Volltext Seite (XML)
ZchimbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr d«S vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Tolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 31. August 1884. ^L2t>4. "Waldenburg, 30. August 1884. Nur wenige Wochen — 5—6 — trennen uns noch von den Wahlen zum deutschen Reichstage, der dann möglichst bald zusammentreten soll. Was wird uns der Reichstag bringen? Um so berech tigter ist die Frage darnach bei der allgemeinen Unwissenheit, welche hierüber herrscht. Gerade darauf ist es wohl zurückzusühren, daß bisher noch von keiner Partei ein offizieller Wahlaufruf erlassen ist, darauf, daß die Wahlbewegung überhaupt so spät in größerem Umfange beginnt. Ganz anders sah es vor 3 Jahren aus, wo schon während der letzten Session der Streit hin und her wogte, während in diesem Jahre bisher immer noch verhältnißmäßige Stille herrscht. Den Mangel an Klarheit über die Absichten der Reichsregierung, welcher jetzt herrscht, kannte man 1881 nicht; Tabaksmonopol und Un fallversicherung waren Punkte, um die sich Alles drehte. Heute fehlt dieser einheitliche Mittelpunkt. Wie es scheint, hegt der Reichskanzler, angesichts der bisherigen Lage im Reichstage, die Absicht, den Ausfall der Wahlen abzuwarlen, bevor er seine Pläne, soweit sie die Thätigkeil des nächsten Reichs tages betreffen, zur Kenntniß bringt. Es ist bekannt, daß im Reichstage keine Partei die Majorität hatte, und in Folge dessen verschiedentlich durch einen reinen Zufall Gesetze abgelehnt und angenommen wurden. Wenn es Fürst Bismarck's dringender Wunsch sein muß, eine feste, constante Mehrheit im Reichstage zu haben, so ist die Erfüllung doch nicht so leicht, zumal die Verhältnisse der Parteien unter einander, auf welche der Kanzler rechnet, noch lange nicht geordnet sind. Aus der eifrigen Unterstützung, welche in der „Nordd. Allg. Ztg." der national- liberalen Partei zu Theil wird, geht zur Genüge hervor, daß Fürst Bismarck eme stärkere Vertretung dieser Partei dringend am Herzen liegt. Allein die Einigung der Nationalliberalen mit den Conserva- tiven zur Bekämpfung gegnerischer Wahlcandidateu stößt bei den strengen Conservativen doch noch auf gewaltige Hindernisse, zumal die „Nordd. Allg. Ztg." als Gegner auch die Mitglieder der Centrumsparlei angesehen wissen will. Die Nationalliberalen werden deshalb in verschiedenen Fällen doch allein vorgehen müssen. Bei der Reservirtheit, welche die Reichsregierung gegenüber einem festen Wahlprogramm beobachtet, wird es sich also in Wahrheit diesmal um einen Kampf der Parteien untereinander handeln, und daraus folgt vor allen Dingen die Nothwendigkeit eines klaren und offenen Aussprechens. Gerade weil wir nicht wissen, was der Reichskanzler auf dem Gebiet der Steuerpolitik u. s. w. beabsichtigt, müssen wir von den Parteien hören, was sie wollen. Daß der nächste Reichstag wiederum Gelegenheit haben wird, sich mit der Colonialpolitik zu beschäftigen, wissen wir, ebenso, daß vielleicht das Gesetz über die Altersversorgung von Arbeitern vorgelegt wird. Auch darüber fehlen aber spezielle Details. Kein Wähler hat Veranlassung, die Katze im Sack zu kaufen; er kann von dem Candidalen, welcher sich präsentirt, volle Klarheit, ohne alle Hinterthüren und Umschweife, verlangen. Und darauf sind vor Alle« auch die Wahlaufrufe anzusehen! "Waldenburg, 30. August 1884. Politisch« Rmidsch»«. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm unternahm Freitag Nachmittag im Park von Babelsberg eine Spazierfahrt. Zur Tafel war u. A. auch Staatssekretär vr. Stephan mit einer Einladung beehrt. Ueberdie bevorstehende Mona rchen-Zusammen- kunft wird aus Petersburg geschrieben: Bei einer gleichzeitigen Begegnung der drei Kaiser dürften die Kaiser von Deutschland und Oesterreich wohl Gäste des Kaisers Alexanders III. werden. Die Begeg nung, mag sie nun in der einen oder der andern Form erfolgen, wird eine solenne Bekräftigung des trefflichen Einvernehmens bilden, welches zwischen Rußland und den beiden alliirten Kaisermächten er freulicherweise schon seit längerer Zeit besteht. Die wohlthuende Wirkung dieses Einvernehmens für den Frieden und speziell für die Ruhe im Orient ist wiederholt in markanter Weise hervorgetreten. In dem Jagdschlösse Skierniewice werden umfangreiche Vorbereitungen getroffen, aus denen hervorgeht, daß der Czar den größeren Theil seines Aufenthaltes in Polen dort zu verbringen gedenkt. Dort wird auch voraussichtlich die Entrevue stattfinden. Am Freitag ist über das Befinden der Prinzess in Wilhelm von Preußen folgendes Bulletin ausge geben: I. K. Hoheit die Frau Prinzessin Wilhelm hat in der vergangenen Nacht mehrere Stunden gut und erquickend geschlafen. Körpertemperatur und Pulsfrequenz sind erheblich gefallen. Ebmeier. Velten. In der „Nordd. Allg. Ztg." war bekanntlich auch das Centrum als eine von Conservativen und Nationalliberalen gemeinsam zu bekämpfende Partei hingestellt. Der „Wests. Merkur" ant wortet darauf: Zur Sühne solcher unqualificirbarer Angriffe werden wir ein oder zwei Dutzend gouvernementalerCandidaten auf den Holzstoß binden. In Duisburg muß sofort ein freisinniger Candidat aufgestellt werden und für ihn wird das Cenlrum dann im ersten Wahlgange stimmen. — Die Zeit der Stichwahlen wird kommen und dann werden die Regierungscanvidaten zu büßen haben, daß ihnen die Augen übergehen." Das Wiener Fremdenblattsagtanläßlich des dem Kaiser Wilhelm im Park von Babelsberg zuge stoßenen Unfalls: Die dankerfüllten Kundgebungen, welche aus allen Gauen Deutschlands für die von dem Leben des ehrwürdigen Herrschers glücklich ab gewendete Gefahr sich erheben werden, schließen sich gleich uns in Oesterreich-Ungarn wohl alle Völker an, die in Kaiser Wilhelm den thatenreichen, er habenen Schirmer des europäischen Friedens verehren. Verschiedene Blätter beschäftigen sich bereits mit einem Nachfolger des General-FeldmarschallsFrhrn. v. Manteuffel als Commandeur des 15. Armee korps. Einstweilen ist, wie man der „Nat.-Ztg." schreibt, thalsächlich nur von der Absicht des Feld marschalls, das Armeekorps-Commando niederzulegen, die Rede. Ausgeführt ist diese Absicht noch nicht, und daher die Nennung von Nachfolgern gewiß nicht zutreffend. Vielleicht wird die Ernennung eines solchen gleichzeitig mit der für den erledigten Posten eines Gouverneurs von Straßburg erfolgen. In militärischen Kreisen halte man für den Posten des Commandeurs des 15. Armeekorps längst den jetzigen Commandeur der 1. Garde-Jnfanterie-Division, v. Kleist, oder den Militär-Bevollmächtigten in Peters burg, General v. Werder, genannt, doch sind auch dies nur Vermuthungen. Bezüglich des Termins für die Reichstags wahlen schreibt die „Nat.