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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage trud Der Abonnementspreis beträgt Vierteljahr- nach Sonn- und Festtagen. L'NH I lich Mk. ^0 Pf. Beiträge stnd erwünscht und werden I M»! Alle Postanstalten, die Expedition und die eventuell honorirt. iHII I II N IlU I II I TffK NF II t>I^ Eolporteure dieses Blattes nehmen Be- Annahme von Inseraten für die nächster- stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr V 4^ Inserate pro Zeile 10 Pf., unter des vorhergehenden Tages. Eingesandt 20 Pf. —— Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 12. August 18«4 *Waldenburg, 11. August 1884. Die Arbeiterunfallversicheruug. V. Schiedsgerichte. Wir haben im vorigen Artikel gesehen, daß der aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzte Vorstand der Berufsgenossenschaften die Geschäfte im Bezirk derselben leitet. Es hat sich aber auch nölhig erwiesen, noch eine andere Körperschaft, mehr richterlicher Natur, ins Leben zu rufen, welche über Streitigkeiten bei Unfällen entscheidet und namentlich darüber, ob der Unfall durch Verschulden des Ver letzten oder durch Außerachtlassung genügender Vor sichtsmaßregeln seitens des Belriebsunternehmers her vorgerufen ist. Da es in solchen Anlässen sich häufig um technische Angelegenheiten handelt, die einem wenig oder gar nicht vertraut sind, so hat man da von abgesehen, die ordentlichen Gerichtshöfe als entscheidende Instanzen hinzustellen und zur Prüfung und Schlichtung im Gesetze die Schiedsgerichte ge bildet und sie mit den Befugnissen einer richterlichen Behörde ausgestattet. Für jeden Bezirk einer Berufsgenoffenschaft, oder sofern dieselbe in einzelnen Seclionen eingetheilt ist, wird ein Schiedsgericht gebildet. Stellt sich die Nothwendigkeit nach mehreren solchen Instituten in einem Genoffenschaftsbezirk heraus, so kann der Bundesrath eine Vermehrung anordnen. Der Sitz des Schiedsgerichts wird von der Centralbehörde des Bundeestaales, zu welchem der betreffende Ge- nossenschastsbezirk gehört, bestimmt. Erstreckt sich die Genossenschaft über mehrere Bundesstaaten, so erfolgt die Anordnung des Domicils vom Reichs versicherungsamt im Einvernehmen mit den belheilig- ten Regierungen. Jedes Schiedsgericht setzt sich zusammen aus einem ständigen Vorsitzenden und aus vier Beisitzern. Der Vorsitzende wird aus der Zahl der öffentlichen Be amten, mit Ausschluß derer, welche unter das Un- sallgesetz fallen, ernannt und zwar von der Central behörde des Landes, in dem der Sitz des Schieds gerichts gelegen ist. Dasselbe ist mit seinem Ver treter der Fall. Zwei Beisitzer werden von der Genossenschaft resp. der Section derselben, zu welcher das Schiedsgericht gehört, gewählt d. h. also von den Arbeitgebern; die beiden anderen Beisitzer sind von den Arbeitervertretern, von denen wir im vorigen Artikel sprachen, aus der Zahl der sämmt- lichen gegen Unfall versicherten Arbeiter zu wählen, sofern dieselben Orts-, Fabrik-,Innungs-Krankenkassen oder Knappschaftskassen als Mitglieder angehören. Die Mitglieder freier Krankenkassen sind also, wenn sie auch gegen Unfall versichert sind, zu Beisitzern im Schiedsgericht ebenso wenig wählbar, wie zu Arbeilervertretern. Für jeden Beisitzer sind von den zuständigen Factoren zugleich zwei Stellvertreter zu ernennen. Die jedesmalige Amtszeit der Beisitzer dauert vier Jahre. Die ausscheidenden Mitglieder sind wieder wählbar. Das Schiedsgericht ist also, im Gegensatz zu den völlig aus freier Wahl hervorgehenden Genoffenschafts vorständen, als eine Behörde anzusehen, und dem entsprechend sind auch seine Befugnisse. Es kann denjenigen Theil des Betriebe», in welchem der Un fall