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lhinümM TaaMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. nrrd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. S» Pf. Alle Postanfialten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. 114. Freitag, den 16. Mai 1884. Bekanntmachung. Nachdem wiederholt auf dem Schloßplatze und im sogenannten Lustgarten hier des Abends und während der Nacht grober Unfug verübt worden ist, wird den dazu nicht berechtigten Personen der Berkehr auf den über den Schloß- Platz führenden Parkwegen in der Zeit von Abends 7 Uhr bis früh 8 Uhr und im Lustgarten von Abends 10 Uhr bis früh 8 Uhr bei Strafe von 5 Mark strengstens verboten. Waldenburg, am 15. Mai 1884. Der stellvertretende Gutsvorstand. »Waldenburg, 15. Mai 1884. Vor dem Reichsgericht in Leipzig spielt sich gegen wärtig ein Prozeß ab der auch außerhalb der Grenzen Deutschlands das größte Interesse erweckt und das Treiben dunkler Ehrenmänner, aus dem Landesv rrath ein Geschäft zu machen, im weitesten Umfange klar stellt. Ob die belastenden Dokumente zu einer besonders strengen Strafe genügen, muß freilich dem Ermessen der Richter überlassen bleiben, jedenfalls steht soviel fest, daß es auch in Deutsch land Leute gab, die sür Geld alles Mögliche zu thun bereit waren, wie Regierungen und in deren Dienst stehende Beamten, die s. Z. auf jede Art und Weise auf Kosten Deutschlands sich Vortheile zu verschaffen suchten. Der Prozeß und seine Vor geschichte legt mit einem Wort die Spionage im Frieden dar, und konnte sie nicht größere Ausdeh nung erlangen, so lag das nicht an den betheiligten Personen. Skizziren wir nunmehr die Thatsachen: Seit 1863 lebt in Dresden der polnische, von seinen Landsleuten hochgefeierte Schriftsteller und Dichter von Kraszewski, nachdem er aus Polen geflohen war, weil ihm wegen Verdachts der Theilnahme an dem polnischen Aufstand die Verhaftung drohte. Kraszewski besoldete mehrere Schriftsteller, darunter in Berlin einen ungarischen Literaten Adler, der ihm namentlich Schriften über militärische Angele genheiten liefern mußte. Adler nun, der inzwischen verschollen ist, stand mit dem ehemaligen preußischen Hauptmann und Telegraphensekretär Hentsch, der tief verschuldet war, in Verbindung und ließ sich von diesem solche militärische Schriften liefern. Hentsch benutzte dazu seine Verbindungen mit Offi zieren und wußte von ihnen Aktenstücke und Bücher zu entlehnen, deren Geheimhaltung im Interesse des Reichs unbedingt geboten war. 1879 ging Adler nach Wien und Hentsch trat von da ab in directe Beziehung zu Kraszewsky, während auch der Verkehr mit Adler fortdauerle. Die speziellen Fälle sind folgende: Kraszewski hat an einen Schriftsteller Zalewski in Paris (in Wahrheit aber durch dessen Vermittelung an die französische Regierung) zwei Arbeiten von Hentsch: 1) betreffend den Aufmarsch resp. den Eisenbahn transport der deutschen Armee nach der Westgrenze, 2) betreffend die Dienstinstruction für die Feld- und Reserveseldtelegraphenabiheilung geliefert, wofür er 1000 Mark, also einen für gewöhnliche schriftstelle rische Arbeiten übermäßig hghe„ bezahlt hat. Zudem läßt schon das ganze Verfahren bei der ge genseitigen Correspondenz erkennen, daß h er nicht von gewöhnlichen journalistisch-n Arbeiten die Rede sein kann, wie es denn auch auf der Hand liegt, daß namentlich die erste Arbeit für Frankreich von besonderem Werth sein mußte. Nur bei diesem Anklagepunkt ist von Kraszewski mitbetheiligt, bei den folgenden Hentsch allein. Als Adler 1879 nach Wien ging, knüpfte er Verbindungen mit dem russischen Militär-Attachö von Feldmann an und trat auch in directe oder indtrecte Beziehung zur österreichischen Regierung. An General von Feldmann, also direkt an die rus sische Regierung, übermittelte er nun folgende Ar beiten Hentsch's: 1) Completirung der Behörden und Truppen an Pferden, gerade damals für Ruß land von hohem Werth mit Rücksicht auf die Ka- valleriedislocationen an der preußischen Grenze, 2) Auszug aus dem Bericht der Fortification Metz, 3) Sammlung technischer Bestimmungen für Fortifica- tions-Artillerie- und Garnisonbauten. General von F-ldmann hat sehr hohe Summen bezahlt und auch eine Reihe anderweitiger geheim zu haltender Schrif ten erhalten, die aber nicht mehr genau zu ermitteln sind. An Oesterreich ist eine Mittheilung betreffend die Verwendung des Mausergewehrs nebst einer Anleitung zum Distanzschätzen, ein durchaus geheim zu haltendes Werk, das vom bairischen Hauptmann Mieg versaßt ist, verkauft. Hentsch hatte dasselbe von einem Kameraden in Kolberg geliehen, der seiner Ehrenhaftigkeit vertraute, und von Anfang bis zu Ende abschreiben lassen. Die Verbindungen haben bis zum Januar 1883 gedauert, doch waren in letzter Zeit die Offerten resp. gelieferten Arbeiten spärlicher. Wie es dem Verräther aber stets ergeht, so auch Hentsch. Er wurde von Adler wieder be trogen, der den Löwenantheil der empfangenen Summen für sich behielt. »Waldenburg, 15. Mai 