhr, ohne zu zünden; in Mittelfrohna zündete der Blitz das Müller'sche Wohn haus an, das vollständig abbrannte, auch in Bräuns- dorf hat der Blitz zwei Mal eingeschlageü, ohne in dessen größeren Schaden zu verursachen. In Lunzenau fuhr der Blitz in die Esse des Ruckhardt'schen Hauses am Brühl und entzündete einen Haufen Scheitholz; das Feuer konnte jedoch sofort gedämpft werden. Be sonders heftig traten die Gewitter im Pleißenthale auf. In Serbitz zündete ein Blitzschlag die Scheune des Gutsbesitzers Kipping an, die gänzlich abbrannte. Auf dem Ausstellungsplatze in Altenburg zertrümmerte der Blitz einen Rüstbaum mit Flaschenzug vollständig. Erst gegen 5 Uhr ließ dort die Gewalt des Gewitters nach. Heute ist die Temperatur merklich kälter. *— Die Errichtung der hiesigen Herberge zur Hei- math erweist sich immer mehr als eine segensreiche Einrichtung, die namentlich der Anlaß ist, daß arbeits scheues Gesindel aus unserem Orte vertrieben wird. So fragte ain vergangenen Sonntag ein solcher Bumm ler in der Obergasse einen Herrn, ob hier nicht ein Stadtgeschenk gegeben würde. Es wurde dies ver neint mit dem Hinweise, daß zu Unterstützungszwecken eine Herberge zur Heimath da wäre. Ja, dort müßte man aber bezahlen, war die Erwiderung. Er könnte es auch abarbeiten, wurde ihm entgegen gehalten. „Den ganzen Tag?" „Nein, blos zwei Stunden." „Da will ich mich doch lieber nach Chemnitz zu wen den." Das that er denn auch. Man sieht, arbeiten macht nicht bei Jedem das Leben süß. — Der Bierschröter Otto Richard Nötzold aus Schloßchemnitz machte sich am 3. April dadurch einer Feuilleton. Verlorene Ehre. Roman von W. Höffer. (Fortsetzung., Das Schweigen, welches den Worten folgte, war so auffallend, daß die Diaconissin fragend zu ihrem Schütz ling hinübersah. Anna hielt immer noch die Hände gefaltet; auf ihren kindlich offenen Zügen lag der Ausdruck wehmüthigen Ernstes; das große lichtlose Auge sah wie träumend in's Leere. „Anna," flüsterte nach längerer Pause die Pflegerin, „steckt vielleicht doch hinter dieser Namensähnlichkeit ein Geheimniß? Ist die jetzige Frau Hartmann eine Verwandte von Ihnen?" Leichte Röthe flog über das Antlitz des Mädchens. Sie schüttelte den Kopf. „Sie gehört nicht zu meiner Familie — ich weiß es gewiß, liebe Julie. Sei sie, wer sie wolle — zwischen ihr und mir besteht keine Verwandtschaft." Sie stand auf und ging langsam durch das Zimmer. „Julie, beschreiben Sie mir, wie der Doctor aus sieht. Er ist groß, nicht wahr? — Das konnte ich erkennen — und er hat gewiß schöne, treue Augen?" „Einen milden, herzgewinnenden Blick," versetzte mit leisem Seufzer die Diaconissin. „So gut und freund lich, ein so vortrefflicher Mensch, wie er, ist selten Jemand." Die Blinde trat ihrer Pflegerin näher. „Weshalb sagen Sie das in so wehmüthigem Ton, Julie?" fragte sie lebhaft. Die Diaconissin schwieg längere Zeit; dann versetzte sie halblaut: „Weil mich der Name des Doctors an so Manches erinnert, liebe Anna. Auch ich war einst jung und lebensfroh, ein glückliches, vielleicht gar hübsches Mäd chen, das voll Hoffnung der Zukunft entgegensah; — recht gemeinen Handlungsweise schuldig, daß er, um seinen damaligen Arbeitgeber, Spritfabrikant Götze in Glauchau, zu schädigen, in die Spritmaische einen Klumpen Stieselschmiere mischte. Diese verdorbene Maische wurde, ohne daß der Unfug bemerkt wurde, auf acht Essigbildner gegossen, und dadurch wurde auch dieses Fabrikat sowie die Gefäße rc. ruinirt, dem Fabri kanten aber ein Schaden von 2390 Mk. verursacht. Die Zwickauer Strafkammer verurtheilte den rohen Menschen wegen dieser Sachbeschädigung zu 6 Monaten Gefängniß. — In Zwickau begann am Sonntag der Verbands tag des Unterverbandes „Saxonia" des deutschen Bäcker-Jnnungs-Verbandes im Hotel zum deutschen Kaiser. Damit fand Fahnenweihe der Zwickauer Bäcker innung statt. — In der sogenannten Eulenkluft, der Mulde, bei Wechselburg wurde am Donnerstag Abend der Leichnam eines unbekannten, etwa 40 Jahre alten Mannes gefunden. In demselben wurde später der Grünwaarenhändler Glenzel aus Langenleuba-Ober hain erkannt. Leider