Volltext Seite (XML)
Hüllungen aus dem Leben König Ludwigs ge bracht würden, die aus Scandalsucht, Reclamelust und Gewinnsucht hervorgehen. Alles, was den Geisteszustand des Königs habe klarstellen können, sei bereitwillig ver öffentlicht, aber für das jetzt beliebte Verfahren fehle in der Sprache anständiger Leute jeder Ausdruck. Krankheit und Tod in so unglücklicher Verkettung soll ten doch auch rohen Gemüthern ein achtungsvolles Schweigen auflegen! England. Es sind nunmehr 357 Wahlresultate bekannt. Gewählt sind 187 Conservative, 43 liberale Gegner Gladstone's (Unionisten), 88 Gladstoneaner, 39 Irlän der. Der frühere Minister Dilke, der durch seinen Ehebruchsprozeß so viel von sich reden machte, ist nicht wieder gewählt. Er war auch iu der irischen Frage ein Anhänger Gladstones. Conservative und Unionisten haben zusammen 25 Sitze, die Gladstoneaner 10 Sitze gewonnen. Die Wahlen werden noch reichlich acht Tage dauern. Montag Nacht machte in Dublin ein Volkshaufe einen Angriff auf das Lokal des konservativen Arbeiter- klub's und auf die Orangistenhall (Versammlungslokal der Orangisten, der Gegner Parnell's) und versuchte, die Thüren zu erbrechen. Die in den Häusern be- j findlichen Personen feuerten aus den Fenstern auf die > Angreifer, von denen einer getödtet und 36 verwundet wurden. Schließlich wurde von der Polizei die Ruhe wieder hergestellt. Rußland. Ein Ukas des Kaisers von Rußland hat angeordnet, daß Ba tum in Armenien, welches durch den letzten Krieg an Rußland fiel, aufhören soll, Freihafen zu sein. Der Berliner Vertrag erhält durch dieses Vorgehen, das gewissermaßen als nachträgliche Antwort auf den Staatsstreich des Fürsten von Bulgarien an gesehen werden muß, einen neuen Riß. Erklärte doch der Kaiser von Rußland im Artikel 59 des erwähn ten Vertrages in bestimmter Form seine Absicht, Ba- tum zu einem Freihafen, der hauptsächlich für den Handel bestimmt ist, zu machen. England hatte ent schieden gegen die Abtretung Batum's an Rußland protestirt und war nur durch diesen Artikel beruhigt. Die Aufhebung desselben trifft besonders dendritischen Handel. Rußland kann sich jetzt aber nicht mehr über den Fürsten von Bulgarien beschweren, es ist jetzt selbst in bester Form vertragsbrüchig geworden. Aus Petersburg ist jetzt in den russischen Ostsee provinzen der Befehl eingegangen, daß alle Trinksprüche, welche auf den dem GroßfürstcnWladimir während dessen Rundreise veranstalteten Festen ausgebracht werden, in russischer Sprache zu halten seien. Das ist denn doch ein starkes Stück. Viel fehlt nun nicht mehr zum völligen Verbot der deutschen Sprache. Aus dem Muldenthale. *Waldenbnrg, 7. Juli. Der Bau des hiesigen Postgebäudes auf der Brandstelle des Frl. Kaufmann'- schen Grundstückes schreitet zur Zeit flott vorwärts. Derselbe wird im Rohziegelbau mit Simsen und Ein fassungen aus Rochlitzer Porphyr aufgeführt und ver spricht eine Zierde der Stadt Waldenburg zu werden. *— Anläßlich des nächsten Sonntag hierselbst statt findenden V. Gauturnfestes des westlich-sächsischen Grenzgaues hat die Firma Hugo Naake in Glauchau geschmackvolle Erinnerungsmedaillen anfertigen lassen, welche auf der einen Seite den Kopf des Turnvaters Jahn mit dem vierfachen § und auf der anderen Seite das Schönburg'sche Wappen und dasjenige der Stadt Waldenburg mit der Inschrift: „Zur Erinne rung an das V. Gauturnfest zu Waldenburg am 11. Juli 1886" zeigt. Die Medaille hängt an einer grün- und rothweißen Schleife. *— In