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ZchönbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis nachmittags 3 Uhr de« vorhergehenden Tages. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. und aldenburger Anzeiger. Der AbonnementSpreiS beträgt vierteljähr lich 1 Ml. SS Pf. Einzelne Nummern 5 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf-, unter Eingesandt 20 Pf. Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^241. Dienstag, den 14. Oktober 1884. -Waldenburg, 11. October 1884. Es wird viel darüber hin und her gestritten, in welcher Lage sich der Bauernstand in Deutschland im Großen und Gauzen befinde. Von guten Ver- hältnisien kann keine Reds sein, von ganz schlechten ebenfalls nicht, denn träfe das Letztere zu, so wäre man längst über die Prinzipienzankerei hinausge kommen. Wir glauben am besten den gegenwärtigen Zustand zu kennzeichnen, wenn wir ihn nach einem Worte des Hallenser Professors Conrad auf dem Congreß des Vereins für Socialpolitik in Frankfurt a. Main als „schwierig" bezeichnen. Das genügt aber auch, nun ernstlich an Mittel zur Besserung zu denken und dafür zu wirken. Von allgemeinem Interesse, ohne daß man allen Punkten zuzustimmen brauchte, ist nun, welche Besserungsmittel der ge nannte Herr in Vorschlag bringt. Professor Conrad empfiehlt zur Besserung der Lage des Bauernstandes zunächst die Verbindung der Landwirthschaft mit der Industrie, namentlich die Heranziehung der Hausindustrie. An eine wirk liche Besserung durch Schutzzölle glaubt Conrad nicht, denn eine bedeutende Steigerung der Getreidezölle zum Zwecke der Preiserhöhung für inländisches Ge treide werde die Industrie in einer Weise benach- theiligen, daß sich bald ein Sturm dagegen erheben werde. Getreidezölle empfiehlt Conrad nur als Retortionszölle gegen die amerikanische Landwirth schaft, aber auch die nur, wenn Deutschland, Frank reich, Oesterreich und womöglich England sich über eine entsprechende Maßregel vereinigen. Da aber die Aussicht auf das Zustandekommen einer solchen Vereinigung sehr gering sei, so müsse man auf andere Mittel denken und da sei zunächst die Association des Bauernstandes und die Organisation des Ab satzes Bei uns sei der Bauer im Gegensatz zu dem amerikanischen Farmer fast ausschließlich auf den Absatz durch Vermittler angewiesen, welche gar kein Interesse haben, den Produzenten praktischen Rath zu ertheilen. Es fehlt bei uns an genügenden Marktplätzen und Getreide-Marklhallen, durch welche auch den Bauern beigebracht wird, was sie vorzugs weise zu produziren haben. Sodann wendet sich Conrad gegen das Erbrecht und seine Anwendung auf die bäuerliche Erbtheilung. Immer mehr be festigt sich die Ueberzeugung, daß das Erbrecht für den Grundbesitz ein anderes sein muß, als für das mobile Capital- Die Landwirthschaft könne nur dann mit Freuden betrieben werden, wenn bei dem geringen Augenblickserfolge wenigstens die Wahr scheinlichkeit vorhanden sei, daß die eigenen Söhne da ernten werden, wo die Väter gesäet haben. Die Testirfreiheit habe sich da, wo sie bestehe, keineswegs segensreich erwiesen für die Zusammenhaltung der Familie. Conrad spricht sich deshalb aus für eine gesetzliche Feststellung des Anerberechts für den Grundbesitz in dem neuen deutschen Civilgesetzbuch. Die Forderungen der Miterben an den Anerben müßten unkündbar und zu etwa 3—3^/r°/o einge tragen werden. Wie ist ferner der Güterschlächterei mit Erfolg entgegenzutreten? Durch Zustimmung der Verwal tungsbehörden zur Gütertheilung in den ersten fünf Jahren nach dem Verkauf; höhere Besteuerung solchen Grundbesitzes, der sich nicht in den Händen von Landwirthen befindet. Die zunehmende Verschuldung