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Die Sendung kann in diesem Falle dem Adressaten, wenn er bekannt ist oder sich zu legitimiren vermag, ohne eine vorhergegangene Avifirung ausgeliefert werden. Die künftige Reichstagsmehrheit wird sich bekanntlich entweder aus den Conservativen und Nationalliberalen zutammensetzen, oder sie wird, wenn diese bei den Wahlen unterliegen sollten, dem katholischen Centrum und den Deutschfreisinnigen gehören, die sich schon auf dem letzten Reichstag« näher getreten sind. Dazu, daß eine der Parteien allein die Mehrhrit im Reichstage haben werde, ist nicht die allermindeste Aussicht vorhanden. Der Regierung liegt selbstverständlich viel daran, daß sie nicht eine aus dem Centrum und den Freisinnlern zusammengesetzte Mehrheit sich gegenübersieht, damit endlich einmal das von Rom abhängige Centrum aufhört, die in deutschen Dingen ausschlaggebende Partei zu sein. Von den Erfolgen der National liberalen gegenüber den Katholiken und Freisinnigen hängt also die künftige parlamentarische Lage ab. Schweiz. Der Bundesrach hat 6 dem Handwerkerstand« angehörende Personen wegen anarchistischer Umtriebe aus der Schweiz ausgewiesen. Frankreich. Spuller, gegenwärtiger Vicepräsident der Depu- tirtenkammer und ehemaliger Intimus Gambetta's, hat in Grenoble eine phrasenreiche Revancherede gehalten. Er meint, der große Jahrestag der Revo lution von 1789 werde nicht vorübergehen, „ohne daß Frankreich wieder von der verzückten Welt in der ganzen Schönheit seines Genie's, in dem ganzen Strahlenkranz feines Ruhmes erscheinen wird." Es ist schon möglich, daß diese schönen Worte in Er füllung gehen; wenn aber der Ruhm bei uns geholt werden soll, könnte aus dem „Strahlenkranz" leicht eine ordentliche Tracht Prügel — neue Auflage von anno 70 — werden. Italien. Die Cholera ist unter 200 Todesfälle und 400 Erkrankungen in Italien heruntergegangen, doch kommt aus Genua die schlimme Botschaft, daß dort am Donnerstag 60 Personen — die amtliche Meldung sagte nur von 9 — erkrankt seien. Hoffentlich spinnt sich hier nicht noch eine solche gräßliche Epi demie, wie in Neapel an! Belgien. Die Unruhen in Brüssel scheinen, soweit sie offen zu Tage getreten sind, nunmehr ihr Ende gefunden zu haben. Der Donnerstag verlief völlig ruhig. Dagegen stellt sich die republikanische Agi tation als ziemlich ernst heraus. Bei 76 Personen, welche der republikanischen Liga beigetreten sind, wurden Haussuchungen abgehalten, wobei viele Schriftstücke und Waffen beschlagnahmt wurden. Gegen Alle ist die Anklage wegen Complots zum Negierungsumsturz erhoben. Die Panik in den hohen offiziellen Kreisen ist groß. Die Liberalen verwahren sich ausdrücklich dagegen, daß sie mit den Republikanern unter einer Decke gesteckt haben sollen. England. Aus Südafrika kommen kriegerische Nachrichten. Die Boern breiten sich mächtig aus und die Engländer der Capcolonie fürchten, der Boern Ein fluß könnte selbst den ihrigen besiegen. Deshalb drängen sie aus allen Kräften zum Kriege. Die Engländer haben schon wiederholt bekanntlich von den Boern tüchtige Hiebe bekommen. Ein lustiger Krieg, wie der zwischen Frankreich und China wird das gerade nicht. Rufiland. Das russische Kaiserpaar hat seinen Aufenthalt in Polen über alle Erwartung lange ausgedehnt. Es scheint