der Vogel'schen Fabrik in Lunzenau kam am Montag ein junger verheiratheter Mann, der erst seit einigen Tagen dort beschäftigt ist, mit einer Hand unter die Walzen und erlitt derselbe derartige Quet schungen, daß die Hand abgelöst werden mußte. Aus dem Sachfenlande. — Herr Director Bier erläßt als Vertreter des 14. deutschen Turnkreises folgendes Rundschreiben: Mancherlei außerordentliche Verhältnisse und Wünsche, die manchem unserer Turnfahrtsgenossen die Entschei dung über seine Theilnahme an der vierten Alpenturn fahrt diesmal erschwerten, so daß in der pünktlichen Bestellung eine Verzögerung eintreten mußte, und der Umstand, daß von den Meerturnfahrern eine größere Anzahl Karten zur Verfügung steht, veranlassen den Kreisturnrath, den Anmeldetermin billiger Weise vom 2. Juli auf den 13. Juli d. I. zu verlängern und von der Erhebung eines Zuschlages überhaupt abzuse hen. Den mehrfach aufgetauchten Gerüchten gegenüber, die Fahrt von Graz nach Triest käme überhaupt nicht zu Stande, bemerken wir, daß durchaus kein Grund zu solch übler Nachricht vorhanden ist, daß sich viel mehr der Turnverein „Eintracht" in Triest, wie die ganze Deutsche Colonie zu einem frohen Feste rüsten, das uns den Aufenthalt in jeder Hinsicht zu einem schönen und genußreichen gestalten wird. — Im Jahre 1885 hat Se. Maj. der König zu den Kosten des kgl. Hoftheaters zu Dresden nicht 800,000 Mk., wie nach dem „Dresdner Anzeiger" be richtet wurde, sondern nach einer Mittheilung der kgl. Generaldirection an das genannte Blatt im Ganzen nur 466,908 Mk. beizusteuern nöthig gehabt. Die Kreishauptmannschaft Leipzig hat auf Grund des Socialistengesetzes zwei Mitglieder des aufgelösten Metallarbeiter-Fachvereins, den Schlossergesellen Deu- mer und den Metallarbeiter Johannes, aus Leipzig ausgewiesen. — Bei dem diesjährigen, am 10. und 11. Juli in Chemnitz stattsindenden Sächsischen Gemeindetag, welcher die Förderung der Interessen des Gemeinde wesens bezweckt, gelangen u. A. zur Besprechung: die Schankfrage (Beschränkung der Trunksucht durch Be- Feuilleton. Verlorene Ehre. Roman von W. Höffer. (Fortsetzuna.) „Ob auch das Versteck im Gebüsch mich mit grünen Armen dicht und sicher beschützte, so hinderte doch das natürliche Grauen jedweden Schlaf; ich horchte die ganze Nacht und fürchtete mich vor dem leisesten Ge räusch. Jetzt, wo ich den bewohnteren Gegenden näher kam, ängstigte mich der Gedanke an meinen Anzug. Woher einen anderen nehmen? Da lag am Wege eine niedere Hütte, deren arm seliges Aussehen mir Vertrauen erweckte. Die Men schen, welche unter diesem Dache lebten, konnten keine Zeitungen lesen, sie wußten nichts von den Ereignissen der Welt draußen. Ein Kätzchen spielte im Sonnen schein, die Thür war nur eingeklingt, auf den Lehm dielen des einzigen, Küche und Zimmer bildenden Rau mes stand eine plumpe, hölzerne Wiege mit einem Säugling — sonst war Alles leer und todtenstill. Wahrscheinlich arbeiteten die Eltern auf dem Felde und hatten ihr Kindlein wie immer im Schutze des Him mels allein lassen müssen. Ich konnte mich von dem unschuldigen Gesichtchen in den groben, bunten Lumen nicht losreißen. Wie glücklich waren die Aermsten gegen mich! Niemand kam, ich schaukelte die Wiege, halb betäubt von der Stille und Stubenluft, ich war tete über eine Stunde, bis es sich wie ein Nebel auf meine Augen legte und mir die Sinne schwanden, so sehr ich auch gegen die Macht der Ermüdung ankämpfte. Ein Zustand wie ein halbes