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Zunächst hat der Regentschaftsrath, welcher gesetzlich nach dem Ableben des Herzog's Wilhelm die Regierung zu übernehmen hatte, er klärt, bei der endgilligen Entscheidung über die Thronfolge müsse das Recht Braunschweigs ebenso sehr in Betracht gezogen werden, wie die Interessen des Reiches, von dem das Herzogthum ja ein Mit glied ist. Deutlicher noch hat der Landtag, die be rufene Vertretung der Bevölkerung, seinen Wunsch ausgedrück': Braunschweig soll ein selbstständiges Land bleiben, aber keinen Regenten erhalten, der sich zum Reich als solchem in schroffen Widerspruch stellt. Endlich hat von Seilen des Reiches der Kaiser diesen Auffassungen zugestimmt. Damit sind die Verhältnisse in Braunschweig geordnet, bis nach Ablauf eines Jahres über die Person des künftigen Regenten die Wahl zu treffen sein wird. So stehen die Dinge augenblicklich, aber trotzdem bildet die ganze Angelegenheit noch immer den Gegenstand eingehender Betrachtungen und Com- binalionen, die im Augenblick gar nicht am Platze sind. Die Thronfolge ist jetzt, nachdem die Vorbe dingungen geordnet sind, wichtig nur noch für das Herzogthum, nicht aber mehr für das Reich. Diese Vorbedingungen betreffen aber die Wahrung der Interessen des Reiches, d. h. den Ausschluß des Herzogs von Cumberland von der Erbfolge. Nach der Lage der Dinge war eine Thronbesteigung des Herzogs ganz unmöglich, so lange er nicht vollstän dig mit der Vergangenheit brach, und das Letztere ist nicht geschehen. Es man dem Sohne des letzten Königs von Hannover schwer ankommen, das Land zu misten, in dem sein Vater geherrscht, aber das deutsche Reich kann unter seinen Gliedern keinen Fürsten gebrauchen, der eine Agitation zuläßt, die sich mit seinem Namen schmückt und deren Endziel nur durch kriegerische Verwickelungen erreicht werden kann. Wir haben hier eben lediglich mit Thatsachen zu rechnen, und nicht mit Gefühlen der Theilnahme. Wo es das Wohl des Ganzen gilt, muß für den Einzelnen das Mitleid schweigen. Der Herzog von Cumberland wird also mit seiner Proklamation nur auf dem Papier Herzog von Braunschweig sein, und, wie ersichtlich, wird das in der weitaus größeren Majorität der Bevölkerung des Herzogthums nicht bedauert. Davon abgesehen, Hal das Reich aber nicht den geringsten Anlaß, den Braunschweigern irgend einen Wunsch bezüglich ihrer Zukunft zu versagen. Tradition, Handels und gewerbliche Beziehungen verbinden das Land in erster Reihe mit Preußen und diese erste Macht in Deutschland würde diese reiche Erbschaft kaum ausschlagen. Sie hat aber kein Recht — und auch nicht den Willen, sich dieselbe zu erzwingen, denn die Braunschweiger sind Herren ihrer selbst und Huben sich bereits für den Fortbestand der Selbst ständigkeit ausgesprochen. Es ist das erklärlich, und noch erklärlicher der Wunsch, einen neuen Herzog zu erhalten. Das Land ist durch und durch mo narchisch gesinnt, es zählt unter seinen Fürsten eine Reihe großer Namen, was Wunders also, wenn es an dem Herzogthum als solchem, an dem sich so ruhmreiche Erinnerungen knüpfen, festhält? Diesen Wünschen widerspricht die dauernde Ernennung oder Erwählung einzelner Regenten, die kommen und gehen würden, und deshalb war es auch von vorn herein unwahrscheinlich, als es hieß, Prinz Wilhelm von Preußen solle zum Regenten eingesetzt