in Folge der Steuerverhältnisse müsse gemindert werden durch größere Sparsamkeit seitens der Commune, wie des Staates. Man dürfe nicht beim Bau von Schulen und dergleichen einem Luxus huldigen, vernicht ab solut nothwendig sei. Ferner solle man etwa der Grundsteuer als ablösbare Grundlast erklären. Bezüglich der eigentlichen Verschuldung durch Hypotheken- und Hand-Schulden sei festgestellt, daß der Bauernstand nicht höher verschuldet sei, als der größere Grundbesitz. Die Zahl der schuldenfreien Bauerngüter in ganz Deutschland sei größer, als man geglaubt, außerdem seien auch vielfach Hypo thekenschulden zu Meliorationszwecken ausgenommen. Eine andere Frage sei die Beschaffung der Hypo theken und hier sei die Organisation des landwirth- schaftlichen Genossenschaftscredits zu empfehlen. Ein absolutes Verbot der hypothekarischen Verschuldung sei unmöglich, die persönliche Verschuldung auch viel gefährlicher. Gegen den Wucher sollten solide Dar- lehnskassen gegründet und besonders eine große Landescredilanstalt gebildet werden, welche durch zahlreiche Filialen den Bedürfnissen des Bauern standes Befriedigung verschaffe. -Waldenburg, 13. October 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Am Freitag Nachmittag fand bei Ihren Mas. dem Kaiser und der Kaiserin großer Empfang der in Baden-Baden anwesenden Fremden von Di- stinction und der dortigen Behörden statt. Nach dem Diner, welches Se. Mas. der Kaiser bei dem Für sten von Fürstenberg einnahm, besuchte allerhöchst- derselbe mit den grobherzoglichen Herrschaften von Baden und von Mecklenburg, dem Prinzen Hermann von Sachsen-Weimar und dem Fürsten von Fürsten berg das Salontheater im Kurhause. In dem Befinden des Herzogs von Braun schweig zeigte sich am Sonntag einige Besserung. Die Organisation des Bauernvereins für die Provinz Sachsen nimmt in allen Theilen der Provinz einen so rührigen Fortgang, daß jetzt bereits über 2000 bäuerliche Besitzer dem Vereine beige treten sind. Kleingrundbesitz und Ritlergutsbesitz reichen sich in diesem Vereine zu friedlichem und segensreichem Schaffen die Hand. Ein merkwürdiges Zeichen ist es, daß lediglich die deutschfreisinnige Presse und deren abhängige kleineren Lokal-Zei tungen in der Provinz die Bauernvereine dadurch befehden zu können glauben, daß sie die Personen des Dirigenten in allen Tonarten verläumden und angreifen, gegen die Sache aber niemals etwas Positives ausstellen. Daß der Landverein niemals auf die Personenfrage der freisinnigen Partei ein geht, bringt ihm den Vortheil, daß alle Welt ihm mehr glaubt und mehr Vertrauen entgegenbringt, als der Verleumdungsfirma Parisius, Richler u. Co. Bei unseren gesunden bäuerlichen Einrichtungen finden wir wieder das Sprüchwort bestätigt und auf diese Firma anwendbar: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" und die Thatsache bestätigt dies noch viel mehr, daß auch die national liberalen Kreise der Organisation des Landoereins immer näher treten; so sind innerhalb dieser Woche in dem Kreise Neuhaldensleben 24 Vorträge ge halten worden und haben sich über 200 Besitzer in der Börde bereits dem sächsischen Bauernverein angeschlossen. Diese Thatsache beweist, daß man heute am besten vorwärts kommt, wenn man offen seine Farbe bekennt und nicht, wie es der Fort schritt in diesen Gegenden zu machen beliebt, sich einfach liberal statt freisinnig bezeichnet, natürlich aus dem Grunde, um die Nationalliberalen durch Vas Wort „liberal" einzufangen. Bamberger, wir würden es nicht glauben, wenn es nicht sein Parteiorgan, die „Lib. Corr.", selber berichtete, hält also an seinem im letzten Reichstage bei der Dampfersubventionsvorlage eingenommenen Standpunkt