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ZchimtmM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für di- nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Cinges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. und Waldenburger Anzeiger. Amtsblatt für den Stadtrath >n Waldenburg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebe-eit; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig am Markt; in Rochsburg bei Herrn Üuchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenftein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Gieba, Grumbach, Hohenkirchen, Kaufungen, LangenchurS- dorf, Langenleuba-Niederham, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Mittwoch, den 31. März 1886. 74. Die Ablösungsrcntm sind den 31. dieses Monats und die Brandversicherungsbeiträge am 1. April d. I. zu bezahlen. Stadtsteucr-Kinnahmc Waldenburg, den 29. März 1886. ^Waldenburg, 30. März 1886. Der Krieg zwischen zwei Nationen, welche einander befeindet sind, ist fürchterlich und voller Schrecken, aber seine Wuth wird doch gemildert durch Menschlichkeit und Civilisation. Ein bitteres Muß zwängt, von den Wassen Gebrauch zu machen, aber nie wird von der Kriegführung zu Thaten der Leidenschaft übergegangen, welche außerhalb des Gebietes des Schlachtfeldes liegen. Der Krieg führt eine harte Hand, aber ihre Härte trägt doch immer noch die Gerechtigkeit in sich, und wo Ausschreitungen in Feindes Land nachgewiesen sind, folgt auch die Strafe. Der Soldat denkt an seine Lieben daheim, er hütet sich, friedlichen Bewohnern in des Feindes Land das Kriegsloos noch schwerer zu machen, als es schon ist, er achtet auf den Heerd des Feindes. Ganz anders geht es zu im Kriege, den milde Leidenschaft und Fanatismus entfacht haben, in dem nicht die Landesgrenze, die Heimath beschützt wer den soll, sondern in dem Glieder ein- und desselben Volkes sich zum Wüthen gegen einander erheben, in dem socialen Krieg, im Krieg der Gesellschaftsklassen. Glücklicherweise ist die Zahl dieser Kriege in unserer Zeit sehr gering, aber die beiden, die stattgefnnden haben, der Krieg der Commune in Paris und der ge genwärtige Arbeiterkrieg in Belgien, haben uns ihre Schrecken deutlich genug gezeigt. Raub, Brand, Plün derung, das ist das Programm, die Parole dieser Kriegsführung. Die Berichte aus Belgien lauten entsetzlich; die Ar- beiterhaufen haben mit fürchterlicher Wuth gehaust, blinde Zerstörungssucht hat ihre Schritte geleitet. Wir wissen nicht, wann es gelingen wird, diese schauder vollen Zustande zu beseitigen, wir hoffen nur, daß es bald gelingen wird, denn sie sind ein Hohn auf unsere Zeit. Aber wir müssen trotz des entschiedensten Ver dammungsurtheils auch daran denken, daß ein großer Brand, wie die belgischen Arbeiterunruhen, nur ent stehen kann, wem die Flammen der anarchistischen Agitation, die hier ihr verbrecherisches Treiben gezeigt hat, genügenden Nährstoff findet. Und den hat sie in Belgien gefunden Die Gewaltthaten der Anarchisten sind nicht zu beschönigen, aber sie werden erklärlicher, wenn wir uns die belgischen Verhältnisse überhaupt, die Verhältnisse dieses Landes der Freiheit, vor Augen führen. Haben wir das gethan, so erkennen wir auch, daß neben dem socialen Klassenkrieq auch die politische Revolution emherscheitet. Die belgische Regierung muß die Unruhen schnell und sicher dämpfen, oder sie selbst wird vom Predestal herabgestoßen, auf dem sie steht. Belgien ist ein Land der Freiheiten, der ungemessen- stcii politischen Rechte für die vermögenden Leute; es ist das so, trotzdem m Belgien die industrielle Arbeiter- bevölkcrung die