werden. Wir können in aller Ruhe abwarten, welche Ent scheidung Braunschweig am Ende des Trauerjahres treffen wird; welchen Fürsten auch immer Regent- schaftsralh und Landesvertretung zum neuen Herzog wählen werden, es wird ein würdiges Mitglied des deutschen Reiches sein, der seinem Lande eine nicht minder gesegnete Regierung verbürgt, als der ver storbene Herzog Wilhelm. "Waldenburg, 5. November 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat durch einen Fall im Zimmer sich eine Quetschung der rechten Schulter zugezogen und deshalb die für Dienstag Nachmittag geplante Reise zum Grafen Stollberg nach Wernigerode auf gegeben. Zu Bedenken giebt der Unfall nicht An laß. Es geht das schon daraus hervor, daß der Kronprinz am Dienstag an einer Jagd an der Span dauer Sladtforst theilnahm. Der neue chinesische Gesandte in Berlin Hsü- Ching-Cheng, der am Sonntag vom Kaiser in feier licher Antrittsaudienz empfangen war, hat am Dienstag dem deutschen Kronprinzen ebenfalls seine Aufwartung gemacht. An die Reise der beiden Mitglieder des Braun schweigischen Regenlschaflsrathes, GrafGörtz von Wrisberg und Graf von Veltheim, hat sich eine Reihe von Gerüchten geknüpft, die aber aus nahmslos den Stempel der bloßen Vermuthung an der Stirn tragen. Von einem braunschweigischen Correspondenten der „Post" werden dieselben sämmt- lich in das Gebiet der Fabel gewiesen, indem der selbe über diese Reise schreibt: „Die beiden Herrn wollten in Berlin nichts, als dem Danke des Lan des Ausdruck geben, für das Wohlwollen des Kaisers, das sich in dem Antwortschreiben an den Regentschaftsrath zeigt. Graf Wrisberg beabsichtigte zu gleicher Zeit, dem. Kaiser die Dekoration des schwarzen Adlerordens zu überbringen, welche der hochseltge Herzog getragen. Abmachungen irgend welcher Art sind jetzt absolut nicht zu erwarten. Ich weiß auf das Bestimmteste, heißt es dann weiter, daß von completter Seite noch wiederholt dem Her zoge von Cumberland im Laufe des vorigen Som mers dringend angerathen ist, in Berlin Frieden zu schließen. Seil März d. I. war man über den Zustand des Herzogs nicht mehr im Unklaren — man sah einer Auflösung desselben mit Sicherheit entgegen und war überzeugt, daß Se. Hoheit den Winter nicht überleben würde. Das hat der Herzog von Cumberland gewußt. Der Herzog von Cumberland hat nicht minder gewußt, daß man in Braunschweig seine volle loyale Aussöhnung mit dem Kaiser dringend wünschte, aber er hat nichts gethan, den Wünschen der Braunschweiger gerecht zu werden. — Großen Eindruck machen die in der „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlichten Briefe Georg's V. von Hannover, des Vaters des Herzogs von Cumberland, aus denen klar hervorgeht, daß der König eine Wiederauslichtung seines Thrones von einer österreich-französischen Alliance und daraus folgenden Niederwerfung Preußen'- erhoffte, und diese zu fördern strebte. Der deutschen Flotte, welche jetzt nach unseren Besitzungen in Westafrika segelt, giebt die „Nordd. Allg. Ztg." folgende Worte mit auf den Weg: „Die Bevölkerungen in überseeischen Län dern werden stets nur der Macht glauben, welche sie vor sich sehen, und darnach ihr Verhallen ein- richten. Für sie bilden Größe, Zahl und Aus rüstung der Kriegsschiffe den Maßstab der Beur- theilung, wie weit sie sich dem mächtigen Staat zu fügen und dessen Autorität