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nächsten Montag im Herrenhause selbst berathen werden. Frankreich. Eine Pariser Anarchisten-Versammlung prote- ftirte gegen die in Decazeville wegen Aufreizung er folgte Verhaftung von zwei Redacteuren des Rochefort'- Jntransigeant. Mehrere andere anarchistische Schrift steller sind nach Döcazeville gereist. Belgien. Im belgischen Strikedistricte herrscht unter den Ar beitern noch immer große Währung, wenn auch äußerlich Alles ruhig. Verschiedene Attentate auf Of- ficiere sind vorgekommen. Spanien. Sonntag fanden in ganz Spanien die Neuwahlen zur Volksvertretung statt, bei denen es im Allgemeinen ruhig hergegangen zu sein scheint. In Madrid wur den 5 ministerielle und ein republikanischer Abgeord neter gewählt, der republikanische Führer Castelar Huesca. Italien. Freitag Abend sand in Mailand ein neuer Ar beiterkrawall statt. Eine Escadron Cavallerie jagte die Arbeiter auseinander 80 Arbeiter sind verhaftet, von denen schon gegen 25 zu Gefängniß bis 1 Monat verurtheilt wurden. England. Der frühere Staatssekretär für Irland, Forster, ist in London am Montag gestorben. Serbien. Unter dem Präsidium des früheren Premiers Gara- schanin ist das neue serbische Ministerium zu Stande gekommen. Garaschanin hat aber das Aus wärtige an den früheren Kriegsminister Franassovic abgetreten und dafür das Ministerium des Innern übernommen. Der Oberbefehlshaber der Armee, Horvatovic ist zugleich Kriegsminister geworden. Amerika. Aus New-Jork wird bestätigt, daß die Rebellen in Uruguay völlig geschlagen sind. Sie haben keinen Sieg davongetragen. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 6. April. Im Handelsregister des hiesigen Amtsgerichts ist auf Folium 72 die Firma A. Gerhardt, vorm. Brockmann in Waldenburg und als deren Inhaber Herr Anton Ludwig Gerhardt ein getragen worden. *— Es sind nachgemachte Fünfmarkstücke aus Blei- Composition in Umlauf. Bei Abendlicht ist eine Täu schung durch das Falsificat leicht möglich. — Am Sonntag fanden sich die Delegirten des Erzgebirgischen Gauverbandes der Gewerbevereine in Glauchau (Stadt Hamburg) ein. Der Vorsitzende theilte mit, daß der Gewerbeverein Reichenbach um Auf nahme in den Gau nachgesucht, und wurde dies be willigt. Bezüglich des in diesem Jahre in Hohenstein stattfindenden Gauverbandstages wurde beschlossen, den selben im Spätsommer resp. Frühherbst tagen zu lassen. — Herr Bezirkssteuer-Jnspector Or. Werner in Oschatz ist in gleicher Eigenschaft nach Glauchau ver setzt worden. — Zwickau besitzt ein kohlenhaltiges Grundstück, welches zwischen den Kohlenseldern des Erzgebirgischen Steinkohlcn-Actienvereins eingekeilt ist. Nachweislich lagern daselbst die Kohlen in einer Tiefe von 500 Meter und einer Flötzstärke von 3,1 Meter. Da die Stadt deswegen keinen Schacht teufen kann, so haben die städtischen Collegien dem genannten Verein den Abbau unter der Bedingung des Zehntens überlassen. Aus dem Sachsenlande. — Zwischen dem sächsischen Finanzminister und der Sächsischen Bank zu Dresden sind Verhandlungen im Gange, welche die Uebernahme und Begebung der vom Landtage genehmigten 3proc. Rentenanleihe im Betrage von 24,000,000 Mark durch