hinterläßt der Mann eine starke Familie. — Das Dienstmädchen im Rathskeller zu Colditz stellte in der Nacht zum 18. d. M. ein brennendes Licht auf den Stuhl dicht neben ihrem Bett und legte sich schlafen. Plötzlich erwachte sie, ihr Kopfkissen stand in Flammen; auf ihr Geschrei kam der Wirth herbei und löschte das Feuer. Aus dem Dachsenlande. — In der ev. Landessynode wurde am Montag der Antrag des Sup. Großmann, das Kirchenregiment um Veranstaltung einer Ausgabe des Landesgesangbuchs mit Melodien zu ersuchen, berathen. Der Antrag wurde nach längerer Discussion gegen 29 Stimmen abgelehnt. Die Synode trat hierauf in die 2. Berathung des Antrags Fischer und Gen. um Regelung des Z 13 der Trauordnung (kirch liche Sitte des Brautkranzes) durch ein Normalstatut ein, und beschloß gegen 1 Stimme die Annahme dieses Antrages. — Zu Schwurgerichtsvorsitzenden für die im dritten Kalendervierteljahre 1886 beginnende Sitzungsperiode sind ernannt worden: in Dresden Landgerichtsdirector v. Mangoldt, in Leipzig Landgerichtsdirector Bartsch, in Chemnitz Landgerichtsdirector Göhler, in Bautzen Landgerichtsdirector Exner, in Freiberg Landgerichts director Vollert, in Zwickau Landgerichtsdirector Du. Wolf und in Plauen Landgerichtsdirector Kurtz. — In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat die Königliche Altersrentenbank in Dresden (Altstadt, Landhausstr. 16, im Landhaus) 778,129 Mk. in 2393 Einlagen vereinnahmt, gegen 1892 Einlagen mit 452,511 Mk. im gleichen Zeiträume des Vorjahres. Diese erfreuliche Weiterentwickelung scheint sich auch im laufenden Monat fortzusetzen und dürfte unter An derem darin ihren Grund haben, daß die genannte Bank jederzeit Einlagen (von 1 Mk. an bis zu be liebiger Höhe hinauf) annimmt, ohne den Einleger an einen bestimmten sogenannten Sammclmonat zu binden. Hierbei ist neben anderen Vortheilen, die den Versicher ten geboten werden, noch besonders hervorzuheben, daß die Altersrentenbank bei Berechnung des Eintrittsalters einen Zeitraum bis zu 6 Monaten nach dem Geburts tage unberücksichtigt läßt, während der Lauf der bei ihr erworbenen aufgeschobenen Renten sich nach dem Geburtstage richtet. Man ersieht hieraus, daß die Ver sicherten sich durch Benutzung der erwähnten Einrich tung einen nicht zu verachtenden Zinsenvortheil ver schaffen können. Eine am 28. November 1855 ge borene Person z. B., welche am 28. Mai 1886 ein Capital zur Erwerbung einer vom 50. Jahre an laufenden Altersrente einzahlt, wird noch für 30jährig angesehen; der Laus ihrer Rente beginnt aber schon mit dem 1. Januar 1906, bis wohin nicht 20 Jahre, sondern nur 19 Jahre 7 Monate zu verstreichen brauchen, der Versicherte macht also einen Zinsgewinn von 5 Monaten. — Pachtfrei werden mit dem 31. December d. I. die Bahnhofsrestaurationen zu Borna, Dahlen, Lengen feld, Olbernhau, Oelsnitz bei Lichtenstein, Schirgis walde, Stollberg, Werdau, Zwickau und Zwönitz. Die Verpachtung erfolgt auf 6 Jahre unter den auf allen Stationen einzusehenden allgemeinen Bedingungen. Pacht gebote sind bis zum 9. Juni d. I. an die Kgl. Gene- raldirection in Dresden einzusenden. — Die königliche Kreishauptmannschaft zu Leipzig hat auf Grund von K 28 des Socialistengesetzes dem früheren Tischler und jetzigen Restaurateur Adolph Weber aus Nossen und dem bereits aus Berlin aus gewiesenen Tischlergesellen Emil Richard Köppe aus Leipzig, Beide zuletzt in Leipzig, den Aufenthalt in der Stadt Leipzig und im Bezirke der Amtshauptmann schaft Leipzig versagt. — In Leipzig fand am Sonntag die feierliche Grundsteinlegung zur neuen Buchhändlerbörse statt. — Am Sonntag Nachmittag fand im Harthwalde zwischen Zwickau und Crimitschau eine socialdemokratische Versammlung statt, zu der etwa 400 Socialisteu aller umliegenden Ortschaften sich getroffen hatten. Der Obergendarm von Zwickau und ein Gendarmerie-Bri gadier, die von der Sache Kunde erlangt und sich da hin begeben hatten, wurden mit Schimpf- und Droh reden, ja selbst mit Steinwürsen empfangen. Dabei wurde der Brigadier im Gesicht verletzt, aber auch ein Theilnehmer an der Versammlung von einem