auzuerkennen haben." Es ist zu erwarten, daß unsere Flotte ihren Ein druck nicht verfehlen wird. Im preußischen Arbeitsministerium taxirt man die Kosten für den projectirten Nordo stseekanal, die ein Privatunternehmer auf rund 110 Millionen schätzte, auf 156 Millionen Mark. Die wieder holten Unfälle, welche deutsche Kriegsschiffe bei der Umsegelung Jütland's erlitten, machen übrigens ein reifliches Erörtern der Frage zur dringenden Auf gabe. Bemerkt sei hier gleich, daß als Ersatz für die gescheiterle „Undine" die Brigg „Rover" .in Dienst gestellt ist. Wie es heißt, tritt man in den Kreisen der Reichs- Regierung ernstlich an die Errichtung eines Aus kunftsbureaus für Zollfragen heran. Zweck desselben würde sein, allen deutschen Exportfirmen jederzeit über Zollbestimmungen und Zollpositionen der verschiedenen Länder geschäftliche Auskunft zu ertheilen. Jetzt beanspruchen noch die Conservativen einige bisher als nationalliberal bezeichnete Abgeord nete, als die ihrigen; darnach würden definitiv ge wählt sein: 95 Ultramontane, 67 Conservalioe, 37 Nationalliberale, 31 Deutschfreisinnige, 24 Frei- conservalive, 16 Polen, 14 Elsaß-Lolhringer, 11 Socialdemokraten, 5 Welfen, 2 Volksparleiler. Bei den Stichwahlen betheiligt find: 50 Deutschfrei finnige, 45 Nationalliberale, 26 Conservative, 24 Socialisten, 16 Polen, 12 Freiconservalioe rc. Wie bereits gemeldet, ist die gegen das ergangene Scheidungsurtheil des zu diesem Zwecke vom Groß herzog von Hessen berufenen Gerichtshofes in Sachen des Prozesses Kolemine bei dem Oberlandesgerichte in Darmstadt eingelegte Berufung mittels Erkennt nisses vom 18. Oclober d. I. zurückgewiesen worden. Voraussichtlich wird der Anwalt der Frau von Kolemine gegen dieses Urtheil die Revision beim Reichsgericht einlegen und es wird zunächst abzuwarlen sein, ob der höchste Gerichtshof sich in der Lage befinden wird, seine eigene Zuständigkeit in diesem besonderen Falle auszusprechen. Die Ausfuhr Deutschlands nach den Ver einigten Staaten von Nordamerika weist sehr erfreuliche Zahlen auf. Sie ist von 1881 bis 1883 um über 15 Millionen Dollars, d. h. auf über 66'/r Millionen Dollars (pro 1883) gestiegen. Am meisten ist ausgesührt aus Chemnitz, nämlich 8,540,632 Dollars, Hamburg 6,424,894 D., Berlin 6,093,264 D., Leipzig 4,460,062 D., Braunschweig fast 4 Millionen D., Annaberg 1,742,601 D., Bremen 1,605,004 D., Stettin 1,280,263 D., Dresden 1,091,422 D., Breslau 1,042,948 D., Krefeld 5,328,210 D., Barmen 4,241,502 D., Nürnberg 3,457,395 D., Frankfurt a. M. 3,148,153 D., Köln 1.931,839 D., Elberfeld 2,024,425 D., Sonneberg 2,006,102 D., rc. Wie der Abg. Eugen Richter der „Pos. Ztg." schreibt, wird das Deficit im neuen Reichshaus- haltsetat nicht weniger als 32 Millionen Mark be tragen. Sollte sich die Nachricht bestätigen, so wäre das allerdings gerade keine Freudenbotschaft und der Stand der Reichsfinanzen dann nichts weniger als günstig. Anleihen, neue Steuern, Erhöhung der Beiträge der einzelnen Staaten, eins ist genau so ungünstig wie das Andere, wenn es sich um die Deckung eines solchen Ausfalles handelt. Die Wahl des Abg. Rickert (sreis.) in Danzig ist als ungil»ig zu betrachten und dürfte unzweifel haft als solche erklärt werden. Rickert erhielt eine absolute Majorität von 18 Stimmen, es waren jedoch 61 Ausländer, die liberale K. H. Z. sagt „polnisch-