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WMiiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinend« Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «ud aldenburger Anzeiger. Der AbonnementSpreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für de» Stadtrath zu Waldenburg. 183. Donnerstag, den 7. August 1884. "Waldenburg, 6. August 1884. In Ischl findet soeben wieder die alljährliche Begrüßung zwischen unserem Kaiser Wilhelm und seinem Verbündeten, dem Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, statt. Es ist ein gewohntes Ereigniß, frei von aller Sensationshascherei; wie ein guter Freund mit dem anderen einen frohen Besuch aus tauscht, so die Kaiserentrevue in Ischl. Aber gerade diese anscheinend aller polilischen Bedeutung ent behrende, aus persönlichen Wünschen entspringende Begegnung erscheint uns durch ihre Schlichtheit und Einfachheit und ihren Mangel an allem polilischen Theaterputz um so werthvoller. Die herzliche Be grüßung der beiden Souveräne, ohne leitende Minister und lange Conferenzen, versichert uns stets aufs Neue, daß die Beziehungen der beiden verbündeten Kaiserreiche die denkbar besten und un getrübtesten sind. Kommen erst lange Verhand lungen und diplomatische Winkelzüge ine Spiel, so giebl's an der Freundschaft der Staaten regelmäßig etwas herumzuflicken. Offen und frei begegnen sich die beiden Kaiser, und wie ihr Verhältniß ist auch das der beiden von ihnen regierten großen Länder zu einander. Wir können in Deutschland mit dem österreichischen Bündniß und seinen Erfolgen zufrieden sein. Wird auch sonst den Deutschen in Oesterreich von Czechen, Polen und Consorten nicht immer zum Besten mit gespielt, an der deutschen Alliance hat noch Niemand zu rütteln gewagt. Was die Nothwendigkeit s. Z. geschaffen, das wird im Laufe der Jahre auch zu einer lieben Gewohnheit. Was das deutsch-öster reichische Bündniß geleistet, wissen wir. Es ist so gar vielleicht noch mehr, als wir denken, denn ganz gefährlich standen oft die Kriegswolken am Himmel, bis sie endlich durch einen kräftigen Berlin-Wiener Windstoß auseinandergejagt wurden. Wie oft das geschehen? Mehr als einmal gewiß. Ein Bündniß des Friedens war es, welches Fürst Bismarck und Graf Andrassy vermittelten; als solches hat es sich ununterbrochen bewährt, und wird es sich auch in der Zukunft erweisen, um so mehr, da es nun noch in Rußland und Italien Stützen gefunden hat. Unmerklich fast, aber thatsächlich hat die Zwei kaiseralliance in den großen europäischen Angelegen heiten das Heft in die Hand bekommen. Ihm ist die entscheidende Stimme zugefallen und soeben erst haben wir das wieder gesehen. Frankreich und England haben sich in der egyptischen Angelegenheit als tiefe Gegner gezeigt, die Conserenz in London hat einen Riß zwischen den beiden Regierungen hervorgerufen, der zwar äußerlich noch möglichst zu verdecken gesucht wird, der aber thatsächlich besteht. Die Ostmächte haben sich angesichts dieser Sachlage nicht veranlaßt gefühlt, für England oder Frank reich direct Partei zu nehmen, erfolglos sind die Diplomaten von der Conferenz gegangen: es ist Alles, wie es bisher gewesen. Das entschiedene Eintreten Deutschland-Oesterreich-Rußland-Jtalien's für die englischen Vorschläge hätte diesen zweifellos Geltung verschafft, die Folge davon aber konnte ein völliges Zerwürfniß mit Frankreich sein, das mit einer Friedenspolitik nicht im Einklang gestanden hätte. Wie sich die Dinge am Nil entwickeln wer den, kann zur Stunde Niemand sagen. England steht mit seiner Politik ganz allein da, was es thun wird, läßt sich nicht absehen, doch