vorgekommen ist, nicht nur inspiciren, sondern auch Zeugen und Sachverständige eidlich vernehmen. Beschlußfähig ist die Körperschaft jedoch nur, wenn außer dem Vorsitzenden eine gleiche Zahl von Ar beitgebern und Arbeitnehmern, und zwar mindestens je einer, als Beisitzer mitwirken. Die Entscheidungen erfolgen nach Stimmenmehrheit. Im Speciellen soll das Verfahren des Schiedsgerichts noch durch Kaiserliche Ordre mit Zustimmung des Bundesrathes geregelt werden. Die Kosten des Schiedsgerichts, sowie die Kosten des Verfahrens vor demselben trägt die Berufsgenoffenschaft. Die von den Arbeitern gewählten Beisitzenden zum Schiedsgericht erhalten nach durch das Genoffenschaftsstatut zu bestimmenden Sätzen Ersatz für den ihnen in Folge der Theil- nahme an den Verhandlungen entgangenen Arbeits verdienst. Die Beisitzer aus der Zahl der Arbeit geber erhalten keine Vergütung, ebenso darf solche von der Genossenschaft dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter nicht gewährt werden. *Waldenburg, 11. August 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm, der am Freitag früh auf Schloß Babelsberg eingelroffen war, empfing noch im Laufe desselben Tages die Besuche der königl. Prinzen und Prinzessinnen. Am Sonnabend empfing der Kaiser den Besuch der Großfürstin Wladimir von Rußland, der zu Ehren ein Galadiner von 30 Gedecken stattfand. Das Befinden des Kaisers ist trotz der letzten Reisetage ein vorzügliches. Ueber den Aufenthalt unseres Kaisers in Ischl melden österreichische Blätter noch: Die lebens heilere Stimmung des deutschen Kaisers zeigt, daß er nicht glücklicher die Nachkur für Gastein wählen konnte, als wie sie der Jschler Aufenthalt bietet. Ein diesbezüglicher Ausspruch des Monarchen macht jetzt die Runde in allen Kreisen Jschl's. Der ungarische Ministerpräsident Tisza soll es gewesen sein, zu dem Kaiser Wilhelm im Verlaufe einer leutseligen Conversation sagte: „Es wird mir nicht leicht, Ischl zu verlassen." Auch der Tag der Ab reise begann, wie ein jeder, für den hohen Herrn mit der Arbeit. Kaiser Wilhelm widmete die erste Morgenstunde der Erledigung von Staatsgeschäften und Beantwortung der Privatcorrespondenz; diese meist telegraphisch. Gegen acht Uhr verließ der Kaiser den Schreibtisch und bald darauf wurde der Besuch des Kaisers von Oesterreich angemeldet, welcher ohne jede Begleitung im Hotel eintraf, um seinem Gaste eine Morgenvisite abzustalten, die un gefähr eine halbe Stunde dauerte. Um halb 2 Uhr nachmittags fand in der Kaiservilla das Dejeuner statt. Nach aufgehobenem Tische verabschiedete sich Kaiser Wilhelm von der Kaiserin Elisabeth und der Erzherzogin Valerie auf das Herzlichste. Dem Wunsch der Kaiserin nach einem Wiedersehen beantwortete der scheidende Gast mit einem: „So Gott will, aus's Jahr!" An der Seite unseres Kaisers fuhr dann Kaiser Wilhelm zum Bahnhofe, wo seine Be gleitung schon eingetroffen war. Auch zum Lebewohl war das Kurpublikum Jschl's fast vollzählich er schienen. Arm in Arm verweilten die Monarchen in tiefem Gespräche im Hofwartesalon. Als man die Abfahrtszeit meldete, dankte Kaiser Wilhelm seinem kaiserlichen Freunde für die warmen Zeichen der Freundschaft uns Aufmerksamkeit. Nach wieder holten Umarmungen und Küsten trennte man sich. Die letzten Worte des Kaisers Franz Joseph waren: „Auf ein glückliches, fröhliches Wiedersehen." Eine Entrevue zwischen Fürst Bismarck und Graf Kalnocky steht sicher bevor. Ort noch un bestimmt, da der Reichskanzler nicht nach Gastein geht. Es hat doch geholfen! Die scharfen Hinweisungen, die von der „Nordd. Allg. Ztg." und der „Köln. Ztg." nach London gerichtet wurden wegen der feindseligen Haltung der Engländer gegenüber den