-Lib. Corr.": „In hiesigen parlamentarischen Kreisen wird angenommen, daß der Termin für die Reichstagswahlen in die zweite Hälfte des Octobers verlegt werden und in den nächsten Tagen die bezügliche offizielle Bekannt machung erfolgen werde. Die Gerüchte, welche von einem späteren Wahltermin wissen wollten, werden für unzutreffend gehalten. Es wird gegen eine spätere Ansetzung der Wahl schon die Nothwendig keit geltend gemacht, die parlamentarische Arbeit spätestens im November zu beginnen, wenn sich nichtdie größten Unzuträglichkeiten herausstellen sollen. Die deulsch-conservative Partei hat ihren Aufruf für die Reichstagswahlen soeben veröffent licht. Der Inhalt spricht sich in folgenden Schluß worten aus: „Wer, im Gegensatz zu dem nach Parlamenlsherrschast lüsternen Liberalismus, ein entscheidendes Gewicht legt auf die moralischen Grundlagen unseres Staatslebens, wer auf dem unverrückbaren Grunde christlicher Weltanschauung stehend, einzutceten gewillt ist für die focialen Ziele der Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881 und insbesondere die Verbesserung der Lage der Arbeiter, die Hebung des Handwerkerstandes und die Erhaltung eines kräftigen Grundbesitzerstandes erstrebt; wer die Nothwendigkeit des Schutzes unserer nationalen, insbesondere landwirthschaftlichen Produc tion anerkennt; wer die gerechte Besteuerung des mobilen Capitals, insbesondere der Börse fordert, wer die nationale Colonialpolitik energisch unter stützen, wer die volle Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes erhallen und die bewährte Organisation unserer Armee gegen alle Angriffe vertheidigen, wer die bestehende Ordnung gegen die revolutionären Umsturzpläne der Socialdemokratie schützen will, der trete mit aller Kraft und Energie ein für die Wahl deutschconservativer Abgeordneter. Wo aber solch eine Mehrheit nicht zu erreichen ist, da unter- » stütze ein Jeder denjenigen Candidaten anderer Par teien, welcher bei Beantwortung der an ihn zu stellenden Fragen unserer conservativen Anschauung am weitesten entgegenkommt." Zur Beurtheilung des regen Handelsverkehrs, welcher Europa mit Westafrika, insbesondere auch mit jenen Gebieten verbindet, welche in jüngster Zeit unter deutschem Schutz gestellt wurden, ent nehmen wir einer Statistik, die sich mit der Ein fuhr nach Westafrika im Jahre 1881/82 beschäftigt, daß in genannten Jahren die Gesammt-Einfuhr auf 65 Millionen Mark geschätzt wurde. Davon ent fielen auf England etwas über 26 Millionen, auf Deutschland nahezu 22^4 Millionen Mark. In den Rest theilen sich die übrigen seefahrenden Mächte und zwar: Holland als nächst bedeutende Handels- machl nach dort mit fast 6*/- Millionen Mark. Nordamerika mit 4, Frankreich mit 3 Millionen u. s. w. Unter den mit englischer Flagge ver sandten Waaren dürften übrigens noch manche Posten deutschen Ursprungs sein, die über Liverpool verschifft wurden. Die Bedeutung des deutschen Handels nach jenen Zonen ist also schon heut in die Augen springend. In Krefeld ist der 8. Alt-Katholiken-Congreß am Freitag eröffnet worden. 80 Delegirte waren anwesend, darunter Bischof Reinkens. Die chinesischen Attaches Lien und Pan von der vormaligen Pariser chinesischen Gesandtschaft, welche nach der am letzten Sonnabend erfolgten Abreise des Gesandten Li-Fong-Pao mit dem Obersten Tscheng-Ki-Fong noch in Paris zurückgeblieben war, sind jetzt in Berlin eingetroffen. Der genannte Oberst wird ebenfalls zurückerwartet. Oesterreich. Zwischen den Vereinigten Staaten von Nord amerika und Oesterreich existirt augenblicklich ein kleiner diplomatischer Conflicl. Der österreichische Consul in Pittsburg hatte anläßlich des Geburts tages Kaiser Franz Joseph's über dem Eingänge des Consulatsgebäudes die österreichische Flagge ent faltet. Der Polizeichef des Ortes verfügte in Ge mäßheit der Verordnung gegen das Ausstecken schwingender Abzeichen die Beseitigung der Flagge. Der Consul weigerte sich, der Verfügung nachzu kommen, lehnte auch eine Vorladung vor den Bür-