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Reise des Kaiser« nach Wiesbaden scheint definitiv aufgegeben zu sein. Die dorthin voraus gereisten Personen, sowie Wagen und Pferde kehren bereits nach Berlin zurück. — Dienstag Nachmittag empfing der Kaiser den Reichskanzler. Der deutsche Kronprinz setzt jetzt täglich die Regimentsbesichtigungen der Berliner und Potsdamer Garnison in Vertretung des Kaisers fort. Zur Vermählung der Prinzessin Elisabeth von Hessen mit dem Erbprinzen von Anhalt (26. d. M) begiebt sich der Kronprinz nach Philippsruhe bei Frankfurt. Prinz Wilhelm von Preußen, der heute Don nerstag Abend nach Petersburg abreisen wird, er schien während der Dienstagssitzung im Reichstage und hatte im Conferenzzimmer des Bundesrathes eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler, die sich angeblich auf diese Reise bezog. Wie es heißt, soll der Prinz nach der Rückkehr aus Peters burg in Magdeburg das Commando eines Infanterie- Regiments übernehmen. Graf Herbert Bismarck soll zum deutschen Gesandten im Haag designirt sein. Ein Correspondet des „Reichsboten" aus Darm stadt versichert positiv, daß der Großherzog von Hessen mit Madame Kolemine oivLIItor ribs getraut, daß ihm aber die kirchliche Trauung verweigert worden ist. Aus welchem Grunde dies geschehen sein sollte, geht aus dem Artikel nicht hervor. Wahrscheinlich ist die römisch-katholische Confession der Madame Kolemine vorgeschoben, die eine Schei dung ihrer ersten Ehe nicht zulieb. Die Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern, die Sonnabend in Madrid von einem Sohne ent bunden wurde, ist am Kindbettfieber erkrankt, so daß ihr Zustand zu Besorgnissen Anlaß bietet. Die Prinzessin ist bekanntlich eine Schwester des Königs Alfonso' von Spanien. Die Grundsteinlegung zumReichstagSpalast wird Ende d. M. statlfinden. Der Reichs- und Staats-Anzeiger schreibt: Dem Könige allein steht nach Artikel 45 der Verfassungs urkunde die vollziehende Gewalt zu. Mit dieser ausdrücklichen Vorschrift der Verfassung steht es im Widerspruch, wenn gelegentlich von Wahlprüfungen das Haus der Abgeordneten beschlossen hat, die Staalsregierung aufzufordern, diejenigen Beamten, welche sich bei einer Wahl eine Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse haben zu Schulden kommen lassen, zur Verantwortung zu ziehen. Se. Maj. der König haben in einem Erlasse an das Staats ministerium vom 8. d. M. Allerhöchstdero Willens meinung dahin kundzugeüen geruht, daß solche und ähnliche Beschlüsse in die Rechte eingreifen, welche Artikel 45 dem Könige vorbehält. Seine Majestät hätten durch den auf die Verfassung geleisteten Eid die Verpflichtung übernommen, wie jede andere Be stimmung der Verfassung auch den Artikel 45 und die Rechte der Krone unverbrüchlich aufrecht zu erhalten. Se. Majestät haben demgemäß die Er wartung ausgesprochen, daß das Staalsministerium bei allen Vorgängen der in Rede stehenden Art den Artikel 45 geltend machen und wahren werde." Die „Prov -Correspondenz" spricht sich über die Annahme des Socialistengesetzes sehr befriedigt aus und fordert zur regen Theilnahme an den social politischen Plänen der Regierung auf. In der Dienstagssitzuug der Reichscommission für das Aktiengesetz erklärte Staatssekretär von Schelling Namens des Reichskanzlers, daß dieser auf die Durchberathung der Vorlage in der jetzigen Session den größten Werth lege. Der Reichstag wird seine Plenarsitzung bald schließen, aber mit um so größerer Emsigkeit werden die Commissionen des hohen Hauses die Ferien ausnutzen, ihre Pensa fertigzustellen. Es herrscht augenblicklich in den einzelnen Commissionen ein ganz außerordentlich reges Leben, wenn auch keine wichtigeren Beschlüsse gefaßt sind. Daß der Reichs tag die Hundslagsgluth über sich ergehen lassen muß, steht nun einmal fest und läßt sich im Interesse des Zustandekommens der verschiedenen Gesetze auch nicht ändern. Beeilung ist das einzige Mittel, um früher nach Hause zu kommen. Das Recht auf Arbeit, oder vielmehr den von socialistischer Seite im Reichstage eingebrachten An trag, den Bundesrath um Vorlage eines Gesetzes zu ersuchen, durch welches das vom Reichskanzler proklamirte Recht auf Arbeit zur Verwirklichung gelangt, macht die „N. A. Z." zum Gegenstand eines an leitender Stelle abgediuckten Artikels. Die „N. A. Z." meint, wenn den Antragstellern wirklich so sehr um Herstellung eines solchen Gesetzes zu thun wäre, so hätten sie doch sofort ein Gesetz ein bringen sollen, wozu sie ein Recht hätten und auch die gebührende Berücksichtigung gefunden haben würden. In Wirklichkeit liege den Herren aber gar nichts daran; sie wollten nur die Unzufriedenheit im Volke erhalten. „Ein Gesetz, daß ein Recht auf Arbeit statuirt, wird den Führern der Socialdemokratie ebenso sehr ein Stein des Anstoßes sein, als es den Fortschrittlern die Herabminderung der Steuerexecu- tionen ist." Auf die Verhandlung über den Antrag kann man darnach begierig sein. Unter der Ueberschrift „Das Ende vom Lied" beleitartikelt die „Berliner Zeitung", das hochosfi-