überwiegende ist. Nur der vermögen dere Bürger hat Wahlrechte, nur er hat Theil am Verfassungsleben des Staate», nur sein Wort gilt. Und für alle diese Vorrechte hat er es nicht eimstal nöthig, dem Lande mit oer Waffe zu dienen, er kann sich, wenn er Lust hat, loskaufen. Und die Arbeiter bevölkerung? Die wählt in der Hauptsache nicht, hat in politischen Dingen gar nicht mstzurecen, weil sie als zu wenig gebildet gilt, muß die meisten Steuern zahlen und endlich ihr Blut dem Staate als Soldat zur Verfügung stellen, denn zum Loskauf besitzt sie kein Geld. Weiter aber noch ist der Verdienst der In dustriearbeiter ein kärglicher, die Dividenden der Actren- gesellschaften sind hohe, von irgend welcher socialen Gesetzgebung zum Schutze des Arbeiters ist keme Rede. So steht der Arbeiter da gegenüber den bevorzugten Klassen der Nation, und diese bevorzugten Klassen, die längst hätteii erkennen können, daß der Boden ihnen unter den Füßen wankt, die thun nichts. Sw stand es in Belgien und diese Zustände sind es gewesen, welche den anarchistischen Agitatoren Thür und Thor geöff net. Es waren Verhältnisse, wie sie unsere deutschen Arbeiter nicht kennen. Es ist zu bedauern, daß die belgischen Arbeiter, in dem sie gerechte Reformen fordern wollten, zu Ver brechern geworden sind; die verführten armen Leute können uns leid thun, aber Strafe muß sein und die wird sein, damit die vollständig verloren gegangene Staatsautorität in den Bezirken von Lüttich und Charleroi wieder hergestellt wird. Aber die Strafe darf nicht den Schlußakt des traurigen Dramas bil den, der Schluß muß eine billige Berücksichtigung der gerechten Forderungen der Arbeiter sein. Nicht durch Verschweigen wird der anarchistische Feuerbrand ge löscht, sondern allein dadurch, daß man ihm den Brenn stoff entzieht, die Unzufriedenheit der Arbeiter. Die belgische Regierung hat sich in Brüssel mit mancherlei Dingen beschäftigt, die wenig im Interesse der Allge meinheit lagen, an die Möglichkeit der Folgen einer solchen Politik hat sie nicht gedacht, bis sie ihr jetzt mit Feuer und Blut vorgehalten worden sind. Die Arbeiterfrage ist eine solche, über die nicht sofort mehr znr Tagesordnung übergegangen werden kann, hier thun Reformen noth, wenn sich eine thatsächliche Un gerechtigkeit zeigt. Belgien ist ein reiches, arbeitsames Land, die letzten Wirren haben ihm schwere Wunden geschlagen, aber diese sind leicht heilbar bei richtiger Behandlung des Uebels. Erfolgt diese nicht, so wird das Leiden unter dem Einfluß des anarchistischen Feuers immer wieder Hervorbrechen, immer heftiger auftreten. Das muß die Brüsseler Regierung in erster Reihe beherzigen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Montag den comman- direnden General Frhrn. von Schlotheim und einige andere höhere Militärs, sowie später den aus Mün chen eingetroffenen Herzog Max Emanuel in Bayern und den Statthalter von Elsaß-Lothringen, Fürsten Hohenlohe. Nachmittags unternahm der Kaiser wieder eine Spazierfahrt. Der Vortrag, welchen Fürst Bis marck Sonntag Nachmittag dem Kaiser gehalten hat, soll den neuen Branntweinsteuergesetzen gegolten haben. Die Vorlagen kommen wahrscheinlich noch vor Ostern an den Reichstag, werden aber erst nach dem Feste berathen. Der Kronprinz hatte Montag Nachmittag einer mehrstündigen Sitzung des Staatsrathes beige wohnt. ' Der Kaiser erschien Montag nachmittag Punkt 3 Uhr im Herrenhause zum Besuch des zur Zeit da selbst wohnenden Statthalters Fürsten Hohenlohe. Der Monarch sah sehr wohl aus und schritt rüstig die Treppe zur Wohnung des Statthalters hinan. Eine eigenthümliche Ovation wurde dem greisen