Träumenüberschlich mich, Ich durchlebte wieder die Scene im Hotel zu Ham burg, und dann zerflossen auch die Schreckbilder in nichts. Es war Dämmerung, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und die Stimme einer Frau zu mir sprach. Sie hatte bei ihrer Rückkehr vom Felde am Mittag den unerwarteten Gast neben der Wiege auf dem Fußboden schlafend gefunden und aus Men schenliebe unter den müden Kopf ein Kiffen geschoben. Jetzt, als es dunkelte, fragte sie mich nach Zweck und Ziel meines Weges — Minuten vergingen, ehe ich zur rechten Besinnung kam. Der kurze Schlaf, anstatt mich zu kräftigen, hatte mir vielmehr die empfindlich sten Kopfschmerzen zugezogen, ich fühlte mich so krank wie nie in meinem Leben. Die gutmüthige Frau mochte es sehen; sie brachte mir in einer Schale etwas warmen Kaffee und fragte, ob ich wohl vom rechten Wege abgekommen sei? Gewiß eine Dame aus der Stadt, die sich nicht wieder zurechtfand. Ich ergriff begierig den naheliegenden Jrrthum und zeigte dann, nachdem das Mitleid der Bäuerin erweckt worden war, wie zufällig mein Portemonnaie. „Wenn mir die freundliche Frau einen ihrer An züge verkaufen wollte, den groben Rock sammt Mieder und Schürze — den würde ich gut bezahlen." Der Anblick des Geldes that, wie immer, seine Schuldigkeit. Die Bäuerin und ihr inzwischen nach Hause gekommener Mann sahen sich fragend an. So viel Silber und Gold mochte unter dem Binsendache nie gewesen sein, so viel Aussicht für den Moment, im Besitz zu schwelgen, hatten sie noch niemals gehabt. Die Frage war bald zu meinen Gunsten entschieden, ich nahm die schlechten Lumpen und verabschiedete mich, ohne das gebotene Nachtlager zu acceptiren. Auch hierher konnten sich Gensdarmen verirren— ich mußte mir die Möglichkeit der Flucht erhalten. Aber meine Füße waren schwer wie Blei, mein Kopf schmerzte, ich hustete viel, und mehr als einmal während des letzten Tages hatte ich Blut gespieen — nur langsam, Schritt für Schritt, gelangte ich bis an ein Tannengehölz, wo unter dem Schutze der Finster niß die Bauernkleider angelegt und die früheren um einen Stein fest zusammengewickelt wurden. Das nächste Moorwasser begrub in seinem schwarzen Schooß dieses Bündel. schränkung der Zahl der Schankwirthschaften) und die bezüglich des Krankversicherungsgesetzes gemachten Er fahrungen. Die Versammlung wird dm 10. Juli vormittags 10 Uhr im Saale der „Börse" eröffnet. — In Lugau gingen am Sonnabend die beiden, Herrn Facius gehörigen Schimmel durch, einer davon brach zwei Beine und mußte auf der Stelle todtge- stochen werden. Beide Pferde zusammen kosteten wohl 7000 Mark. — Vergangenen Dienstag erhielt der in Böhmen geborene und dem österreichischen Unterthansverbande noch angehörige Stuhlbauer Anton Behr in Crim mitschau, ein socialdemokratischer Agitator, von der dortigen Stadtbehörde eine Ausweisungsordre, wonach ihm der fernere Aufenthalt in der Stadt Crimmitschau versagt, und er zugleich aus dem Königreich Sachsen ausgewiesen wurde. Binnen 3 Tagen hatte er dem gemäß die Stadt und das Land zu verlassen. — Bei einem Gewitter am Sonntag früh fuhr ein Blitzstrahl in das Schlachthaus des Herrn Restaura teur und Fleischermeister Herrmann in Radebeul. Ein daselbst beschäftigter Fleischergeselle, ans Nieder lösnitz gebürtig, blieb auf der Stelle todt. Sein Leichnam sah auf der einen Seite ganz schwarz aus. Herr Herrmann kam erst nach vielen Stunden wieder zum Bewußtsein; er ist auf beiden Füßen gelähmt. — In der