das geschehen zu sein, um den aus allen Theilen Polen's herbeiströmenden Bauerndeputatio nen Gelegenheit zu geben, ihren Herrscher zu be grüßen. Wie verschiedentlich gemeldet wird, sollen die Bauern große Begeisterung an den Tag legen. Die Rückkehr des Czaren und der Czarin nach Petersburg erfolgt spätestens zum Sonntag. » Rumänien. Das österreichische Kronprinzenpaar traf Donnerstag Abend zum Besuch bei dem König und der Königin im Castel Pelesch in den Karpathen ein. Abends fand Feuerwerk und Galadiner statt. Türkei. Zur Charakteristik der türkischen Postbeamten wird der Pol. Corr, aus Konstantinopel geschrieben: In den letzten Tagen ist bei der türkischen Post und zwar bei dem Cenlralbureau in Stambul, ein Geld diebstahl vorgekommen, als dessen Thäter sich der Vorstand der Abtheilung für die ankommenden Geld sendungen, Nazmi Effendi, herausstellte. Derselbe wurde sofort verhaftet, legte vor dem Untersuchungs richter ein vollständiges Geständniß ab und machte gleichzeitig alle seine Mitschuldigen namhaft. Dar unter befand sich auch der Vorsteher der Abtheilung für abgehende Geldsendungen, Ali Riza Effendi, und auch dort fand sich ein großes Deficit. Der Ver brecher fand jedoch Gelegenheit zu entwischen und sich zu erschießen. Egypten. Eine Mitlheilung aus Kairo besagt, daß die von den Mächten überreichte Note gegen die Einstellung der Staatsschuldentilgung diesen Beschluß als eine flagrante Verletzung des egyptischen Liquidations gesetzes bezeichnet, den Gläubigern Egypten's alle ihnen gesetzlich zustehenden Rechte vorbehält, den be züglichen Erlaß des egyptischen Staatsministeriums für null und nichtig erklärt und das letztere für alle Folgen verantwortlich macht. Derb — aber gut! Aus dem MuldenthaLe. *Waldenburg, 27. September. Am gestrigen Tage hat sich hterselbst ein aus einigen zwanzig Herren bestehendes Wahlcomits für die Wahl des Herrn Leuschner zum Reichstagabgeordneten gebildet, welches die Wahlagitation für diese Candidatur im Waldenburger Amlsgerichlsbezirk ins Werk zu setzen gedenkt. Möge seine Thätigkeit von Erfolg gekrönt sein. *— Anläßlich des 25jährigen Berufsjubiläums des derzeitigen Leiters der Spinnfabrik in Amerika bei Penig, des Herrn Commerzienrath Leo, findet heute im Rosenfeld'schen Gasthofe zu Remse ein für sämmtliche Arbeiter genannter Fabrik, ca. 700 an der Zahl, veranstaltetes Fest statt, bestehend in Tafel mit nachfolgendem Ball. *— Morgen Sonntag nachmittag 4 Uhr findet im Kaiserhof zu Meerane die diesjährige ordentliche Generalversammlung des Glauchauer Kreisvereins für innere Mission statt und verfehlen wir nicht, auch an dieser Stelle hierauf aufmerksam zu machen. — Beim Steinkohlenwerke von Sarfen's Erben zu Bockwa stürzte kürzlich an einem Abbauorte der Häuer Carl Neubert aus Wilkau von einer durch brechenden Rüstung herab und erlitt dabei schwere Verletzungen. Ferner wurde von einem Orte des V^rtrauensschachtes zu Schedewitz der Häuer Lenk aus Niederplanitz durch Entzündung von schlagenden Wettern verletzt. Aus dem Sachsenlanve. — Vom I. October 1884 ab werden in Sachsen 5 Berginspectionsbezirke mit folgender Abgrenzung gebildet: Berginspection Freiberg I, der Erzbergbau im nördlichen Theile des Freiberger und in dem Marienberger Revier; Berginspection Freiberg II, der Erzbergbau im südlichen