wird man in Berlin und Wien schon dafür sorgen, daß, wenn es einmal zu einem Kriege kommt, sich dieser nicht zu einem europäischen gestaltet. Bei den Fragen, welche jetzt die Mächte bewegen, ist Deutschland am wenigsten von allen Staaten interessiri, nach keiner Seite hin hat es einen Confltct oder Zusammenstoß zu befürchten. Fürst Bismarck ist seine gerade Bahn ohne alle Abschweifung gegangen, und es ist ihm gelungen, mit Deutschlands wachsendem Ansehen ihm auch den völligen Frieden zu erhalten. Sollen wir von einem nächsten Kriege sprechen, so ist der wahrscheinlichste ein solcher zwischen Frankreich und England, und in London wird auch jetzt wieder allerlei zurechtgebraut; aber wir setzen London ruhig und einfach ein Ischl gegenüber! "Waldenburg, 6. August 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Zusammenkunft zwischen den Kaisern Wilhelm und Franz Joseph wird sich heute Mittwoch in Ischl vollziehen. Die Kaiserin Elisabeth wird die beiden Monarchen, die in Ebensee oder Obertraun zusammentreffen, auf dem Bahnhofe in Ischl erwarten. Nach stattgehabter Begrüßung be gleitet das österreichische Kaiserpaar Kaiser Wilhelm in das Hotel Elisabeth. Nachmittags 3 Uhr findet ein Galadiner statt, dem eine Spazierfahrt beider Monarchen in die Umgebung von Ischl folgt. Abends ist Galavorstellung im Theater. Donnerstag wird bei der Kaiserin eine Tafel stattfinden, nach welcher die beiden Kaiser gemeinsam zum Bahnhof fahren. Der österreichische Minister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, ist mit mehreren Beamten in Ischl ein getroffen. Aus Wilhelmsthal bei Eisenach, 4. August, meldet man, daß die Reconvaleszenz des Groß- Herzogs von Sachsen in so erfreulicher Weise fortgeschritten ist, daß sie nunmehr als vollendet an gesehen werden kann. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Das Berliner Tageblatt und nach ihm der Börsen-Courier melden, Graf Herbert v. Bismarck habe sich nach London begeben und diese Reise werde mit dem Scheitern der egyptischen Conferenz in Zusammenhang gebracht. Die Nachricht ist falsch: Graf Herbert v. Bismarck ist zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach einem Kurorte gereist, wo er voraussichtlich mehrere Wochen verbleiben wird. Als künftiger Director des Reichsgefundh eits- amtS wird in medizinischen Kreisen neuerdings Professor Skrczeczka, Dezernent in der Medizinal- abtheilung des preußischen Cultusministeriums, ge nannt. Or. Koch, der bisher für den Nachfolger Or. Struck's galt, hat dem Vernehmen nach abge lehnt. Er glaubt die geschäftliche Leitung des Amtes nicht übernehmen zu sollen, weil seine Spezialfor schung seine ungetheilte Arbeit dauernd erfordert. Skrczeczka, ein angehender Fünfziger, gilt als eine Autorität auf dem Gebiet des öffentlichen Sanitäts wesens. Uebrigens ist es dem Cultueminister von Goßler gelungen, für Geh. Rath Koch eine andere, diesem zusagende Stellung zu finden, um den be rühmten Gelehrten dauernd an die Reichshauptstadt zu fesseln. Seit einiger Zeit und besonders nach den großen Erfolgen der vorjährigen Hygiene-Aus stellung ist die Errichtung eines Hygienischen Insti tuts geplant, eine Anstalt, welche, als eine Abzwei gung der Berliner Universität zur Ausbildung der jungen Mediziner als dringend nothwendig erkannt ist. vr. Koch ist nun, wie die Post meldet, das Directorat dieses Instituts angetragen und hat der selbe das Anerbieten dankbar acceptirt. In Folge dessen soll die Errichtung mit allen Mitteln beschleu nigt werden. In der Wesermündung finden jetzt Marine manöver statt, zu welchen 4 Panzerfregatten und 5 