Rose'schen Dampfziegelei in Borna kam am Sonnabend eine Arbeiterin, die ledige Müller aus Hain, einer im Gang befindlichen Maschine zu nahe, sodaß ihr der linke Arm bis auf einen kleinen Stumpf abgerissen wurde. — Am Freitag gegen Abend wurde Herr Gutsbe sitzer Fuchs in Kaselwitz beim Heuaufladen so un glücklich durch den sogen. Wiesbaum in die Höhe ge schnellt, daß er beim Herabstürzen auf der Stelle todt war. — Am Sonntag, den 27. Juni, gegen Abend wurde auf der Tremnitzer Gemeindeflur bei Elsterberg ein unbekannter Mann, wie es schien ein in den 50er Jah ren stehender reisender Handwerksbursche, in sehr heruntergekommenem Zustande aufgefunden und in dem Tremnitzer Gemeindespritzenhaus untergebracht und mit Speise und Trank erquickt. Am Montag früh wurde er todt aufgefunden. Ein Schlagfluß hatte seinem Leben ein schnelles Ende bereitet. — Am Sonntag Nachmittag ist durch Unverstand eines 12jährigen Knaben in der Maschinenfabrik und Eisengießerei von Franz Richter in Döbeln Feuer ausgebrochen, wodurch das Fabrikgebäude und der Niederlagsraum vernichtet wurden. — In Waldkirchen bei Zschopau fand eine mit Krämpfen beladene Frau dieser Tage einen bedauerlichen Tod. Dieselbe hatte ihr jüngstes 6wöchiges Kind auf dem Arm, als sie, von Krämpfen befallen, in eine mit Wasser gefüllte Wanne fiel und darin erstickte. Das Kind erhielt eine leichte Verletzung. — In der Arbeiter-Colonie Schneckengritu i. B. fanden bis jetzt 190 Colonisten Aufnahme. Der Be- Jch konnte es nun wagen, auf den gebahnten Stra ßen zu bleiben; es gingen Gensdarmen und Polizisten an mir vorüber, ohne Verdacht zu schöpfen. Nur wenige Stunden, dann war der Zielpunkt erreicht und der Rest meiner versteckten Pretiosen mußte das Weitere thun. — Aber Gott wollte es anders. An der Schwelle der Rettung brach ich zusammen, ein heftiges Fieber hatte mich ergriffen, der Schmerz in der Brust war unerträglich, ich taumelte und konnte mich kaum bewegen. Mit dem Aufwand der letzten versagenden Kräfte kroch ich in ein Gebüsch, an dessen innerein Rande eines jener vielen stehenden Gewässer des Flach landes sich ausdehnte und wo ich, auf den Wurzeln einer alten Eiche sitzend, im Spiegel der ruhigen Fluth mein Gesicht voll heimlicher Furcht betrachtete. Es glich vollständig einer Leiche. Mehrere Male versuchte ich zu gehen, aber immer umsonst; ich fiel wieder zu rück auf das Moos und blieb endlich mit geschloffenen Augen, halb wachend, halb träumend liegen. All' die Bilder der letzten, wechselvollen Zeit zogen an meiner Seele vorüber, ich erinnerte mich voll Schauder jener furchtbaren Anklage, die gegen mich ausgesprochen war, ich versuchte es, um der drohenden Schande willen, den Entschluß des Selbstmordes zu fassen, aber jedes mal, so oft mein Blick das stille schwarze Wasser traf, hielt mich ein unbesiegbares Grauen von der That zurück. Wie lange dieser quälendeZustand dauerte, ist mir unbe kannt geblieben — vielleicht mehrere Tage und Nächte, vielleicht nur ebenso viele Stunden. Das Erste, was an mein Ohr schlug, waren verworrene Stimmen, einige Männer sprachen unter einander, ein alter Schäfer mit Strickzeug iu der Hand befühlte meinen Puls und schüt telte den Kopf; ich selbst lag in einer Art Erstarrung, die sogar den Gedanken an Flucht und Entdeckung gefesselt hielt. Erst als Gensdarmen hinzukamen und als man mich auf einem Ackerwagen in das nächste Dorf brachte, ging mein Zustand in das Delirium des Nervenfiebers über." (Fortsetzung folgt.)