Theile und in dem Altenberger Revier; Berginspection Dresden, der Steinkohlenbergbau im We-ßeritzgebiete und der Braunkohlenbergbau im Bautzner Regierungsbezirke; Berginspection Chemnitz, der Steinkohlenbe-gbau im Bezirk der Amtshaupt.nannschaften Chemnitz und Glauchau, sowie der Braunkohlenbergbau in den Regierungsbezirken Dresden, Leipzig und Zwickau; Berginspection Zwickau, der Steinkohlenbergbau im Bezirke der Stadt und Amtshauptmannschafl Zwickau, sowie der Erzbergbau in dem Schneeberger, Johann- georgenstädter und Scheibenberger Revier. Den Berginspectoren werden zur Beihilfe und Stellver tretung je ein oder mehrere Assistenten nach Bedarf beigegeben. — Nach einer allerdings noch unverbürgten Mit- theilung soll an zuständiger Stelle die Frage erörtert werden, das 2. Ulanenregiment Nr. 18 von Roch litz und Geithain nach Wurzen oder Leipzig zu ver legen. Die Stadt Wurzen soll sich erboten haben, eine Kaserne zu erbauen. — Die Erfordernisse zur Erlangung der Doctor würde haben die Facultäten der Universitäten des deutschen Reiches neuerdings einer Revision unter zogen und dabei ist eine Reihe von Ungleichheiten in den Satzungen der einzelnen Facultäten beseitigt worden. Dagegen sind die Honorarbedingungen in ihrer Buntscheckigkeit bestehen geblieben. Während z. B. dir juristische Facultät in Leipzig von den Doctoranden 562 Merk einfordert, begnügt sich die entsprechende Freiburger Facultät mit 200 Mk. und die Sätze der übrigen juristischen Facultäten bewe gen sich innerhalb, dieser Grenzen. — Im zehnten Reichstagswahlbezirke, welcher die Städte Döbeln, Leisnig, Waldheim, Mügeln rc. sammt Umgebung umfaßt, wird der Wahlkampf diesmal höchstwahrscheinlich heftig entbrennen, da sämmtliche Parteien, die nationalliberale, fortschritt liche, conservative und socialdemokratische, Caudidaten aufzustellen gedenken. Wieder einmal ein Bild der deutschen Einigkeit. — Auf dem Bayrischen Bahnhof in Leipzig kamen am Donnerstag vier große, etwa 9 Centner schwere Ballen mit Druckschriften aus Stuttgart an. Wie die beigesügte Declaration besagte, enthielten sie ungebundene Kalender. Diese Sendung war an einen dortigen Gewerbetreibenden adressirt. Vor Abfertigung derselben fanden sich jedoch Beamte der Criminalpolizei in der betreffenden Güterexpe dition ein, welch« besagte Ballen vorläufig in Be schlag nahmen. Nachdem letztere amtlich geöffnet worden war, ergab sich, daß ihr Inhalt aus etwa 50,000 Exemplaren eines Wahlaufrufs der social demokratischen Partei bestand, in welchem für die dort aufgestellten Candidaten der Partei, Bebel und Viereck, unter Darlegung des socialistischen Pro gramms, gewirkt werden sollte. Diese Exemplare wurden zunächst auf Grund des Socialistengesetzes beschlagnahmt. — Während der ersten beiden Meßtage brachten die Eisenbahnzüge nahe an 90,000 Fremde nach Leipzig. — Am 15. October nehmen an der Leipziger Universität die Vorlesungen für das Wintersemester ihren Anfang. Am 3. October begeht der Univer- sitätsprosessor Fechner dort das 50jährige Jubiläum als ordentlicher Professor. — Bezüglich des beim Landgericht zu Chemnitz gegen verschiedene Führer der deutschen Sozial demokratie wegen der Theilnahme am vorjährigen Sozialistenkongreß in Kopenhagen eingeleiteten gericht lichen Verfahrens wird der linksfortschrittlichen