fehlge- gangenen Steinwurf erheblich verwundet. Die Theil- nehmer an der Zusammenkunft hatten sich dem Ver nehmen nach einige Faß Bier nachfahren lassen. — In Neukirchen bei Crimitschau fand am 23. d. Bezirkstag sämtlicher Militär- und Kriegervereine des Bezirks Zwickau statt. — Der in Geithain verhaftete Bürgermeister Schrader aus Coswig in Anhalt hat 4000 Mark Staatsgelder veruntreut und außerdem einen Wechsel von über 6000 Mark uneingelöst gelassen. ich will es Ihnen mit kurzen Worten sagen," fuhr sie fort. „Unter den Genossen der Kindheit befand sich einer, dem mein Herz gehörte und der mich liebte, seit wir Beide zusammen in die Schule gingen. Verarme Johannes war kränklich, seine Brust barg den Tod — das wußte ich immer schon — aber doch hing meine ganze Seele an ihm, und wie ich damals nur für ihn lebte, so ist es heute sein Andenken, dein ich treu bin und bleiben werde. Wie oft hat ihn Julius Hart mann vertheidigt, wenn der Uebermuth der Andern seine Schwachheit verhöhnte, wie oft hat er für meinen armen Freund geduldig eine Strafe erlitten! — Und dann, als er während seines letzten langen und ein samen Krankenlagers hier im Spital als Arzt am Bette des Dulders stand, da war er es, der ihm treulich die schweren Stunden ertragen half, ihm den Schlaf seiner Nächte und die seltenen Augenblicke der Muße fast ein Jahr hindurch opferte und in dessen Armen Johannes zur letzten Ruhe einging. — Ich kam später als eine Pflegerin hierher. Dies Haus ist die Stätte, an der ich mein Leben beschließen will, eben jener Erinnerung willen. — Der Doctor weiß davon nichts, und er braucht es natürlich auch nicht zu erfahren, aber als ich ihn zum ersten Mal so unerwartet wiedersah, da war mirs doch, als ob all' das alte Leid plötzlich aus seinem Schlummer erwache. Möchte Julius Hartmann glücklich werden — ich wünsche es ihm von Herzen, allein des armen Johannes wegen!" „Amen!" flüsterte die Blinde, indem sie gerührt der Diaconissin die Hand reichte. „Ja, ja, möge er glück lich werden!" Auf dem hübschen, kindlichen Gesichtchen erschien ein Ausdruck fast heiterer Zufriedenheit und Ruhe. Während Elisabeth, rastlos fürchtend, den Stachel der Reue mit sich herumtrug, während sie in den Aus brüchen wilder, verzweifelter Angst die Betrogene einen Teufel an Grausamkeit nannte, lag diese mit leicht in einander gefalteten Händen lächelnd so voll Frieden und Versöhnung, und was sie dachte, war ihr bewußt, ihr Gebet für das Glück derjenigen, die mit kecker Hand in ihr Schicksal Hineingriff und demselben seinen letzten Halt raubte. Tag um Tag verging. Die Diaconissin ordnete be reits für den Ausflug nach M. ihre eigene und die Garderobe ihrer Schutzbefohlenen. Julius und Eli sabeth befanden sich auf der Heimreise. Der Doctor hatte seinen Zweck erreicht; es befremdete ihn nicht, daß Elisabeth heute nach rechts und morgen nach links zu gehen wünschte, daß sie im Grunde mit allen ihren Gedanken und Plänen immer der gegen wärtigen Stunde vorauseilte und offen eingestand, wie gerne sie die Reise bis in's Unendliche hinein ausge dehnt wissen möchte. Das Ganze Ivar ja ein in der Wirklichkeit gestohlenes Glück, ein holder Traum zwischen Wachen und Schlafen, es gab ihr neuen Reiz, neuen Zauber, heute im frühlingsgrünen Thale am Seeufer und unter blühenden Feldern dahinzugehen, morgen hoch oben auf dem Gebirge in der halbzerfallenen Hütte des einsamen Waldwärters ein Nachtquartier zu suchen und vielleicht nach wenigen Augenblicken auf dem ! Dampfschiff stromabwärts zu gleiten, einerlei wohin, nur nicht unter viele Menschen, nicht in große Städte mit ihrem lauten Markt und ihrem treibenden,'lärmen den Gewühl. Aber er schüttelte den Kopf, als sie ihn bat, seinen Urlaub zu verlängern. „Es geht nicht, Schatz! Ich könnte es kaum ver antworten, auch nur wenige Tage fern zu bleiben. Die Pflicht steht höher als das Glück — nicht wahr, mein Lieb?" Sie wurde wieder so blaß wie immer, wenn er irgend ein solches Wort sprach. Julius konnte ihr, so bald er erst Alles erfahren hatte, nie im Leben verzeihen — das wußte sie nur zu wohl. (Fortsetznug folgt.)