auch jetzt noch fest. Das war der Nasenstüberslandpunkt. Bamberger wollte Colo nien, beziehungsweise Schutzgebiete an fernen Meeres küsten auch dann nicht haben, wenn sie, wie sich der Kaiser ausdrückte, dem Staate wild entgegen« wüchsen, wenn dort Reichsangehörige auf eigene Gefahr Pflanzungen gegründet, Handelsverbindungen angeknüpft, Gebiete erworben hätten und dieselben unter den Schutz des Reichs stellen wollten. Denn, so meinte Bamberger, das könne uns Gefahr bringen, wenn fremde, seemächtige Nationen in Streit mit den dortigen Deutschen geriethen und einer solchen Ansiedlung und somit auch dem Deutschen Reiche einen Nasenstüber versetzten. Die Abfertigung, welche der Kanzler diesem Bekenntniß der Furcht vor den Ausländer tn jener berühmten Commissions sitzung des Reichstages angedeihen ließ, schlug in die Herzen aller Deutschen so zündend ein, daß wir sie hier nicht noch einmal zu wiederholen nöthig haben. Die Herren in Alzey, denen Bamberger jenen Standpunkt abermals entwickelt hat, freilich wohl mit etwas vorsichtigeren Wendungen, werden ja bei der Wahl Gelegenheit haben, zu zeigen, ob sie die Nasenstüberfurcht theilen oder in dieser Be ziehung anders denken als ihr bisheriger Vertreter. Oesterreich. Als Zweck der Congo-Conferenz wird offiziös bezeichnet die Reform und Codification des inter nationalen Colonialrechtes auf Grund des leitenden Gedankens, das künftig allen Colonien Handelsfrei heit für sämmtliche Nationen gesichert werde. Eng land werde die Conferenz nur widerwillig beschicken. Die feierliche Schlußsteinlegung der Wiener Univer sität hat am Sonnabend Nachmittag 2 Uhr durch den Kaiser stattgefunden. Im Festsaale hatten sich die Erzherzöge Karl Ludwig, Albrecht, Rainer und Wil helm, die gemeinsamen cislaithanischen Minister und Statthalter, der Landmarschall, die Bürgermeister, die Gemeinderäthe, die Spitzen der Civilbehörden, die sämmtlichen Professoren der Universität und anderer Hochschulen, Abgeordnete, wie der Erzbischof mit der Geistlichkeit versammelt. Der Kaiser wurde beim Hauptportale von dem akademischen Senate empfangen und nach dem Festsaal geleitet. Er er- wiederte auf eine Ansprache des Rectors Zschokke: Es freut mich, diese schöne Heimstätte der ersten Bildungsanstalt des Reiches in so glänzender, kunst reicher Weise vollendet zu sehen, mögen der Jugend, welche hier die Quelle des Wissens, die Elemente des Berufes, des künftigen Lebensglückes aufsucht, dieselben jederzeit in vollem Maße geboten werden und möge sie selbst, indem sie sich der großen, für diese reiche Bildungsstätte aufgewendeten Opfer dank bar erinnert, erstarken in allen Zweigen der Er- kenntniß und Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande. Es wird meinem Herzen wohlthun, in den Fort schritten echter Wissenschaft und Tugend die Bürg schaft einer glücklichen Zukunft zu erkennen und gern versichere ich in dieser Hoffnung die Lehrer und Schüler dieser Hochschule für alle Zeit meiner be sonderen Gnade und Fürsorge. (Begeisterte Hoch rufe.) Hierauf folgte die Verlesung und Unter zeichnung der Bauurkunde, der Vortrag eines Fest chorals, die Vorstellungen der Bauleiter und ein Rundgang. Bei dem Verlassen des Gebäudes er tönten begeisterte Hochrufe auf den Kaiser. Die Ordnung innerhalb des Gebäudes wurde durch Corps- studenten musterhaft aufrecht erhalten. Frankreich. Die Budget-Commission hat am Sonnabend definitiv das Budget pro 1885 festgesetzt. Sie hat fast sämmtliche Steuervorschläge des Herrn Finanzministers Tirard abgelehnt, dagegen die Er höhung der Anschläge für die Einnahme aus den Posten, den Telegraphen, dem Tabak, Essig, Zucker und Streichhölzern angenommen. Außerdem hat