ein Finanzconsortium bezwecken. — Der soeben ausgegebene 16. Jahresbericht des Landesmedizinal-Collegiums über das Medizinalwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr 1884 enthält u. A. viele interessante statistische Daten. Die Morta litätsverhältnisse des Jahres 1884 sind wiederum etwas ungünstiger gewesen als die des Vorjahres. Sowohl absolut als relativ im Verhältnisse zur Bevölkerungs zahl haben die Todesfälle zugenommen. Die Geburten frequenz ist seit längerer Pause wieder im Zunehmen begriffen, Sie ist von 42,89 Proc. im Vorjahre auf 43,90 Proc. gesüegen, hat aber noch lange nicht den Stand von 1876, das Maximum im letzten Jahrzehnt, wo die Geburtenfrequenz 47,24 Proc. betrug, erreicht. Die Mortalität ist dagegen von 29,14 Proc. weiter gestiegen auf 30,15 Proc. In den einzelnen Regie rungsbezirken haben betreffs der Geburtenfrequenz alle einige Zunahme erfahren und ebenso ist es bezüglich der Mortalität der Fall, am geringsten ist die Zunahme im Reg.-Bez. Zwickau. Von den größten Städten haben diesmal die größte Sterblichkeit (mit Ausschluß der Todtgeborenen) wiederum Zschopau mit 42,02 Proc. und Limbach mit 37. Die geringste Mortalität zeigen diesmal Bautzen mit 22,43 Proc. und Zittau mit 23. Unter den amtshauptmannschaftlichen Bezirken stehen am günstigsten Oelsnitz mit 21,55 Proc. und Kamenz mit 24,37 Proz. Am ungünstigsten zeigen sich die Bezirke Chemnitz mit 39,81 Proc. und Glauchau mit 36,61 Proc. Außer Scharlach, Abdominaltyphus und Ruhr haben alle übrigen Krankheiten eine höhere, zum Theil sogar bedeutend höhere Sterblichkeit veran laßt, besonders gilt dies von Masern, Diphtheritis und Kindbettkrankheiten. Die schlimmste Geißel des Kindes alters, die Diphtheritis, hat sogar noch beträchtlich mehr Personen, als je in den letzten 12 Zähren, seitdem eine Statistik der Todesursachen eingerichtet ist, hinge rafft. Im Jahre 1873 betrugen die Diphtheritie- Feuilleton. Verlorene Ehre. Roman von W. Höffer. (Fortsetzuna.) „Aber — alle vor zehn Uhr, nicht wahr, Herr j Doctor?" „Ja!" gestand er seufzend. „Schlag zehn scheint Niemand meine Thür mehr finden zu können. Das Publikum wird von den Titeln der Herren Medicinal- räthe und Professoren unwiderstehlich angezogen." In den Augen des jungen Mädchens blitzte es auf. „Aber, so hinzutreten in die Mitte der Kranken und Verzweifelten, Trost und Hülfe zu bringen, neue Hoff nung, neues Leben — wie selig muß das sein!" sagte sie halblaut mit merklich vibrirender Stimme. „ Mögen die Herren Medicinalräthe bezahlt werden, Sie dagegen sind — geliebt, wie Christus geliebt wurde, als er zum Teiche Bethesda kam und die Armen und Elenden heilte." Ihre Wangen glühten, aus den großen, schwarzen Augm perlten Thränen. Wie jene Magdalena der biblischen Tradition hätte sich in diesem Moment das schöne, schmerzzerrissene Weib dem Manne vor ihr zu Füßen werfen und seine Kniee umklammern mögen, gehoben, geläutert im eigenen Bewußtsein nur durch die Nähe des Gerechten. „Lassen Sie mich," setzte sie plötzlich, ganz verwirrt und mit beinahe heiserem Tone hinzu. „Die Instru mente warten." Ihren Korb aufraffend, glitt sie an ihm vorüber, immer noch das südlich angehauchte Gesicht in