Herrn durch die zum großen „Reinemachen" des Herren haussaales versammelten Scheuerfrauen bereitet, die es sich trotz der strengsten Kanzleibefehle nicht nehmen ließen, mit ausgepflanzten Besen und Schrubbern — und leuchtenden Augen vor Sr. Majestät Front zu machen. Der Regent Prinz Albrecht hat das Protectorat über den braunschweigischen Landwehrverbandüber nommen und aus Anlaß dieses Ereignisses fand Sonn tag Abend in Braunschweig eine große Feier statt, zu der alle Landwehrvereine des Herzogthums Dele- girte entsandt haben. Prinz Albrecht, der stürmisch begrüßt wurde, war mit mehreren Ministern gleich falls anwesend. Der socialdemokratische Abg. Singer versicherte am Sonntag in einer Berliner Arbeiterversammlung, daß die Annahme des Socialistengesetzes durch den Reichstag nicht nur außer allem Zweifel sei, es würde auch die Annahme mit größerer Mehrheit als vor zwei Jahren erfolgen, da ein bedeutender Theil der Centrumspartei dafür stimmen werde. Das deutsche Kreuzergeschwader unter Admiral Knorr ist in Auckland eingetroffen. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ernennung des Senatspräsidenten Tessendorf in Berlin zum Oberrcichsanwalt in Leipzig. Der zum Chef des Jngenieurcorps ernannte General von Stichle hat einen Corpsbefehl an das bisher von ihm befehligte 5. Armeecorps erlassen, in dem es heißt: „Indem ich hiernach das Commando über das 5. Armeecorps niederlege, muß ich dem stets gehegten Wunsche entsagen, mich auch in einem nächsten Kriege an der Spitze dieses ruhmreichen Corps zu befinden. Aber mehr als vier Jahre ernster Kriegsarbeit halten mich für alle Zeil mit demselben verbunden und scheide ich mit der Zuversicht, daß das Corps auch unter meinem Nachfolger in dem gleichen Bestreben fort fahren wird, die Kriegstüchtigkeit zu erhalten und zu fördern." Die Rede des Reichskanzlers im Reichstag mit ihren Anspiegelungen auf die Lage Frankreichs hat in Paris Sensation erregt. Die deutschfeindlichen Or gane antworten mit Schimpfen, die gemäßigten republi kanischen Organe bestreiten, daß Frankreich der Heerd der anarchistischen Agitation sei, nur die monarchistischen Blätter geben dies zu und schieben die Schuld auf die Regierung. Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde am Montag die Sekundärbahnvorlage in zweiter Lesung berathen und genehmigte das Haus bereits den größeren Theil der vorgeschlagenen Linien. Dienstag wird die Berathung fortgesetzt. Frankreich. Die französische Regierung hatte merken lassen, daß sie die Neuen Hebriden in der Südsee annectiren wolle, und die englischen Colonieen in Australien sind deshalb rein aus dem Häuschen. Sie fordern die Londoner Regierung dringend auf, dies nicht zu dulden. Belgien. Am Sonntag war es in Charleroi selbst ruhig. Im Strikegebiet waren aber die Truppen dermaßen in Anspruch genommen, daß Charleroi nur von der er müdeten Bürgergarde besetzt war und der Bürger meister Freiwillige zur Bewachung der Stadt auffordern mußte. Die Plündereim und Zusammenstöße mit den Truppen dauerten fort. General Van der Smissen hat über die Provinzen Lüttich und Hennegau den Belagerungszustand verhängt und angeordnet, sofort nach der erstmaligen Aufforderung mit der Waffe ge gen die Ruhestörer vorzugehen. Arbeiterversammlungen in Louviers und Mons verliefen ruhig. Vom Mon tag wird aus Charleroi gemeldet, daß kleine Arbeiter haufen fortfahren, in der Umgegend plündernd umher zustreifen, sich aber beim Erscheinen von Soldaten und Bürgerpatrouillen sofort zurückziehen. Ein Bauern trupp stieß mit den Arbeitern zusammen; ein Arbeiter wurde getödtet. Der Staatsprokurator hat die Be-