Kanonenboote eingelroffen sind. Wie aus Kiel der „Köln. Ztg." geschrieben wird, besteht die Commission zur Prüfung des neuen Torpedomaterials aus den Offizieren des Tor pedoversuchsschiffes „Blücher". Die Versuche mit den auf englischen und deutschen Werften gebauten Booten werden 3 Monate dauern. Dem genannten Blatte zufolge soll sich ferner der Admiralitätschef entschlossen haben, bei den nächsten Berathungen des Marinebudgets im Reichstage beträchtliche Mehr forderungen für die Löhnung der Flottenmannschaf ten zu beantragen. Die grobherzoglich hessische Regierung hat die von den Hygienikern verlangte Beaufsichtigung der Schule durch Aerzte für ihren Bezirk zur Ein führung gebracht. Vermittels eines Circular's sind die Kreis-Gesundheitsämter angewiesen, den sanitären Verhältnissen der Schulen ihre Beachtung zuzuwen den. Insbesondere sollen die Aerzte auf die bau lichen Verhältnisse der Schullokale, die Schulbänke und den Gesundheitszustand, sowie das Sehvermögen der Kinder achten. Gegenüber Herrn David, dem Redacteur der „Straßb. Post", welcher die Behauptung, Midhat Pascha sei keines natürlichen Todes gestorben, auf recht erhielt, schreibt die „N. A. Z.": „Die Aeußerungen des Herrn David können nichts an unserer ersten Auffassung ändern und wir wieder holen, daß es unpolitisch, unpatriotisch und unehren haft ist, auf Kosten befreundeter Souveräne Romane zu schmieden, wie Herr David es gethan hat." In Sachen der deutschen Lutherstiftung ist dem Vorstande derselben folgende kaiserliche KabinetS- ordre zugegangen: „Die Feier der vierhundertjährigen Wiederkehr des Geburtstages vr. Martin Luthers im vorigen Jahre hat zu Meinem besonderen Wohl gefallen Anlaß gegeben, unter dem Namen „Cen tral-Verein der deutschen Luther-Stiftung" einen Verein zu begründen, welcher sich die dankbare Auf gabe gestellt hat, die Erziehung von Kindern evan gelischer Pfarrer und Lehrer zu erleichtern. Es ist Mir ein erhebender Gedanke, daß auch auf diesem Wege das Gedächtniß des großen Reformators stets lebendig erhalten werden wird, und daß aus seinem Gott geweihten Werke für die evangelische Christen heit unaufhörlich neuer Segen sprießt, der sich von Geschlecht zu Geschlecht überträgt. Ich nehme daher auf den Antrag vom 3. d. M. das Protectorat über den neubegründeten Verein hiermit an und gebe Mich der Hoffnung hin, daß derselbe sich in gedeih licher Entwickelung zu erfolgreicher Wirksamkeit ent falten wird. Gastein, 1. August. Wilhelm." Die „Germania" meldet, am 6. August werde sich das preußische Episkopat zum ersten Male wieder am Grabe des heiligen Bonifacius zu Fulda unter Vorsitz des Seniors der anwesenden Bischöfe zu einer Berathung versammeln. Das „Tageblatt" erfährt, Frau Kolemine, die anfänglich sofort in Scheidung willigte, scheine plötz lich anderer Meinung geworden zu sein. Die Ex gattin des Großherzogs von Hessen Hal ihrem bis herigen Vertreter, Justizrath v. Horwitz, den Lauf paß gegeben und einen Mannheimer Rechtsanwalt mit ihrer Angelegenheit betraut. Derselbe nahm bereits mit einem reichsgerichtlichen Rechtsanwalt Rücksprache und soll es hiernach nicht zweifelhaft erscheinen, daß die Aufhebung des Scheidungs- urtheils erfolgen werde. Die „Nat.-Ztg." corrigirt ihre frühere Angabe, die russische Colonie in Berlin sei 15,000 Köpfe stark gewesen, dahin, daß es nur etwa 2000 Per sonen sein dürften. Die „Köln. Ztg." bringt einen Artikel über die Stellung der Nationalliberalen zu den Deutsch- Freisinnigen, der bedeutsame Wendungen zeigt. Es heißt da: „Daß die Nationalliberalen nicht blos in der Schutzzollfrage der abstracten Manchester-