Thränen gebadet, immer noch zitternd, aber ohne ein weiteres Wort. In dem nächsten Moment war sie bereits verschwunden. Der Doctor sah ihr ziemlich fassungslos nach, auf seiner Stirn sammelte sich eine Wolke, die nicht so schnell wieder vorüberziehen zu wollen schien. „Wahrscheinlich hat meine Tante bereits deutliche Winke gegeben," dachte er, „dies junge Mädchen be müht sich, mich zu trösten." Und unangenehm berührt von der gemachten Ent deckung, betrat er das Wohnzimmer, in welchen ihn zwei ältere Damen empfingen, die eine seine Mutter, eine geduldige, mehr als halbgelähmte Kranke, auf einer Art von Ruhebett liegend, — die andere seine Tante, am Fenster sitzend, neben sich das Strickkörbchen und am Arm eine große, vorsündsluthliche Tasche, wie im mer — Fräulein Haberland, eine Dame von fünfzig Jahren mit lebhaften, grauen Augen und gesunder Farbe, sehr redselig, das wahre Bild der behäbigsten Zufriedenheit. Des Doctors Blicke begrüßten zuerst sie, dann trat er an das Bett seiner Mutter und küßte ihre wachs bleiche Stirn. „Wie fühlst Du Dich heute, mein Mütterchen?" „Gut — nun Du bei mir bist!" Sie hatte es kaum verständlich geflüstert, aber die scharfen Ohren der Tante mußten Alles aufgefangcn haben. Fräulein Haberland strickte plötzlich mit ver doppelter Energie. „Sprachst Du da eben mit der Gesellschafterin, Julius?" fragte sie ihren Neffen. „Ja, liebe Tante, hoffentlich siehst Du darin keinen Verstoß gegen die Hausordnung?" sagte er lächelnd. „Im Allgemeinen nicht. Ich bin gegen Dienstboten immer eine gütige, freigebige Herrin, ich pflege sie auch so viel als möglich zur Familie zu ziehen, aber in diesem besonderen Falle möchte ich Dich doch warnen. Eine Liebschaft darf nicht entstehen." „Julius!" bat leise die kranke Frau. Ein Händedruck beruhigte sie. „Du hast nichts zu fürchten, Tante," versetzte er heiter. „ Fräulein Herbst gleicht in keiner Weise meinem Ideale." Das rastlose Strickzeug sank momentan in den Schooß; die alte Dame nickte äußerst befriedigt. „Das freut mich, Julius," sagte sie gedehnt. „Ich Todesfälle 1704, seitdem sind sie faßt regelmäßig zahl reicher geworden, am stärksten in den letzten 4 Jahren. So wurden 1881: 2891, 1882: 4188, 1883: 5447 und 1884: 7855 Diphtheritie-Todesfälle im Lande gezählt! Demnach sind in diesen vier Jahren allein über 20,000 Kinder der unheimlichen Seuche zum Opfer gefallen. An Keuchhusten starben, gegen 542 Kinder im Vorjahr, 911. Am stärksten war die Mor talität in den Medizinalbezirken Leipzig-Land und Stadt Dresden. — Die Parterreräumlichkeiten des Reichsbank-Ge bäudes zu Leipzig hat die bekannte Berliner Firma Rudolf Hertzog gemiethet, welche dortselbst eine große Filiale ihres Hauptgeschäfts einzurichten gedenkt. — In Leipzig hat am Sonntag die feierliche Ein weihung der neugebauten Lutherkirche stattgefunden. — Dem Unterstützungsverein für Kaufleute in Chemnitz ist am 1. April eine hocherfreuliche Ueber- raschung zu Theil geworden. Herr Commerzienrath Heinreich Gulden stiftete demselben zum Andenken an den Tag seines vor 25 Jahren erfolgten Eintritts als Mitarbeiter in sein jetziges Geschäft in hochherziger Weise das namhafte Capital von 10,000 Mark mit der Bestimmung, daß die Zinsen davon je zur Hälfte für den Wittwen- und Waisen-Unterstützungsfond und den Jnvalide-.