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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn, und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mt. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Gingest 20 Pf. Expedition: Waldenburg; Kirchgasse 255. N»d Saldenburger Anzeiger. Amtsblatt fiir bk» Stadtrath zu WMndmg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig am Markt; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn, Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. —— Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirkt: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Gieba, Grumbach, Hohenkirchen, Kaufungen, Langenchurs dorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, den 29. Juli 173. 1886. Witterungsaussichtm für 29. Juli (telegraphischer Bericht des kgl. meteorologischen Instituts zu Chemnitz): Bei westlicher Windrichtung abnehmende Bewölkung ohne wesentliche Niederschläge. Temperatur wenig verändert. Bekanntmachung. Die noch rückständigen Commun-Anlagen sind binnen 3 Tagen und längstens den 2. August d. I. zur hiesigen Stadtsteuer-Einnahmezu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist wird wider die säumigen Zahler unnachsichtlich das Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden. Waldenburg, am 27. Juli 1886. Der Stadtrat h. Kretzschmar, Brgm. "Waldenburg, 28. Juli 1886. Die wahren Vertreter des arbeitenden Volkes haben sich die socialdemokratischen Abgeordneten im deutschen Reichstage bei jeder Gelegenheit genannt, mochte dage gen protestirt werden, so viel da wollte. Sie blieben bei ihren Behauptungen, indem sie es an Reden nicht fehlen ließen, die sich eigenthümlich zu ihrer praktischen Thätigkeit ausnahmen. Die „wahren Vertreter des arbeitenden Volkes" ließen es gerade im Reichstage an praktischer Arbeitsamkeit fehlen, und bekannt ist ja, daß in den Reichstagscommissionen, wo weniger geredet, aber um so mehr gearbeitet werden muß, die Herren Socialdemokraten es häufig vorzogen, durch ihre Ab wesenheit zu glänzen. Trotz- und alledem blieben sie, vermöge der Eigenschaft des „großen Mundes", bei . ihren kühnen Ausführungen, erweiterten sie sogar dahin, daß die Arbeiter nur in der Socialdemokratie ihr Heil und ihre Zukunft erblickten. Die Arbeiter sind in der großen Mehrzahl einfache Menschen; solche bombastt- schen Reden sollen sie erst recht perplex machen und gehorsam gegen die socialdemokratischen Agitatoren, und für eine Zeitlang mag ja auch wohl das angehen. Kommt aber die Zeit der Noth, dann pfeift der Wind j aus einer anderen Ecke, der stolze Muth wird schwach, man erkennt den wahren Werth der agitatorischen Reden. Besonders in Folge der Strikes haben es sich manche Arbeiter, die mit dem großen Strom schwim men zu müssen glaubten, blutsauer werden lassen müssen, um ihre durch den Strike ruinirte Wirthschaft nur einigermaßen wieder in Stand zu bringen. Und haben sie dann mit klarem Blick die Resultate der Arbeitseinstellung abgewogen, dann hat es auch aus manchem Munde geheißen: „Einmal und nicht wieder!" Worin beruht die Macht der Socialdemokratie? Nicht in den erfahrenen Arbeitern, sondern in jungen Leuten. Ein praktischer Arbeiter, der sich den Wind um die Nase hat wehen lassen, der pfeift auf die so- cialistische Herrlichkeit, er weiß ganz genau, wo Barthel den Most holt. Aber die junge und jüngere Arbeiter welt, besonders in den Großstädten! Da kommt ein junger, unreifer Bursche von vierzehn oder fünfzehn Jahren in die Lehre; er