Ber liner „Volks-Ztg." aus Sachsen geschrieben: Außer Herrn Bebel sind in dieser Angelegenheit nun auch noch die Herren Auer in Schwerin, Dietz in Stutt gart und Viereck in München als Beschuldigte ver nommen worden. Herrn von Vollmars gegenwärtigen Aufenthalt weiß das Landgericht zu Chemnitz nicht, deßhalb macht es bekannt, „daß der Offizier a. D. Georg Josef Karl Heinrich von Vollmar aus Mitt weida in einer in Chemnitz anhängigen Untersuchung als Beschuldigter zu vernehmen, sein dermaliger Aufenthaltsort aber nicht zu ermitteln gewesen ist. Herr von Vollmar wird aufgefordert, sich zu melden; gleichzeitig werden die Polizeibehörden ersucht, den pp. Vollmar im Falle Betreffens hieraus aufmerk sam zu machen". Vollmar hat seinen Wohnsitz in Mittweida, doch hält er sich seit längerer Zeit auch in München resp. in Oberbaiern auf. (Er hat dort in jüngster Zeit in verschiedenen Arbeiterversamm lungen gesprochen.) Vorläufig scheinen nur diejenigen Theilnehmer am Kopenhagener Kongreß angeschuldigt zu sein, welche bei der Rückreise sistirt resp. ver haftet worden sind. ' — Der Generallieutenant und Divisionscomman- deur v. Rudorfs, General L la suits Sr. Majestät des Königs, hat an die königl. Amtshauptmannschaft zu Freiberg ein Schreiben gerichtet, welches im Namen der comvinirten 23. Division allen betheilig- ten Gemeinden des Freiberger Bezirks für die den Truppen bei den diesjährigen Herbstübungen ge währte freundliche Aufnahme den herzlichsten Dank ausspricht. — In der Nacht zum Mittwoch sind in Pirna wieder mehrfach Numnlern der socialdemokratischen Wochenschrift „Der Sozialdemokrat" verbreitet wor den und zwar hat man nicht, wie am letzten Male, solche durch die Post einzelnen Einwohnern über mittelt, sondern dieselben unter den Hauschüren hin durch geschoben. — Am vorigen Freitag brannte in Roßwein die Scheune des Weißgerbeimeisters Müller niever. Die angestellten Nachforschungen haben ergeben, daß dieses Schadenfeuer von 4 Knaben im Aller von 6—14 Jahren unter Benutzung von Petroleum und Stroh angelegt worden ist. — Auf dem Bahnhofe in Coswig ereignete sich in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag ein Unfall, dessen Verlauf unter den obwaltenden Um ständen noch als günstiger bezeichnet werden muß, obgleich ein nicht unerheblicher Schaden entstand. Es passtcte nämlich den vor dem Bahnhofe gelegenen Chausseeübergang ein beladener Möbelwagen gerade zu der Zeit, zu welcher der Courierzug von Berlin angefal en kam. Der Locomolivführer war wegen der Henschenden Finsterniß nicht in der Lage, das Geschirr so zeitig zu bemerken, daß er den Zug noch hätte anhalten können, und so erfolgte denn ein heftiger Zusammenstoß, welcher die Zertrümmerung des Möbelwagens sammt Inhalt zur Folge halte. Glückliä er Weise blieben der Zug im Geleise und der Gejchirrführer ebenso wie die Pferde unverletzt. Die Locomotive des Courierzuges war durch den Zusammenstoß dienstunfähig geworden, weshalb der Zug in Coswig dis zur Herbeischaffung einer Hülfs- maschine einen Aufenthalt von ca. einer Stunde erlitt. — Wie im vorigen Jahre, so fällt auch, einem Berichte aus Riesa zufolge, in diesem Jahre die Jagd auf Rebhühner sehr kümmerlich aus. Die Klagen der Jäger darüber sind allgemein. Dagegen soll die vom 1. Oktober ab beginnende Hasenjagd