-Unterstützungsfond Verwendung finden sollen. — Zum Roß- und Viehmarkt in Hohenstein am 5. d. waren 125 Pferde, 74 Rinder, 6 Kälber, 120 Schweine, 57 Ferkel, 600 Tauben, 5 Stämme Hühner, 9 Hunde aufgetrieben. — Die projectirte Gewerbe- und Industrie-Aus stellung in Leisnig wird vom 16. Juni bis 4. Juli im Hotel Belvedere stattfinden. Hervorzuheben ist besonders, daß zu dieser Ausstellung Gewerbs- und Fabrikserzeugnisse aller Art, sowie auch weibliche Ar beiten angenommen werden. Bedingung ist, daß die Gegenstände vom Aussteller selbst oder in dessen Werk stätten angefertigt sind und daß der Aussteller seinen wesentlichen Wohnsitz in Leisnig oder den umliegenden Ortschaften bez. im Amtsgerichtsbezirke Leisnig hat. Von den ausgestellten Gegenständen werden keinerlei Abgaben erhoben und dieselben ferner ohne Kosten für den Aussteller gegen Feuersgefahr versichert und durch Bewachung geschützt. — Die Ufer des zum Rittergute Sachsendorf bei Wurzen gehörigen Großteiches bedeckten Tausende von Fischteichen, meist Karpfen von 3—4 Pfund. Jeden falls sind die Fische durch einfließendes Thauwasser der Luftschicht beraubt wordeu und, da die Eisdecke noch nicht geborsten, erstickt. Wie berichtet wird, erwächst dem Rittergutspachter Doehle dadurch ein Schaden von über 2000 Mk. — Am 2. April sollen in Crimmitschau von der Polizei 3 junge Burschen, frühere Arbeiter der Firma Gebrüder Küchler dortfelbst, verhaftet worden sein, weil sie sich durch verschiedene Aeußerungen der Brand habe nichts gegen das Mädchen, aber Du brauchst eine reiche Frau — meine Pläne für Dich sind fix und fertig — wenn Du mich machen läßt, so kann Dir das Gelingen nicht fehlen." Doctor Hartmann blieb sehr ruhig. „Für's Erste wäre wohl noch nicht ans Heirathen zu denken, liebe Tante," sagte er gleichgiltig. „Weil Du wenig oder garnichts verdienst? Mein bester Junge, gerade deshalb! — Heirathe Dich in eine angesehene Familie hinein, kaufe vor dem Thor eine elegante Villa, fahre in eigener Equipage und die Patienten kommen von selbst." Er wußte, daß sie recht hatte und daß sie die ein zige Antwort, welche er ihr hätte geben können, doch nicht verstanden haben würde, deshalb schwieg er ganz. Fräulein Haberland nickte zufrieden vor sich hin. „Ich habe bereits ein bestimmtes Ziel im Auge, mein bester Junge," sagte sie, „an Ostern würden wir die Hochzeit feiern können." Jetzt erschrak er aber doch. „Tante," bat er, „überlaß' das mir! Es wäre nicht der Reichthum, dem ich Zugeständnisse machen würde." Das rothe Gesicht der alten Dame wurde noch röther. „ Apropos!" rief sie plötzlich. „ Ich wollte mit Dir schon längst "über Deine Sprechstunden für Unbemit telte ein ernstes Wort reden, Julius. Das geht, wie mir versichert wird, so von acht bis zehn Uhr jeden Morgen?" „Ja," versetzte er lakonisch. „Und da verbrauchst Du Salben und Pflaster, Tincturen und Feuerung und Instrumente, Gott weiß, was Alles, ohne einen Pfennig zu verdienen?" Doctor Hartmann stand auf, sein hübsches Gesicht war! blaß geworden. „Du leihst mir das Alles, Tante," versetzte er gepreßt. (Fortsetzung folgt.)