will nach den Schuljahren „forsch" leben und überall mitsprechen können. Gesel len oder Gehilfen sind eifrig bei der großen socialen Tagesfrage in den Mußestunden, und da schnappt der junge Mensch denn mit der Zeit manches Wort auf, dessen wahre Bedeutung er nur halb oder gar nicht versteht. Es muß anders werden! das Wort gefällt auch ihm. Daß es bei Fleiß und tüchtiger Arbeit seinerseits auch recht wohl anders werden kann, ja daran denkt er nicht, er rechnet sich auch schon zu den „unterdrückten Männern von der schwieligen Faust!" Eine gedeihliche Lection würde dem jungen Menschen die Raupen bald aus dem Kopf treiben, aber wer achtet groß auf die Redereien eines nur halb erwach senen Burschen? Mittlerweile vergeht die Lehrzeit, und beim Eintritt in das Gesellen-' oder Gehilfen-Leben finden sich auch schnell gute Freunde, die dem neuen Cvllegen den unklaren Kopf mit Phrasen erst recht verdrehen. Einige Zeit noch — und der Rekrut der Socialdemokratie ist gewonnen. Es geht weiter und weiter, bis endlich die „große Sache" einen neuen An hänger zählt, der freilich oft genug auch nicht ein Fünkchen von Erfahrung über das besitzt, wofür er spricht. Das ist die Art und Weise, wie sich die Social demokratie rekrutirt; deshalb ist es erklärlich, warum die Socialdemokraten in der letzten Reichstagssession eine Herabsetzung des Alters für das Wahlrecht for derten. Es ist aber doch ganz selbstverständlich, daß erst dann ein Staatsbürger über Staatsangelegenheiten durch seine Wahl ein Urtheil abgeben kann, wenn er gelernt hat, sich selbst eine Existenz als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zu schaffen. Wer selbst noch nichts versteht, soll sich auch nicht anmaßen, über ihm viel ferner liegende Dinge zu sprechen. Es ist schwer, sehr schwer, dem Einfluß der Socialdemokratie aus die jungen Köpft entgegenzuarbeiten, um so mehr müßte es aber Jeder thun, der die Erziehung junger Leute unter sich hat. Ein gutes Wort zur rechten Zeit thut Wunder- Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Wildbad Gastein wird vom Dienstag telegra phisch gemeldet: Se Maj. der Kaiser Wilhelm machte gestern Abend 6 Uhr eine Ausfahrt nach dem Köt- fchachthal. Heute früh nahm Se. Maj. ein Bad und machte um 10 Uhr eine Ausfahrt. Später erschien der Generallieutenant von Albedyll zum Vortrag. Der deutsche Kronprinz wird die vom 4. bis 6. September bei Lager Lechfeld stattfindenden Kavallerie- Divisionsübungen besichtigen und am 4. September in Augsburg, am 6. September in Schloß Baben hausen Absteigequartier nehmen. Am 18. August wird der Großherzog von Ba den in Straßburg eintreffen, um als General-Jnspec- teur des 15. Armeecorps den Herbstübungen des letz teren bis zum Schluffe der Kaisermanöver beizuwohnen. Die Ueberführung des Herzens König Ludwig's II. nach Altötting wird Mitte August per Ext^z»g erfolgen. Ueber die Zusammenkunft des Reichskanzlers mit dem Grafen Kalnoky in Kissingen entnehmen wir einem längeren Bericht noch Folgendes: Die Zusam menkünfte im Schloß an der oberen Saline haben stundenlang gedauert, sowohl vormittags, wie nachmit tags. Verschiedene Male holte der Reichskanzler den österreichischen Staatsmann aus dessen Hotel mit dem vom Prinz-Regenten Luitpold zur Verfügung gestellten Hofwagen persönlich ab. Als Fürst Bismarck beim ersten Besuch zu den Gemächern des Grafen Hinanstieg, eilte ihm dieser mit den Worten entgegen: „Aber, mein lieber Fürst, Sie bemühen sich selbst hierher?" worauf der Reichskanzler scherzend