deutschen Kolonisationsversuchen in Südafrika ha ben ihren Eindruck nicht verfehlt. Eine ganze Reihe von Blättern räty zur Verständigung mit Deutsch land und weist darauf hin, daß es am meisten England selbst Schaden bringe, wenn es sich mit der ganzen Welt verfeinde. Hoffentlich bricht sich diese Ueberzeugung noch mehr dort drüben Bahn. Generalfeldmarschall Graf Moltke ist zum Kur gebrauch in Bad Ragatz angekommen und im Quellenhof abgestiegen. Zur Untersuchung der bekannten „Diedrich"- Affaire, resp. zur Ergreifung der englischen Plün derer des Fahrzeuges sind das Kanonenboot „Cyclop" und die Glattdeckskorvette „Ariadne" in Dienst ge stellt. Von englischer Seite gemachte Versuche, die Thalsache der Beraubung abzuschwächen, haben sich als vollständig verfehlt erwiesen. Es steht fest, daß der Diedrich von englischen Fischern völlig ausge plündert ist. Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Von einer Mehr zahl der preußischen Amtsgerichte wird die Praxis eingehalten, sämmtliche für denselben Tag in Aus sicht genommenen Termine auf 10 Uhr vormittags anzuberaumen, wenn auch mit Sicherheit beurlheilt werden kann, daß einzelne der in Frage stehenden Verhandlungen nicht vor 11, resp. 12 Uhr beginnen können. Wir müssen in dieser Praxis einen schweren Uebelstand erblicken bezüglich aller Fälle, in denen Geschäftsleute, sei es in eigener Sache oder als Zeugen auf 10 Uhr vormittags vorgcladen, aber in Folge des späteren Beginnes des Termins bis 11 und 12 Uhr und länger zu warten gezwungen sind. Ist die in diesem Falle gewährte Zeugenentschädigung für den Geschäftsmann eine absolut verschwindende, so kommen nicht selten Fälle vor, wo die nutzlos mit Warten vergeudete Zeit für den Gewerbetreibenden eine Quelle sehr bedeutender Schädigungen werden kann, wie solches z. B. stets in flotter Geschäftszeit an Markttagen und bei tausend anderen Gelegenheiten zutrifft. Es ist nicht anzunehmen, daß für die fragliche Gewohnheit der Behörden Rücksichten höherer Art vorhanden sind. In Hamburg untersuchte am Freilag Abend die Polizei den im dortigen Hafen liegenden englischen Dampfer „Elizabeth" und fand anarchistische, in Russisch-Polen gedruckte Schriften, ein Mitglieds- verzeichniß deutscher Anarchisten, sowie ein Paquet mit Dynamit und Sprengbomben. Vier Matrosen, die verhaftet wurden, gestanden, den Verkehr eng lischer und deutscher Anarchisten längere Zeit ver mittelt zu haben. Aus Weimar wird gemeldet: Beim Großherzog in Wilhelmsthal weilte dieser Tage Herr Lüderitz aus Bremen, der demselben durch Gerh. Rohlfs vorgestellt wurde. Der Großherzog bringt dem colonisatorischen Vorgehen Lüderitz in Angra Pe- quenya ein lebhaftes Interesse entgegen. Es scheint sich wirklich zu bestätigen, daß die Ehescheidung des Großherzogs von Hessen in letzter Stunde noch auf Hindernisse gestoßen ist. Auch die „Posener Ztg." meldet, es sei eine That- sache, daß Frau von Kolemine ihren Entschluß, auf die Scheidung der Ehe einzugehen, geändert Hal, bevor das Erkenntniß des Darmstädter Oberlandes- gerichts rechtskräftig geworden war. Das Blatt fügt hinzu: „Daß das Reichsgericht das Scheidungs urtheil der ersten Instanz aufheben wird, falls es wirklich angerufen wird, daran zweifelt kaum ein Jurist. Geschieht dies aber, dann dürfte die Posi tion des Großherzogs nach Allem, was seit der Ein gehung der Ehe geschehen, eine außerordentlich peinliche werden." Unter der Ueberschrift „Das entlarvte Chamäleon oder alte und neue Brieffragmente aus dem Leben eines strebsamen Mannes, so da Zeitungsbesitzer, Volksvertreter und Landesdirector, aber leider noch immer nicht Reichskanzler geworden ist," brachte ein socialistisches Blatt kürzlich eine Samm-