erwiderte: „Nun, ich muß doch sehen, wie es bei Ihnen, lieber Graf, aussieht." Die Unterstützung beim Treppensteigen seitens des Portiers und eines Kammerdieners wehrte der Kanzler lächelnd ab. Gleichwohl meinte er: „So recht geht's mit der alten Knochen doch nicht mehr." Der öster reichische Minister des Aeußeren ist mindestens einen Kopf kleiner, als der Reichskanzler. Zudem ist er schmächtiger und zarter gebaut. Die beiden Diploma ten redeten bis zum letzten Augenblick vor Abgang des Zuges angelegentlich mit einander. Die zwanglose Toilette auf beiden Seiten verrieth, daß alle leeren Formalitäten mit Absicht vermieden waren. Diese Beobachtung ließ sich auch während der vorhergehenden Tage machen. Der Kanzler in langem blauem Gehrock und dunklen Beinkleidern trug seinen chamoisfarbenen Schlapphut, die bekannte große Stahlbrille und in den unbehandschuhten Händen einen derben braunschwarzen Stock mit gewaltiger Krücke. Während des Gesprächs zog er einen mächtigen kettenlosen Chronometer von altfränkischem Zuschnitt aus der Westentasche. Der Abschied erfolgte unter herzlichen Händedrücken. Was in Kissingen beschlossen, weiß natürlich Niemand genau. Jedenfalls ist aber das deutsch-österreichische Bündniß gefestigt und das ist die Hauptsache. Der katholische „Bayr. Kour." erklärt: Auf Grund ganz authentischer Informationen sind wir in der Lage, zu erklären, daß Se. Heiligkeit der Papst selbst wie derholt seine Befriedigung über die kirchliche Lage in Bayern im Allgemeinen in unzweideutiger Weift ausgesprochen hat. Es geschah das nicht mit Bezug auf die prinzipielle Stellung von Staat und Kirche in Bayern, sondern mit Bezug auf die thatsächlich be stehenden Verhältnisse! Das dürfte nun endlich dem Zank ein Ende machen. Der socialistische Abg. Heine hatte bekanntlich im Reichstage sehr lebhaft über die Behandlung geklagt, die ihm während seiner Strafhaft wegen Preßvergehens im Halberstädter Gefängniß zu Theil geworden. Diese Behauptungen hatte die „Freis. Ztg." zu einem Artikel benützt, durch den sich der Staatsanwalt Schöne be leidigt fühlte. Am Dienstag fand die Verhandlung darüber statt, in welcher Redacteur Barth zu 500 Mt. Geldbuße verurtheilt wurde. Heine mußte zugestehen, daß er in der Erregung nicht das Richtige gesagt. Auf den Einwand des Redacteur Barth, der incrimi- nirte Artikel sei wesentlich nur ein Abdruck der Hei- ne'sche Reichstagsrede gewesen, ging der Gerichtshof nicht ein; die Einleitung und der Schluß des Artikels machten denselben strafbar. Am kommenden Donnerstag findet auf der Germania- Werft zu Gaarden der Stapellauf des neuen Aviso's „Ersatz Loreley" statt. Die Reichspostdampfer nach Ostasien und Austra lien sollen künftig außer Antwerpen auch Southampton anlaufen. Die Aenderung ist bereits genehmigt. Am 1. August geht der Dampfer „Neckar" nach Ostasien, am 15. die „Habsburg" nach Australien. Der Vorstand des kaufmännischen Vereins in Kassel hat beschlossen, sich an die gleichartigen Vereine der Städte von 30,00(1 Einwohnern ab zuwenden, um ge meinsam mit ihnen bei der Postverwaltung dahin zu petitioniren, daß das Stadtporto auf 3 Pf. pro Brief ermäßigt werde. Darauf wird Excellenz von Stephan schwerlich eingehen. Weshalb sollten denn übrigens auch die Städte unter 30,000 Bewohner un berücksichtigt bleiben. Holland. Einen ganz gewaltigen Pöbelfkandal hat es in Amsterdam gegeben. Sonntag Abend kam es schon wegen Verbots eines Volksfestes zu Streitigkeiten zwi schen Bevölkerung und Polizei. Nachdem auf beiden